Verwaltungsrecht

Ecuadorianischer Staatsangehöriger, Aufenthaltserlaubnis zum Studium, Erreichung des Studienzwecks in einem angemessenen Zeitraum, Prognose, Klage gegen Prüfungsbescheid, Exmatrikulation, Wechsel in anderen Studiengang

Aktenzeichen  M 10 S 22.182

Datum:
2.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 14441
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 16b

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die Ablehnung der Verlängerung seines Aufenthaltstitels zu Studienzwecken.
Der am … September 1993 in Ecuador geborene Antragsteller ist ecuadorianischer Staatsangehöriger. Er reiste erstmals am 2. September 2012 zum Zweck studienvorbereitender Maßnahmen in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er bestand nach eigenen Angaben die Aufnahmeprüfung für das Studienkolleg in Karlsruhe (zweimal) nicht. Nachdem er die Aufnahmeprüfung für das Studienkolleg in Coburg bestand (Beginn Sommersemester 2013), erteilte ihm die Stadt Stutensee hierfür am 18. Februar 2013 eine Aufenthaltserlaubnis. Da der Antragsteller nach seinen Ausführungen von Anfang an das Ziel hatte, an der Technischen Universität München (TU München) Elektrotechnik zu studieren, das Studienkolleg in Coburg hierfür jedoch nicht qualifizierend war, wechselte er zum Wintersemester 2013/2014 an das Studienkolleg in München. Hierfür verlängerte ihm die Antragsgegnerin die bereits erteilte Aufenthaltserlaubnis.
Nach erfolgreichem Abschluss des Studienkollegs in München im Wintersemester 2014/2015 immatrikulierte sich der Antragsteller zum Sommersemester 2015 für ein Studium der Mathematik an der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Regensburg. Hierfür erteilte ihm die Antragsgegnerin am 5. Mai 2015 eine bis 4. August 2017 befristete Aufenthaltserlaubnis.
Zum Wintersemester 2015/2016 begann der Antragsteller an der TU München das Studium Elektro- und Informationstechnik und zum Wintersemester 2016/2017 zusätzlich das Studium der Physik. Die Antragsgegnerin verlängerte die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers am 24. Oktober 2017 für das Studium der „Fachrichtung Elektro- und Informationstechnik“ bis 23. Oktober 2019.
Zum Wintersemester 2018/2019 wechselte der Antragsteller in den Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen. Hierfür beantragte er am 30. Oktober 2019 die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Die Antragsgegnerin erteilte ihm am 30. Oktober 2019 eine Bescheinigung über die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 81 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), die dem Antragsteller fortlaufend verlängert wurde.
Entsprechend der Aufforderung der Antragsgegnerin legte der Antragsteller mit Schreiben vom 29. Oktober 2019 die Hintergründe seiner häufigen Fachrichtungswechsel dar. Insbesondere führte er aus, dass die Immatrikulation an der OTH Regensburg rein der Überbrückung gedient habe, da sein eigentlich gewünschtes Studienfach Elektrotechnik an der TU München nur zum Wintersemester begonnen werden könne. Er habe an der OTH Regensburg keine Vorlesungen besucht und auch keine Prüfungen abgelegt, weswegen er exmatrikuliert worden sei. Aus dem Studiengang Elektro- und Informationstechnik sei er nach dem dritten Semester aufgrund endgültig nicht bestandener Prüfungen exmatrikuliert worden. Da auch in der Fachrichtung Physik die Prüfungen zu schwierig gewesen seien und mit einer Exmatrikulation zu rechnen gewesen sei, habe er nach 4 Semestern in die Fachrichtung Bauingenieurwesen gewechselt.
Nach der von der Antragsgegnerin erbetenen Stellungnahme der TU München vom 28. Februar 2020 könne ein erfolgreicher Studienabschluss im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen frühestens zum Sommersemester 2022 prognostiziert werden, sofern der Antragsteller nach dem Wintersemester 2019/2020 (3. Fachsemester) mindestens 30 ECTS-Punkte erreiche. Mit Prüfungsbescheid der TU München vom 3. Juni 2020 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er die Bachelorprüfung mangels Erreichen der Mindestcreditsumme von 30 ECTS-Punkten nach dem dritten Fachsemester endgültig nicht bestanden habe.
