Aktenzeichen 7 PKH 7/09, 7 PKH 7/09 (7 B 45/09)
§ 5 Abs 3 GräbG
§ 5 Abs 1 GräbG
§ 9 GräbG
§ 16 Nr 3 GräbG
Verfahrensgang
vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 15. Oktober 2009, Az: 1 S 2422/08, Urteil
Gründe
I.
1
Der Kläger wendet sich im zugehörigen Ausgangsverfahren gegen die Anordnung der beklagten Stadt, das von ihm angelegte und gepflegte Grab des 1980 ermordeten B. M. auf dem städtischen Friedhof wegen Ablaufs der Ruhezeit vollständig abzuräumen. Er begehrt ergänzend die Verpflichtung der Beklagten, die tatsächliche Beseitigung dieser Grabstätte (teilweise) rückgängig zu machen. Er beruft sich dabei auf einen Schutz der Grabstätte nach dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz – GräberG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. August 2005, BGBl I S. 2426), weil B. M. im Auftrag der Staatssicherheit der DDR getötet worden sei. Der Kläger beantragt ferner, die beklagte Stadt zu der Feststellung zu verpflichten, dass es sich bei dem Grab um ein solches im Sinne des Gräbergesetzes handelt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde eingelegt (Verfahren BVerwG 7 B 45.09). Er beantragt, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
II.
2
Das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, § 114 ZPO). Der eingereichten Beschwerdebegründung sind keine Gründe für eine Zulassung der Revision zu entnehmen. Namentlich ergibt sich aus ihr nicht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat.
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1. Soweit der Verwaltungsgerichtshof die Anordnung, das Grab abzuräumen, als rechtmäßig beurteilt und demgemäß einen Anspruch abgelehnt hat, den tatsächlichen Vollzug der Anordnung teilweise rückgängig zu machen, wirft der Kläger in seiner Beschwerdebegründung sinngemäß (auf Seite 5 unten) die Frage auf, ob (zunächst) privat gepflegte Gräber nach § 5 Abs. 3 GräberG in öffentliche Erhaltung und Pflege zu nehmen sind, wenn die private Pflege des Grabes durch hoheitliche Maßnahmen unmöglich gemacht wird. Diese Frage beantwortet sich unmittelbar aus dem Gesetz und bedarf deshalb nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.
4
Nach § 1 Abs. 1 GräberG dient das Gräbergesetz dazu, der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in besonderer Weise zu gedenken und für zukünftige Generationen die Erinnerung daran wach zu halten, welche schrecklichen Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 GräberG sind Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft unter anderem im Inland liegende Gräber von Personen, die auf Grund von rechtsstaatswidrigen Maßnahmen als Opfer des kommunistischen Regimes ums Leben gekommen sind. Gräber nach § 1 GräberG bleiben dauernd bestehen (§ 2 Abs. 1 GräberG). Die Länder haben die in ihrem Gebiet liegenden Gräber nach § 1 GräberG festzustellen, in Listen nachzuweisen und diese Listen auf dem Laufenden zu halten (§ 5 Abs. 1 GräberG). Sie haben die in ihrem Gebiet liegenden Gräber nach § 1 zu erhalten; Maßnahmen zur Erhaltung sind Anlegung, Instandsetzung und Pflege (§ 5 Abs. 3 GräberG). Das Gräbergesetz ist jedoch nach § 16 Nr. 3 GräberG auf Gräber nach § 1 nicht anzuwenden, wenn es sich um ein privatgepflegtes Grab nach § 9 Abs.1 handelt. Privatgepflegte Gräber sind Gräber nach § 1 GräberG, deren Erhaltung im Sinne des § 5 Abs. 3 GräberG Angehörige des Verstorbenen übernommen haben. Privatgepflegte Gräber werden nach § 9 Abs. 2 GräberG nicht in die öffentliche Obhut übernommen. Abweichend von dieser nunmehr geltenden Vorschrift sah der inzwischen aufgehobene § 9 Abs. 3 GräberG in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Januar 1993 (BGBl I S. 178) noch vor, dass das Land die Erhaltung eines privatgepflegten Grabes mit Zustimmung der Angehörigen übernehmen konnte. Die Möglichkeit war allerdings befristet, und zwar für Gräber von Opfern des kommunistischen Regimes (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GräberG) bis zum 31. Dezember 1994 (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 4 GräberG in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Januar 1993). Ist ein privatgepflegtes Grab bis zum Ablauf dieser Frist nicht in öffentliche Obhut genommen worden, bleibt es endgültig dabei, dass auf dieses Grab das Gräbergesetz nicht anzuwenden ist. Für dieses Grab gelten deshalb uneingeschränkt die allgemeinen friedhofsrechtlichen Bestimmungen mit ihrer Beschränkung der Ruhezeit und den sich daraus ergebenden Folgen für den Bestand des Grabes. Entfällt die Möglichkeit einer privaten Pflege des Grabes, weil die friedhofsrechtlich festgelegte Ruhezeit abgelaufen ist, verliert das Grab damit nicht die rechtliche Eigenschaft eines privatgepflegten Grabes im Sinne der §§ 9, 16 Nr. 3 GräberG. Es realisieren sich nur die Rechtsfolgen, die sich aus der Nichtanwendbarkeit des Gräbergesetzes auf dieses Grab ergeben. Diese sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
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2. Soweit der Verwaltungsgerichtshof das Begehren für unbegründet gehalten hat, die Beklagte zu verpflichten, nach § 5 GräberG festzustellen, dass es sich bei der Grabstätte des B. M. um ein Grab nach § 1 GräberG handelt, wirft der Kläger sinngemäß die Frage auf, ob § 5 Abs. 1 GräberG privaten Dritten eine Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO vermittelt. Diese Frage ist aber nicht entscheidungserheblich und könnte deshalb in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden.
6
Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage insoweit zunächst mit der Begründung abgewiesen, dem Kläger fehle für dieses Begehren die Klagebefugnis, weil § 5 Abs. 1 GräberG keinen Drittschutz vermittelt. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch des Weiteren die Klage für unbegründet gehalten, weil das Gräbergesetz aus den zuvor erörterten Gründen auf das Grab des B. M. nicht anwendbar ist und die begehrte Feststellung deshalb nicht verlangt werden kann. Auf die Klagebefugnis kommt es deshalb im Ergebnis nicht an.
Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 30.10.2010 – 1 BvR 1887/10 – nicht zur Entscheidung angenommen.