Verwaltungsrecht

Interne Schutzalternative für Ahmadis ohne überregionale Bekanntheit

Aktenzeichen  Au 3 K 17.34072

Datum:
10.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 936
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 4, § 3c Nr. 3, § 3e Abs. 1

 

Leitsatz

1. Auch wenn die Angehörigen der Amahdiyya-Glaubensgemeinschaft in Pakistan keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, kann im Einzelfall etwas anderes gelten für diejenigen Ahmadi, die ihren Glauben in einer verfolgungsrelevanten Weise praktizieren und ihr Bekenntnis aktiv in die Öffentlichkeit tragen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine inländische Fluchtalternative in den Städten Pakistans besteht auch für Ahmadis, solange sie keine überregionale Bekanntheit erlangt haben. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angegriffene Bescheid vom 21. Juli 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
1. Es besteht kein Anspruch auf die Anerkennung als Flüchtling.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Es ist Sache des Betroffenen, die tatsächlichen Umstände, die seine Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen, in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wobei in der Regel eine Glaubhaftmachung ausreicht. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein detaillierter und in sich stimmiger Sachvortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass der Kläger sein Heimatland nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung im o.g. Sinne verlassen hat. Denn die Angaben des Klägers sind nicht geeignet, die Annahme einer vor ihrer Ausreise tatsächlich erlittenen oder unmittelbar drohenden flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung zu rechtfertigen. Der Kläger hat darüber hinaus auch bei einer Rückkehr nach Pakistan eine solche Verfolgung nicht zu erwarten.
a) Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Pakistan keine Verfolgung allein wegen seiner Religionszugehörigkeit, denn die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft unterliegt in Pakistan keiner Gruppenverfolgung. Aufgrund der aktuellen Erkenntnislage ist davon auszugehen, dass allein die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya und die Betätigung des Glaubens durch das Gebet in Gebetshäusern noch nicht die Gefahr einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung nach sich zieht (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 29.07.2019, S. 12 f.; vgl. zur Situation der Ahmadi in Pakistan ausführlich VGH BW, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 59 ff.).
b) Der Kläger ist auch nicht individuell vorverfolgt ausgereist. Er hat in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass er in Pakistan nicht unmittelbar bedroht wurde, sondern vielmehr wegen des allgemein ungünstigen Klimas für Ahmadi in Pakistan ausgereist sei. Das Vorliegen einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG wird damit vom Kläger selbst nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
c) Der Kläger gehört nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 108 Abs. 1 VwGO) auch nicht zum Kreis der Ahmadis, für die eine öffentlichkeitswirksame Religionsausübung identitätsprägend ist und die deshalb in Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ausgesetzt sind.
aa) Auch wenn die Angehörigen der Amahdiyya-Glaubensgemeinschaft in Pakistan keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, kann im Einzelfall etwas anderes gelten für diejenigen Ahmadi, die ihren Glauben in einer verfolgungsrelevanten Weise praktizieren und ihr Bekenntnis aktiv in die Öffentlichkeit tragen. Für diese Personen besteht in Pakistan ein reales Verfolgungsrisiko, wenn sie ihren Glauben öffentlich leben und bekennen würden (VGH BW, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 116). Sie haben mit einem erheblichen Risiko für Leib und Leben durch die Gefahr einer jahrelangen Inhaftierung mit Folter bzw. unmenschlichen Haftbedingungen und von Attentaten oder gravierenden Übergriffen privater Akteure zu rechnen (VG Gießen, U.v. 11.7.2013 – 5 K 1316/12.GI.A – juris Rn. 24 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 12.6.2013, – A 11 S 757/13 – juris; siehe zum Ganzen VG Augsburg, U.v. 27.1.2014 – Au 6 K 13.30418 – juris Rn. 16).
Eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung kann dabei nicht nur in der schwerwiegenden Verletzung der Freiheit, seine Religion im privaten Rahmen zu praktizieren (forum internum) liegen, sondern auch in der Verletzung der Freiheit, den Glauben öffentlich zu leben (forum externum), so dass schon das Verbot bestimmter Formen der Religionsausübung eine beachtliche Verfolgungshandlung i.S.v. Art. 9 Abs. 1 QualfRL darstellen kann. Die gilt unabhängig davon, ob sich der davon betroffene Glaubensangehörige tatsächlich religiös betätigen wird oder auf die Ausübung aus Furcht vor Verfolgung verzichtet (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Leitsätze 2 bis 4). Das Verbot weist jedoch nur dann die darüber hinaus erforderliche subjektive Schwere auf, wenn die Befolgung der verbotenen religiösen Praxis für den Einzelnen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Leitsatz 6). Maßgeblich ist demnach, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Leitsätze 2 bis 4 Rn. 28 ff. im Anschluss an EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – NVwZ 2012, 1612).