Im Zuge der Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung der beantragten Verlängerung des Aufenthaltstitels teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 21. August 2020 mit, dass er gegen den Prüfungsbescheid vom 3. Juni 2020 Widerspruch eingelegt habe und deswegen der Meinung sei, sein Bauingenieurstudium noch in einem angemessenen Zeitraum abschließen zu können.
Auf nochmalige Nachfrage führte die TU München unter dem 12. Februar 2021 aus, dass der Antragsteller zum Ende des dritten Fachsemesters lediglich 28 ECTS-Punkte erbracht habe. Die Exmatrikulation aus dem Studiengang Bauingenieurwesen sei zum 30. September 2020 erfolgt. Sollte der Widerspruch erfolgreich sein, könne der Antragsteller bei entsprechenden Bemühungen sein Studium in der Regelstudienzeit abschließen.
Zum Wintersemester 2020/2021 begann der Antragsteller den Bachelorstudiengang Geowissenschaften. Nach dem hierzu vorgelegten Kontoauszug der TU München vom 14. Oktober 2021 nahm er in diesem Studiengang bisher an 7 Prüfungen teil, von denen er 6 (teilweise wiederholt) nicht bestand. Aufgrund einer bestandenen Prüfung erzielte er 3 ECTS-Punkte (von insgesamt 180 erforderlichen ECTS-Punkten).
Im Rahmen der erneuten Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags führte der Antragsteller mit Schreiben vom 28. Oktober 2021 aus, dass er mit der Immatrikulation in der Fachrichtung Geowissenschaften keinen Fachrichtungswechsel verfolge. Er habe diesen Studiengang lediglich begonnen, um weiter an Kursen und Prüfungen des Studiengangs Bauingenieurwesen teilnehmen zu können und sich die dabei erzielten Leistungen bei Erfolg des Widerspruchs gegen den Prüfungsbescheid und erneuter Immatrikulation im Fach Bauingenieurwesen anrechnen lassen zu können.
Mit Widerspruchsbescheid der TU München vom 15. Oktober 2021 wurde der Widerspruch des Antragstellers gegen den Prüfungsbescheid zurückgewiesen. Über die hiergegen erhobene Klage zum Verwaltungsgericht München (Az. M 3 K 21.6226) ist noch nicht entschieden.
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2021, zugestellt ausweislich der Postzustellungsurkunde am 13. Dezember 2021, lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 30. Oktober 2019 ab (Nr. 1) und verpflichtete den Antragsteller, das Bundesgebiet bis zum 22. Januar 2022 zu verlassen (Nr. 2). Ferner kann nach Nummer 3 des Bescheids ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von bis zu einem Jahr für die Bundesrepublik Deutschland sowie die Schengenstaaten angeordnet werden, sollte der Antragsteller die Ausreisefrist schuldhaft und erheblich überschreiten. Im Übrigen wird dem Antragsteller für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Ecuador angedroht (Nr. 4).
Ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken nach § 16b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 4 AufenthG bestehe nicht. Die Prognose, ob und gegebenenfalls wann mit einem erfolgreichen Studienabschluss des Antragstellers gerechnet werden könne, sei negativ. Nach mehreren Fachrichtungswechseln studiere der Antragsteller nunmehr Geowissenschaften. Er habe insgesamt bereits 14 Hochschulsemester studiert und könne bisher keinen erfolgreichen Abschluss vorweisen. Er habe im Studiengang Bauingenieurwesen zum Abschluss des dritten Fachsemesters lediglich 28 anstatt der erforderlichen 30 ECTS-Punkte erreicht. Im Studiengang Geowissenschaften habe er lediglich 3 ECTS-Punkte erzielt. Im Studienfach Bauingenieurwesen sei er exmatrikuliert worden, weswegen der Studienabschluss nicht mehr erreicht werden könne. Der diesbezügliche Widerspruch sei zurückgewiesen worden. Auch aufgrund der bisherigen Studienleistungen sei nicht davon auszugehen, dass er sowohl den aktuellen Studiengang Geowissenschaften als auch Bauingenieurwesen innerhalb der Höchststudienzeit von insgesamt 10 Jahren erfolgreich beenden könne. Ein kontinuierlicher, leistungsorientierter und ernsthafter Studienverlauf sei beim Antragsteller nicht erkennbar. Hierbei seien auch die erschwerten Studienbedingungen durch die Corona-Pandemie sowie den Rechtsstreit wegen der Exmatrikulation berücksichtigt worden, da über mehr als zwei Jahre von einer Aufenthaltsbeendigung abgesehen worden sei, um dem Antragsteller die Möglichkeit zu geben, zumindest einen Studiengang erfolgreich abzuschließen. Nunmehr könne nicht mehr von einer enormen Leistungssteigerung des Antragstellers ausgegangen werden. Im Übrigen sei der Lebensunterhalt nicht gesichert.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 13. Januar 2022, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2021 sowie auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis erhoben (Az. M 10 K 22.181), über die noch nicht entschieden ist. Er beantragt zudem gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO),
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird in tatsächlicher Hinsicht unter Verweis auf die beigelegte Stellungnahme des Antragstellers vom 12. Januar 2022 im Wesentlichen ergänzt, dass der Antragsteller während der Studiengänge Elektro- und Informationstechnik sowie Physik krank gewesen sei und deswegen bei Prüfungen häufig (von der TU München anerkannt) krankgeschrieben gewesen sei. Deswegen sei der Studienfortschritt stark verzögert gewesen, was die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt habe. Bis zum dritten Fachsemester des Studiums Bauingenieurwesen habe der Antragsteller erfolgreich Studienleistungen erbracht, insbesondere auch aufgrund der Besserung seines Gesundheitszustandes. Zum Nachweis hierfür wird ein Kontoauszug der TU München für den Studiengang Bauingenieurwesen vom 11. Januar 2022 vorgelegt. Der Antragsteller arbeite als studentische Aushilfe im Supermarkt … und könne seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten.
In rechtlicher Hinsicht wird im Kern dargelegt, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Fortsetzung seines Studiums nach § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG habe, da er den Aufenthaltszweck, den Abschluss im Studiengang Bauingenieurwesen, noch in einem angemessenen Zeitraum erreichen könne. Das Studium der Mathematik sei zur Überbrückung aufgenommen worden, so dass der anschließende Wechsel nicht als Fachrichtungswechsel angesehen werden könne. Dieses Semester dürfe daher nicht als Studiensemester mitgezählt werden. Da der Aufenthaltszweck bei einem Wechsel des Studiengangs innerhalb der ersten 18 Monate nach Beginn des Studiums nicht berührt werde, seien die Studien der Elektrotechnik und Physik als Orientierungsphase zu werten. Erst der Beginn des Studiums Bauingenieurwesen im Wintersemester 2018/2019 könne als „der richtige Beginn des konkreten Vollzeitstudiums“ bewertet werden, durch welchen der Aufenthaltszweck berührt werde. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller dieses Studium ordnungsgemäß innerhalb der Regelstudienzeit (allenfalls mit zulässiger Überschreitung) beenden werde. Er habe die Mindestpunktzahl von 30 ECTS-Punkten nach dem dritten Fachsemester fast erreicht. Ein erfolgreicher Studienabschluss werde auch mit Schreiben der TU München vom 28. Februar 2020 prognostiziert. Da das Klageverfahren gegen den Prüfungsbescheid noch anhängig sei, sei eine Fortsetzung des Studiums nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Antragsgegnerin habe die konkreten Schwierigkeiten infolge der Corona-Pandemie für den Antragsteller nicht im Bescheid eingestellt. Der Antragsteller sei sich sicher, dass das Studium des Bauingenieurwesens das richtige für ihn sei. Er könne hier mit dem Druck viel besser umgehen und den Stoff viel besser verstehen. Er sei auch weiterhin fleißig und lerne. Deswegen habe er sich auch für Geowissenschaften eingeschrieben. Die von der Antragsgegnerin angeführte Höchststudienzeit von 10 Jahren sei keine absolute Grenze. Eine Rückkehr nach Ecuador sei für den Antragsteller insbesondere ohne Berufsabschluss und wegen der gegenwärtigen Corona-Lage unzumutbar. Das Ermessen der Antragsgegnerin sei auf Null reduziert. Im Übrigen sei dem Antragsteller nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes (langjähriger Aufenthalt) die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Schließlich ergebe sich ein Anspruch aus § 25 Abs. 5 sowie nach Abs. 4 Satz 2 AufenthG wegen eines inlandsbezogenen Abschiebungsverbots (Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz). Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf die Klageschrift vom 13. Januar 2022 Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 12. Mai 2022 beantragt,
den Eilantrag abzulehnen.
