Aktenzeichen M 26 S 16.1997
FeV FeV § 47 Abs. 2
Leitsatz
Nach einem Fahrerlaubnisentzug mit Wirkung einer Aberkennung ist im korrespondierenden ausländischen Führerschein ein Sperrvermerk anzubringen, da der Inhaber des Führerscheins kein Recht mehr hat, seine ausländische Fahrberechtigung im Bundesgebiet auszuüben. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gegen die Anbringung eines Sperrvermerks auf seinem italienischen Führerschein.
Der Antragsteller ist laut einer durch das Landratsamt E. am … Februar 2016 eingeholten Auskunft aus dem italienischen zentralen Fahrerlaubnisregister seit … August 1987 ununterbrochen im Besitz einer italienischen Fahrerlaubnis der Klassen A und B, zuletzt ausgewiesen durch Kartenführerschein vom … Dezember 2012 des Provinzialamts A… (… … … … … in A…) …, Führerscheinnummer ….
Aufgrund einer Fahrt unter Einfluss von Kokain und Cannabis wurde dem Antragsteller mit seit … Juni 2010 bestandskräftigem Bescheid des Landratsamts F. vom 25. November 2009 die Fahrberechtigung für das Bundesgebiet aberkannt. Seitdem erfolgte auch keine deutsche Wiederzuerkennung.
Das Amtsgericht Ingolstadt verurteilte den Antragsteller am … April 2012 zu einer Geldstrafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen am … September und … September 2011.
Am … August 2012 wurde im damaligen Papierführerschein (Führerschein-Nr. …) des Antragstellers auf Veranlassung des Landratsamts F. ein Sperrvermerk über die fehlende Fahrberechtigung in Deutschland angebracht.
Am … Dezember 2012 wurde dem Antragsteller durch das Provinzialamt A… ein neuer italienischer Kartenführerschein ausgestellt (Führerschein-Nr. …), der keinen Sperrvermerk trug.
Der Antragsteller wurde zunächst mit Schreiben vom … Februar 2016 durch die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts E. gebeten, seinen italienischen Führerschein bis zum … Februar 2016 zur Anbringung eines Sperrvermerks über die fehlende Fahrberechtigung in Deutschland vorzulegen. Dem kam der Antragsteller nicht nach.
Mit Bescheid vom 19. April 2016 forderte die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts E. den Antragsteller auf, seinen Kartenführerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Bescheidszustellung, zur Anbringung eines Sperrvermerks vorzulegen (Nr. 1 des Bescheids), drohte für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage ein Zwangsgeld in Höhe von a… Euro an (Nr. 2 des Bescheids), ordnete die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids an (Nr. 3 des Bescheids) und setzte gegenüber dem Antragsteller Verfahrenskosten in Höhe von b… Euro fest (Nrn. 4 und 5 des Bescheids).
Zur Begründung führte die Fahrerlaubnisbehörde an, dass dem Antragsteller mit Bescheid des Landratsamts F. vom 25. November 2009 die Fahrberechtigung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland unanfechtbar aberkannt worden sei. Es sei bisher keine Wiederzuerkennung erfolgt, vielmehr sei der Antragsteller am … April 2012 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Auch eine italienische Fahrerlaubnis sei laut Auszug aus dem italienischen zentralen Fahrerlaubnisregister seitdem nicht neu erteilt worden; lediglich ein neuer Kartenführerschein sei am … Dezember 2012 ausgefertigt worden. Damit sei in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 2 Satz 3 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 47 Abs. 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr – FeV – zur Vorlage des italienischen Kartenführerscheins aufzufordern gewesen, um einen Sperrvermerk anzubringen. Die sofortige Vollziehung sei vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Verkehrssicherheit anzuordnen gewesen. Denn das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege das persönliche Interesse des Antragstellers. Nur durch eine unmittelbare Anbringung eines Sperrvermerks könnten Missbrauch verhindert und effektive Kontrollmöglichkeiten gewährleistet werden. Gerade angesichts der umfangreichen Vorgeschichte des Antragstellers würden ansonsten Gefahren für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer entstehen. Besondere Tatsachen, die ausnahmsweise ein demgegenüber überwiegendes persönliches Interesse am Unterbleiben der Sofortvollziehungsanordnung begründen würden, seien nicht ersichtlich.
Mit Schriftsatz vom … April 2016 (Eingang bei Gericht am selben Tag) erhoben die Bevollmächtigten des Antragstellers Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2016 (Az. M 26 K 16.1994) und beantragten außerdem sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Nr. 1 des Bescheides des Landratsamtes E. vom 19. April 2016 wiederherzustellen.
