Aktenzeichen M 24 E 18.3989
Leitsatz
Der Umstand, dass die vollziehbar ausreisepflichtigen nigerianischen Kinder des Antragstellers, der seine Vaterschaft zu ihnen anerkannt hat, in der Bundesrepublik Deutschland geduldet werden, weil sie nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses sind, führt nicht zu deren berechtigten Aufenthalt und vermittelt dem Vater keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung bzw. Erteilung einer Duldung. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung auszustellen.
Der Antragsteller ist ausweislich seines am 5. September 2016 in … ausgestellten und bis 4. September 2021 gültigen nigerianischen Passes nigerianischer Staatsangehöriger mit dem Namen …, geb. … 1975. Der Antragsteller hat diesen Pass der Antragsgegnerin am 19. Januar 2017 vorgelegt und als seine zutreffende Identität offengelegt (Behördenakte – BA VIII/5).
Der Antragsteller reiste unter der von ihm angegebenen nigerianischen Identität …, …, geb. … 1985 (teilweise anderen Orts und anderes Geburtsdatum: …*) am 28. Oktober 2011 in das Bundesgebiet ein und stellte am 18. November 2011 einen Asylantrag. Als Familienstand gab er ledig an. Der Antragsteller wurde im April 2014 in den Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin umverteilt.
Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Februar 2014 hat das Bundesamt die Asylberechtigung, Flüchtlingsanerkennung und die Zuerkennung subsidiären Schutzes als unbegründet abgelehnt (Nr. 1 bis 3) und keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt (Nr. 4). Die Abschiebung des Antragstellers nach Nigeria oder in einen anderen zu dessen Aufnahme bereiter oder verpflichteter Staat unter Setzung einer 30-tägigen Ausreisefrist ab Bekanntgabe des Bescheids bzw. im Fall der Klageerhebung nach Abschluss des Asylverfahrens wurde angedroht (Nr.5) (BA II/8ff.). Mit unanfechtbarem Beschluss vom 9. April 2018 (M 13 S 17.44984) hat das Verwaltungsgericht … den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung abgelehnt (BA II/138ff.). Das Asylverfahren stützte der Antragsteller darauf, homosexuell zu sein und in Nigeria eine homosexuelle Beziehung gehabt zu haben. Mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Mai 2015 (Az. M 21 K 14.30276) wurde die Klage gegen den Ablehnungsbescheid abgewiesen (BA 1/72ff.). Der Antragsteller ist seit Rechtskraft des Urteils und Ablaufs der 30tägigen Ausreisefrist vollziehbar ausreisepflichtig.
Nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung erhielt der Antragsteller Grenzübertrittsbescheinigungen mit fortlaufend verlängerter Ausreisefrist bis 22. August 2016 und wurde zum Verlassen des Bundesgebiets bzw. der Schengen-Staaten aufgefordert; ihm wurde die Beschaffung von Heimreisedokumenten aufgegeben (BA V/3, 6, 10). Der Antragsteller füllte einen PEP-Antrag mit der (falschen) Identität …, … aus und unterschrieb ihn; dieser wurde am 2. August 2018 an die Regierung von Oberbayern / ZRS Südbayern /Passbeschaffung zur Vorlage bei der nigerianischen Botschaft weitergereicht (BA VI/2ff.). Die Unterschrift des Antragstellers auf dem PEP-Antrag und die Unterschrift auf der Vaterschaftsanerkennung gleichen sich; diese beiden Unterschriften weichen von derjenigen des Antragstellers im Nationalpass vollständig ab. Die weitere Unterschrift auf der Vaterschaftsanerkennungsurkunde gleicht derjenigen von Frau … in deren Nationalpass und auf deren Aufenthaltsgestattung (BA IX/11, 15) und ähnelt entfernt derjenigen des Antragstellers in dessen Nationalpass.
