Verwaltungsrecht

Grundlagen der Bewährungsfeststellung im Beamtenverhältnis auf Probe

Aktenzeichen  5 B 42/22 MD

Datum:
11.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 5. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0511.5B42.22MD.00
Normen:
Art 33 Abs 2 GG
§ 9 BeamtStG
§ 10 Abs 1 BeamtStG
§ 23 BeamtStG
§ 20 BG ST 2009
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Spruchkörper:
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Leitsatz

1) Für die Feststellung der Bewährung innerhalb der Probezeit kommt es nicht allein auf die zu Beginn der Probezeit gezeigten Leistungen an.2) Leistet ein Beamter auf Probe nur während des ersten Teils seiner Probezeit tatsächlich Dienst und fällt er im Anschluss krankheitsbedingt oder aus anderen Gründen so häufig aus, dass ihm eine Beurteilung mangels tatsächlicher Kenntnisse von seinem Leistungs- und Befähigungsbild selbst nach Verlängerung der Probezeit auf die gesetzliche Höchstfrist nicht erteilt werden kann, besteht keine hinreichende Grundlage für eine positive Bewährungsfeststellung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beamte auf Probe die Ausfallzeiten zu vertreten hat, oder nicht.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.571,33 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäß gestellte Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 14. März 2022 gegen die in Ziffer 1 des Bescheides vom 15. Februar 2022 verfügte Entlassung der Antragstellerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe zum Ablauf des 31. März 2022 wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, in denen – wie vorliegend – die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird, wiederherstellen. Bei der zu treffenden Entscheidung hat das Gericht zu prüfen, ob die Behörde das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich begründet hat (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) und ob das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung das öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Bei der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung ist in erster Linie darauf abzustellen, ob sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig oder als offensichtlich rechtmäßig erweist. Denn an der sofortigen Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte besteht kein öffentliches Interesse. Demgegenüber überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers, wenn sich der Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist, die Klage also voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, und in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zusätzlich ein besonderes Vollzugsinteresse hinzutritt. Kann im Eilverfahren noch keine eindeutige Antwort zur Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts gegeben werden, weil z. B. der der Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt noch weiterer Aufklärung bedarf, ist eine Abwägung vorzunehmen. Zeigt sich im Rahmen der Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für oder gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, kann auch dies zur Gewichtung der betroffenen Interessen herangezogen werden. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann auch befristet werden, vgl. § 80 Abs. 5 Satz 5 VwGO.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Entlassungsverfügung nicht wiederherzustellen. Denn die Anordnung des Sofortvollzugs genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (1) und die anzustellende Interessenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus (2.). Es besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse (3.).
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt dem speziellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Hiernach ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Die Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll der Behörde den auch von Verfassungswegen bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Diese vom Gesetzgeber beabsichtigte „Warnfunktion“ beruht letztlich auf dem besonderen Stellenwert, den die Verfassung der aufschiebenden Wirkung beimisst. Art. 19 Abs. 4 GG ist deshalb verletzt, wenn die Anordnung überhaupt keine Begründung enthält. Der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Begründungspflicht ist aber auch hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Begründung Rechnung zu tragen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung mit Ausführungen allgemeiner Natur gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 – 1 DB 26.01 –, juris Rn. 6 sowie Beschluss vom 31. Januar 2002 – 1 DB 2.02 –, juris Rn. 6). Allerdings verpflichtet § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO die Behörde nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. im Fahrerlaubnisrecht: VGH Bayern, Beschluss vom 10. März 2008 – 11 CS 07.3453 –, Rn. 16, juris).
