Verwaltungsrecht

Flüchtlingseigenschaft, Nachfluchtgrund, Verwaltungsgerichte, Beachtliche Wahrscheinlichkeit, Befähigung zum Richteramt, Klageabweisung, Vorverfolgung, Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, Prozeßbevollmächtigter, Verfolgungsgefahr, Prozeßkostenhilfeverfahren, Schriftsätze, Glaubhaftmachung, Endgültige Ausreise, Anknüpfungstatsachen, Bundsverwaltungsgericht, Asylverfahren, Anhörung, Gerichtsverfahren, Ersatzzustellung

Aktenzeichen  AN 15 K 19.30039

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 3250
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 28

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Die zulässige Klage ist unbegründet, denn der angegriffene Bescheid verletzt in seiner Ziffer 2. die Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid erweist sich als rechtmäßig. Den Klägern steht im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG nicht zu. Damit war die Klage abzuweisen.
Zunächst macht das Gericht von der ihm von Gesetzes wegen eingeräumten Befugnis Gebrauch, zur Begründung seines Urteils auf die Gründe des angefochtenen Bescheids zu verweisen und sich die dort angegebene Begründung zu eigen zu machen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Insbesondere, soweit die Kläger im gerichtlichen Verfahren ergänzend vortragen, ist jedoch noch wie folgt auszuführen:
Unter Zugrundelegung des nachfolgend dargestellten rechtlichen Maßstabes (dazu 1. a)) sowie der tatsächlichen Lage in der Herkunftsregion der Kläger, dem Gouvernement … in der Syrischen Arabischen Republik (dazu 1. b)), haben die Kläger keine unmittelbare Verfolgung durch regierungstreue Truppen bzw. das Assad-Regime oder durch einen anderen Verfolger im Sinne des § 3c AsylG vor ihrer Ausreise aus Syrien glaubhaft gemacht und sind auch keine Anknüpfungstatsachen vorgetragen oder erkennbar, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund von Nachfluchtgründen im Sinne des § 28 AsylG belegen (dazu insgesamt 2.).
1. a) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Die Verfolgung muss dem Ausländer hierbei gerade wegen mindestens einem dieser Verfolgungsgründe drohen; es muss eine Verknüpfung zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen, § 3a Abs. 3 AsylG. Hierbei ist es unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich eines dieser Merkmale verwirklicht, sofern ihm dieses Merkmal von seinem Verfolger zugeschrieben wird, § 3b Abs. 2 AsylG. Eine Verfolgung kann dabei gemäß § 3c AsylG ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 3e AsylG. Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146, 67-89 Rn. 19).
Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146, 67-89 Rn. 32; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118.90 – BverwGE 89, 162-171 Rn. 17).
Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie). Diese Vermutung kann aber wiederlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377 [388 Rn. 23]). Ob sich der Antragsteller im Einzelfall auf diese Beweiserleichterung in Form einer tatsächlichen Vermutung, frühere Handlungen und Bedrohungen wiederholten sich bei einer Rückkehr in das Herkunftsland, berufen kann bzw. die Vermutung widerlegt wurde, ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 a.a.O.; OVG NRW, U.v. 17.8.2010 – 8 A 4063/06.A -, juris Rn. 39).
Die begründete Furcht vor Verfolgung kann gemäß § 28 Abs. 1a AsylG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Dabei greift für derartige Nachfluchttatbestände in einem Erstverfahren die Einschränkung des § 28 Abs. 2 AsylG nicht, wonach bei einem Folgeantrag Nachfluchtgründe in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht begründen können.
Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – BVerwGE 71, 180-183 Rn. 16). Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 147 Rn. 11).
