Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Abschiebungsandrohung wegen des Verweises auf internen Schutz im Süden Malis

Aktenzeichen  M 21 S 17.40719

Datum:
3.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 3e, § 36 Abs. 4
GG GG Art. 16a Abs. 4

 

Leitsatz

1 Der Antragsteller muss sich nach der Auskunftslage auf die Möglichkeit internen Schutzes im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen. (Rn. 18 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es ist davon auszugehen, dass der Antragsteller, der nach eigenen Angaben schon in Mali gearbeitet hat und in der Lage war, aus seinem Arbeitseinkommen die Kosten für die Reise nach Europa zurück zu bezahlen, der in Deutschland arbeitet und auch in der Lage war, sich nach Europa durchzuschlagen, bei einer Rückkehr nach Mali durch den Einsatz seiner Arbeitskraft ein hinreichendes Auskommen für sich erzielen kann. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach letzten, eigenen Angaben ein lediger, in Mourdiah geborener Staatsangehöriger der Republik Mali muslimischen Glaubens vom Volk der Soninke.
Er stellte am 20. Januar 2015 bei der Außenstelle des Bundesamt für … (kurz: Bundesamt) in M. einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in M. am 25. November 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, zuletzt habe er in Bamako in der Wohnung seines Onkels mit diesem, dessen Frau und ihren fünf Kindern gewohnt. Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter lebe nach wie vor in Mali. Außer ihr habe er auch noch drei verheiratete Schwestern, sowie zwei Onkel und zwei Tanten mit Familien in Mali. Nach der Schule habe er gelegentlich als Straßenverkäufer von Schuhen und Bekleidung gearbeitet. Der Onkel, bei dem er gewohnt habe, habe für ihn gesorgt. In Nordmali habe Krieg geherrscht und dieser hätte auch nach Bamako kommen können. Als sein Vater gestorben sei, habe sein Onkel traditionsgemäß seine Mutter heiraten sollen. Sie hätten sich aber getrennt. Da er nun keinen Vater mehr gehabt habe, habe er Mali verlassen müssen. Er habe Mali auch verlassen, weil er die Verantwortung für seine Mutter habe übernehmen müssen und er für die Armee habe rekrutiert werden sollen. Ein Stiefbruder aus Mosambik habe ihm die Reise nach Italien finanziert. Inzwischen habe er jedoch gearbeitet und das Geld wieder zurückgezahlt. In Mali habe er weder Probleme mit Polizei und Justiz, noch mit Ämtern und Behörden gehabt. Er habe kein Zuhause in Mali und könne auch nicht mehr bei seinem Onkel leben. Von Anfang an sei sein Ziel Deutschland gewesen. Er arbeite jetzt auch hier.
Mit Bescheid vom 5. Mai 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Mali an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, den Darstellungen sei keine politisch motivierte Verfolgung zu entnehmen, sondern lediglich die zu erwartenden, allgemein schwierigen Lebensbedingungen im Nordteil Malis nach Ausbruch des dortigen Krieges und der Besetzung des Gebiets durch radikalislamische Kräfte. Der Antragsteller müsse sich auf die Möglichkeiten des freien Arbeitsmarkts in Mali oder auch auf die Unterstützung seiner Familie verweisen lassen. Ihm drohe auch offensichtlich kein ernsthafter Schaden. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
Am 18. Mai 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen, den Bundesamtsbescheid vom 5. Mai 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, hilfsweise, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
Über die Klage (M 21 K 17.40718) ist noch nicht entschieden.
