Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten für den Schulweg

Aktenzeichen  M 3 K 15.3637

Datum:
20.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 127780
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchBefV § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Für die Bestimmung der nächstgelegenen Schule ist grundsätzlich nicht auf die Entfernung oder auf den Zeitaufwand abzustellen, sondern auf den finanziellen Aufwand der Beförderung durch Vergleich der anfallenden Fahrtkosten. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Beim Vergleich der Beförderungskosten ist es sachgerecht, als Maßstab der Berechnung auf die personalisierten Zeitkarten (Monatsfahrkarten) des öffentlichen Nachverkehrs abzustellen. Eine individuelle Berechnung für jeden Schüler ist nicht mit vertretbarem Aufwand zu bewältigen und unwirtschaftlich. Dem Aufgabenträger ist zur Erfüllung der Beförderungspflicht insoweit ein Organisationsermessen zuzubilligen.  (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ausnahmsweise kann auf den zeitlichen Aufwand eines Schulwegs abgestellt werden, falls der Besuch der (kostenmäßig) „nächstgelegenen Schule“ unzumutbar wäre. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4 Aus dem Schülerbeförderungsrecht lässt sich weder ein Anspruch auf bestmögliche Beförderung noch auf eine Beförderung mit dem schnelleren Verkehrsmittel entnehmen. Die abstrakte Möglichkeit von Verspätungen des öffentlichen Nahverkehrs ist für die Zumutbarkeitsbetrachtung irrelevant. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
5 Die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule soll übernommen werden, wenn diese Schule wegen des besonderen pädagogischen oder weltanschaulichen Konzepts, das dem Unterricht in allen Klassen einen eigenständigen, an anderen Schulen auch nicht ansatzweise vorhandenen Charakter gibt und das die Schule damit deutlich von anderen vergleichbaren Schulen unterscheidet, besucht wird. (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
6 Ein Schüler kann nicht die (fiktiven) Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule verlangen, wenn er tatsächlich eine weiter entfernte Schule besucht. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der streitgegenständliche ablehnende Bescheid des Beklagten vom 15.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 14.07.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Schulwegbeförderungskosten im Schuljahr 2014/2015 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, § 114 VwGO.
Einzelheiten des Anspruchs auf Übernahme der notwendigen Beförderung der Schüler auf dem Schulweg ergeben sich aus der Schülerbeförderungsverordnung (SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), die zuletzt durch § 1 der Verordnung vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 193) geändert worden ist.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht zur nächstgelegenen Schule; diese ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart (z.B. Gymnasium, Realschule), Ausbildungs- und Fachrichtung (bei Realschulen: mathematisch-naturwissenschaftlicher, wirtschaftlicher oder fremdsprachlicher Bereich), die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Nächstgelegene Schulen in diesem Sinne sind für den Wohnort der Klägers die …Realschule, die …Realschule oder die …Realschule in München.
a. Bei den drei Schulen handelt es sich – wie bei der …Realschule – um Realschulen mit gleichem Wahlpflichtfächer- und mit gebundenem Ganztagesangebot. Die Frage, ob das gebundene Ganztagesangebot bereits unter „Ausbildungs- und Fachrichtung“ im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 SchBefV zu subsumieren ist, oder aber erst im Rahmen des § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV zum Tragen kommt, der explizit das gebundene oder offene Ganztagesangebot nennt, kann somit im vorliegenden Fall dahinstehen.
b. Die drei von dem Beklagten genannten Schulen sind mit dem geringsten Beförderungsaufwand im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV zu erreichen. Es ist in ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geklärt, dass für die Bestimmung der nächstgelegenen Schule grundsätzlich nicht auf die Entfernung oder auf den Zeitaufwand abzustellen ist, sondern auf den finanziellen Aufwand der Beförderung durch Vergleich der anfallenden Fahrtkosten (BayVGH, B.v. 20.4.2009 – 7 ZB 08.3048 –, juris; BayVGH U.v. 8.1.2008 – 7 B 07.1008 -, juris). Der finanzielle Aufwand der Beförderung ist durch Vergleich der anfallenden Beförderungskosten zu ermitteln. Während der Ausbildungstarif I für die vom Kläger besuchte Realschule 73,70 Euro monatlich beträgt, liegt er bei den anderen Realschulen jeweils bei 60,- Euro, sodass sie mit dem geringerem Beförderungsaufwand zu erreichen sind.
c. Beim Vergleich der Beförderungskosten ist es auch sachgerecht, als Maßstab der Berechnung auf die personalisierten Zeitkarten (Monatsfahrkarten) des öffentlichen Nachverkehrs abzustellen und nicht z.B. Einzelfahrkarten oder Streifenkarten heranzuziehen. In Massenverfahren mit zahlreichen beförderungsberechtigten Schülern ist eine solche Praxis nicht zu beanstanden. Der Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass eine individuelle Berechnung unter Berücksichtigung der (jährlich wechselnden) Ferientermine mit einem Vergleich der Kosten für die Monatsfahrkarten auf der einen Seite und für Einzelfahrscheine oder Streifenkarten auf der anderen Seite für jeden einzelnen Schüler mit vertretbarem Aufwand nicht zu bewältigen ist und damit unwirtschaftlich wäre. Eine individuelle Berechnung ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmungen erforderlich. Vielmehr ist dem Aufgabenträger insoweit ein Organisationsermessen zuzubilligen, das auch zur Erfüllung der Beförderungspflicht in der beschriebenen Weise berechtigt (vgl. BayVGH B.v. 31.5.2011 – 7 ZB 10.2930 -, juris, Rn. 13; BayVGH, B.v. 4.5.2012 – 7 ZB 11.2910 -, juris, Rn. 13).
d. Sofern überprüfbar dargelegt wird, dass der Schüler von der mit dem geringeren Beförderungsaufwand zu erreichenden Schule tatsächlich (z.B. aus Kapazitätsgründen) nicht aufgenommen wurde, erweitert sich die Schulbeförderungspflicht auf die dann nächstgelegene Schule (s. VG München, U.v. 10.02.2015 – M 3 K 12.5937 -, juris, Rn. 26). Im vorliegenden Fall konnte jedoch weder von Klägernoch von Beklagtenseite belegt werden, dass dem Kläger in der 6. Jahrgangsstufe des Schuljahrs 2013/2014 ein Besuch in einer der vom Beklagten vorgeschlagenen drei Schulen (* …Realschule, …Realschule oder …Realschule in München) nicht möglich gewesen wäre.
Dem Beklagten ist diesbezüglich auch kein Ermessenfehlgebrauch vorzuwerfen, da dem Aufgabenträger der Schulbeförderungspflicht im Rahmen der Prüfung der nächstgelegenen Schule i.S.v. § 2 Abs. 1 SchBefV kein Ermessen zusteht. Sofern der Schüler an der mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbaren Schule nicht aufgenommen werden konnte, hat der Aufgabenträger die Beförderungspflicht zu der dann nächstgelegenen Schule; anderenfalls beschränkt sich die Beförderungspflicht des Aufgabenträgers auch auf die mit geringstem Beförderungsaufwand erreichbaren und somit nächstgelegenen Schulen im Sinne des Schülerbefördernungsrechts.
Die Nichtaufnahme ist für jedes Schuljahr und jede Jahrgangsstufe gesondert zu ermitteln. Eine pauschale Aussage für Schüler unterschiedlicher Jahrgangsstufen und Eintrittsjahre kann nicht getroffen werden. Erfahrungsgemäß ist ein Übertritt in eine 6. Jahrgangsstufe einer weiterführenden Schule leichter möglich, da üblicherweise bereits während oder nach der 5. Jahrgangsstufe Schüler und Schülerinnen, die sich den Anforderungen nicht gewachsen sehen, ausscheiden. Daher war vorliegend ein Vergleich zu den vorgetragenen anderen Schülern, die den gleichen Wohnort und die gleiche Schule wie der Kläger besuchten, nicht möglich. Der Kläger wechselte – anders als die von ihm vorgetragenen Schüler – im Schuljahr 2014/2015 und zudem nicht in die 5. sondern in die 6. Klasse der Realschule. Aufgrund der ungleichen zugrunde liegenden Tatsachenverhältnisse fehlt es an einer Vergleichbarkeit, sodass keine Ungleichbehandlung vorliegt.
Das weitere Argument des Klägers, der Beklagte hätte sich anders als bei anderen Schülern bei ihm nicht um die Klärung der möglichen Aufnahme in die Alternativschulen gekümmert, führt ebenfalls nicht zum Erfolg der Klage. Es ist Sache des Schülers bzw. seiner Personensorgeberechtigten, wenn die Übernahme der Fahrkosten für die Wahl der Schule ausschlaggebendes Kriterium ist, vor dem Schulwechsel zu klären, zu welcher Schule eine Beförderungspflicht besteht und sich um Aufnahme an dieser Schule zu bemühen. Geschieht dies nicht, sondern wird die Schule wegen anderer Kriterien, unabhängig von der Beförderungspflicht, ausgewählt, so geht der Schüler das Risiko ein, dass zu dieser Schule keine Beförderungspflicht besteht. Die Frage, ob eine mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbare Schule zu seiner Aufnahme bereit gewesen wäre, stellt sich im Verfahren um die Übernahme der Beförderung dann nicht, wenn der Schüler – wie hier – gar nicht seine Aufnahme an diesen Schulen beantragt hatte, so dass dann auch die Behörde keine weitere Verpflichtung zur Nachforschung hat. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte hierauf sogar im Antragsformular mit folgendem Hinweis in Fettdruck darauf aufmerksam gemacht: „Falls die gewählte Schule nicht die nächstgelegene Schule ist, muss deren Nichtaufnahmemöglichkeit zum Anmeldedatum nachgewiesen werden“.
2. Schließlich ist dem Kläger der Schulweg von seinem Wohnort zu den drei Alternativschulen auch nicht unzumutbar. Ausnahmsweise kann auf den zeitlichen Aufwand eines Schulwegs abgestellt werden, falls der Besuch der (kostenmäßig) „nächstgelegenen Schule“ unzumutbar wäre (BayVGH, U.v. 12.2.2001 – 7 B 99.3719 -, juris, Rn. 28). Der Vortrag des Klägers, dass die …Realschule die einzige Schule im Ganztagesbereich ist, die mit der S-Bahn ohne Umsteigen zu erreichen ist und der Fahrt Weg von der S-Bahn-Station … bis zur Schule nur 29 Minuten beträgt, führt jedoch noch nicht zu dieser Ausnahme. Aus dem Schülerbeförderungsrecht lässt sich weder ein Anspruch auf bestmögliche Beförderung entnehmen noch besteht ein Automatismus dahingehend, dass bei mehreren Beförderungsmöglichkeiten die Beförderung mit dem schnelleren Verkehrsmittel verlangt werden könnte (BayVGH München, B.v. 3.12.2010 – 7 ZB 10.1843 -). Störungen des öffentlichen Nahverkehrs sind für die Zumutbarkeitsbetrachtung irrelevant. Stellt sich im Laufe des Schuljahres heraus, dass es nicht nur vereinzelt zu Verspätungen kommt und deshalb nicht gewährleistet ist, dass die Schüler den Unterricht rechtzeitig erreichen, hat der Aufgabenträger, der seine Verpflichtung grundsätzlich im Zusammenwirken mit Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs erfüllt (Art. 1 Abs. 2 S. 1 SchKfrG), darauf hinzuwirken, dass das Beförderungsunternehmen für eine pünktliche, dem Fahrplan entsprechende Ankunft Sorge trägt und gegebenenfalls seine Fahrpläne anpasst. Etwaigen Defiziten hat der Aufgabenträger somit zwar nachzugehen, wenn Verspätungen gehäuft und nicht nur in Ausnahmesituationen auftreten, jedoch führt die rein abstrakte Möglichkeit ihres Eintritts nicht zu einem Anspruch auf Beförderung mit einem anderen Verkehrsmittel zu einem höheren Tarif (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2010, a.a.O. juris Rn. 25).