Der Antragsteller erhielt nach Antragstellung ohne Unterschrift (BA VII/6f.) unter seinem Aliasnamen ab 22. August 2016 wegen Passlosigkeit eine bis 3. November 2016 befristete Duldung (Aussetzung der Abschiebung). Er gab in seinem Antrag als Familienstand verheiratet an; bei „Angaben zum Ehepartner“ und „Angaben zu Kindern“ gab es keinen Eintrag. Die Duldung wurde fortlaufend verlängert – zuerst wegen Passlosigkeit und nach Vorlage des Nationalpasses am 19. Januar 2017 wegen Dokumentenprüfung – zuletzt bis 29. Mai 2018 (BA VII/24). Dem Untersuchungsbericht des Kriminalfachdezernats * … vom 7. März 2017 zufolge handelt es sich bei dem Nationalpass des Antragstellers um eine amtliche Ausstellung (BA X/18).
Eine Anzeige wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels wurde gestellt. Laut Mistra vom 23. März 2018 wurde der Antragsteller rechtskräftig seit 26. Januar 2018 hinsichtlich Schuldspruch und Anzahl der Tagessätze, im Übrigen seit 1. März 2018 zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels, strafbar nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, verurteilt (BA X/46, 48f., 51f.).
Die Bevollmächtigte des Antragstellers gab der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 die Identität des Antragstellers entsprechend den Angaben im Nationalpass an, sowie die Vaterschaftsanerkennung (BA IX/5ff.) des Antragstellers vom 22. November 2016. Der Antragsteller hat die Vaterschaft für die Kinder …, geb. 18. April 2011 und …, geb. 1. August 2016 am 22. November 2016 anerkannt. Beide Kinder sind in … aufhältig bei ihrer Mutter, Frau …, geb. 10. Oktober 1980. Seit 23. Juli 2018 liegen gemeinsame Erklärungen über die gemeinsame elterliche Sorge von Frau … und dem Antragsteller für diese beiden Kinder vor.
Die Kindsmutter und die beiden Kinder befänden sich im Asylverfahren. Es bestehe der Duldungsgrund der familiären Lebensgemeinschaft.
Mit Schreiben vom 15. Mai 2018 kündigte die Antragsgegnerin mit einem Monat Vorlauf die Abschiebung an und setzte dem Antragsteller unter Ausstellung einer Grenzübertrittsbescheinigung eine Ausreisefrist bis 30. Juni 2018 (BA IX/18ff.). Die Wohnsitznahme wurde bis zur Ausreise auf das Stadtgebiet … beschränkt und die Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Die Grenzübertrittsbescheinigung wurde nach Aktenlage zuletzt mit einer Ausreisefrist bis 26. August 2018 ausgestellt (BA X/45).
Die Bevollmächtigte (resp. deren Vertretung) beantragte mit Schriftsatz vom 24. Mai 2018 formlos die Erteilung einer Duldung wegen Bestehens einer familiären Lebensgemeinschaft mit Frau … (Kindsmutter) und den gemeinsamen Kindern …, geb* … 2011 und …, geb. … 2016. Die Asylverfahren der Kindsmutter und der Kinder seien noch nicht abgeschlossen. Nachweise für die familiäre Lebensgemeinschaft könnten vorgelegt werden.
Die Antragsgegnerin antwortete hierauf mit Schreiben vom 26. Juni 2018. Ohne Nachweise könne derzeit nicht von einer Lebensgemeinschaft ausgegangen werden. Die Verfahren der Kindsmutter und der Kinder seien abgeschlossen; es sei am 2. Februar 2017 Klage erhoben worden und ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt worden. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei mit Beschluss des VG … vom 9. Oktober 2017 abgelehnt worden. Frau … und die Kinder seien vollziehbar ausreisepflichtig und im Besitz einer Duldung. Dem Antragsteller wurde nochmals seine Abschiebung nach Nigeria angedroht. Der Antragsteller wurde aufgefordert, der Antragsgegnerin bis 26. August 2018 eine nigerianische Geburtsurkunde bzw. das Dokument vorzulegen, auf dessen Grundlage die nigerianische Botschaft in Berlin den Reisepass ausstellte.