Zur Begründung werde auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Die Ausführungen in der Klageschrift gingen fehl. Für die Annahme einer außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG oder eines Abschiebungshindernisses nach § 25 Abs. 5 AufenthG gebe es keine Anhaltspunkte. Die negative Prognose hinsichtlich des weiteren Studiums des Antragstellers stütze sich auf seinen bisherigen Werdegang. Auch die erschwerten Bedingungen durch die Corona-Pandemie seien berücksichtigt worden. Es sei rechtlich nicht vorgesehen, die Überbrückungsphase sowie die anschließende Orientierungsphase nicht zu berücksichtigen. Ein von vornherein zeitlich begrenzter Aufenthaltszweck, das Studium, der sich nicht erfülle, könne auch keinen Vertrauensschutz begründen. Da § 16b Abs. 1, Abs. 2 Satz 4 AufenthG kein Ermessen gebe, könne auch die Argumentation der Bevollmächtigten zur Ermessensreduzierung auf Null nicht nachvollzogen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, auch im Verfahren M 10 K 22.181, sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg. Im Hinblick auf Nummer 3 des Bescheids vom 9. Dezember 2021 ist er bereits unzulässig; im Übrigen ist er zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Soweit sich der gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen Nummer 3 des angefochtenen Bescheids richtet, ist er unzulässig. Bei Nummer 3 des angegriffenen Bescheids handelt es sich nach ihrem Wortlaut sowie der diesbezüglichen Begründung auf Seite 12 des Bescheids nicht um eine Anordnung, sondern lediglich um einen Hinweis auf die Rechtslage, nach der gemäß § 11 Abs. 6 AufenthG die Möglichkeit einer späteren Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots besteht. Da insoweit im Bescheid vom 9. Dezember 2021 noch keine verbindliche Regelung getroffen werden sollte, stellt Nummer 3 des Bescheids keinen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz dar, der im Wege des Eilrechtsschutzes über § 80 Abs. 5 VwGO angreifbar wäre.
2. Im Übrigen ist der gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist zulässig.
aa) Im Hinblick auf die Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels in Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft, da die Klage insoweit kraft Gesetzes gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat. Obwohl in der Hauptsache die Verpflichtungsklage auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die richtige Klageart ist und damit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren an sich ein Antrag nach § 123 VwGO zu stellen wäre, ist dennoch ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO grundsätzlich statthaft. Dies setzt allerdings voraus, dass der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zuvor eine gesetzliche Fiktion nach § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG ausgelöst hat. Nur dann kann eine Rechtsposition – nämlich die Fiktionswirkung – im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über § 80 Abs. 5 VwGO gesichert werden. Ansonsten wäre allenfalls ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO denkbar (s. BayVGH, B.v. 31.8.2006 – 24 C 06.954 – juris Rn. 11; B.v. 12.10.2006 – 24 CS 06.2576 – juris Rn. 8; B.v. 17.7.2019 – 10 CS 19.1212 – juris Rn. 8).
Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn der Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt hat. Gemäß § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen, wenn der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt wurde.
Im vorliegenden Fall ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass der Antrag des Antragstellers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1, Satz 3 AufenthG ausgelöst hat. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist daher insoweit statthaft. Die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers galt bis 23. Oktober 2019. Die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels wurde erst am 30. Oktober 2019 und damit nur geringfügig verspätet beantragt. Die Antragsgegnerin hat daher eine unbillige Härte gemäß § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG angenommen und dem Antragsteller am 30. Oktober 2019 eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt, die fortlaufend verlängert wurde.