Dem werden die Ausführungen in der streitgegenständlichen Entlassungsverfügung gerecht. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wird damit begründet, dass die beamtenrechtliche Probezeit für die Antragstellerin bereits auf die Höchstfrist von 5 Jahren (vgl. § 10 Satz 1 BeamtStG) verlängert wurde, eine weitere Verlängerung nach dem Gesetz nicht möglich sei und daher in besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung bestünde. Weiterhin wird darauf abgestellt, dass die weitere Verwendung der Antragstellerin im Justizvollzug des Landes Sachsen-Anhalt der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung und damit der Funktionssicherung entgegenstehe sowie das Vertrauensverhältnis der Beamtinnen und Beamten untereinander bei einer weiteren Verwendung erheblich gestört werde. Zwar stellt der Antragsgegner für diese Annahme auf keinen konkreten Sachverhalt ab. Aus der Verfahrensakte sowie dem Anhörungsschreiben im Verwaltungsverfahren ergibt sich, dass sich der Antragsgegner darauf bezieht, dass die Antragstellerin angegeben hat, ihr Bruder bewege sich im kriminellen Milieu der Stadt B-Stadt, so dass auch sie selbst zahlreiche Gefangene in der JVA A-Stadt persönlich kenne und zu ihnen teilweise ein freundschaftliches Verhältnis habe. Auch in anderen Vollzugs- und Arrestanstalten des Landes Sachsen-Anhalt kenne sie Gefangene. Weiterhin hat für den Antragsteller ein Vorfall vom 27. Oktober 2021 entscheidende Bedeutung. An diesem Tag befand sich die zu diesem Zeitpunkt an die JVA C-Stadt abgeordnete Antragstellerin mehrere Stunden außerhalb der Sichtweite der Stationskameras und überwiegend im Haftraum …, in dem mehrere Gefangene – u.a. die Gefangene Niemann – gemeinsam Kaffee tranken und Kuchen aßen. Die Antragstellerin stand in dieser Zeit für ihre dienstlichen Aufgaben nicht zur Verfügung. Sie führte den für 17:00 Uhr geplanten Rückschluss nicht selbständig durch, wodurch es auch zu Verzögerungen der Abendspeisung kam. Von der zwischenzeitlich verschubten Gefangenen N. wurde nachfolgend am 15. November 2021 bei der Gefangenen H. ein Brief aufgefunden, in dem diese die Antragstellerin mit „Hallo Lieblings Justizvollzugsangestellte [sic]“ anspricht und der Antragstellerin „viel Kraft und Energie um hier durchzuhalten mit den Neidern unter den Kollegen“ wünschte. Als die Antragstellerin am 22. November 2021 von der Vollzugsleitung auf den Kontakt angesprochen wurde, erklärte sie, die Väter ihrer beiden eigenen Kinder hätten eine Verbindung zu der Gefangenen N.. Man habe die gleichen Bekannten und wohne in der Nachbarschaft. Sie habe nicht gewusst, dass sie diese Beziehung offenbaren müsse. Auf Vorhalt räumte die Antragstellerin ein, sie habe gewusst, dass sie „es hätte erzählen müssen“.
Unter Berücksichtigung dieser Sachverhalte liegt eine hinreichende Begründung mit Einzelfallbezug vor. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe die Anordnung der sofortigen Vollziehung tatsächlich rechtfertigen und ob die angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Denn das Gericht trifft insoweit eine eigenständige Entscheidung (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 14. März 2017 – 2 PA 6/17 –, NVwZ-RR 2017, 540 <541> m.w.N.). Trägt die gegebene Begründung den Sofortvollzug nicht bzw. liegen Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht vor, ist die aufschiebende Wirkung nicht wegen Verstoßes gegen § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO, sondern wegen Verstoßes gegen § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO wiederherzustellen (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 96).
2. Das Vollzugsinteresse überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Denn die Entlassungsverfügung ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig ergangen.
Die Antragstellerin hat formelle Fehler nicht gerügt. Solche sind auch nicht erkennbar. Insbesondere ist der Anstaltsleiter nach Nr. 1.12 der Anlage 1 der AV über die Befugnisse der Personaldienststellen im Justizvollzug (PersBefVollz-AV) für die Entlassungsentscheidung zuständig. Der Personalrat wurde gemäß § 66 Satz 1 Nr. 9 PersVG LSA im Entlassungsverfahren beteiligt.
Auch in der Sache sind keine inhaltlichen Bedenken gegen die getroffene Entscheidung ersichtlich oder vorgetragen.