Die Bevollmächtigte der Antragsteller verwies in ihrem Schreiben vom 29. Juni 2018 auf die vorgelegte nigerianische Geburtsurkunde des Sohnes …, der als Vater der Antragsteller zu entnehmen sei. Der Antragsteller bemühe sich gerade um das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder. Eine eidesstattliche Versicherung der Frau … über die familiäre Lebensgemeinschaft vom 13. Juni 2018 wurde vorgelegt (BA X/41). Hierin erklärt Frau …, dass der Antragsteller als Vater ihrer zwei Kinder … und … seiner Aufsichtspflicht nachkomme. Jedes Wochenende träfen sie sich als Familie und verbrächten sehr viel Zeit miteinander. Der Vater ihrer Kinder übernähme sehr viel Verantwortung, in dem er sie nicht nur finanziell unterstütze, sondern ihnen auch sehr viel Liebe und Zuneigung entgegen brächte. Als Mutter „unserer“ Kinder wünschte sie nichts sehnlicher als mit dem Vater ihrer Kinder als Familie zusammen zu leben.
Die Bevollmächtigte kündigte mit Schreiben vom 9. Juli 2018 die verwaltungsgerichtliche Klärung an, wenn dem Antragsteller nicht bis 16. Juli 2018 eine Duldungsbescheinigung ausgestellt werde. Diese sei ihm auszustellen, da ein Duldungsgrund gegeben sei. Nach Aktenlage erfolgte keine (förmliche) Entscheidung über die Erteilung oder Ablehnung einer Duldung.
Die Bevollmächtigte stellte am 10. August 2018 einen Antrag nach § 123 VwGO mit dem Antrag,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, eine Duldung auszustellen.
Es sei sowohl ein zu sicherndes Recht als auch die besondere Eilbedürftigkeit vorliegend gegeben. Der Antragsteller sei nach abgelehntem Asylverfahren im Besitz einer Duldung gewesen. Er sei Ehemann von Frau … und den gemeinsamen Kindern … und …, welche ebenfalls nach ablehnendem Bundesamtsbescheid und abgelehntem § 80 Abs. 5 VwGO-Antrag im Besitz einer Duldung seien. Über deren Klage (Az. M 21 K 17.32000) sei noch nicht entschieden. Die Antragsgegnerin stelle dem Antragsteller nur noch eine Grenzübertrittsbescheinigung aus und drohe mit der Abschiebung. Wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinen Kindern liege ein Duldungsgrund vor. Der Antragsteller habe die Urkunden über das gemeinsame Sorgerecht bei der Antragsgegnerin abgegeben. Da die Ehefrau und die Kinder des Antragstellers nicht über Pässe verfügten, sei eine gemeinsame Ausreise der Familie derzeit nicht möglich. Die Familieneinheit sei zu respektieren, Art. 6 GG. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2003, Az. 2 BvR 397/02 sei zu verweisen, wonach vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen entweder unverzüglich abzuschieben oder zu dulden seien. Könne eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht durchgeführt werden, sei von Amts wegen eine Duldung zu erteilen. Vorliegend könne aus rechtlichen Gründen keine Abschiebung durchgeführt werden. Als Anordnungsgrund wurde ausgeführt, die Duldung sei nicht verlängert worden; Anschreiben diesbezüglich an die Antragsgegnerin seien erfolglos geblieben. Unter anderem wurden für die Kinder … und … jeweils eine gemeinsame Sorgerechtserklärung der Frau … und des Antragstellers vom 23. Juli 2018 vorgelegt. Die Grenzübertrittsbescheinigung des Antragstellers wurde mit einer Ausreisefrist bis 26. September 2018 ausgestellt. Auf die Antragsbegründung wird im Übrigen verwiesen.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakte vor und beantragte
Antragsablehnung.
In der Antragserwiderung wird unter anderem ausgeführt, die am 12. September 2016 ausgestellte Geburtsurkunde des Kindes … enthalte keinen Eintrag beim Vater; die dem Gericht vorgelegte Geburtsurkunde vom 14. Juni 2018 beinhalte einen nachträglichen Vaterschaftseintrag des Antragstellers. Die Kopie der nigerianischen Geburtsurkunde des Kindes … sei als nigerianische Personenstandsurkunde wenig aussagekräftig angesichts der leichten Käuflichkeit solcher Dokumente und selbst bei Echtheit einer in Nigeria ausgestellten Urkunde böte diese keine Gewähr für ihre inhaltliche Richtigkeit. Auffallend sei bei der Kopie der verwaschene Behördenstempel und der unvollständige Kindsvatername.