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BvR 1095/90 – InfAuslR 1991, 94-97 Rn. 15; BayVGH, B.v. 18.7.2017 – 20 ZB 17.30785 – juris Rn. 5 m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet dabei die Pflicht der Gerichte zur Aufklärung des Sachverhalts ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet. Lässt der Kläger es an der Schilderung eines zusammenhängenden und in sich stimmigen, im wesentlichen widerspruchsfreien Sachverhalts mit Angabe genauer Einzelheiten aus seinem persönlichen Lebensbereich fehlen, so bietet das Klagevorbringen seinem tatsächlichen Inhalt nach keinen Anlass, einer daraus hergeleiteten Verfolgungsgefahr näher nachzugehen (BVerwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 – juris Rn. 8). Es ist auch von Verfassungs wegen unbedenklich, wenn ein in wesentlichen Punkten unzutreffendes oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchliches Vorbringen ohne weitere Nachfragen des Gerichts unbeachtet bleibt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BvR 1095/90 – juris Rn. 14 ff.). Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris).
b) Das Herrschaftssystem des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad ist durch den seit dem Jahr 2011 anhaltenden militärischen Kampf gegen verschiedene feindliche Organisationen und infolge internationaler Sanktionen militärisch sowie wirtschaftlich zunehmend unter Druck geraten. Ziel der Regierung ist es, die bisherige Machtarchitektur bestehend aus dem Präsidenten Bashar al-Assad sowie den drei um ihn gruppierten Clans (Assad, Makhlouf und Shalish) ohne einschneidende Veränderungen zu erhalten und das Herrschaftsmonopol auf dem gesamten Territorium der Syrischen Arabischen Republik wiederherzustellen. Diesem Ziel ordnete die Regierung in den vergangenen Jahren alle anderen Sekundärziele unter. Sie geht in ihrem Einflussgebiet ohne Achtung der Menschenrechte gegen tatsächliche oder vermeintliche Regimegegner (Oppositionelle) mit größter Brutalität und Rücksichtslosigkeit vor. Dabei sind die Kriterien dafür, was als politische Opposition betrachtet wird, sehr weit: Kritik, Widerstand oder schon unzureichende Loyalität gegenüber der Regierung in jeglicher Form sollen Berichten zufolge zu schweren Vergeltungsmaßnahmen für die betreffenden Personen geführt haben (UNHCR, Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 5. Fassung – im Folgenden UNHCR-Erwägungen 2017 – unter Verweis auf: United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2015, 13.4.2016; Amnesty International, Human Slaughterhouse: Mass Hangings and Extermination at Saydnaya Prison, Syria, 7.2.2017; UN Human Rights Council, Out of Sight, out of Mind: Deaths in Detention in the Syrian Arab Republic, 3.2.2016). Seit dem Ausbruch des Krieges im März 2011 sind zahlreiche Fälle von willkürlicher Verhaftung, Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren, „Verschwindenlassen“, tätlichen Angriffen, Tötung in Gewahrsam der Sicherheitskräfte und Mordanschlägen belegt. Die Gefahr körperlicher und seelischer Misshandlung ist in den Verhörzentralen der Sicherheitsdienste, zu denen weder Anwälte noch Familienangehörige Zugang haben, als besonders hoch einzustufen. Personen, die unter dem Verdacht oppositioneller Umtriebe stehen, unterliegen ebenfalls einem hohen Folterrisiko (Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, 13.11.2018). Menschenrechtsgruppen zufolge hat das Regime seit März 2011 zwischen 17.500 und 60.000 Männer, Frauen und Kinder zu Tode gefoltert oder exekutiert; das syrische Regime stellt falsche Totenscheine offenbar mit dem Ziel aus, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien, 25.1.2018, S. 34 unter Verweis auf US Department of State, 2016 Country Reports on Human Rights Practices – Syria, 29.3.2017). Das Schicksal und der Aufenthaltsort Zehntausender Menschen, die seit Ausbruch des Krieges von Regierungskräften inhaftiert worden waren und seitdem „verschwunden“ sind, ist nach wie vor unbekannt. Während der Haft werden Folter und andere Misshandlungen systematisch angewendet (Amnesty International, Report Syrien 2018, 22.2.2018; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien, 25.1.2018, S. 34 unter Verweis auf Human Rights Watch, World Report 2017 – Syria; Einwanderungs- und Flüchtlingsbehörde von Kanada, Antworten auf Informationsanfragen SYR105361.E, 19.1.2016) (für alles Vorstehende vgl. auch: BayVGH, U.v. 12.4.2019 – 21 B 18.32459 – BeckRS 2019, 12018; U.v. 9.4.2019 – 21 B 18.33075 – juris Rn. 21, unter Fortführung seiner Rechtsprechung aus der Entscheidung vom 20.6.2018 – 21 B 17.31605 – juris; U.v. 9.5.2019 – 20 B 19.30534 – BeckRS 2019, 15375 Rn. 29).