3. Die vom Kläger vorgetragene besondere Konzeption des gebundenen Ganztagesangebots der …Realschule stellt auch keine pädagogische oder weltanschauliche Eigenheit dar, die zu einer Beförderungspflicht nach § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV führt. Nach § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV soll die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule übernommen werden, wenn diese Schule wegen ihrer pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheit besucht wird, „insbesondere“ eine Tagesheimschule, eine Schule mit gebundenem oder offenem Ganztagesangebot, eine nicht-koedukative Schule oder eine Bekenntnisschule. Davon abgesehen, dass es sich um eine Sollvorschrift handelt, die bei Vorliegen besonderer Gründe auch Raum für eine ablehnende Entscheidung lässt (BayVGH, U.v.9.8.2011 – 7 B 10.1775 -), geht das Gericht davon aus, das das vom Kläger beschriebene gebundene Ganztagesangebot der …Realschule nicht in dem Maße von den gebundenen Ganztagesangeboten der Alternativschulen abweicht, dass es eine pädagogische Eigenheit im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV darstellen würde.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV eng auszulegen (BayVGH, U.v. 19.2.2013 – 7 B 12.2441- juris, Rn. 33; U.v. 5.3.2012 – 7 ZB 11.2092 – juris, Rn. 2). Die Vorschrift will nur Schulen mit einem besonderen pädagogischen oder weltanschaulichen Konzept erfassen, das dem Unterricht in allen Klassen einen eigenständigen, an anderen Schulen auch nicht ansatzweise vorhandenen Charakter gibt und das die Schule damit deutlich von anderen vergleichbaren Schulen unterscheidet (BayVGH, U.v. 10.1.1996 – 7 B 94.1847).
Zunächst spricht generell gegen eine weitere Differenzierung zwischen den einzelnen Schulen mit gebundenem Ganztagesangebot bereits der klare Verordnungswortlaut. Das gebundene oder auch offene Ganztagesangebot wird in § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV im Wege einer „insbesondere“-Aufzählung als Beispiel für eine pädagogische oder weltanschauliche Eigenheit aufgeführt. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass bereits das gebundene Ganztagesangebot im Sinne des Art. 6 Abs. 5 S. 1 BayEUG an sich eine pädagogische Eigenheit darstellt und eine nochmalige Abstufung zwischen den Schulen mit gebundenem Ganztagesangebot grundsätzlich nicht mehr erfolgen soll.
Der Kläger führt für die …Realschule das besondere pädagogische Konzept der Schule an, das das Lernen ausschließlich in Doppelstunden beinhalte, sowie eine erhöhte Anzahl von Sportstunden. Die Doppelstunden sind so aufgebaut, dass auf eine Unterrichtsstunde jeweils eine Stunde für Nacharbeit unter Betreuung des Fachlehrers des jeweiligen Unterrichtsfachs erfolgt. Das dargelegte Doppelstundenkonzept müsste derart prägend sein, dass es sich in pädagogisch-konzeptioneller Hinsicht evident von anderen gebundenen Ganztagsschulen abheben würde (BayVGH, U.v. 19.2.2013, a.a.O. juris, Rn. 34). Selbst wenn man in der Gestaltung der Doppelstunden einen Unterschied zu vergleichbaren anderen gebundenen Ganztagsschulen sehen mag, so ist dieser dennoch nicht in der Weise prägend, dass er einen schulwegkostenrelevanten Unterschied darstellt.