Frau … gebar am … 2018 das Kind … in … Der nigerianische Staatsangehörige …, der in Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei, habe die Vaterschaft für das Kind … anerkannt. Hiervon könne das Kind … die deutsche Staatsangehörigkeit ableiten. Die Ausländerbehörde prüfe derzeit, ob für die Kindsmutter die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) in Frage komme. Der Antragsteller lebe nicht in einer familiären Lebensgemeinschaft mit seinen angeblichen Kindern, sondern getrennt von den Kindern und der Kindsmutter in der … in … Die Kindsmutter und die Kinder lebten hingegen in der … in … Die Kindsmutter lebe seit Anfang 2016 in … Es lägen der Ausländerbehörde keine Nachweise vor, dass der Antragsteller und Frau … versucht hätten, durch Umverteilungsanträge gemeinsam in einer Unterkunft untergebracht zu werden. Im Melderegister sei der Antragsteller als ledig geführt und es seien auch keine Kinder als Familienangehörige eingetragen. Die vorgelegte Bestätigung zur tatsächlichen Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts blieben oberflächlich und unsubstantiiert. Hinsichtlich der darin ausgeführten finanziellen Unterstützung bliebe offen, mit welchen Mitteln diese erfolge, da der Antragsteller seit Juni 2016 nur mit behördlicher Genehmigung einer Beschäftigung nachgehen könnte, aber eine solche auch nicht beantragt worden sei. Nach Vorlage des Reisepasses sei die Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers und damit auch der Duldungsgrund entfallen. Es lägen keine Duldungsgründe mehr vor. Die Abschiebung sei weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Der Aufenthalt der beiden Kinder, von denen die rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers abgeleitet werden soll, werde aufgrund deren Asylantragsablehnung nach § 30 Abs. 3 AsylG und der damit verbundenen Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 AufenthG weiterhin wohl nur geduldet werden können. Ein Familiennachzug zu Duldungsinhabern sei nicht vorgesehen nach dem Aufenthaltsgesetz, auch von der Kindsmutter könne kein Aufenthaltsrecht abgeleitet werden; auch deren Aufenthalt sei nur geduldet und ein Nachweis der Eheschließung der Kindsmutter mit dem Antragsteller liege nicht vor. Bis zu einer Entscheidung über den Antrag werde von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abgesehen. Auf die Antragserwiderung wird im Übrigen verwiesen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt erfolglos.
1. Das Verwaltungsgericht München ist als Gericht der Hauptsache zuständig gemäß § 123 Abs. 2 i.V.m. § 52 Nr. 3 Satz 1, 5 VwGO. Nach Aktenlage erging bislang keine Entscheidung zu dem von der Bevollmächtigten für den Antragsteller formlos gestellten Antrag vom 24. Mai 2018 auf Erteilung einer Duldung. Eine Klage wurde bislang nicht erhoben.
2. Für den Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, eine Duldung zu erteilen, ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden.
2.1. Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 920 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO hat der Antragsteller Anordnungsgrund und -anspruch zu bezeichnen und glaubhaft zu machen. Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BVerfGE 79, 69/75; BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.).
Liegt eine Fallgestaltung vor, in der im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Hauptsache teilweise oder ganz vorweggenommen werden würde, darf eine vorläufige Regelung nach § 123 VwGO nur ergehen, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht und die ohne einstweilige Anordnung zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2011 – 22 CE 11.2174 – juris Rn. 3 m.w.N.), also ein Anordnungsgrund von besonderem Gewicht vorliegt.
2.2. Es besteht glaubhaft ein Anordnungsgrund, da der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig ist (vgl. §§ 50 Abs. 1 i.V.m. 58 Abs. 2 S. 2 AufenthG). Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Februar 2014 und die darin enthaltene Abschiebungsandrohung sind rechtskräftig und vollziehbar. Zudem hat die Antragsgegnerin angekündigt, den Antragsteller nach Nigeria abschieben zu wollen.
