Aktenzeichen M 21 S 17.45084
Leitsatz
1. Die Übermittlung der erbetenen Informationen einschließlich eingelegter Rechtsbehelfe und deren Ausgang durch den Mitgliedsstaat Griechenland auf ein Informationsersuchen nach Art. 34 der Dublin III-VO ist für die Erfüllung der Amtsermittlungspflicht des Bundesamtes im Hinblick auf § 71a AsylG ausreichend, wenn der Antragsteller nicht hinreichend substantiiert darlegen kann, dass er niemals ein Schreiben griechischer Behörden erhalten habe. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unbeachtlich ist, ob dem Antragsteller in Griechenland im Rahmen des Asylverfahrens eine menschenunwürdige Behandlung zuteil wurde oder ihm eine solche drohe, weil nicht eine Abschiebung nach Griechenland, sondern die Abschiebung nach Mali angedroht worden ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der nicht ausgewiesene Antragsteller ist nach eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger. Er reiste Ende April 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. Dezember 2016 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Im Rahmen seines persönlichen Gesprächs zu Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates erklärte der Antragsteller, er habe 2013 in Griechenland und 2015 in Ungarn internationalen Schutz beantragt. Er habe neue Gründe und Beweismittel, die nicht in diesem früheren Verfahren geltend gemacht worden seien. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 9. Dezember 2016 führte der Antragsteller ergänzend aus, in Griechenland sei sein Asylantrag abgelehnt worden. Er sei aufgefordert worden, das Camp zu verlassen und ihm sei gesagt worden, er solle den Asylantrag zurücknehmen.
Das Ministry of Migration Policy der Hellenischen Republik wandte sich mit Schreiben vom 20. Januar 2017 an das Bundesamt und erklärte, der Antragsteller sei dort als senegalesischer Staatsangehöriger registriert. Sein Asylantrag sei am 8. März 2013 abgelehnt worden. Das hiergegen ergriffene Rechtsmittel des Antragstellers sei verfristet gewesen. Der Antragsteller habe daraufhin einen weiteren Asylantrag gestellt, der am 22. Januar 2015 als unzulässig abgelehnt worden sei. Auf sein Rechtsmittel sei diese Entscheidung aufgehoben worden und der Antrag zur Entscheidung in der Sache zurückgegeben worden. Die Bearbeitung sei dann wegen einer Rücknahme des Antrags unterbrochen worden.
Der Antragsteller erklärte daraufhin mit am 30. Mai 2017 beim Bundesamt eingegangenen Schreiben, er habe niemals eine Antwort der griechischen Behörden erhalten. Er sei in Griechenland aufgrund illegaler Einreise inhaftiert worden. Die Umstände seien fürchterlich gewesen. Daher habe er bei seinem Antrag in Griechenland nicht umfassend über das Geschehene berichten können. In Mali habe er keine Familie mehr. Er fürchte, bei einer Rückkehr entweder als Soldat kämpfen zu müssen oder getötet zu werden.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 19. Juni 2017, zugestellt am 21. Juni 2017, wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, und der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Die Abschiebung nach Mali wurde angedroht. Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich bei dem erneuten Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland um einen Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylG, da der Antragsteller bereits in einem sicheren Drittstaat gemäß § 26 a AsylG ein Asylverfahren erfolglos betrieben habe. Wiederaufgreifensgründe habe der Antragsteller weder dargelegt noch seien sie sonst ersichtlich. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Der Antragsteller sei ledig, volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er habe 13 Jahre lang die Schule besucht. Es sei davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr nicht in existentielle Not gerate und sich selbst versorgen könne.
Hiergegen hat der Antragsteller am 27. Juni 2017 privatschriftlich Klage erhoben (M 21 K 17.45083), mit der er beantragt, den Bescheid vom 19. Juni 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, sowie weiter hilfsweise das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts auf eine kürzere Frist zu bemessen.
Zugleich beantragt er, hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Zur Begründung führt er aus, es fehle an eindeutigen Informationen über die asylrechtlichen Entscheidungen in Griechenland. Zudem sei Griechenland kein sicherer Drittstaat, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Entscheidung in einem griechischen Asylverfahren auf derselben Grundlage basiere, wie dies im deutschen Asylverfahren der Fall sein würde.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 16. August 2017 die Behördenakten vorgelegt. Eine Äußerung erfolgte weder zum Klagenoch zum Eilverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowohl in diesem als auch im Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.
Gemäß §§ 71a Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung im Falle eines Zweitantrages, in dem ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99). Dies ist hier im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) nicht der Fall.
Nach § 71a Abs. 1 AsylG ist dann, wenn ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen. Andernfalls ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG.
§ 71a AsylG setzt damit den erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat voraus (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 22ff; BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50069 – juris Rn. 24ff). Hierbei muss der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat durch rechtskräftige Sachentscheidung festgestellt werden und feststehen; bloße Mutmaßungen genügen nicht (Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 71a AsylG, Rn. 3 und 9 m.w.N.). Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen.
Dies ist vorliegend der Fall. Auf ein Informationsersuchen nach Art. 34 der Dublin-III-VO hat der Mitgliedstaat Griechenland die erbetenen Informationen, einschließlich eingelegter Rechtsbehelfe und deren Ausgang, übermittelt. Damit ist die Antragsgegnerin ihrer Amtsermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der Einwand des Antragstellers, er habe niemals ein Schreiben griechischer Behörden erhalten, ist demgegenüber zu wenig substantiiert, um weitere Ermittlungen des Bundesamt zu veranlassen, zumal nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Informationen vollumfänglich unzutreffend gewesen seien.
Überdies hat das Gericht auch keinen Anlass an der Rechtmäßigkeit des Asylverfahrens in Griechenland zu zweifeln. Der Antragsteller hat hierzu weder etwas vorgetragen noch ist dem Gericht sonst ersichtlich, an welchen Mängeln das griechische Asylverfahren des Antragsteller gelitten haben soll, zumal der Antragsteller dieses Verfahren durch die Rücknahme seines Antrags selbst beendet hat. Ob dem Antragsteller andererseits in Griechenland eine menschenunwürdige Behandlung zuteilwurde oder ihm eine solche drohe, ist schon deshalb unbeachtlich, weil vorliegend nicht eine Abschiebung nach Griechenland, sondern die Abschiebung nach Mali angedroht worden ist.
Damit ist der Asylantrag zu Recht als unzulässig abgelehnt worden.
Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich. Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheides, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG), und führt ergänzend aus:
Es besteht insbesondere kein greifbarer Anhaltspunkt für die Annahme eines Abschiebungsverbots. Insbesondere kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf ein von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasstes gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot berufen. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der Fassung des am 17. März 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 bis 3 AufenthG in derselben Gesetzesfassung wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Eine solche wurde vom Antragsteller nicht vorgelegt. Das vorgelegte Attest des Chefarztes der Klinischen Sozialpsychiatrie, das noch nicht einmal eine genaue Diagnose enthält, erfüllt diese Voraussetzungen ebenso wenig wie die vorgelegten Befunde über Blutuntersuchungen des Antragstellers.
Damit bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, dass seiner Abschiebung nach Mali gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Nach alldem ist auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedenfalls mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen, zumal der Antragsteller ohnehin nicht anwaltlich vertreten ist, so dass er angesichts der Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens mit keinen Kosten belastet wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).