Dies ist als behördliche Anordnung der Fortgeltungswirkung im Sinne des § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG zu verstehen, so dass der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend galt (§ 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Durch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Versagung der Verlängerung seines Aufenthaltstitels würde diese Fiktion des erlaubten Aufenthalts fortbestehen und der Antragsteller wäre nicht ausreisepflichtig.
bb) Hinsichtlich der Ausreiseaufforderung mit Ausreisefrist und der Abschiebungsandrohung (Nrn. 2 und 4 des angefochtenen Bescheids) ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ebenfalls statthaft, da es sich um Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung handelt. Eine dagegen gerichtete Klage hat nach Art. 21a Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung.
b) Soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig ist, ist er jedoch unbegründet, da nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes überwiegt.
Im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO trifft das Gericht eine eigenständige Ermessensentscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Hierbei hat es abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück.
So liegt der Fall hier; nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache wird die Klage auf Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in der Sache erfolglos bleiben. Der Antragsteller hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts voraussichtlich weder einen Anspruch auf die beantragte Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis noch auf Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der angegriffene Bescheid vom 9. Dezember 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
aa) Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Verlängerung seiner bis 23. Oktober 2019 gültigen Aufenthaltserlaubnis. Denn diese Aufenthaltserlaubnis war explizit zum Studium für die Fachrichtung Elektro- und Informationstechnik erteilt und nur auf diesen Aufenthaltszweck bezogen. Der Begriff des Aufenthaltszwecks knüpft an das konkret betriebene Studium und nicht an den abstrakten Aufenthaltszweck „Studium“ an, so dass deshalb bei einer Änderung der Fachrichtung (Studiengang und ggf. Studienfächer) ein anderer Aufenthaltszweck vorliegt (s. zu § 16 Abs. 2 AufenthG a.F.: OVG Koblenz, B.v. 12.5.2015 – 7 B 10364/15 – juris Rn. 4; so auch: OVG Lüneburg, B.v. 25.4.2019 – 13 ME 86/19 – juris Rn. 8; vgl. auch Nr. 16.2.4 Allgemeine Verwaltungsvorschrift – AVwV – zu § 16 AufenthG a.F.). Da der Antragsteller nun nicht mehr Elektro- und Informationstechnik studieren will, sondern (derzeit) Geowissenschaften studiert und (eigentlich) Bauingenieurwesen studieren möchte, geht es um einen anderen Aufenthaltszweck. Damit steht nicht die Verlängerung der bereits erteilten Aufenthaltserlaubnis zum Studium Elektro- und Informationstechnik, sondern die Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu dem zwischenzeitlich erstrebten neuen Studienziel inmitten (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 27.2.2014 – 10 CS 13.2346 – juris Rn. 5).
bb) Der Antragsteller hat nach kursorischer Prüfung keinen Anspruch auf Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu dem von ihm (eigentlich) begehrten Zweck des Studiums Bauingenieurwesen, da er zu diesem Studium aufgrund der Exmatrikulation nicht mehr an einer Hochschule zugelassen ist, § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG.
cc) Auch ein Anspruch auf Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums Geowissenschaften „zur Überbrückung“ der Zeit, bis nach einem (eventuellen) Erfolg der Klage gegen den Prüfungsbescheid eine erneute Immatrikulation im Fach Bauingenieurwesen möglich ist, ist nach summarischer Prüfung nicht gegeben, § 16b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 4 AufenthG. Nach einer Einzelfallprognose ist nicht zu erwarten, dass der Antragsteller den von ihm begehrten Abschluss noch in einer angemessenen Zeit im Sinne von § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG erreicht.
Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG wird einem Ausländer zum Zweck des Vollzeitstudiums an einer staatlichen Hochschule, an einer staatlich anerkannten Hochschule oder an einer vergleichbaren Bildungseinrichtung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er von der Bildungseinrichtung zugelassen worden ist. Nach § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Gemäß § 16b Abs. 2 Satz 5 AufenthG kann zur Beurteilung der Frage, ob der Aufenthaltszweck noch erreicht werden kann, die aufnehmende Bildungseinrichtung beteiligt werden.