Rechtsgrundlage für die Entlassungsverfügung ist § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG. Hiernach kann ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht bewährt hat. Die Bewährung bezieht sich unter Berücksichtigung des § 10 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, nach dem die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit oder zum Beamten auf Lebenszeit nur zulässig ist, wenn die Beamtin oder der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren unter Berücksichtigung der in § 9 BeamtStG genannten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung bewährt hat, auf alle Merkmale des Art. 33 Abs. 2 GG. Erfüllt der Beamte auf Probe eines dieser Merkmale nicht, darf er nicht in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen werden (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21. Juni 2021 – 2 MB 1/21 –, juris Rn. 8). Der Begriff der Bewährung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, hinsichtlich dessen dem Antragsgegner ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt. Die Prognoseentscheidung des Dienstherrn ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des dem Dienstherrn zukommenden Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BVerwG, Urteil vom 28. April 1983 – 2 C 89.81 – juris Rn. 20 mit weit. Nachw.). Das Gesetz fordert dabei nicht, dass die mangelnde Bewährung mit Sicherheit feststeht. Mangelnde Bewährung liegt bereits dann vor, wenn ernst zu nehmende Zweifel bestehen, dass der Beamte aufgrund der während der Probezeit erbrachten Leistungen, seines während der Probezeit gezeigten Verhaltens oder sonstiger während der Probezeit bekannt gewordener Umstände voraussichtlich auf Dauer den an einen Beamten seiner Laufbahn zu stellenden persönlichen und fachlichen Anforderungen gewachsen sein wird (vgl. VGH München BeckRS 2016, 41747 Rn. 33).
Unter Beachtung dieser Anforderungen ist der Antragsgegner voraussichtlich rechtmäßig von einer mangelnden Bewährung der Antragstellerin ausgegangen. In seinem Bescheid vom 15. Februar 2022 stützt der Antragsgegner die mangelnde Bewährung innerhalb der Probezeit im Kern auf zwei selbständig tragende Erwägungen. Einerseits sei es ihm nicht möglich, eine verlässliche Prognose über die fachliche Bewährung abzugeben, weil die Antragstellerin im Land Sachsen-Anhalt lediglich an 139 von insgesamt 1338 möglichen Dienstantritten tatsächlich Dienst geleistet habe. Eine zusammenhängende Dienstverrichtung auf einem Dienstposten für die Dauer von wenigstens drei Monaten sei in keinem Fall erfolgt. Andererseits bestünden aufgrund des gezeigten Verhaltens der Klägerin Zweifel an deren charakterlicher Eignung. Jedenfalls gegen die der Entscheidung selbständig tragend zugrunde gelegten Zweifel an der fachlichen Bewährung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Gemäß § 7 Satz 1 LVO LSA ist die Bewährung vor Ablauf der Probezeit auf der Grundlage der während der Probezeit nach § 20 Abs. 3 des Landesbeamtengesetzes erstellten Beurteilungen festzustellen. In den Beurteilungen ist nach § 7 Satz 2 LVO LSA eine Prognose über die Eignung und Befähigung für die Aufgaben der Laufbahn abzugeben. Das Nähere zu den (Probezeit)Beurteilungen bestimmt nach § 21 Abs. 2 LBG LSA die obersten Dienstbehörden für die Beamtinnen und Beamten ihres Geschäftsbereiches durch allgemeine Anordnung. Auf dieser Grundlage hat das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt die Beurteilungsrichtlinien für die Laufbahngruppen 1 im Justizvollzug (BRL JVollz AV) vom 27. Mai 2013 (– 2400-301.17 – 1174/94) erlassen, die trotz eventuellen Verstoßes gegen den Vorbehalt des Gesetzes für einen Übergangszeitraum weiterhin anzuwenden sind (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2021 – 2 C 2/21 –, juris Rn. 40).