…, dem lokalen Herkunftsgebiet der Kläger, hat während des andauernden Bürgerkriegs in Syrien ebenfalls Gewalt erlebt. Kleinere Demonstrationen gegen Korruption in der Regierung und die Sicherheitsdienste begannen im April 2011. Am 12. Dezember 2011 behaupteten Oppositionsaktivisten, die syrische Armee habe „wahllos“ elf Menschen in der Stadt und in der Nähe von Kafr Yahmul getötet. Der Vorfall begann, als Soldaten angeblich zwei Zivilisten in … erschossen und die Bewohner aufforderten, die H. straße zu den Dörfern zu blockieren. Die Armee habe dann nach dem Zufallsprinzip geschossen, was zu elf Todesfällen geführt habe. Am nächsten Tag griffen Überläufer der Armee einen Konvoi von Sicherheitskräften in der Region Idlib an und töteten laut Aktivisten sieben Menschen. Stunden später wurden zwei weitere Einwohner von syrischen Sicherheitskräften während eines Trauerzuges für die am Vortag Getöteten erschossen (BBC News, „Syria unrest: Deadly clashes hit restive north-west“, Bericht vom 13.12.2011, abrufbar unter: https://www.bbc.com/news/world-middle-east-16166616, zuletzt abgerufen am 23.2.2021).
Nachdem die Kämpfer der Terrororganisation Islamischer Staat weitgehend aus der Region Idlib vertrieben waren, wurde das Gouvernement im Sommer 2017 in weiten Teilen von Angehörigen der dschihadistischen Gruppierung HTS (Hayat Tharir al-Sham) kontrolliert, die ihren Nachwuchs an Kämpfern aus Flüchtlingslagern rekrutierten. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad schloss im weiteren Verlauf des Krieges mehrere Übereinkommen mit den Verteidigern aufständischer Gebiete im ganzen Land, die ihre Stellungen aufgaben und dafür freies Geleit ins Gouvernement Idlib erhielten. In Idlib hatten sich neben den 1,6 Millionen ursprünglichen Einwohnern so im Kriegsverlauf bis März 2018 noch etwa eine Million Flüchtlinge angesammelt. Die Durchmischung von moderaten Aufständischen mit den oft islamistischen Kräften wurde als Taktik des Regimes gewertet, die Verteidiger insgesamt als vom Ausland gesteuerte Terroristen zu diskreditieren und so einen Vorwand für einen Angriff auf das Gouvernement zu schaffen, auf den die internationale Gemeinschaft nicht reagieren wird. Hochrangige arabische Beamte aus Amman und Beirut beschrieben die Lage im Gouvernement 2018 als „geschickt konstruierte Killbox“. Mitte August 2018 begann die syrische Armee mit Vorbereitungen für eine Offensive auf Idlib als letztes größeres Rebellengebiet im Land. Im Nordwesten Syriens wurden Dutzende Luft- und Artillerieangriffe ausgeführt, wobei unter anderem Kampfflugzeuge und Hubschrauber zum Einsatz kamen. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) kamen dabei mindestens 22 Menschen ums Leben. Zuvor hatten Helikopter Flugblätter über Dörfern im Osten Idlibs abgeworfen, in denen die Einwohner aufgerufen wurden, sich zu ergeben. Im April 2019 begannen regierungstreue Truppen und die Luftstreitkräfte Russlands im Gouvernement Idlib im Rahmen ihres Militäreinsatzes in Syrien eine Offensive, bei der zivile Infrastruktur, darunter Krankenhäuser, Schulen und Märkte systematisch zerstört wurden. Drei Millionen Menschen, zwei Drittel davon abhängig von humanitären Hilfen, da mehrheitlich Kinder und Flüchtlinge aus anderen Landesteilen unter ihnen sind, leben in und um die Hauptstadt Idlib. Ende Juni 2019 waren durch die täglichen Bombardements und Gefechte laut UN 330.000 Menschen zur Flucht in andere Gegenden des Gouvernements gezwungen. Von Ende Juni 2019 bis Ende Juli 2019 starben „Save the Children“ zufolge in dem Gouvernement mehr Kinder durch den Krieg als im gesamten Jahr 2018. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) berichtet von 837 zivilen Todesopfern zwischen dem 30. April 2019 und dem 28. Juli 2019 im Gouvernement Idlib. Im selben Zeitraum wurden derselben Quelle zufolge 932 militärische Verluste auf syrischer Regierungsseite und 1.007 auf Seiten der Rebellen gezählt, darunter 625 Dschihadisten. Im Oktober 2019 wurde in der USamerikanischen Operation Kayla Mueller in Barischa mit Abu Bakr al-Baghdadi der Anführer des islamischen Staates getötet. Ab Dezember desselben Jahres intensivierten die russischen und syrischen Streitkräfte die im April begonnene Offensive im Süden und Osten des Gouvernements Idlib durch eine Erhöhung von Luftangriffen auf Rebellen der HTS. Unterstützt wird die Offensive auch von zehntausenden schiitische Milizionären aus Afghanistan, Pakistan, Libanon und dem Irak, die von der iranischen Quds-Brigade aufgestellt wurde. Ende Januar 2020 vermeldete die Vereinten Nationen (UN), dass sich seit Dezember 2019 etwa 520.000 Menschen in Idlib auf die Flucht begeben hatten. Im Dezember sind demnach alleine südlich der Stadt Idlib mehr als 235.000 Menschen in Richtung Norden des Gouvernements, in die Städte Ariha, Idlib und Saraqib oder in bereits überfüllte Flüchtlingslager an der Grenze zur Türkei, geflohen. Eine Uno-Resolution zur Auslieferung von Hilfsgütern über die Türkei in die Grenzregion Syriens wurde von Russland und China im Sicherheitsrat blockiert. Ende Januar 2020 zerstörte die russische Luftwaffe eines der letzten Krankenhäuser des Gouvernements. Anfang Februar 2020 kam es zu Kampfhandlungen zwischen den syrischen Streitkräften und türkischen Streitkräften; letztere unterhalten auf Grundlage eines Abkommens mit Russland Beobachtungsposten im Gouvernement. Mitte Februar 2020 berichtete World Food Programm (WFP) von mehr als 140.000 Flüchtlingen innerhalb einer Woche im Februar, sodass sich seit Dezember 2018 insgesamt 800.000 Menschen in Idlib auf die Flucht begeben hatten. Davon sind laut WFP 80 Prozent Frauen und Kinder (vgl. für das Vorstehende insgesamt: https://de.wikipedia.org/wiki/Gouvernement_Idlib mit weiteren Nachweisen; United States Department of State, Syria 2019 Human Rights Report, S. 3 f. u. 23 ff.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Stand: 17.10.2019, S. 9 f.).
In der Fortschreibung des Berichts des Auswärtigen Amtes über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019 mit Stand vom Mai 2020 wird u.a. festgestellt, dass die syrische Regierung auch bei den andauernden Kämpfen um die Region Idlib im Nordwesten Syriens weiter eine Strategie anwendet, die von den Vereinten Nationen als „Taktik der verbrannten Erde“ bezeichnet wird. Luftangriffe auf zivile Infrastruktur wie Schulen, Krankenhäuser, Märkte und Flüchtlingslager führten laut Angaben der Vereinten Nationen zu der größten humanitären Katastrophe im Verlauf des Syrienkonflikts. Infolge der Kampfhandlungen waren zwischenzeitlich 980.000 Menschen vertrieben worden. Auch wenn in jüngerer Zeit unter Vermittlung der Türkei und Russlands eine Waffenruhe vereinbart wurde, die bisher weitgehend eingehalten wird, kommt es immer wieder zu einzelnen Gefechten, inklusive schwerer Artillerieangriffe. Die Waffenruhe gilt weiterhin als fragil. Auch im Nordosten Syrien kommt es immer noch vereinzelt zu Kampfhandlungen und Anschlägen. Die Regierung Assad hat wiederholt öffentlich erklärt, dass die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes weiterhin ihr erklärtes Ziel sei.