Am 18. Mai 2017 ließ der Antragsteller zudem beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Die durch Schriftsatz vom 18. Mai 2017 angekündigte Klagebegründung erfolgte bislang nicht. Zur Antragsbegründung wurde durch gesonderten Schriftsatz vom 18. Mai 2017 im Wesentlichen ausgeführt, eine Rückschiebung des Antragstellers nach Mali würde aufgrund der dort herrschenden Verhältnisse einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK begründen. Bewaffnete Gruppen griffen die Bevölkerung vermehrt an. Im Juli seien Angriffe auf die Hauptstadt Bamako erfolgt. Wegen der Trennung seines Onkels und seiner Mutter habe der Antragsteller das Haus seines Onkels verlassen müssen. Im Dorf seiner Mutter habe der Antragsteller keine Arbeit finden können. Die Familie seiner Mutter habe sich geweigert, ihn zu unterstützen. Daher sei er in Bamako geblieben und habe dort bis zur zwölften Klasse das Gymnasium besucht. Gelegenheitsverkäufe von Kleidern hätten nicht ausgereicht, um seine Grundbedürfnisse zu befriedigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und an der Rechtmäßigkeit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur näheren Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bundesamtsbescheids Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
Da der Antragsteller nach eigenen Angaben schon in Mali gearbeitet hat, er dazu in der Lage war, aus seinem Arbeitseinkommen die Kosten für die Reise nach Europa zurück zu bezahlen, er in Deutschland arbeitet und er auch in der Lage war, sich nach Europa durchzuschlagen, ist hinreichend gesichert davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr nach Mali durch den Einsatz seiner Arbeitskraft ein hinreichendes Auskommen für sich erzielen kann.
Abgesehen von der Frage der Glaubhaftigkeit des Vorbringens muss sich der Antragsteller auf Basis aktueller Lageberichte sowohl überstaatlicher (vgl. nur http://www.refworld.org/pdfid/59d388b84.pdf) als auch staatlicher (vgl. nur https://www.state.gov/documents/organization/265488.pdf) und nichtstaatlicher Stellen (vgl. nur https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/mali) jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen (§ 3e AsylG).
Im Vergleich zum Bericht des Generalsekretärs des Sicherheitsrats der UN über die Lage in Mali im Juni 2017 haben sich die politische und die Sicherheitslage dort zum Zeitpunkt Ende September 2017 verschlechtert. Die UN berichten allerdings in diesem Zusammenhang von einer Wiederaufnahme der Kämpfe zwischen den bewaffneten Signatarkräften in Nordmali, wachsender Unsicherheit im Zentrum des Landes und steigender politischer Unruhe im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Prüfungsprozess, der zu einer verspäteten Umsetzung des Abkommens geführt habe. Für die Region Kidal wird von einer Verschlechterung der Sicherheitslage berichtet. Asymmetrische Angriffe gegen internationale Kräfte seien insbesondere in den Regionen Gao, Kidal und Timbuktu zu verzeichnen. Die Sicherheit von Zivilisten habe sich in den Gegenden um Ménaka und Mopti verschlechtert.
Dementsprechend wird vom Außenministerium der Vereinigten Staaten festgehalten, für Teile des Nordens und des Zentrums des Landes werde insbesondere von ernsthaften Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche, extremistische Organisationen berichtet. Die Truppen der Regierung und der Französischen Republik hätten jedoch dort verschiedene Terrorgruppen bekämpft. Angriffe durch bewaffnete Gruppen, welche die Vereinbarung von 2015 unterzeichnet hatten, seien im Berichtszeitraum 2016 sporadisch und örtlich begrenzt gewesen. Terroristische Gruppen hätten ihre Aktivitäten (nur) im Norden und zentralen Teilen des Landes fortgesetzt. Die Regierung habe nicht genügend Ressourcen gehabt, um diese Fälle im Norden (allein) zu verfolgen und zu untersuchen.
Auch Amnesty International berichtet Stand 19. Mai 2017, die Instabilität habe in Mali vom Norden auf das Landesinnere übergegriffen. Es habe immer mehr bewaffnete Gruppierungen gegeben, die Anschläge verübten. Die Stadt Kidal im Norden des Landes sei von bewaffneten Gruppen kontrolliert worden. In Gao und Ménaka sei die Versorgung mit humanitärer Hilfe durch Entführungen seitens bewaffneter Gruppen behindert worden.
Bei dieser Lage muss sich der Antragsteller hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben