Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  M 1 K 16.35559

Datum:
25.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3c Nr. 3, § 3e, § 77 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 AsylG noch auf die Feststellung eine Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 und 38 AsylG, die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in § 11 AufenthG.
Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
Die Klageseite hat über die in der Anhörung beim Bundesamt angegebenen Umstände hinaus keine weiteren Ausführungen gemacht. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend weist das Gericht noch auf Folgendes hin:
Es kann dahinstehen, ob der Verfolgungsvortrag des Klägers wirklich glaubhaft ist. Durch sein Fehlen in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dem Gericht die Möglichkeit genommen, sich den im Asylrecht so wichtigen persönlichen Eindruck vom Asylbewerber und seiner Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Aber selbst wenn dem Vortrag des Klägers Glauben zu schenken wäre, ist es sehr zweifelhaft, ob der Vater der Tochter rechtlich als nichtstaatlicher Akteur im Sinne des § 3c Nr. 3, § 4 Abs. 3 AsylG aufgefasst werden kann. Dazu wäre seine landesweite Bedrohungsmächtigkeit darzulegen, also dass der Staat oder den Staat oder wesentliche Teile des Staats beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (siehe § 3c Abs. 3 AsylG, § 4 Abs. 3 AsylG). Jedenfalls würde dem Kläger eine inländische Fluchtalternative in Pakistan und somit interner Schutz gemäß § 3e Abs. 1 AsylG, § 4 Abs. 3 AsylG zur Verfügung stehen. Ihm wäre ein Ausweichen auf andere Landesteile Pakistans möglich. Auch das stünde einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG und gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG einer Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG entgegen.
Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung hat und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Damit wird die Nachrangigkeit des Schutzes verdeutlicht. Der Ausländer muss am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinden, d.h. es muss zumindest (in faktischer Hinsicht) das Existenzminimum gewährleistet sein, das er unter persönlich zumutbaren Bemühungen sichern können muss. Dies gilt auch, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind. Unerheblich ist, ob eine Gefährdung am Herkunftsort in gleicher Weise besteht (vgl. BT-Drs. 17/13063 S. 20; VG München, U.v.12.6.2015 – M 23 K 13.31345 – juris Rn. 21 ff.).
Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben und Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger in anderen Teilen Pakistans, insbesondere in den größeren Städten, eine interne Schutzmöglichkeit i.S.v. § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG finden kann.
In den Städten Pakistans – vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan – leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, könnten in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Pakistan – Lagebericht -, Stand Mai 2016, S. 21). In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche 880.254 qkm, ca. 200 Millionen Einwohner) ohne funktionierendem Meldewesen ist es nach den Erkenntnissen grundsätzlich möglich, bei Aufenthaltnahme in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines Verfolgers zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig vom 15.1.2014; vgl. allgemein zur Annahme einer inländischen Fluchtalternative in Pakistan VG München, U.v.12.6.2015 – M 23 K 13.31345 – juris Rn. 23 m.w.N.).
Der Kläger kann in den Großstädten und in anderen Landesteilen als erwachsener junger Mann ohne eigene Kinder auch ein ausreichendes Einkommen finden. Zwar ist das Leben in den Großstädten teuer, allerdings haben viele Menschen kleine Geschäfte oder Kleinstunternehmen. Es gibt aufgrund der großen Bevölkerung viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis. Es kann somit vom Kläger – insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass er in seinem Heimatort als … gearbeitet hat – erwartet werden, dass er sich in einem dieser Landesteile niederlässt.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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