Bei der Feststellung der religiösen Identität als innerer Tatsache kann nur im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen geschlossen werden. Allein der Umstand, dass der Betroffene seinen Glauben in seinem Herkunftsland nicht in einer in die Öffentlichkeit wirkenden Weise praktiziert hat, ist nicht entscheidend, soweit es hierfür nachvollziehbare Gründe gibt. Ergibt jedoch die Prüfung, dass der Betroffene seinen Glauben auch in Deutschland nicht in einer Weise praktiziert, die ihn in seinem Herkunftsland der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde, spricht dies regelmäßig dagegen, dass eine solche Glaubensbetätigung für seine religiöse Identität prägend ist (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 22/12 – NVwZ 2013, 936/939, Rn. 26; siehe zum Ganzen VG Augsburg, U.v. 27.1.2014 – Au 6 K 13.30418 – juris Rn. 17).
Erforderlich ist letztlich eine Gesamtwürdigung der religiösen Persönlichkeit des Betroffenen anhand aller vorliegenden Gesichtspunkte. Bloße Kenntnisse über die Glaubensinhalte der Ahmadiyya, eine Mitgliedsbescheinigung der Ahmadiyya Deutschland, regelmäßige Moschee-Besuche oder die Teilnahme an jährlichen Großveranstaltungen der Ahmadiyya oder an sonstigen Aktionen der Ahmadiyya (mit den üblichen Helferdiensten) lassen daher für sich genommen nicht bereits auf eine individuelle Glaubensüberzeugung und ein nach außen wirkendes Glaubensvermittlungsbedürfnis schließen. Erforderlich ist vielmehr ein Bedürfnis, aus dem ahmadischen Glauben heraus bekennend zu leben und auch andere Menschen an dieser Haltung teilhaben zu lassen. In diesem Sinne muss es sich beim Betroffenen um einen aus der Allgemeinheit der Ahmadis hervorstechenden Gläubigen handeln, dessen Glauben sich öffentlich manifestiert.
bb) Hiervon ausgehend ist das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Praktizierung seines Glaubens in der Öffentlichkeit und das Werben für seinen Glauben ein zentrales Element der religiösen Identität des Klägers und für ihn unverzichtbar ist.
Was seine Glaubensaktivitäten in Pakistan angeht, trägt er vor, er habe die Moschee besucht, wenn es seine Arbeitszeiten zugelassen hätten. Das Freitagsgebot habe er ca. drei Mal im Monat besucht. Die monatlichen Versammlungen des Khuddam habe er häufig, aber nicht immer besucht. Weiter hat der Kläger angegeben, die Kinder der Gemeinschaft bei der Planung ihres (zivilen) Bildungsweges beraten zu haben, Versammlungseinladungen im Auftrag der Vorgesetzten überbracht und bei Reinigungsdiensten geholfen zu haben. Besondere religiöse Bezüge machte er im Hinblick auf die Bildungsberatung auch auf Nachfrage des Klägerbevollmächtigten nicht geltend. Hinsichtlich seiner Motivation für sein Engagement im Zusammenhang mit einer Blutspendekartei und dem Pflanzen von Bäumen stellte der Kläger nicht religiöse Beweggründe in den Vordergrund sondern führte aus, dass er sich engagiert habe, weil er sich eigene Gedanken mache und der Menschheit Gutes tun wolle.
Auf eine besondere religiöse Prägung lassen auch die vorgetragenen religiösen Aktivitäten des Klägers in Deutschland nicht schließen.
Der Kläger hat eine Mitgliedsbescheinigung der Gemeinschaft vorlegt, wo-nach er regelmäßig die Moschee besuche, an lokalen und zentralen Gemeindeveranstaltungen teilnehme, die Beiträge entrichte und bei ehrenamtlichen Tätigkeiten wie beispielsweise an Infoständen mithelfe; sein Verhalten gegenüber der Religionsgemeinschaft sei „zufriedenstellend“. Dies allein ist nicht geeignet, eine intensive und persönlichkeitsbezogene religiöse Geprägtheit zum Ausdruck zu bringen. Allein aus der vorgelegten Mitgliedsbescheinigung lässt sich eine innere Religiosität in Bezug zur Ahmadiyya-Glaubensrichtung nicht entnehmen.
Zu seinem religiösen Verhalten in Deutschland gibt der Kläger an, er habe während seines Schulbesuchs die Moschee in besucht, wenn der Unterricht verblockt in und nicht in stattgefunden habe. In hätten die kollidierenden Schulzeiten dem Freitagsgebet entgegengestanden. Jetzt warte er auf den Beginn seiner Ausbildung und habe mehr Zeit für den Moscheebesuch, die er aber trotz seines Führerscheines nicht jeden Tag besuche. Er gebe Einladungen zu Veranstaltungen der Gemeinde an die in lebenden jungen Männer weiter. Auch in Deutschland engagiere er sich im Bereich Bildung, indem er beim Erlernen der deutschen Sprache Hilfestellung gebe. Er beteilige sich am Sozialdienst, an Reinigungsaktionen und auch an der Verteilung von Flugschriften. Diesbezüglich gab er an, bei Nachfragen von Flugschriftenempfängern teils auf die im Flyer abgedruckte Telefonnummer zu verweisen. Teils führe er aber auch Gespräche über das Kopftuch und berichte von den Problemen der Ahmadi in Pakistan. Einen Grund, weshalb Nicht-Ahmadi Ahmadi werden sollten, nannte der Kläger auf Nachfrage nicht. Auf die Frage des Klägerbevollmächtigten, ob er sich mit Nicht-Ahmadi über seinen Glauben unterhalte, antwortete der Kläger ausweichend, anders als Pakistan würden sie hier freundlich gegrüßt und nicht beschimpft. Die – gemeinschaftsbezogenen und innerhalb der Gemeinde wirkenden – Aktivitäten des Klägers lassen nicht auf eine besondere religiöse Prägung schließen. Soweit der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft teilgenommen hat, beschränkten sich seine Tätigkeiten auf untergeordnete Hilfsdienste oder die bloße (passive) Teilnahme. Auch seine Teilnahme an der Verteilung von Flugschriften ist als untergeordnet einzustufen.
Insgesamt konnte das Gericht nicht den Eindruck gewinnen, dass der Kläger in einer Weise religiös geprägt wäre, die erwarten ließe, dass er sich in Pakistan in verfolgungsrelevanter Weise betätigen oder dies nur aus Furcht vor Verfolgung unterlassen würde. Berücksichtigt man das Verhalten des Klägers in Pakistan, ergibt sich für das Gericht der Eindruck, dass der Kläger seine Religionsausübung durchaus pragmatisch seinen übrigen Lebensumständen unterordnet. Bei einer Gesamtwürdigung aller Faktoren ist das Gericht nicht der Überzeugung, dass die Praktizierung seines Glaubens in der Öffentlichkeit und das Werben für seinen Glauben ein zentrales Element der religiösen Identität des Klägers und für ihn unverzichtbar ist.
d) Jedenfalls unter der Prämisse, dass es sich beim Kläger nicht um einen Ahmadi handelt, für den eine öffentlichkeitswirksame Religionsausübung identitätsprägend ist, stand und stünde dem Kläger in seinem Herkunftsstaat vor seiner Ausreise und auch derzeit (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) bei einer Rückkehr nach Pakistan eine die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließende zumutbare interne Fluchtalternative i.S.d. § 3e AsylG zur Verfügung.
Der Kläger kann – auch als Ahmadi – in anderen Teilen Pakistans, insbesondere in den größeren Städten, eine interne Schutzmöglichkeit i.S.v. § 3e AsylG finden. In den Städten Pakistans – vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Peshawar oder Multan – leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, könnten in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 29.7.2019, S. 19 – Nr. II.4). Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass in Pakistan kein funktionierendes Meldewesen existiert, so dass die Übersiedlung in einen anderen Landesteil die Möglichkeit bietet, unerkannt und unbehelligt zu bleiben. Angesichts der hohen Bevölkerungszahl in Pakistan und mehrerer Millionenstädte landesweit ist nicht ersichtlich, dass eventuelle den Kläger bedrohenden Personen die Möglichkeit hätten, diesen auch in einer anderen Provinz und/oder landesweit ausfindig zu machen und zu verfolgen. Diese inländische Fluchtalternative besteht nach Auskunftslage auch für Ahmadis, solange sie – wie der Kläger – keine überregionale Bekanntheit erlangt haben. Für Ahmadis ohne überregionale Bekanntheit bietet insbesondere auch ein Umzug nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, eine Ausweichmöglichkeit, um Repressionen zu entgehen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 29.07.2019, S. 19 – Nr. II.4).
