Verwaltungsrecht

Inländische Fluchtalternative im Senegal

Aktenzeichen  M 4 K 16.32306

Datum:
20.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

1. Der senegalesische Staat ist willens und in der Lage, seine Staatsangehörigen zu schützen. Jedenfalls finden sie innerhalb der Großstädte des Landes ausreichende Ausweichmöglichkeiten. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollsteckbar.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da diese ordnungsgemäß geladen worden war.
Die zulässige Klage ist als unbegründet abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Asylanerkennung (Art. 16a Grundgesetz -GG-), Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3ff. AsylG), Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) oder Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheides ist rechtmäßig. Gleiches gilt für die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Ziffer 6 sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 7 des Bescheids.
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
1. Der Kläger kann gemäß Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG schon deshalb nicht als Asylberechtigter anerkannt werden, weil er nach seinem Vortrag vor seiner Einreise in die Bundesrepublik in Frankreich und Italien aufgehalten hat. Er ist daher über einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a Abs. 2 AsylG nach Deutschland gelangt.
2. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der §§ 3ff. AsylG liegen nicht vor.
Auch wenn man unterstellt, dass der Kläger als vermeintlicher Angehöriger der Gruppe der Homosexuellen von seiner Familie bedroht wird, sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, weil dem Kläger bei Rückkehr in den Senegal ausreichend interner Schutz im Sinne von § 3e AsylG zur Verfügung steht. Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der senegalesische Staats willens und in der Lage ist, seine Staatsangehörigen zu schützen. Jedenfalls finden sie innerhalb der Großstädte des Landes ausreichende Ausweichmöglichkeiten (Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 21.11.2015, S. 12). Selbst falls sich ein Umzug innerhalb …s als nicht erfolgreich herausgestellt hat, bietet das Heimatland des Antragstellers noch weitere große und weiter entfernte Städte als sichere interne Fluchtalternativen.
An der Sicherheit dieser Fluchtalternativen hat das Gericht insofern auch keine beachtlichen Zweifel. Insbesondere glaubt es den Vortrag des Klägers, dass zwei seiner Halbbrüder hohe Polizeibeamte seien, nicht. Vor dem Bundesamt hat der Kläger seine beiden Halbbrüder nicht erwähnt. Eine nachvollziehbare Erklärung hierfür konnte der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorweisen. Soweit seine Bevollmächtigte vorträgt, dass seitens des Bundesamts nicht nachgefragt wurde, ist erstens darauf hinzuweisen, dass insofern auch keine Verpflichtung des Bundesamts besteht und zweitens das Bundesamt dem Kläger sehr wohl gefragt hat, ob er in seinem Heimatland Probleme mit der Polizei gehabt habe. Hier wäre sehr nahe gelegen, darauf hinzuweisen, dass die Halbbrüder des Klägers bei der Polizei beschäftigt seien. Das Gericht geht daher nicht davon aus, dass die Halbbrüder des Klägers hohe Polizeibeamte sind, die den Kläger im ganzen Senegal finden könnten.
3. Mit Verweis auf die Ausführungen zur Flüchtlingseigenschaft hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Auch insofern stünden dem Kläger interne Fluchtalternativen im Sinne der §§ 3e, 4 Abs. 3 AsylG zur Verfügung.
4. Die Voraussetzungen für das Vorliegen von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Kläger bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
a) Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes a. a. O., dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d.h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20).
b) Das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei Rückkehr kann beim Kläger nicht angenommen werden. Dieser ist als junger arbeitsfähiger Mann in der Lage, wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation, seinen Lebensunterhalt im Senegal durch eigene Tätigkeit sicherzustellen. Eine drohende Lebensgefahr ist bei einer Rückkehr nach der Auskunftslage nicht erkennbar
5. Die Abschiebungsandrohung, die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in den Ziffern 5, 6 und 7 des Bescheides sind ebenso rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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