Gemäß Ziffer 3.3.1 BRL JVollz AV ist ein Bediensteter zur Feststellung der Bewährung innerhalb der Probezeit auf jedem Dienstposten, der mindestens sechs Monate wahrgenommen wird, zu beurteilen. Eine erste Beurteilung hat spätestens zum Ablauf der Hälfte der abzuleistenden Probezeit zu erfolgen. Die Bewährung ist gemäß § 7 LVO LSA vor Ablauf der Probezeit auf der Grundlage der während der Probezeit erstellten Beurteilungen festzustellen.
Für die Antragstellerin konnte eine Probezeitbeurteilung im vorgenannten Sinne nicht erstellt werden, da sie – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – während ihrer Probezeit im Land Sachsen-Anhalt zu keinem Zeitpunkt auch nur drei Monate zusammenhängenden Dienst an einer Behörde und auf einem Dienstposten verrichtet hat. Vielmehr war ihre Probezeit durch verschiedene Erkrankungen geprägt. Im Zeitraum vom 1. Mai 2018 – dem Dienstantritt im Land Sachsen-Anhalt nach Versetzung vom Land Brandenburg – bis 5. August 2019 leistete die Antragstellerin an lediglich 43 Tagen Dienst. Seit dem 4. Dezember 2018 war sie durchgängig bis September 2019 dienstunfähig erkrankt (Risikoschwangerschaft / plötzlicher Abort / nachfolgende psychische Belastungsreaktion / sich anschließender Verkehrsunfall, vgl. hierzu Bl. 103/110/120 BA „A“ aus 5 A 53/21 MD). Von Oktober 2019 bis Februar 2020 leistete sie an 27 Tagen (inkl. Wochenende) Dienst (vgl. Bl. 212 BA „A“ aus 5 A 53/21 MD. Zum 15. März 2020 wurde sie von der JVA A-Stadt an die JAA C-Stadt – ab 16. März 2020 JVA C-Stadt – abgeordnet, da sie am 12. November 2019 gegenüber der Anstaltsleitung der JVA A-Stadt angegeben hatte, sie sei mit 15 Gefangenen bekannt (vgl. Bl. 146 BA „A“ aus 5 A 53/21 MD) und anschließend durch die Anstaltsleitung aus Sicherheitsgründen nicht mehr mit Aufgaben betraut werden sollte, bei denen Gefangenenkontakt bestand (vgl. Vermerk über das Personalgespräch vom 13. November 2019 Bl. 147 BA „A“ aus 5 A 53/21 MD). Daher nahm sie bis zur Abordnung in der JVA A-Stadt ausschließlich laufbahnfremde Aufgaben in der Vollzugsgeschäftsstelle wahr (vgl. Bl. 52 BA „A“). Ab 14. April 2020 wurde für die Antragstellerin ein Beschäftigungsverbot aufgrund einer Risikoschwangerschaft ausgesprochen. Nachdem sie im Anschluss an ihre Elternzeit ihren Dienst im Oktober 2021 bei der JVA C-Stadt antrat, leiste sie bis zur Anhörung über die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe an lediglich 15 von 93 möglichen Arbeitstagen Dienst (vgl. S. 4 (c) des Entlassungsbescheides).