Das Konzept der Doppelstunden ist inzwischen an einer Vielzahl von Schulen sämtlicher Schularten – auch Schulen ohne Ganztagesangebot – verbreitet; dass dieses Konzept an anderen als der …Realschule „auch nicht ansatzweise“ vorhanden wäre, wie vom BayVGH (U.v. 10.1.1996, a.a.O.) gefordert, kann daher nicht festgestellt werden. Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, München, sieht das Doppelstunden-Modell als zentralen Baustein der Stundenplanstruktur (S. 7 ff. des Berichts „Ganztägiger Unterricht am G8 – Leitfaden mit Anregungen und Empfehlungen, München 2006) an und führt u.a. aus, dass in den letzten Jahren zunehmend auch in Fächern wie Deutsch, Mathematik und den Naturwissenschaften positive Erfahrungen beim Unterrichten in Doppelstunden gemacht werden. Ebenso stellt der Aspekt der Nacharbeit kein wesentliches Differenzierungskriterium zu anderen Doppelstundensystemen dar; Hintergrund einer Doppelstunde ist gerade die Vertiefung und Intensivierung eines Unterrichtsinhalts. Auch ermöglicht sie den Schülern, das neu Gelernte in Übungen zu erproben, mehr Ruhe mit einem methodisch abwechslungsreicheren Unterricht und mehr Zeit für das selbstständige Arbeiten. Hierunter kann auch die vom Kläger vorgetragene „Nacharbeit“ verstanden werden. Inhaltlich geht somit das Konzept der …Realschule nicht in der vom BayVGH geforderten prägenden Weise über das Unterrichtskonzept anderer, ansonsten vergleichbarer Schulen hinaus. Ebenso stellt der Sportunterricht, der an 4 Tagen die Woche stattfindet, keine pädagogische Eigenheit dar. Sowohl gebundene als auch offene Ganztagsschulen stellen ihren Schülern regelmäßig ein großes Sportangebot zum Ausgleich zur Verfügung.
Des Weiteren ist das Schulwegkostenrecht stets vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass es auf freiwilliger Basis der Landesgesetzgeber besteht und eine verfassungsrechtlich nicht gebotene Leistung der öffentlichen Hand darstellt. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass kein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf kostenfreien Transport zur Schule besteht (BayVerfGH B.v. 27.7.1984 – Vf.17-VII-83 -; BayVerfGH E.v. 28.10.2004 – Vf.8– VII-03-; BayVerfGH, E.v. 7.7.2009 – Vf.15 –VII/08). Weder dem Grundgesetz (vgl. BVerwG, B.v. 22.10.1990 – 7 B 128/90) noch der Bayerischen Verfassung ist zu entnehmen, dass sämtliche mit dem Schulbesuch verbundenen Aufwendungen vom Staat oder von den Kommunen zu tragen wären. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar in einer Entscheidung (BVerwG, B.v. 15.1.2009 – 6 B 78/08 -) offen gelassen, ob sich aus dem durch Art. Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Recht der Erziehungsberechtigten, den Bildungs Weg ihrer Kinder zu bestimmen, und aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Schüler (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. Abs. GG) Auswirkungen auf die Erstattungsfähigkeit privater Schülerbeförderungskosten ergeben. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, stünde dem Landesgesetzgeber – so das Bundesverwaltungsgericht – ein sehr weiter Ausgestaltungsspielraum hinsichtlich der Zumutbarkeit des Beförderungsangebots im öffentlichen Personennahverkehr zu. Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, B.v.16.6.2009,BvR 419/09 -). Eine Beförderungspflicht des Beklagten ergibt sich daher auch nicht aus § 2 Abs. 3 SchBefV.