Zwar gilt die Regelung in § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG nach ihrem Wortlaut nur für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, die hier gerade nicht im Raum steht. Aber nach Sinn und Zweck muss § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG (jedenfalls seinem Rechtsgedanken nach) in der konkreten Konstellation, in der nach mehreren Wechseln der Studiengänge die Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck eines anderen Studiums inmitten steht, ebenso gelten (so wohl auch: Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 16b AufenthG Rn. 35; OVG Lüneburg, B.v. 25.4.2019 – 13 ME 86/19 – juris Rn. 6 ff.). Hierfür spricht auch die Regelung in § 8 Abs. 1 AufenthG, nach der (umgekehrt) für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis die gleichen Anforderungen wie für deren Neuerteilung gelten. Hieraus ist erkennbar, dass der Gesetzgeber einen Gleichlauf der Voraussetzungen für die Neuerteilung sowie die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gewollt hat.
Der angemessene Zeitraum nach § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck und den persönlichen Umständen sowie dem Bemühen des Ausländers, das Ziel seines Aufenthalts in einem überschaubaren Zeitraum zu erreichen. Anhaltspunkte für die zu treffende Prognoseentscheidung sind unter anderem die üblichen Studien- und Aufenthaltszeiten und das bisherige Studienverhalten des Ausländers, vor allem bisher erbrachte Zwischenprüfungen und Leistungsnachweise. Selbst eine erhebliche Überschreitung der durchschnittlichen Studienzeit bedeutet nicht notwendigerweise eine Verfehlung der Zielsetzung der Aufenthaltsgewährung. In die anzustellenden Erwägungen sind persönliche Belange des Ausländers wie insbesondere krankheitsbedingte Verzögerungen des Abschlusses des Studiums mit einzubeziehen (stRspr, vgl. nur: BayVGH, B.v. 6.12.2018 – 10 CS 18.2271 – BeckRS 2018, 35627 Rn. 10 m.w.N.). Eine absolute Grenze im Sinne einer maximalen Gesamtaufenthaltsdauer kann dem Gesetz nicht entnommen werden; allerdings ist nach den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz die beantragte Verlängerung in der Regel abzulehnen, wenn eine Gesamtaufenthaltsdauer für das Studium einschließlich einer eventuell erforderlichen Studienvorbereitung von 10 Jahren überschritten wird (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 5.5.2010 – 19 BV 09.3103 – BeckRS 2011, 45620 Rn. 55; U.v. 26.5.2011 – 19 BV 11.174 – BeckRS 2011, 34548 Rn. 24; OVG Magdeburg, B.v. 5.11.2014 – 2 M 109/14 – BeckRS 2015, 40794; Samel, a.a.O., Rn. 14, 17).
Gemäß Nr. 16.2.5 AVwV zu § 16 AufenthG a.F. wird der Aufenthaltszweck bei einem Wechsel des Studienganges oder einem Wechsel des Studienfaches innerhalb desselben Studienganges in den ersten 18 Monaten nach Beginn des Studiums nicht berührt. Ein späterer Studiengang- oder Studienfachwechsel kann zugelassen werden, wenn das Studium innerhalb einer angemessenen Zeit abgeschlossen werden kann. Ein angemessener Zeitraum ist in der Regel dann nicht mehr gegeben, wenn das Studium unter Berücksichtigung der bisherigen Studienleistungen und des dafür aufgewendeten Zeitbedarfs innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren nicht abgeschlossen werden kann.
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist nach summarischer Prüfung nicht zu prognostizieren, dass der Antragsteller den eigentlichen Studienzweck, einen Abschluss im Studiengang Bauingenieurwesen, nach der Überbrückung im Studiengang Geowissenschaften noch in einem angemessenen Zeitraum gemäß § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG erreichen kann. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift besteht hierbei entgegen der Rechtsauffassung der Bevollmächtigten auch kein Ermessen.
Nach derzeitiger Sachlage ist, wie bereits aufgezeigt, der Studienzweck, ein Abschluss in Bauingenieurwesen, nicht mehr zu erreichen, da der Kläger exmatrikuliert ist. Das Gleiche würde gelten, wenn die Klage gegen den Prüfungsbescheid (rechtskräftig) abgewiesen würde.
Aber auch wenn man einen (rechtskräftigen) Erfolg der Klage gegen den Prüfungsbescheid sowie eine anschließende erneute Immatrikulation im Studiengang Bauingenieurwesen unterstellt, wäre der erstrebte Aufenthaltszweck zwar noch innerhalb der Regelstudienzeit dieses Studiengangs erreichbar (vgl. Stellungnahme der TU München vom 12.2.2021). Nach den Umständen des Falles ist aber nicht anzunehmen, dass der Antragsteller diesen Abschluss innerhalb der Regelstudienzeit schafft, so dass die Gesamtaufenthaltsdauer von 10 Jahren für das Studium überschritten würde.