Es ist auch nicht rechtsfehlerhaft, wenn der Antragsteller die insgesamt seit Mai 2018 geleisteten 139 Tage der Dienstverrichtung an verschiedenen Dienststellen nicht zusammenfasst und hieraus keine Probezeitbeurteilung entwickelt. Denn mit den Regelungen zum zeitlichen Mindestumfang der Dienstleistungserbringung für die Erstellung einer Probezeitbeurteilung hat der Dienstherr zu erkennen gegeben, dass er eine Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erst dann für möglich und geboten hält, wenn der Beamte die auf seinem Dienstposten anfallenden Aufgaben über eine stets zu fordernde Mindestdauer hinweg wahrgenommen hat. Die dieser Regelung zugrundeliegende Annahme, nach der eine zu kurze zusammenhängende Tätigkeit ein verlässliches Werturteil zur fachlichen Bewährung nicht zulässt, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet eine Stütze u.a. in § 20 Abs. 2 Satz 4 LBG LSA, nach dem die Mindestprobezeit in der Laufbahngruppe 1 sechs Monate beträgt. Auch die Mindestdauer der Bewährungszeit bei einem Laufbahnwechsel legt der Gesetzgeber in § 16 Abs. 3 Satz 2 LBG LSA auf sechs Monate fest. Gleiches gilt für die Feststellung der Beförderungsvoraussetzung des § 22 Abs. 2 Nr. 3 LBG LSA. Wenn der Antragsgegner wenigstens drei zusammenhängende Monate der Dienstverrichtung zur Erstellung einer Probezeitbeurteilung fordert, trägt er zugleich dem Umstand Rechnung, dass die Mindestprobezeit 6 Monate beträgt (§ 10 Satz 1 BeamtStG), eine erste Probezeitbeurteilung spätestens zum Ablauf der Hälfte der abzuleistenden Probezeit zu erfolgen hat (vgl. Ziffer 3.3.1 Satz 2 BRL JVollz AV) und Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamten wiederholt zu beurteilen sind (§ 20 Abs. 3 LBG LSA). Aus einer Gesamtschau dieser Normen ergibt sich eine unterste Grenze für eine Beurteilung während der Probezeit von 3 Monaten zusammenhängender Dienstverrichtung.
Auch die Antragstellerin geht im Übrigen nicht davon aus, dass der Antragsgegner ihre fachliche Leistung beurteilen kann, wenn sie im Rahmen der Anhörung angibt: „Darüber hinaus können Sie gar keine eigene Bewertung zu meiner Nichtbewährung abgeben, da sie mich nur in kurzer Zeit erlebt haben.“ Soweit sie meint, bei der Entscheidung sei zu berücksichtigen, dass sie sich in Halle seit Oktober 2021 jederzeit angeboten habe, zusätzliche Schichten sowie zusätzliche Wochendienste zu übernehmen, soweit ihr dies möglich gewesen sei und dass sie sich geradezu aufgeopfert habe, um es jedem Recht zu machen, ändert dies nichts daran, dass eine für die Erstellung einer Beurteilung hinreichende zeitliche Dauer der zusammenhängenden Dienstausübung nicht bestand. Insoweit stellt die Antragstellerin selbst nicht in Abrede, dass sie nach Beendigung ihrer Elternzeit seit Oktober 2021 bis Dezember 2021 in der JVA C-Stadt von 93 möglichen Dienstantritten nur an 19 Tagen Dienst geleistet hatte und im Jahr 2022 bis zur Anhörung zur Entlassung mit Schreiben vom 13. Januar 2022 ebenfalls dienstunfähig erkrankt war.
Der Antragsgegner geht auch zutreffend davon aus, dass die Probezeit für die Antragstellerin nicht erneut verlängert werden kann, so dass die fachliche Bewährung endgültig nicht positiv feststellbar ist. Denn gemäß § 10 Satz 2 BeamtStG, § 20 Abs. 4 LBG LSA, § 8 LVO LSA kann die Probezeit höchstens auf fünf Jahren verlängert werden. Diese Zeit lief für die zum 24. August 2016 durch das Land Brandenburg zur Justizvollzugobersekretärin auf Probe ernannte Antragstellerin auch unter Berücksichtigung der für den Zeitraum vom 24. Januar 2021 bis einschließlich 7. Oktober 2021 gewährten Elternzeit ohne Dienstbezüge, welche nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LVO LSA keine Probezeit ist, spätestens am 8. April 2022 ab (vgl. die Mitteilung des Antragsgegners vom 15. September 2021 im ruhendgestellten Klageverfahren gegen die Verlängerung der Probezeit der Antragstellerin, Az. 5 A 53/21 MD). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 10.05.2022 kommt es nicht darauf an, ob die Fehlzeiten auf eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ zurückzuführen sind, an der die Antragstellerin ein Verschulden nicht trifft. Der Grund für die Entlassung liegt nicht in einem vorwerfbaren Fehlverhalten der Antragstellerin, sondern darin, dass es innerhalb der höchstzulässigen Probezeit von 5 Jahren aufgrund der erheblichen Fehlzeiten nicht möglich gewesen ist, die fachliche Bewährung der Antragstellerin positiv festzustellen.