4. Schließlich war die Ablehnung der kostenfreien Beförderung des Klägers zur …Realschule auch nicht im Hinblick auf § 2 Abs. 4 SchBefV zu beanstanden. Nach § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV kann der Aufgabenträger die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule ganz oder teilweise übernehmen, wenn der Beförderungs-aufwand die ersparten Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule um nicht mehr als 20 v. H. übersteigt. Zum einen grenzt der Kläger die 20%ige Toleranzgrenze ermessensgerecht auf innerhalb des Landkreises liegende Schulen ein, zum anderen wäre die Toleranzgrenze bei Vergleich der Ausbildungstarife (60,00 € für Tarif I – 73,70 € für Tarif II, s.1.b.) im vorliegenden Fall auch bei ihrer Anwendung überschritten. Es war auch nicht ermessensfehlerhaft im Sinne des § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV, dass der beklagte Aufgabenträger im Hinblick auf das allgemeine öffentliche Interesse an einer Begrenzung der finanziellen Aufwendungen auch unter Berücksichtigung der Belange des Klägers einer Übernahme der Beförderungskosten zur …Realschule nicht zugstimmt hat. Die Zustimmung nach dieser Vorschrift ist nur in außergewöhnlichen Fällen zu erteilen (BayVGH, U.v. 19.2.2013, a.a.O, juris, Rn. 42). Bei der Entscheidung hierüber durfte der beklagte Aufgabenträger das öffentliche Interesse an einer sparsamen Mittelverwendung (Art. 2 Abs. 1 Satz 3 SchKfrG) als prägenden Grundsatz des Schülerbeförderungsrechts berücksichtigen (vgl. BayVGH, U.v. 10.1.1996 – 7 B 94.1847 – BayVBl. 1996, 434).
5. Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass der Beklagte die Beförderungskosten wenigstens insoweit zu übernehmen hat, als sie bei einem Besuch zu den alternativ vom Beklagten vorgeschlagenen nächstgelegeneren Realschulen, d.h. in Höhe von 60,- EUR pro Monat angefallen wären. Es handelt sich insoweit nicht um eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber denjenigen Kindern, die dort zur Schule gehen und Fahrtkosten dafür ersetzt bekommen. Die so genannten fiktiven Fahrtkosten werden nach eindeutiger obergerichtlicher Rechtsprechung im Bayerischen Schulwegkostenrecht nicht erstattet (BayVGH, B.v. 30.01.2007 – 7 ZB 06.781 -, juris, Rn. 13; BayVGH, U.v. 12.02.2001 – 7 B 99.3719 -, juris, Rn. 34, m.w. Nachw.), diese Auslegung von § 2 SchBefV verstößt nicht gegen die Bayerische Verfassung (BayVerfGH, E.v. 20.4.1990 – Vf. 28-VI-89 in NVwZ-RR 1991, S. 74). Danach kann ein Schüler nicht die (fiktiven) Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule verlangen, wenn er tatsächlich eine weiter entfernte Schule besucht. Darin liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 118 Abs. 1 BV, da der BayVerfGH hinreichende sachliche Gründe darin sieht, dass es nicht im Interesse einer auf den näheren Einzugsbereich abstellenden Schulplanung liege, durch Übernahme von Beförderungskosten zu entfernter liegenden Schulen die Schülerzahl der nächstgelegenen Schulen zu gefährden. Auch das Recht der Eltern auf Wahl der Schule für ihr Kind aus Art. 6 Abs. 2 GG bleibt unberührt. Ein allgemeiner Anspruch auf Subventionierung von Ausbildungskosten in Gestalt der Übernahme der Beförderungskosten in jedem Fall lässt sich der Verfassung nicht entnehmen.
Mithin bestand für die vom Kläger besuchte …Realschule im Schuljahr 2014/2015 keine Beförderungspflicht des Beklagten, da es sich weder um diejenige Schule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SchBefV handelte, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar war, noch eine Ausnahme von dieser Anspruchsvoraussetzung – etwa durch Vorliegen einer pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheit der Schule – bestand, sodass die Klage keinen Erfolg hatte.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Ab. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

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