Verwaltungsrecht

Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG

Aktenzeichen  11 ZB 17.30653

Datum:
22.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 124707
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2011/95/EU Art. 8, Art. 40
RL 2004/83/EG Art. 8
AsylG § 3e, § 77 Abs. 2, § 78 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
VwGO § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

1 In § 3e AsylG (vormals § 3e AsylVfG) ist Art. 8 RL 2011/95/EU innerstaatlich mit Wirkung vom 1. Dezember 2013 identisch umgesetzt worden. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Art. 8 RL 2011/95/EU hat Art. 8 RL 2004/83/EG ersetzt (vgl. Art. 40 Abs. 1, Abs. 2 RL 2011/95/EU). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 K 16.31320 2017-03-27 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da kein in § 78 Abs. 3 VwGO genannter Zulassungsgrund hinreichend dargelegt ist (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
Entgegen der Behauptung des Klägers weicht das erstinstanzliche Urteil nicht von einem im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 2012 (10 B 22/12, NVwZ 2013, 282/283 Rn. 7) aufgestellten Rechtssatz ab.
Eine Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Vorschrift (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2004 – 6 PB 15/03 – NVwZ 2004, 889/890) mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz oder einem verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz von einem in der Rechtsprechung der genannten übergeordneten Gerichte aufgestellten Rechts- oder Tatsachensatz oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abweicht und die Entscheidung darauf beruht (vgl. Rusidile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. Erg.lfg. Oktober 2016, § 124 Rn. 42; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 73 m.w.N.). Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 2 B 52/14 – juris Rn. 5). Es genügt nicht, wenn in der angegriffenen Entscheidung ein in der Rechtsprechung der übergeordneten Gerichte aufgestellter Grundsatz lediglich übersehen, übergangen oder in sonstiger Weise nicht richtig angewandt worden ist (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 6 B 35/16 – juris Rn. 12 m.w.N.; Happ, a.a.O.; Rusidile, a.a.O.).
Hier hat das Verwaltungsgericht, anders als behauptet, bereits nicht einen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, dass ein Asylbewerber bei einem nicht landesweiten Konflikt „uneingeschränkt“ auf die Möglichkeit internen Schutzes in den anderen Landesteilen seines Herkunftslandes zu verweisen ist. Vielmehr hat es sich durch Bezugnahme gemäß § 77 Abs. 2 AsylG die tragenden Gründe des angefochtenen Bescheides zu eigen gemacht. Dort ist auf Seite 5/6 ausgeführt, dass eine Rückkehr in andere Teile des Heimatlandes nur unter den im Falle der Kläger gegebenen Voraussetzungen des § 3e AsylG in Betracht kommt. In § 3e AsylG (vormals § 3e AsylVfG) ist Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9) innerstaatlich mit Wirkung vom 1. Dezember 2013 identisch umgesetzt worden (vgl. BayVGH, B.v. 23. Mai 2017 – 13a ZB 16.30630 – juris Rn. 7). Art. 8 RL 2011/95/EU wiederum hat den vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 14. November 2012 angeführten Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304/12) ersetzt (vgl. Art. 40 Abs. 1, 2 RL 2011/95/EU). Nach der ergänzenden Feststellung auf Seite 5 des angegriffenen Urteils, Dritte hätten sich zur Aneignung des Molkereibetriebs der klägerischen Familie die Annexion der Krim zunutze gemacht, hat das Gericht den Kläger lediglich wiederholend auf die bereits in den Gründen des Bescheides dargelegte interne Fluchtalternative in anderen, von der ukrainischen Regierung kontrollierten Landesteilen verwiesen. Eine von der behördlich dargelegten Rechtslage abweichende Rechtsansicht war mit der verkürzten Wiedergabe ersichtlich nicht verbunden oder beabsichtigt. Zu längeren Rechtsausführungen bestand schon kein Anlass, da im Klageverfahren zur Sache nichts mehr vorgetragen worden ist und das Gericht zur Gänze auf die Behördenentscheidung Bezug genommen hat. Dass die Gründe des Bescheides – ungeachtet der zwischenzeitlichen Rechtsänderungen – von einem im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 2012 dargelegten Rechtssatz abweichen, hat der Kläger weder vorgetragen, noch ist dies ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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