2.3. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es kommt nicht ernsthaft in Betracht, dass seine Abschiebung im Hinblick auf die Gewährleistungen aus Art. 6 Abs. 1 GG aus rechtlichen Gründen unmöglich ist und ihm daher gemäß § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung zusteht.
Der Antragsteller hat seit dem 22. November 2016 die Vaterschaft für die vorgenannten beiden Kinder anerkannt. Insoweit mag man bereits hinsichtlich der Rechtsgültigkeit der Unterschrift des Antragstellers Zweifel haben, da sie nicht derjenigen im seinem Pass gleicht, vielmehr derjenigen Unterschrift gleicht, die er unter der falschen Identität benutzte. Dies mag für die vorliegende Entscheidung dahingestellt bleiben. Mit der Vaterschaftsanerkennung hat der Antragsteller seit diesem Zeitpunkt für beide Kinder die rechtliche Stellung eines Vaters. Ob der Antragsteller zuvor für das in Nigeria geborene Kind … bereits die rechtliche Stellung als Vater hatte, ist durch die vorgelegte nigerianische Geburtsurkunde nicht glaubhaft gemacht; dies kann im Übrigen für die vorliegende Entscheidung dahingestellt bleiben. Ebenfalls kann offen bleiben, ob der Antragsteller neben seiner rechtlichen Vaterschaft für die beiden Kinder auch der leibliche Vater ist. Mit der rechtlichen Vaterschaft geht einher, dass der Antragsteller Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist. Die gesetzliche Bestimmung der Vaterschaft ist konstitutiv für die Möglichkeit, als Elternteil überhaupt für das Kind, vorliegend die beiden oben genannten Kinder, tatsächlich umfassend Sorge zu tragen (vgl. OVG Hamburg, B.v. 20.3.2018 – 1 Bs 25/18 – juris Rn. 11 mit weiteren Nachweisen zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung). Sie eröffnet den Zugang zur Elternverantwortung und ist Voraussetzung für die Wahrnehmung der grundrechtlich geschützten Elternposition. Im Hinblick auf den Punkt der Elternverantwortung hat der Antragsteller in den gemeinsam mit der Kindsmutter abgegebenen Erklärungen vom 23. Juli 2018 für die beiden genannten Kinder mit der Kindsmutter die gemeinsame elterliche Sorge übernommen.
Die für die Entscheidung der vorliegenden Rechtsstreitigkeit maßgeblichen Fragen zu Art. 6 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Orientierungssätze 1, 2a, 2b und 3 sowie Rn. 16-18 wird verwiesen:
„Orientierungssatz
1. Die Ausländerbehörde muss gemäß der in Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG enthaltenen Grundsatznorm bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Ausländers an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl BVerfG, 18.04.1989, 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81 ). (Rn.16)
2a. Die Pflicht des Staates zum Schutz der Familie verdrängt regelmäßig einwanderungspolitische Belange. Dies gilt selbst dann, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (vgl BVerfG, 30.01.2002, 2 BvR 231/00, NVwZ 2002, 849 ). Insoweit kommt nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Überdies wird der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich (vgl BVerfG, 08.12.2005, 2 BvR 1001/04, BVerfGK 7, 49 ). (Rn.17)
2b. Jedoch setzen sich auch gewichtige familiäre Belange sich nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durch. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Geburt eines Kindes keine „Zäsur“ in der Lebensführung des betroffenen Ausländers darstellt, die erwarten lässt, dass der betroffene Ausländer bei legalisiertem Aufenthalt keine Straftaten mehr begehen wird (Rn.23).
3. Zudem ist seit der Kindschaftsrechtsreform maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange der Eltern und des Kindes im Einzelfall umfassend zu berücksichtigen. vgl BVerfG, 08.12.2005, aaO ). (Rn.18)“
„Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 ; 80, 81 ). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles.
Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar 2002 – 2 BvR 231/00 -, NVwZ 2002, S. 849 m.w.N.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 31. August 1999 – 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, S. 59). Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. zuletzt Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2005 – 2 BvR 1001/04 – m.w.N.).