Die Provinz Idlib und angrenzende Teile der Provinzen Aleppo, Latakia und Hama sind das letzte große Gebiet Syriens unter Kontrolle der aus Regierungssicht Aufständischen. Die Einwohner der mehrheitlich arabisch-sunnitischen Region im Nordwesten des Landes waren unter den Ersten, die sich im Frühjahr 2011 gegen die autoritäre Herrschaft von Präsident Assad erhoben. Die Opposition profitierte dabei auch von der Unterstützung der Türkei, die direkt an die Provinz grenzt (für alles Vorstehende: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Stand: 17.10.2019, S. 9 f.; Neue Zürcher Zeitung, „Die neuesten Entwicklungen – Bürgerkrieg in Syrien: UN-Bericht beklagt schwere Kriegsverbrechen – in 38 Fällen seien Chemiewaffen eingesetzt worden“, Bericht vom 18.2.2021, abrufbar unter: https://www.nzz.ch/international/idlib-das-neuste-im-kampf-um-syriens-letzte-rebellenbastion-ld.1536230 – abgerufen am 23.2.2021).
2. Unter Zugrundelegung des Vorgenannten haben die Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
a) Zwar hat der Kläger bereits in seiner Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, zu den ersten Demonstrationsteilnehmern gegen das Assad-Regime im Jahr 2011 gehört zu haben und deswegen auch für die Dauer von ca. einer Woche durch den syrischen Geheimdienst festgenommen und misshandelt sowie bedroht worden zu sein. Ob darin eine Verfolgung wegen der politischen Überzeugung des Klägers durch den syrischen Staat zu erblicken ist, wo sich diese ersten Demonstrationen nach der Erkenntnislage doch zunächst primär gegen Korruption in der Verwaltung und den Sicherheitsapparaten richteten, kann im Ergebnis dahinstehen. Der Kläger hat nach Überzeugung des Gerichts gleichwohl keine ihm oder seiner Familie unmittelbar vor bzw. in zeitlich engem Zusammenhang mit seiner Ausreise aus Syrien drohende Verfolgung glaubhaft gemacht. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck einer (befürchteten) Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus (vgl. BVerfG, B.v. 12.2.2008 – 2 BvR 2141/06 – juris Rn. 20; VG Köln, U.v. 26.2.2014 – 23 K 5187/11.A – juris Rn. 26). Dazu haben die Kläger in ihren Anhörungen vor dem Bundesamt lediglich angegeben, ihre Heimatstadt vor dem Hintergrund der Befürchtung einer erneuten Verhaftung des Klägers in Richtung … verlassen zu haben, wobei die Klägerin mit den gemeinsamen Kindern bereits dort bei Verwandten gelebt habe, bevor auch der Kläger dazugekommen sei. In … sei ihnen nichts passiert und man habe sich auch immer wieder zu verschiedenen Verwandten des Klägers begeben. Syrien verlassen habe man schließlich, nachdem das eigene Haus zuvor durch Bomben zerstört worden sei. Die Zerstörung des Hauses sei im Zuge der Bombardierung ihrer Herkunftsregion durch syrische Truppen passiert.
In ihrer bei Gericht eingereichten schriftlichen Stellungnahme ergänzten die Kläger, dass die Ausreise aus Syrien mehrere Wochen Zeit benötigt habe. Vor diesem Hintergrund fehlt es vorliegend an der engen zeitlichen-situativen Verknüpfung einer Ausreise aus Syrien aufgrund des Eindrucks einer bevorstehenden Verfolgung der Kläger bzw. einer begründeten Furcht davor, durch syrische Regierungstruppen festgenommen zu werden. Das Gericht ist vielmehr davon überzeugt, dass die Kläger bei ihren Verwandten in … einen sicheren Unterschlupf gefunden hatten und ihnen dort eine Verfolgung nicht mehr drohte. Bei lebensnaher Betrachtung ist die Ausreise der Kläger, die sich mit der Organisation und den Möglichkeiten einer solchen Ausreise bereits auskannten, vielmehr auf die zunehmende Verschlechterung der allgemeinen Sicherheitslage, insbesondere den von ihnen selbst beschriebenen Bombardierungen ihrer Herkunftsregion zurück zu führen. Damit fehlt es aber an einem flüchtlingsrechtlich relevanten Zusammenhang zwischen Ausreise und behaupteter bzw. befürchteter individueller Verfolgung.
Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass es den lokalen Sicherheitsbehörden ihrer Heimatstadt nach Verlassen der Stadt durch die Kläger an einem fortbestehenden Verfolgungsinteresse bezüglich des Klägers mangelte. Dass nach den Klägern in … gezielt gesucht worden wäre, ist vor dem Hintergrund der Angaben der Kläger gegenüber dem Bundesamt und aufgrund der Bewertung der Gesamtlage in der Region …, wie sie sich den Erkenntnismitteln zu den Jahren 2011/2012 entnehmen lassen, nicht beachtlich wahrscheinlich. Der Kläger hatte in seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt bekundet, als passiver Teilnehmer an den aufkommenden Freitagsdemonstrationen teilgenommen zu haben. Dies hat der Kläger in seiner Äußerung bei der Anhörung sogar betont („Ich war immer nur passiver Teilnehmer.“). Der Kläger wurde nach seiner ersten Festnahme – deren Ereignis als wahr unterstellt werden kann, deren Details allerdings vage geblieben sind – wieder freigelassen und ermahnt, an Demonstrationen nicht mehr teilzunehmen. Obgleich er sich dieser Ermahnung nach seinen Angaben widersetzt hatte, ist ihm für die Dauer von einem Monat nichts weiter passiert. Dass er dann erneut festgenommen werden sollte, beruht letztlich auf einer Befürchtung des Klägers, nicht jedoch auf einer Gewissheit. Auch dazu hat der Kläger in seiner Anhörung nur detailarm berichtet, dass er aus dem Fenster seines Hauses Leute habe kommen sehen, die er kannte. Woher er „diese Leute“ kannte bzw. warum es sich seiner Meinung nach um Angehörige des Sicherheitsdienstes gehandelt habe, teilte der Kläger in seiner Anhörung vor dem Bundesamt nicht mit. Das Gericht hat daher die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger zwar an den aufkommenden Demonstrationen in seiner Heimatstadt teilgenommen hatte und deswegen möglicherweise auch in den Fokus der damals noch dort herrschenden regierungstreuen Sicherheitsorgane gekommen ist, sich dieser Fokus aber mit dem Verlassen der Heimatstadt entschärfte.
Die Klägerin wiederum hat zu persönlichen Teilnahmen an Demonstrationen nichts geäußert und auch sonst keine schwerwiegenden individuellen Handlungen von Sicherheitsangehörigen ihr gegenüber benannt, die eine asylrechtliche Qualität erreichen.
Soweit die Kläger im gerichtlichen Verfahren erstmals die näheren Umstände ihrer behaupteten Verfolgung nachzeichnen und dabei auch angaben, der Kläger sei nicht nur passiver Teilnehmer an den Demonstrationen, sondern Mitorganisator gewesen, hält das Gericht diesen Vortrag für unglaubhaft. In ihrer nachgetragenen Stellungnahme zeigt sich ein gesteigerter, gegenüber dem Erstvortrag vor dem Bundesamt in erheblichen Punkten widersprüchlicher Sachvortrag, den die Kläger nicht überzeugend aufzulösen vermocht haben. Die Kläger haben sich durch ihren Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch die Chance genommen, dass das Gericht die Kläger zu den bestehenden Widersprüchen befragt und sich einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Kläger verschafft. Dabei war den Klägern durch die Gründe der beiden ablehnenden Beschlüsse des Einzelrichters im Prozesskostenhilfeverfahren auch deutlich vor Augen geführt, dass das Gericht Widersprüche im Sachvortrag sieht. Gleichwohl haben die Kläger dazu auch nicht noch einmal ergänzend schriftsätzlich Stellung bezogen. Damit gehen die Widersprüche zu ihren Lasten. Dass insbesondere der Kläger in seinem Heimatort in deutlicher Form als Gegner des herrschenden Assad-Regimes aufgetreten ist, ist im Ergebnis nicht glaubhaft gemacht.
