Verwaltungsrecht

Heranziehung zu Feuerwehreinsatzkosten

Aktenzeichen  4 ZB 15.2030

Datum:
12.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2016, 460
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayFwG BayFwG Art. 28 I 1, II Nrn. 2 u. 5

 

Leitsatz

1. Ein “Einsatz” der Feuerwehr liegt auch dann vor, wenn die vorsorgliche Anwesenheit von Einsatzkräften erforderlich erscheint, weil eine objektiv gefahrenträchtige Situation noch nicht endgültig bereinigt ist. (amtlicher Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 1.269,55 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen zwei Leistungsbescheide des Beklagten, mit denen sie zum Kostenersatz für Feuerwehreinsätze herangezogen worden ist.
In beiden Fällen hatte ein Baggerfahrer der Klägerin bei Bauarbeiten eine Gasleitung beschädigt, so dass die Freiwillige Feuerwehr des Beklagten alarmiert worden war. Die dazu erstellten Abrechnungsbögen, die den angegriffenen Bescheiden beigefügt waren, enthalten jeweils die Feststellung, die Feuerwehr habe die Schadensstelle abgesperrt und den Brandschutz übernommen bzw. sichergestellt.
Gegen die Kostenbescheide erhob die Klägerin jeweils Anfechtungsklage mit der Begründung, beim Eintreffen der Feuerwehr seien die schadhaften Leitungen in beiden Fällen bereits von Bediensteten der Klägerin auf provisorische Weise abgedichtet gewesen und ein Monteur des zuständigen Versorgungsunternehmens … sei mit den endgültigen Reparaturarbeiten beschäftigt gewesen. Die Freiwillige Feuerwehr habe daraufhin keine weiteren Maßnahmen ergriffen, so dass über das kostenfreie Ausrücken hinaus noch kein Einsatz stattgefunden habe.
Mit Urteil vom 3. August 2015 wies das Verwaltungsgericht Ansbach die Klage ab. Die Voraussetzungen eines Einsatzes hätten vorgelegen, da der Einsatzleiter der Freiwilligen Feuerwehr jeweils bestätigt habe, mit seinen Kräften die Schadensstelle abgesichert und den Brandschutz übernommen zu haben. Insoweit könnten die Einwendungen der Klägerin, die Feuerwehr habe nur herumgestanden, nicht durchgreifen. Auch in diesem Punkt erscheine dem Gericht eine Beweiserhebung, die letztlich aus der Ladung der Einsatzkräfte als Zeugen bestanden hätte, mangels konkreter Anträge und weiterer konkreter Angaben nicht veranlasst.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich Klägerin gegen dieses Urteil. Der Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin allein geltenden gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
a) Die Klägerin trägt zur Begründung des Zulassungsantrags vor, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Urteilsfindung entscheidungserheblichen Sachvortrag und Beweisangebote der Klägerin übergangen. Die Behauptung, die Feuerwehr habe die Schadensstelle abgesperrt und den Brandschutz übernommen, sei in der Klagebegründung unter Darlegung des tatsächlichen Sachverhalts und Zeugenbeweisantritt bestritten worden. Angesichts dessen hätte das Verwaltungsgericht eine Beweiserhebung nicht unterlassen dürfen. Es wäre dann zu dem Ergebnis gekommen, dass kein „Einsatz“ im streitentscheidenden Sinne stattgefunden habe. Eine Brandbekämpfung habe es nicht gegeben, weil kein Brand ausgebrochen sei. Verkehrsumleitungsmaßnahmen seien nicht ergriffen worden und wären zudem vorrangig Sache der Polizei gewesen. Löschmittel seien nicht vorgehalten, eine Löschwasserversorgung nicht aufgebaut worden. Die Außerbetriebnahme oder Sperrung der Gasleitung sei Sache des Versorgungsunternehmens. Die Sicherung der Einsatzstelle sei Bestandteil des Ausrückens und diene (noch) nicht der unmittelbaren Brandbekämpfung oder Hilfeleistung.
b) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Ergebnis in Frage zu stellen.
Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt der klägerischen Argumentation, wonach das bloße Eintreffen oder Verweilen der Feuerwehr am (möglichen) Einsatzort noch keinen kostenrechtlich relevanten „Einsatz“ darstellt. Wie der Senat in seinem Urteil vom 27. Juni 2012 (Az. 4 BV 11.2549, BayVBl 2013, 149) näher ausgeführt hat, unterscheidet die Kostengrundnorm des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG zwischen dem „Ausrücken“ und den „Einsätzen“ der Feuerwehr, wobei für ein bloßes Ausrücken nur in den Falschalarmierungsfällen des Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayFwG Kostenersatz gefordert werden kann. Der Zeitpunkt, an dem ein zunächst kostenfreies „Ausrücken“ in einen „Einsatz“ im kostenrechtlichen Sinne umschlägt, liegt im Beginn des unmittelbar der Brandbekämpfung oder Hilfeleistung dienenden Personal- und Geräteeinsatzes, nicht dagegen schon in der Ankunft am (mutmaßlichen) Brandobjekt und auch nicht in einer vor Ort durchgeführten Erkundung der Lage zum Zweck der Gefahrerforschung (BayVGH a. a. O., m. w. N.).
Diese Grundsätze, die anlässlich eines von einer Brandmeldeanlage ausgelösten Fehlalarms entwickelt wurden, dürfen allerdings nicht dahingehend verstanden werden, dass selbst in den Fällen einer objektiv (fort-)bestehenden Gefahrenlage von einem „Einsatz“ erst bei aktivem Eingreifen der Feuerwehrleute gesprochen werden dürfte. Ein unmittelbar der technischen Hilfeleistung (Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayFwG) dienender Personaleinsatz kann vielmehr schon dann vorliegen, wenn aus der maßgeblichen ex ante-Sicht der Feuerwehr die vorsorgliche Anwesenheit von Einsatzkräften erforderlich erscheint, weil eine gefahrenträchtige Situation noch nicht endgültig bereinigt ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zwar die eigentliche Gefahrbehebung bereits durch andere Sicherheitsbehörden oder durch private Fachkräfte erfolgt, während dieses Vorgangs aber mit technischen Fehlschlägen oder mit Störungen von außen gerechnet werden muss, die ein sofortiges Eingreifen der Feuerwehr verlangen. Bei einer solchen latenten Gefahrenlage, die sich durch unvorhersehbare Ereignisse jederzeit aktualisieren kann, stellt auch die passive Präsenz von Feuerwehreinsatzkräften schon einen Einsatz dar, der eine Kostenforderung gegenüber dem Gefahrverursacher begründen kann.
Hiernach musste das Verwaltungsgericht in den vorliegenden Fällen vom Einsatzcharakter des Handelns der Feuerwehr ausgehen, ohne dass es dazu einer weiteren Sachaufklärung bedurfte. Denn nach dem übereinstimmenden Sachvortrag beider Beteiligten waren die durch Baggerarbeiten entstandenen Schäden an den Gasleitungen beim Eintreffen der Feuerwehr noch nicht wieder behoben; vielmehr hatten – nach provisorischen Schutzmaßnahmen seitens der Bauarbeiter – die eigentlichen Reparaturarbeiten durch Fachkräfte des Gasversorgungsunternehmens gerade erst begonnen. Während dieser Phase bestand noch ein gegenüber dem Normalzustand deutlich erhöhtes Risiko des Gasaustritts mit der daraus resultierenden Explosions- und Brandgefahr. Bereits dies rechtfertigte die weitere Beobachtung des Geschehens durch die anwesenden Feuerwehrleute unabhängig davon, ob darüber hinaus weitere sichtbare Maßnahmen etwa in Gestalt von Absperrungen vorgenommen wurden. Schon das bloße Verfügbarhalten der Einsatzkräfte und der Löschfahrzeuge in unmittelbarer Nähe der abzudichtenden Leitungsstücke trug unter den gegebenen Umständen zur Absicherung des Gefahrbereichs bei und stellte insoweit einen Personal- und Geräteeinsatz im technischen Hilfsdienst dar, auch wenn – wie die Klägerin vorträgt – noch keine konkreten Vorbereitungen für einen möglichen Löscheinsatz getroffen worden sein sollten. Angesichts des mit Gasunfällen generell verbundenen hohen Schadenspotentials war der Einsatzleiter in beiden Fällen auch nicht verpflichtet, noch vor dem endgültigen Abschluss der Reparaturmaßnahmen Teile der ausgerückten Mannschaften oder einzelne Fahrzeuge von den Geschehensorten abzuziehen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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