Bei der Auslegung und Anwendung der ausländerrechtlichen Vorschriften ist auch angemessen zu berücksichtigen, dass durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) die Rechtspositionen des Kindes und seiner Eltern sowohl hinsichtlich des gemeinsamen Sorgerechts als auch hinsichtlich des Umgangsrechts gestärkt worden sind. Seither ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange der Eltern und des Kindes im Einzelfall umfassend zu berücksichtigen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2005 – 2 BvR 1001/04 -; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Februar 2003 – 1 C 13/02 -, BVerwGE 117, 380 ).“
Unter Anwendung der vorstehenden verfassungsrechtlichen Grundsätze bei der Entscheidung des vorliegenden Einzelfalls wurde im vorliegenden Fall ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung resp. Erteilung einer Duldung auf der Grundlage des Art. 6 GG. Der Antragsteller beruft sich auf die familiäre Bindung zu den beiden Kindern, deren Vaterschaft er seit dem … 2016 anerkannt hat und bezüglich derer er seit dem … 2018 gemeinsam mit deren Mutter das gemeinsame Sorgerecht hat. Diese beiden Kinder halten sich nicht berechtigterweise im Bundesgebiet auf. Diese beiden Kinder, die gleichermaßen wie der Antragsteller nigerianische Staatsangehörige sind, sind vollziehbar ausreisepflichtig und werden im Bundegebiet geduldet, weil sie nicht im Besitz eines Passes sind. Gleiches gilt im Übrigen für die Kindsmutter; die Kindsmutter ist im Hinblick auf die Aussetzung der Abschiebung des Antragstellers in rechtlicher Hinsicht unmaßgeblich, da sie mit dem Antragsteller nicht rechtsgültig verheiratet ist. Allein die Duldung der Kinder führt nicht zum berechtigten Aufenthalt dieser im Bundesgebiet. Damit ist es dem Antragsteller nicht unzumutbar, seine familiären Bindungen zu seinen Kindern und die Lebensgemeinschaft mit ihnen, so er sie behauptet, außerhalb Deutschlands fortzuführen. Im Übrigen wurde auch nicht glaubhaft gemacht, dass zwischen dem Antragsteller und den beiden Kindern eine tatsächliche Lebensgemeinschaft- und Erziehungsgemeinschaft besteht. Im Melderegister ist der Antragsteller als ledig und ohne Familienangehörige eingetragen. Der Antragsteller lebt nicht mit den beiden Kindern in einer Haushaltsgemeinschaft zusammen. Es ergibt sich auch kein Anhaltspunkt bzw. wurde auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller bereits vor der Anerkennung der Vaterschaften zu den beiden Kindern mit diesen in einer tatsächlich geführten Lebensgemeinschaft lebte. Die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung sind substanzlos und nicht geeignet, eine gelebte Vater-Kind-Beziehung sowie eine elterliche Erziehungsgemeinschaft des Antragstellers mit den beiden Kindern zu belegen. Für eine tatsächliche Verbundenheit der beiden Kinder mit dem Antragsteller als Vater, auf deren Aufrechterhaltung die Kinder des Antragstellers angewiesen sind zu ihrem Wohl, ist nichts ersichtlich und auch nichts glaubhaft dargetan. Ungeachtet dessen, ist auch die Stellung des Antragstellers als Elternteil erst seit dem … 2016 gegeben und das gemeinsame elterliche Sorgerecht besteht erst seit dem … 2018 für beide Kinder. Wie eingangs bereits festgestellt, halten sich die beiden Kinder nicht berechtigterweise im Bundesgebiet auf und auch unter den im Einzelnen berücksichtigten weiteren Aspekten ist eine Trennung des Antragstellers von seinen beiden Kindern weder diesen noch dem Antragsteller unzumutbar; darüberhinaus kann der Antragsteller darauf verwiesen werden, die elterliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft mit seinen Kindern außerhalb Deutschlands fortzuführen. Einwanderungspolitische Belange werden vorliegend zum Schutz der Familie im Sinn des Führens einer tatsächlichen Lebens- und Erziehungsgemeinschaft im Bundesgebiet nicht zurückgedrängt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 8, 1.5 des Streitwertkatalogs.