Die Bevollmächtigten führten dazu an, dass nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV Inhaber einer gültigen EU-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hätten, im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen dürften. Die Ausnahme des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV greife vorliegend nicht, weil die italienischen Behörden vor Wiedererteilung der Fahrerlaubnis an den Antragsteller dessen Fahreignung geprüft hätten. Im Zeitpunkt der Ausstellung hätte der Antragsteller seinen Wohnsitz aber nicht in Deutschland gehabt, weshalb das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19. Mai 2011 (EuGH, Urteil vom 19. Mai 2011- C-184/10 – juris) nicht einschlägig sei.
Mit Schriftsatz vom … Mai 2016 beantragte das Landratsamt E. für den Antragsgegner sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Das Landratsamt vertiefte seine bereits im Bescheid vom 19. April 2016 angeführte Argumentation und trat insbesondere dem Vortrag des Antragstellers entgegen, dass diesem am … Dezember 2012 eine neue italienische Fahrerlaubnis erteilt worden sei. Vielmehr sei dem Antragsteller lediglich ein neuer Kartenführerschein ausgestellt worden, welcher erkennbar mit dem ursprünglichen Ersterteilungs-Besitzstandsdatum … August 1987 versehen worden sei.
Am … Mai 2016 legte der Antragsteller der Fahrerlaubnisbehörde seinen Kartenführerschein vom … Dezember 2012 vor. Diese trug einen entsprechenden Sperrvermerk in den Führerschein ein.
Am … Juni 2016 legten die Bevollmächtigten des Antragstellers eine auf Italienisch verfasste Erklärung des Provinzialamts A… … vor, aus der ihrer Ansicht nach hervorgehen soll, dass der Antragsteller aufgrund einer medizinischen Untersuchung am … Mai 2008 am … Dezember 2012 einen Führerschein mit der Nr. … ausgehändigt bekommen haben soll.
Die Fahrerlaubnisbehörde replizierte daraufhin mit Schriftsatz vom … Juni 2016, dass es sich nicht erschließe, warum eine gesundheitliche Untersuchung aus dem Jahr 2008 zu einer Neuausfertigung eines italienischen Führerscheins am … Dezember 2012 führen könne. Möglicherweise betreffe die zugrundeliegende Vorschrift des Art. 119 des italienischen Codice della Strada nur Gesundheitsvorschriften ähnlich der Anlagen Nr. 5 und 6 der FeV zur Verlängerung einer Fahrerlaubnis.
Unabhängig davon halte man daran fest, dass am … Dezember 2012 nur ein neuer Kartenführerschein ausgefertigt worden sei, wofür sowohl das übernommene Ersterteilungsdatum … August 1987 wie auch die eingetragene Schlüsselzahl 71 … … des vorherigen italienischen Papierführerscheins sprächen. Insofern könne dahingestellt bleiben, warum der italienische Papierführerschein, der am … August 2012 mit einem Sperrvermerk versehen worden sei und eigentlich noch bis zum … Mai 2018 Gültigkeit gehabt hätte, nur wenige Monate später am … Dezember 2012 in einen Kartenführerschein umgetauscht worden sei.
Mit Schriftsatz vom … Juli 2016 ergänzten die Bevollmächtigten des Antragstellers, dass die EU-Mitgliedstaaten Fahrerlaubnisse gegenseitig anzuerkennen hätten. Bei neu erworbenen Fahrerlaubnissen gelte diese Anerkennungspflicht jedenfalls dann, wenn es Sache des Ausstellerstaates sei zu prüfen, ob die sich aus Gemeinschaftsrecht ergebenden Mindestvoraussetzungen erfüllt seien. Vorliegend hätten die italienischen Behörden dem Antragsteller nach Durchführung einer medizinischen Untersuchung den Führerschein wieder ausgestellt. Dies sei von der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen.
Wegen des weiteren Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichts- und die vom Antragsgegner vorgelegte Behördenakte, auch im Verfahren M 26 K 16.1994, ergänzend Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere hat sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 19. April 2016 getroffene Anordnung nicht erledigt. Denn zugleich mit der Pflicht zur (mittlerweile vorgenommenen) Vorlage des Führerscheins hat die Fahrerlaubnisbehörde darin auch die Anbringung eines Sperrvermerks verfügt. Die Nr. 1 des Bescheids ist damit der – nach wie vor bestehende und den Antragsteller beschwerende – Rechtsgrund für die Sperrvermerkseintragung.
Der Antrag ist unbegründet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt die hier vorzunehmende und auch ausreichende summarische Prüfung, dass die (gemäß Antrag der Bevollmächtigen allein) verfahrensgegenständliche Nr. 1 des Bescheids vom 19. April 2016 rechtmäßig ist, den Antragsteller somit nicht in seinen Rechten verletzt und die deshalb hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). In einem solchen Fall verbleibt es bei der von der Antragsgegnerin ausgesprochenen sofortigen Vollziehbarkeit der Vorlageverpflichtung.
