Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Asylanerkennung – Georgien

Aktenzeichen  W 7 K 16.30734

Datum:
6.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK EMRK Art. 3
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG AsylG § 3, § 4, § 30 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

Bei unglaubhaften Angaben zum Verfolgungsschicksal der aus Georgien stammenden, asylsuchenden Eltern droht (auch) dem erst nach der Ausreise in Deutschland geborenen, ebenfalls asylsuchenden Kind keine Verfolgung im Herkunftsstaat. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 17. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG noch einen solchen auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG. Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:
1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, i.S.d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Aus § 3a AsylG ergibt sich, welche Handlungen als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG gelten. Zwischen derartigen Handlungen und den in § 3b AsylG näher definierten Verfolgungsgründen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG; vgl. hierzu auch Art. 9 Abs. 1 Buchst. a RL 2011/95/EU – Qualifikationsrichtlinie), oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1.) beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG; siehe hierzu auch Art. 9 Abs. 1 Buchst. b Qualifikationsrichtlinie).
Zudem müssen die genannten Folgen und Sanktionen dem Ausländer im Herkunftsland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d Qualifikationsrichtlinie (vgl. jetzt § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“), was dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32 m.w.N.). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG; vgl. hierzu bereits BVerwG, U.v. 5.11.1991 – 9 C 118.90 – juris; BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – juris).
Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Schutzsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Geflüchtete insbesondere hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Schutzsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 -, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asyl- oder Flüchtlingsanspruch voraus, dass der Schutzsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asyl- bzw. Flüchtlingsbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 -, Buchholz, § 108 VwGO Nr. 147).
Gemessen an diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor. Die Klägerin ist in der Bundesrepublik Deutschland geboren, es ist nicht ersichtlich, dass ihr im Land der Staatsangehörigkeit Verfolgung droht. Das Gericht hält die Angaben ihrer Eltern nicht für glaubwürdig. Insoweit wird auf das Urteil vom 6. März 2017 im Verfahren W 7 K 16.30598 Bezug genommen.
Das Bundesamt hat daher im Ergebnis zu Recht die Anträge der Klägerin auf Zuerkennung von Asyl und Flüchtlingsschutz gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Gleiches gilt für den Antrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes.
2. Aber auch nationale Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG) sowie auf die Ausführungen hierzu im Urteil vom 6. März 2017 im Verfahren W 7 K 16.30598 verwiesen.
Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung nach Georgien sind daher rechtmäßig. Die Ausreisefrist entspricht den gesetzlichen Vorgaben.
3. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung in Ziffer 6 des angefochtenen Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig. Ermessensfehler sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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