In den Großstädten und in anderen Landesteilen Pakistans kann der Kläger als jüngerer Mann auch ein ausreichendes Einkommen für sich und seine Familie finden. Zwar ist das Leben in den Großstädten teuer, allerdings haben viele Menschen kleine Geschäfte oder Kleinstunternehmen. Es gibt aufgrund der großen Bevölkerung viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis (vgl. z.B. VG Regensburg, U.v. 10.12.2013 – RN 3 K 13.30374 – juris). Ihm ist es in Deutschland gelungen trotz geringer Sprachkenntnisse beruflich tätig zu sein. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ihm dies nicht auch in Pakistan gelingen sollte, zumal er als Polizist über beträchtliche berufliche Erfahrungen verfügt, die eine Tätigkeit im (privaten) Sicherheitsbereich erleichtern. Es kann somit vom Kläger erwartet werden, dass er sich in einem dieser Landesteile niederlässt (vgl. z.B. VG München, U.v. 19.5.2016 – M 23 K 14.31198 – juris; VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 – juris; VG Regensburg, U.v. 9.1.2015 – RN 3 K 14.30674 – juris; jeweils m.w.N.).
e) Nichts anderes ergibt sich letztlich auch im Hinblick darauf, dass den Kläger möglicherweise nach rechtskräftiger Ablehnung seines Antrages die Verpflichtung trifft, sich an der Passbeschaffung zu beteiligen, das Passformular des pakistanischen Staates einen Eintrag zur Religionszugehörigkeit vorsieht und im Falle der Eintragung der Religionszugehörigkeit als „Muslim“ eine besondere Erklärung für Muslime zu unterzeichnen ist.
Die Verpflichtung bei der Beantragung eines Reisepasses in den Passformularen unter dem Betreff „Religion“ „Ahmadi“, statt „Muslim“ einzutragen, stellt keinen Eingriff in die Religionsfreiheit dar (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 11.1.2017 – A 3 K 2343/16 – juris Rn. 37 ff.). Daher kann sich daraus auch keine Verfolgung des Klägers wegen seines ahmadischen Glaubens ergeben.
Auch wenn man – wie möglicherweise der EGMR (vgl. EGMR, U.v. 2.2.2010 – Isik/Türkei, Nr. 21924/05) – davon ausgeht, dass bereits die Eintragung der Religionszugehörigkeit als solche in Pass- und Ausweisdokumenten eine Verletzung der Religionsfreiheit darstellt, liegt darin nicht automatisch auch eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG. Nicht jede Verletzung der Menschenrechte stellt schon eine Verfolgungshandlung im Sinne des Asylgesetzes dar. Die bloße Eintragung der Religionszugehörigkeit in Pass- und Ausweisdokumenten ist in ihrer Schwere den in § 3a Abs. 2 AsylG aufgezählten Verfolgungshandlungen nicht vergleichbar. Die geschilderten Erklärungspflichten erreichen offenkundig – wenn nicht bereits in objektiver, so jedenfalls unter der Prämisse, dass es sich beim Kläger nicht um einen Ahmadi handelt, für den eine öffentlichkeitswirksame Religionsausübung identitätsprägend ist, – in subjektiver Hinsicht nicht die erforderliche Schwere, um als religiöse Verfolgungshandlung oder Menschenrechtsverletzung angesehen zu werden zu können (BayVGH, B. v. 24.10.2019 – 6 ZB 19.33691 – Rn. 9; BayVGH, B. v. 17.12.2019 – 6 ZB 19.34225 – Rn. 4).
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG, § 60 Abs. 2 AufenthG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Pakistan ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
3. Weiter besteht auch kein Anspruch auf die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen, die sich auch der Einzelrichter zu Eigen macht (§ 77 Abs. 2 AsylG).
4. Die Entscheidung des Bundesamts, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, weist keine Rechtsfehler auf. Die Länge der Frist liegt im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Dass insoweit besondere Umstände vorlägen, die eine Verkürzung der Frist als zwingend erscheinen ließen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
II.
Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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