Da bei der Bestimmung der (regelmäßig zulässigen) Gesamtaufenthaltsdauer von 10 Jahren auch studienvorbereitende Maßnahmen, wie zum Beispiel ein Studienkolleg, zu berücksichtigen sind, ist der Beginn des Zehnjahreszeitraums vorliegend im September 2012 anzusetzen, als der Antragsteller zum Zweck des Besuchs des Studienkollegs in Karlsruhe einreiste und hierfür im November 2012 eine Fiktionsbescheinigung erhielt. Entgegen den Ausführungen der Bevollmächtigten führen das Überbrückungssemester Mathematik und der Fachrichtungswechsel zu Physik nicht dazu, dass der Zehnjahreszeitraum erst danach zu laufen beginnt. Angesichts dessen sind die 10 Jahre – bei derzeitiger Sachlage – bereits fast verstrichen, ohne dass der Antragsteller einen Studienabschluss vorweisen kann.
Selbst wenn man bei erfolgreicher Klage gegen den Prüfungsbescheid die „verlorene“ Zeit der „rechtswidrigen“ Exmatrikulation bei der Berechnung des Zehnjahreszeitraums herausrechnen würde, wäre der Abschluss im Studium Bauingenieurwesen (bei isolierter Betrachtung der Stellungnahmen der TU München) zwar noch innerhalb der Regelstudienzeit (innerhalb von ungefähr 2,5 Jahren) und damit innerhalb des Zeitraums von etwa 10 Jahren zu schaffen. Aber bei einer Gesamtbetrachtung des bisherigen Studienverlaufs, der vergangenen Studienleistungen des Antragstellers sowie der individuellen Umstände des konkreten Falles ist nicht zu erwarten, dass der Antragsteller diesen Abschluss innerhalb der Regelstudienzeit und damit in noch angemessener Zeit erreichen würde.
Der Antragsteller hat seit 2015 mehrfach (nach Exmatrikulation) die Studiengänge gewechselt, ohne einen Abschluss zu erzielen. Zwar wird das Studium der Mathematik zur Überbrückung bis zum Beginn des eigentlichen gewünschten Studienganges nicht als Fachrichtungswechsel gewertet (Nr. 16.2.6.3 AVwV zu § 16 AufenthG a.F.). Ebenso ist der Wechsel vom Studiengang Elektrotechnik zu Physik wohl als (zulässiger) Wechsel während der Orientierungsphase (Nr. 16.2.5 AVwV zu § 16 AufenthG a.F.) anzusehen. Aber die zwei weiteren Studienwechsel (zu Bauingenieurwesen und Geowissenschaften) sind als Fachrichtungswechsel einzuordnen, die jeweils aufgrund von Exmatrikulationen erforderlich wurden. Dies zeugt nicht von steten und zielorientierten Studienbemühungen.
Auch im Übrigen ist ein stringenter, leistungsorientierter und ernsthafter Studienverlauf nicht erkennbar. Der Antragsteller hat bisher ein sehr mäßiges Leistungsverhalten gezeigt, was zu seinen Exmatrikulationen führte. Im Studiengang Elektro- und Informationstechnik erhielt der Antragsteller lediglich 16 von 180 ECTS-Punkten in drei Semestern. Im Studium der Physik waren es nur 3 ECTS-Punkte in 4 Semestern und im Fach Bauingenieurwesen 28 ECTS-Punkte in drei Semestern. Im Studiengang Geowissenschaften konnte der Antragsteller in zwei Semestern bisher lediglich 3 ECTS-Punkte erreichen (vgl. Kontoauszug vom 14.10.2021). Weitere aktuelle Leistungsnachweise für diesen Studiengang sind dem Gericht nicht vorgelegt worden.