1.1 Die Fahrerlaubnisbehörde hat das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Nr. 1 des Bescheids vom 19. April 2016 den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend begründet (vgl. zu den – nicht zu hoch anzusetzenden – Anforderungen im Einzelnen Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Sie hat nachvollziehbar und einzelfallbezogen dargelegt, warum sie vorliegend das öffentliche Interesse am Sofortvollzug höher gewichtet als das persönliche Interesse des Antragstellers. Materiell bzw. inhaltlich prüft das erkennende Gericht die der Begründung zugrundeliegende behördliche Interessenabwägung nicht nach, sondern nimmt stattdessen eine eigene vor.
1.2 Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die in Nr. 1 des Bescheides vom 19. April 2016 verfügte Sperrvermerkeintragung rechtmäßig; die dagegen erhobene Anfechtungsklage hat voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
1.2.1 Die Eintragung eines Sperrvermerks rechtfertigt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 StVG i.V.m § 47 Abs. 2 Satz 1 bis 3 FeV. Nach einem Fahrerlaubnisentzug mit Wirkung einer Aberkennung ist im korrespondierenden ausländischen Führerschein ein solcher Vermerk anzubringen. Dass der Antragsteller kein Recht mehr hat, seine italienische Fahrberechtigung im Bundesgebiet auszuüben, hat die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts F. bereits am … November 2009 verfügt. Der entsprechende Aberkennungsbescheid ist seit … Juni 2010 bestandskräftig, weil zu diesem Zeitpunkt die Rechtsmittelfrist gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München, das diesen Bescheid zum Gegenstand hatte und ihn für rechtmäßig befand, abgelaufen ist (vgl. zum damaligen Bescheid weiterführend VG München, Urteil vom 20. April 2010, Az. M 1 K 10.543 – juris). Weil der Antragsteller zwischenzeitlich nach Italien umzog, kam es erst am … August 2012 zur Eintragung des Sperrvermerks auf dem damaligen Papierführerschein, der aber bereits am … Dezember 2012 durch einen neuen Kartenführerschein ohne Vermerk ersetzt wurde. Auf Basis des Bescheids vom 25. November 2009 kann aber weiterhin ein solcher Sperrvermerk im aktuell gültigen Kartenführerschein angebracht werden, weil die Aberkennung nach wie vor Bestand hat und der Antragsteller auch nicht zwischenzeitlich einen neue Fahrerlaubnis erhalten hat, die anzuerkennen wäre.
1.2.2 Insbesondere steht dem nicht entgegen, dass dem Antragsteller am … Dezember 2012 durch das provinziale Amt A… … ein neuer Kartenführerschein ausgestellt wurde. Denn bei diesem Kartenführerschein handelt es sich um ein bloßes Ersatzdokument. Es dokumentiert nicht die Erteilung einer (neuen) Fahrerlaubnis. Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Kartenführerschein, der mit der Kennziffer (harmonisierter Gemeinschaftscode) 71 versehen ist, ihn also als Duplikat des am … August 1987 ausgestellten (alten) Führerscheins Nr. … … kennzeichnet (vgl. dazu Anhang I Nr. 3 der RL 2006/126/EG – „Führerscheinrichtlinie“). Auch die Aufnahme des Datums … August 1987 in die Spalte 10 des Kartenführerscheins spricht für diese Sicht (vgl. dazu ebenfalls Anhang I Nr. 3 der RL 2006/126/EG).
Das von den Bevollmächtigten des Antragstellers vorgelegte, aufgrund seiner italienischen Sprachfassung im Eilverfahren allenfalls eingeschränkt verwertbare (§ 184 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG -) Dokument vom … Juni 2016 vermag daran nichts zu ändern. Aus ihm wird nicht erkennbar, dass die italienischen Behörden eine neue Fahrerlaubnis ausgesprochen hätten. Im Gegenteil spricht auch diese Bescheinigung, indem sie sich wiederum auf die (alte) Führerscheinnummer … … bezieht, dafür, dass lediglich ein neues Ersatzdokument betreffend die ursprüngliche Fahrerlaubnis ausgestellt wurde.
Die Frage, inwieweit eine nach dem Erlasszeitpunkt des Bescheids des Landratsamts F. vom 25. November 2009 neu- bzw. wiedererteilte italienische Fahrerlaubnis auf dem Bundesgebiet anzuerkennen wäre (§ 28 FeV), stellt sich damit gar nicht.
1.3 Weil nach alledem die Hauptsacheklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug des verfahrensgegenständlichen Bescheids vom 19. April 2016. Gründe, die ausnahmsweise trotz der mangelnden Erfolgsaussichten der Hauptsache für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sprechen würden, sind nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. den Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.