Eine überzeugende Auflösung der Widersprüche sieht das Gericht dabei auch nicht in den vom Kläger schriftlich vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden. Zum einen hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt keine gesundheitlichen Beschwerden oder mögliche Erinnerungslücken vorgetragen. Es ergibt sich aus der Niederschrift seiner Anhörung auch nicht, dass im Zuge der Anhörung Gesundheitsprobleme durch den anhörenden Entscheider wahrgenommen worden wären bzw. dass das Gespräch mit dem Kläger hätte unterbrochen werden müssen. Zum anderen fehlt es auch aufgrund der vom Kläger zu seiner Person zur Gerichtsakte gereichten ärztlichen Unterlagen an validen Anknüpfungstatsachen, die kognitive Einschränkungen des Klägers zumindest als möglich erscheinen lassen und ggf. weiterer gerichtlicher Aufklärung bedurft hätten. Der Kläger hat angegeben, an mehrmaligen TIAs gelitten und deswegen Gedächtnisprobleme gehabt zu haben. In den nachgereichten ärztlichen Unterlagen finden sich indes keine Anhaltspunkte für kognitive Einschränkungen beim Kläger. Vielmehr wird ihm – soweit hier relevant – ein guter Allgemein- und Ernährungszustand und Orientiertheit bescheinigt. Darüber hinaus bietet auch die Angabe „TIA“ durch den Kläger keinen Grund für weitergehende Ermittlungen des Gerichts zur Frage von kognitiven Einschränkungen. Bei der Angabe „TIA“ handelt es sich um die Abkürzung für die transitorisch ischämische Attacke, einer Art Vorstufe eines Hirninfarktes, die symptomatisch zumeist auch mit entsprechenden neurologischen und motorischen Einschränkungen analog einem Hirninfarkt, jedoch nur für kurze Zeit von weniger als 24 Stunden einhergeht. Gerade nicht zu den Symptomen einer TIA gehören allerdings kognitive Einschränkungen, etwa Bewusstseinsstörungen, Verwirrtheit und Amnesie (vgl. zu allem Vorstehenden: Sander/Conrad, Die transitorisch ischämische Attacke – ein medizinischer Notfall, in: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 103, Heft 30 v. 28.7.2006, A 2041, abrufbar unter: https://cdn.aerzteblatt.de/pdf/103/30/a2041.pdf – abgerufen am 23.2.2021).
Schließlich ist noch festzuhalten, dass beide Kläger vor ihrer Anhörung durch das Bundesamt auf die Bedeutung ihres Vortrags für ihr Asylverfahren hingewiesen und entsprechend belehrt wurden. Sie haben die gefertigte Niederschrift rückübersetzt bekommen und mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass die niedergelegten Aussagen richtig und vollständig seien und es Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher nicht gegeben habe. Die Aussagen der Kläger decken sich dabei in den entscheidenden Punkten zum Verfolgungsschicksal. Selbst wenn also der Kläger Erinnerungsschwierigkeiten bei seiner Anhörung gehabt haben sollte, ergeben sich jedoch auch aus der Anhörungsniederschrift der – in gleichem Maße wie der Kläger überdurchschnittlich gebildeten – Klägerin keine Anhaltspunkte, dass die zweite Ausreise aus Syrien auf noch anderen Gesichtspunkten als der Zerstörung ihres Hauses beruhen könnte. Die Klägerin hat auch nicht davon berichtet, ihr Mann sei in den Jahren 2011/2012 besonders politisch aktiv aufgefallen. Auch dies bekräftigt die Unglaubhaftigkeit des später vor Gericht gemachten Vortrags der Kläger.
Weil das Gericht den schriftsätzlich ergänzenden Vortrag der Kläger insgesamt für übersteigert hält, kommt es für die hiesige Entscheidung auch nicht maßgeblich auf die von den Klägern geltend gemachten Vorfälle seit Verlassen ihres Heimatortes an. Überdies sind diese auch allgemein gehalten und resultieren „vom Hörensagen“, ohne dass das Gericht die Möglichkeit einer näheren Überprüfung dieser Aussagen hätte.
Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Kläger nicht aufgrund einer bestehenden Vorverfolgung ihr Herkunftsland verlassen haben, sondern aus allgemeiner Furcht vor der sich verschlimmernden Sicherheitslage und aufgrund der seit der Zerstörung ihres Wohnhauses bestehenden unsicheren persönlichen Perspektive.
b) Umstände, die eine Verfolgung asylerheblicher Art im Falle einer hypothetischen Rückkehr der Kläger nach Syrien nahelegen, sind ebenfalls nicht dargetan oder sonst ersichtlich.
