Verwaltungsrecht

Einstellung des Asylverfahrens wegen fehlender schriftlicher Darlegung der Hinderungsgründe

Aktenzeichen  RO 4 S 17.30196

Datum:
24.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 33 Abs. 2 S. 2
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Eine mündliche Mitteilung über die Gründe, die zum Nichterscheinen zum Anhörungstermin geführt haben, stellt keinen Nachweis iSd § 33 Abs. 2 S. 2 AsylG dar. Es ist dem Antragsteller zuzumuten, dass er diese mündliche Mitteilung unverzüglich schriftlich bestätigt und entsprechende schriftliche Belege für den Hinderungsgrund beibringt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein nach seinen Angaben am …1986 geborener iranischer Staatsangehöriger, stellte am 10.2.2016 beim Bundesamt für … (im Folgenden Bundesamt) einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter.
Mit Schreiben vom 29.6.2016, zugestellt am 30.6.2016, wurde der Antragsteller zur persönlichen Anhörung geladen. Der Antragsteller ist zu diesem Termin nicht erschienen. Mit Bescheid vom 27.7.2016 stellte das Bundesamt u. a. fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und stellte das Asylverfahren ein. Hiergegen ließ der Antragsteller Klage erheben (RO 4 K 16.31886) und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen (RO 4 S 16.32321). Mit Beschluss vom 22.9.2016 ordnete das Verwaltungsgericht Regensburg die aufschiebende Wirkung der Klage an. Mit Urteil vom 12.10.2016 hob das Verwaltungsgericht Regensburg den Bescheid des Bundesamtes vom 27.7.2016 auf.
Mit Schreiben an seinen Bevollmächtigten vom 28.11.2016 wurde der Antragsteller zur persönlichen Anhörung am 14.12.2016, 8 Uhr geladen. Das Schreiben enthält u. a. folgende Hinweise: „Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass der Asylantrag nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG als zurückgenommen gilt, wenn Ihre Mandantschaft zu diesem Termin nicht erscheint. Dies gilt nicht, wenn sie unverzüglich nachweist, dass ihr Nichterscheinen auf Hinderungsgründe zurückzuführen war, auf die sie keinen Einfluss hatte. Im Falle einer Verhinderung durch Krankheit muss Ihre Mandantschaft unverzüglich die Reise- und/oder Verhandlungsfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachweisen, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt nicht. Wenn sie bei der Krankenkasse als arbeitsunfähig gemeldet ist, muss sie dieser die Ladung zum Termin unverzüglich mitteilen. Wenn dem Bundesamt kein Nachweis über die Hinderungsgründe vorliegt, entscheidet das Bundesamt ohne weitere Anhörung nach Aktenlage, ob Abschiebungsverbote vorliegen.“
Aus einem Aktenvermerks vom 14.12.2016 ergibt sich folgendes:
„AH 14.12.2016 Antragsteller. Nicht erschienen (bis 10 Uhr).
Entschuldigung eingegangen? 10.20 Uhr: Anruf von A…: Fahrdienst hat nicht geklappt, Versagen der A…, A… bietet an, den Antragsteller noch nach B… zu fahren. Da Dolmetscher bereits heimgeschickt wurde und kein anderer Dolmetscher zur Verfügung steht, kann diese Möglichkeit nicht angenommen werden. RA schickt Entschuldigungsschreiben.“
Unter dem 4.1.2017 wurde der Aktenvermerk dahingehend ergänzt, dass trotz ausreichender Wartezeit keine schriftliche Entschuldigung vom Antragsteller oder vom Rechtsanwalt eingegangen sei. Deswegen werde ein Einstellungsbescheid mit Rücknahmefiktion erstellt.
Mit Bescheid vom 4.1.2017, der an den Bevollmächtigten des Antragstellers unter dem 4.1.2017 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und stellte das Asylverfahren ein (Ziffer 1). Ferner wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Für den Fall, dass er diese Ausreisefrist nicht einhalten sollte, wurde dem Antragsteller die Abschiebung in den Iran oder einen anderen aufnahmebereiten oder zur Aufnahme verpflichteten Staat angedroht (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei der Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen. Daher werde vermutet, dass er das Verfahren im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 2. Alternative AsylG nicht betreibe. Ein Nachweis, dass das genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die der Antragsteller keinen Einfluss hatte, sei bis zur Entscheidung nicht eingereicht worden. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß §§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 38 Abs. 2 AsylG.
Der Antragsteller ließ hiergegen mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 17.1.2017, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Klage (RO 4 K 17.30198) erheben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen. Vorgetragen wird, der Antragsteller sei nicht unentschuldigt zum Anhörungstermin vom 14.12.2016 nicht erschienen. Zwischen dem Antragsteller und Herrn B… von der K… sei vereinbart gewesen, dass ein Fahrer der A… den Antragsteller am Terminstag zum BAMF bringe. Der Fahrer sei erkrankt. Herr B… habe daraufhin den Einzelentscheider angerufen und ihm die Situation erklärt. Er habe auch angeboten, den Antragsteller noch persönlich zur Anhörung zu fahren. Das Telefongespräch habe gegen 10.30 Uhr stattgefunden. Der Einzelentscheider habe geäußert, dass der Dolmetscher nicht mehr erreichbar sei, aber ein neuer Termin bestimmt werde. Dies habe Herr B… an den Antragsteller weitergegeben. Der Antragsteller habe sich auf die Zusage des Einzelentscheiders verlassen dürfen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß:
1. Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen RO 4 K 17.30198 beim Verwaltungsgericht Regensburg anhängigen Klage gegen Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 4.1.2017 wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Antragsgegnerin hat sich nicht zum Antrag geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die am 24.1.2017 vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen. Die Gerichtsakte des Verfahrens RO 4 K 17.30198 wurde zum Verfahren beigezogen.
II.
1. Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft insoweit eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Überprüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Überprüfung als rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Die hier gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage zeigt, dass die Hauptsacheklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird und daher das Interesse des Antragstellers daran, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen, hinter dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug des Bescheides zurücktritt.
2. Gemäß § 33 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) gilt der Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist. Diese Voraussetzungen sind in der Person des Antragstellers erfüllt.
Gemäß § 33 Abs. 4 AsylG ist der Antragsteller schriftlich und gegen Empfangsbekenntnis auf die Rechtsfolgen des § 33 Abs. 1 AsylG hinzuweisen. Dies ist hier im Ladungsschreiben erfolgt. Der Hinweispflicht des § 33 Abs. 4 AsylG wurde damit genügt.
Ferner wurde der Antragsteller in dem Ladungsschreiben auch darauf hingewiesen, dass er die Möglichkeit hat, unverzüglich nachzuweisen, dass sein Nichterscheinen auf Hinderungsgründe zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Das Ladungsschreiben enthält auch den Hinweis, dass, wenn dem Bundesamt kein Nachweis über die Hinderungsgründe vorliegt, das Bundesamt ohne weitere Anhörung nach Aktenlage entscheidet, ob Abschiebungsverbote vorliegen. Diese Hinweis erachtet das Gericht für die Wahrung eines fairen Verfahrens als ausreichend.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat er hier die Vermutung des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG nicht im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG widerlegt. Offenbleiben kann, ob eine telefonische Entschuldigung, die erst gegen 10.20 Uhr erfolgt ist, obwohl der Termin zur Anhörung bereits um 8 Uhr gewesen wäre, noch als unverzüglich im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG angesehen werden kann. Jedenfalls erfüllt diese telefonische Entschuldigung des Antragstellers durch einen Mitarbeiter der A… nicht die Anforderungen, die an einen Nachweis im Sinne dieser Vorschrift zu stellen sind. Eine mündliche Mitteilung stellt aus Sicht des Gerichts keinen Nachweis im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG dar. Es ist dem Antragsteller zuzumuten, dass er diese mündliche Mitteilung, die einer Information der Antragsgegnerin dient und im Hinblick darauf, dass auch die Unverzüglichkeit zu wahren ist, sinnvoll und notwendig erscheint, ebenfalls unverzüglich schriftlich bestätigt und entsprechende schriftliche Belege dafür beibringt. Eine Entbindung des Antragstellers von dieser Verpflichtung ist nicht erfolgt. Seitens des Antragstellers wurde die mündliche Mitteilung nicht durch einen weiteren Nachweis bestätigt. Den Anforderungen des § 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG wurde damit durch den Antragsteller nicht Folge geleistet. Eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung ist daher nicht eingetreten. Sollte der Mitarbeiter der A…, der die entsprechende telefonische Mitteilung an das Bundesamt gemacht hat, den Antragsteller dahingehend informiert haben, dass dies ausreichend gewesen ist, müsste sich der Antragsteller diese Fehleinschätzung zurechnen lassen. Es obliegt allein dem Antragsteller, der hier auch anwaltlich vertreten ist, der Nachweispflicht Genüge zu tun. Wenn er sich insoweit der Hilfe Dritter bedient, muss er sich deren Verhalten zurechnen lassen.
Die nach § 34 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung ist damit rechtmäßig. Das öffentliche Vollzugsinteresse vor der Entscheidung in der Hauptsache überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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