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Antragstellerin im Land Brandenburg Probezeitbeurteilungen – zuletzt anlässlich der Versetzung zum Land Sachsen-Anhalt für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 30. April 2018 – erhalten hat, die ihr den Anforderungen entsprechende Leistungen, die gelegentlich die Anforderungen erkennbar übersteigen, sowie überwiegend „stark ausgeprägte“ Befähigungsmerkmale Bescheinigen. Diese Beurteilungen sind zwar bei der Beurteilung der fachlichen Bewährung nicht deswegen ohne Wert, weil sie von einem anderen Dienstherrn erstellt wurden. Denn das Beamtenverhältnis wird im Falle einer länderübergreifenden Versetzung beim aufnehmenden Dienstherrn nicht etwa neu begründet, sondern mit diesem nach § 15 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG fortgesetzt. Die Bewährungsfeststellung ist indes nicht allein aufgrund der nur einen Teilzeitraum der Probezeit abdeckenden Beurteilungen zu treffen, sondern gemäß § 7 Satz 1 LVO LSA auf der Grundlage der während der Probezeit nach § 20 Abs. 3 des Landesbeamtengesetzes erstellten Beurteilungen festzustellen. Die Verwendung des Plurals verdeutlicht, dass es für die Bewährungsfeststellung nicht allein auf die zu Beginn der Probezeit gezeigte Leistungen ankommt, sondern die fachliche Bewährung bis zur Ernennung fortlaufend nachzuweisen ist. Wenn für die Antragstellerin mangels tatsächlicher Dienstleistung eine solche fortlaufende Prognose selbst zum Ende der Höchstdauer der beamtenrechtlichen Probezeit nicht möglich ist, geht dies zu ihren Lasten. Denn der Dienstherr ist nach § 10 Satz 1 BeamtStG nur dann befugt, einen Beamten zum Beamten auf Lebenszeit zu ernenne, wenn eine positive Bewährungsprognose getroffen werden kann. Dabei trifft die materielle Beweislast für die Annahme der Bewährung – auch wenn dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zukommt – nach den allgemeinen Grundsätzen den Beamten. Denn einerseits kann nur der Beamte seine Eignung durch tatsächliche Dienstleistung nachweisen. Andererseits möchte er unter Berufung auf die Bewährung nach § 10 Satz 1 BeamtStG eine für ihn vorteilhafte Rechtsfolge – nämlich die Ernennung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit – herbeiführen.
3. An der Anordnung der sofortigen Vollziehung besteht auch ein besonderes Interesse. Da die Probezeit nicht mehr verlängert werden kann und eine Bewährung selbst bei weiterer Dienstverrichtung nicht mehr erreichbar ist, gebietet die sparsame Verwendung öffentlicher Mittel die Entlassung unter Anordnung des Sofortvollzugs.
Ob der Antragsgegner die Entlassungsverfügung zugleich auch auf eine mangelnde charakterliche Eignung stützen durfte, ist derzeit noch offen. Dieser Umstand ist für die Entscheidung der Kammer indes nicht von Bedeutung, da der Antragsgegner seine Entlassungsentscheidung selbständig tragend auch auf die mangelnde fachliche Bewährung gestützt hat. Dennoch erlaubt sich die Kammer folgende Ausführungen:
Für die Bewertung der charakterlichen Eignung ist die Einschätzung des Dienstherrn entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen. Die Einschätzung der charakterlichen Eignung ist dem Dienstherrn vorbehalten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. März 2022 – 6 B 1697/21 –, juris Rn. 6 m.w.N.). Sie muss auf tatsächlichen Feststellungen und Erkenntnissen basieren und darf sich nicht im Bereich bloßer Mutmaßungen bewegen (vgl. VGH Hessen, Beschluss vom 22. Oktober 2018 – 1 B 1594/18 – juris Rn. 7; VGH Bayern, Beschluss vom 6. Februar 2018 – 3 CS 17.1778 – juris Rn. 6). Zweifel an der charakterlichen Eignung können sich auch aus einem einzigen gravierenden Vorfall ergeben (vgl. VGH München BeckRS 2016, 41747 Rn. 35 ff.).
Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist derzeit nicht hinreichend klar, welches Verhalten der Antragsgegner der Antragstellerin konkret zur Last legt. Denn der Antragsgegner stellt in seinem Entlassungsbescheid nur abstrakt darauf ab, dass die Antragstellerin Gefangene in allen Justizbehörden des Landes Sachsen-Anhalt kenne und von ihr verwandtschaftliche oder freundschaftliche Verhältnisse aufrechterhalten und gepflegt würden. Welche Beziehungen zu welchen Gefangenen er dabei in den Blick nimmt, stellt er nicht dar. Im Einzelnen hatte die Antragstellerin im Mai/Juni 2018 drei Bekanntschaften angezeigt, wobei sie – so die Antragstellerin in ihrer Anzeige – zwei Personen nicht durch persönliche Kontakte, sondern nur aufgrund bestehender Kontakte zu ihren Geschwistern kenne. Zu der dritten Person bestehe seit 6 Jahren kein Kontakt (vgl. Bl. 20 BA „A“). 15 weitere Bekanntschaften zeigte sie am 12. November 2019 an (vgl. Bl. 145 BA „A“), wobei sie in einem Fall „Freundeskreis“ und im Übrigen nur die Bekanntschaft über Dritte bzw. ihre Geschwister angab. Weitere Einzelheiten sind nicht bekannt. Warum der Antragsgegner die Prognose der mangelnden charakterlichen Eignung anstellt, obgleich die Antragstellerin (wohl) nicht ihre aus § 35 Satz 1 und 2 BeamtStG resultierenden beamtenrechtlichen Gehorsams- und Informationspflichten verletzt haben dürfte, ist nicht dargelegt. Auch ist unklar, ob die Antragstellerin gegen Nr. 2 Abs. 1 der Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz), zuletzt geändert durch AV vom 8. 12. 2005 (JMBl. LSA 2006, S. 17) verstoßen haben könnte. Hiernach ist gegenüber Gefangenen und Entlassenen, deren Angehörigen und Freunden die notwendige Zurückhaltung zu wahren. Inwiefern die Antragstellerin gegenüber den angezeigten Personen nicht die nötige Zurückhaltung gewahrt hat, ist mangels Angaben zum konkreten Umfang des Kontaktes (vgl. etwa die Angaben der Antragstellerin: „Partner meiner Bekannten“; „bester Freund meiner Schwester seit der Schule“; „angeheiratete Verwandtschaft meiner Schwester“) nicht ohne weiteres ersichtlich. Soweit der Antragsteller seine Zweifel auf das bereits dargestellte Verhalten gegenüber der Gefangenen Niemann am 27. Oktober 2021 stützen wollte, wären auch hierzu Erwägungen erforderlich, um die Rechtmäßigkeit der Bewährungsentscheidung nachvollziehen zu können. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das aktenkundige Verhalten der Antragstellerin in einer Gesamtschau durchaus geeignet sein könnte, ernstliche Zweifel an der charakterlichen Eignung zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 i. V. m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, 3 GKG. Danach ist in Verfahren, die die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, Streitwert die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlende Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn – wie hier – Gegenstand des Verfahrens nicht ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist. Die Antragstellerin wurde als Justizvollzugobersekretärin im Beamtenverhältnis auf Probe nach der Besoldungsgruppe A 7 LBesO, Erfahrungsstufe 5, besoldet (im Zeitpunkt der Antragstellung 2.857,11 Euro monatlich). Für die Hälfte eines Kalenderjahres ergibt sich ein Wert in Höhe von 17.142,66 Euro. Dieser Wert ist mit Rücksicht auf den nur vorläufigen Charakter der Entscheidung zu halbieren (vgl. Ziffer 1.5 Satz 1 Hs. 1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. der am 31.05./01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen), sodass sich der Streitwert auf insgesamt 8.571,33 Euro beläuft.


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