Nach dem Kontoauszug vom 11. Januar 2022 bestand der Antragsteller im Studiengang Bauingenieurwesen aus dem Pflichtbereich (ohne Zusatzleistungen) lediglich 6 Prüfungen, teilweise im zweiten Versuch. Die Noten variierten zwischen 3,7 und 4,0, wobei die Prüfung ab der Note 4,1 nicht bestanden ist. 12 Prüfungen bestand er nicht, häufig wegen nicht entschuldigten Fehlens. In einem Fall wurde ihm ein wirksamer Rücktritt (wegen des coronabedingten Entfallens der Prüfung) angerechnet. Nach dem Kontoauszug vom 14. Oktober 2021 für den Studiengang Geowissenschaften hat der Antragsteller 6 Prüfungen, zum Teil Wiederholungsprüfungen mit gleicher Bezeichnung wie im Studium Bauingenieurwesen, nicht bestanden, auch hier häufig mangels Erscheinens. Eine Prüfung bestand er mit der Note 3,7.
Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass sich der Antragsteller viele Prüfungsergebnisse aus dem Studiengang Geowissenschaften für den eigentlich gewünschten Studiengang Bauingenieurwesen anrechnen lassen kann. Im Übrigen lassen die mangelnden Erfolge bei den Prüfungen im Fach Geowissenschaften Rückschlüsse auf künftig weiterhin mangelnde Erfolge in der Fachrichtung Bauingenieurwesen zu, da der Antragsteller im Studiengang Geowissenschaften gerade Vorlesungen aus dem Bereich des Faches Bauingenieurwesen besucht.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Bevollmächtigten angeführten krankheitsbedingten Verzögerungen während des Studiums der Elektro- und Informationstechnik sowie der Physik. Auf eine etwaige Verzögerung dieser Studiengänge kommt es nicht (mehr) entscheidend an, da der Antragsteller aus diesen Studiengängen wegen nicht bestandener Prüfungen exmatrikuliert worden ist. Soweit er krankheitsbedingt und entschuldigt an Prüfungen nicht teilnehmen konnte, dürfte dies im Übrigen bei den Entscheidungen über die Exmatrikulationen (zugunsten des Antragstellers) Berücksichtigung gefunden haben. Zudem trägt der Antragsteller nunmehr vor, dass sich sein Gesundheitszustand erheblich verbessert habe; dennoch ist sein Leistungsverhalten derzeit eher mäßig. Auch coronabedingte Verzögerungen hat die Antragsgegnerin berücksichtigt. Im Übrigen ist nicht vorgetragen, inwieweit speziell diese Umstände für die nicht bestandenen Prüfungen und damit die Exmatrikulationen ursächlich gewesen sein sollen.
Ferner sind die Erkenntnis des Antragstellers, dass Bauingenieurwesen der richtige Studiengang für ihn sei, und der Umstand, dass er nunmehr viel lerne, für sich genommen nicht ausreichend, um hieraus eine positive Prognose abzuleiten, zumal die Ergebnisse im Studiengang Geowissenschaften einer positiven Erwartung gerade widersprechen.
dd) Dem von der Bevollmächtigten angeführten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG steht jedenfalls entgegen, dass dringende humanitäre oder persönliche Gründe, die eine vorübergehende weitere Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet erfordern, nicht ersichtlich sind.
ee) Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG scheidet aus, da ein Ausreisehindernis weder substantiiert vorgetragen noch erkennbar ist. Ein solches lässt sich weder aus dem fehlenden Berufsabschluss des Antragstellers, der coronabedingten Lage in Ecuador noch aufgrund familiärer Bindung zu seinem in Deutschland lebenden Bruder (Art. 6 GG) herleiten.
ff) Entgegen den Ausführungen der Bevollmächtigten ergibt sich im Ausländerrecht ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten, sondern nur in den gesetzlich enumerierten Fällen. Im Übrigen liegen Umstände, die einen Vertrauensschutz begründen könnten, nicht vor.
gg) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus einem anderen Grund; ein solcher ist im Übrigen nicht geltend gemacht.
hh) Die Ausreiseaufforderung mit Ausreisefrist in Nummer 2 des streitgegenständlichen Bescheids begegnet vor dem Hintergrund des § 59 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken.
ii) Die Abschiebungsandrohung nach Ecuador in Nummer 4 des Bescheids ist rechtlich nicht zu beanstanden; sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 2013.


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