Soweit darauf abzustellen ist, dass die Kläger hypothetisch in ihre Herkunftsregion zurückkehren würden, scheitert die Annahme einer gezielten persönlichen Verfolgung der Kläger durch regierungstreue Anhänger bereits daran, dass die Herkunftsregion der Kläger mehrheitlich durch regierungskritische „Rebellen“ sunnitischer Religionszugehörigkeit kontrolliert wird.
Die Kläger vermochten dem Gericht auch keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände, vor allem den Kläger betreffend, glaubhaft machen, die eine gezielte Verfolgung ihrer Personen trotz der für die Kläger nunmehr günstigen Herrschaftsverhältnisse als beachtlich wahrscheinlich werden lassen. Die Kläger müssen eine Verfolgung durch syrische Sicherheitskräfte auch nicht deshalb fürchten, weil sie aus einem regierungsfeindlichen Gebiet (hier: …Region …*) stammen. Eine solche Verfolgungsgefahr für Rückkehrer aus bestimmten Gebieten besteht nicht allgemein, sondern nur bei Vorliegen zusätzlicher Umstände, die den Rückkehrer außer der Herkunft aus einem bestimmten Gebiet in irgendeiner Weise in „Oppositionsnähe“ bringen (BayVGH, U.v. 9.5.2019 – 20 B 19.30643 – juris Rn. 54 ff.; U.v. 10.9.2019 – 20 B 19.32549 – juris Rn. 42 ff. m.w.N.). Derartige Umstände sind hier jedoch nicht glaubhaft vorgetragen worden bzw. ersichtlich.
Eine begründete Furcht vor Verfolgung ergibt sich auch nicht aus Ereignissen, die eingetreten sind, nachdem die Kläger Syrien verlassen haben. Mithin liegen Nachfluchtgründe im Sinne des § 28 Abs. 1a AsylG nicht vor.
Es ergeben sich derartige Nachfluchtgründe nicht aus dem Umstand, dass die aus Syrien ausgereisten Kläger in der Bundesrepublik Deutschland Asyl beantragt und sich seitdem hier aufgehalten haben. Diese Umstände allein rechtfertigen nicht die begründete Furcht, dass syrische staatliche Stellen die Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien als Oppositionelle betrachten und sie deshalb wegen einer ihr unterstellten politischen Überzeugung verfolgen. Das erkennende Gericht schließt sich in diesem Zusammenhang den Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Dezember 2016 – 21 B 16.30338; 21 B 16.30364; 21 B 16.30371 – (alle juris) an, der nach Auswertung der maßgeblichen und auch in das vorliegende Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen zu diesem Ergebnis kommt (so auch BayVGH, U.v. 9.5.2019 – 20 B 19.30643 – juris Rn. 35 ff.; U.v. 10.9.2019 – 20 B 19.32549 – juris Rn. 21 ff. m.w.N.).
Auch Umstände, die im Zusammenhang mit der Ableistung von Wehrdienst stehen, führen für die Kläger nicht zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Falle einer Rückkehr nach Syrien. Dies schon aufgrund des Alters der Kläger und der allgemeinen Grenzen der Wehrtauglichkeit von Männern in den syrischen Regierungstruppen, die der Kläger bei weitem überschritten hat (vgl. dazu: Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, Stand: November 2020, S. 13 ff.). Gleiches gilt im Hinblick auf die Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch Rebellentruppen in den nicht durch die Regierung kontrollierten Gebieten Syriens. Im Übrigen hat die Klägerseite dazu auch nichts Spezifiziertes vorgetragen, sondern nur allgemein auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. November 2020 in der Rechtssache C-238/19 verwiesen. Dieses Urteil gibt indes für die konkrete Situation der Kläger nichts her, das einer vertieften Erörterung bedürfte.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Da die Klage auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beschränkt war, bedarf es keiner Erörterung der Frage der Zuerkennung von Asyl nach Art. 16a GG.
Die Kostenfolge für die erfolglose Klage ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.


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