Aktenzeichen M 10 S 16.30837
Leitsatz
Die Verwaltungsgerichte sind an die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunfststaat nach § 29a Abs. 2 i.V.m. Anlage II AsylG, gegen die weder verfassungs- noch europarechtliche Bedenken bestehen, gebunden, es sei denn, sie gewinnen die Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (vgl. BVerfG BeckRS 1995, 12073). (red. LS Clemens Kurzidem)
Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG liegt nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG). Dies kann dann der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betreffende Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen, z. B. auch aus finanziellen Gründen, tatsächlich nicht erlangen kann (vgl. VGH München BeckRS 2012, 54740). (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I.
Die Anträge werden abgelehnt.
II.
Der Antragsteller zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Bundesamtes für … (im Folgenden: Bundesamt), mit dem ihr Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Hinsichtlich des Sachverhalts nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom 6. April 2016, denen es folgt, § 77 Abs. 2 AsylG. Der Bescheid wurde dem Antragsteller zu 1) am 14. April 2016 übergeben.
Gegen diesen Bescheid haben die Antragsteller am 18. April 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben (Az. M 10 K 16.30836) mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamtes vom 6. April 2016 in den Ziffern 1 und 3 bis 7 aufzuheben sowie die Antragsgegnerin zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen bzw. zu verpflichten, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
Gleichzeitig haben sie beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung nimmt der Antragsteller zu 1) Bezug auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt. Die Ehefrau leide an Depressionen und sie seien nach Deutschland gekommen, damit ihr geholfen werde. Da er nicht wisse, welche Handlungen seine Frau vornehme, wolle er jede Gefährdung vermeiden und unbedingt bei ihr bleiben.
Die Antragsgegnerin übersandte am 22. April 2016 die Behördenakte.
Am 11. Mai 2016 legte der Antragsteller zu 1) verschiedene Atteste und Bestätigungen vor, die belegen würden, dass seine Ehefrau unter psychischem Stress stehe. Er bat, diese Dokumente in seinem Asylverfahren zu berücksichtigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (auch im Verfahren M 10 K 16.30836) und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung gegen die im streitgegenständlichen Bescheid vom 6. April 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen, hat keinen Erfolg. Der Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann. Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – juris Rn. 15).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidung bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand erscheint es als offensichtlich, dass den Antragstellern der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte nicht zusteht.
Das Gericht folgt den Feststellungen sowie der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens der Antragsteller nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Albanien ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – Rn. 65). Gegen die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (vgl. VG Berlin, B.v. 22.12.2015 – 33 L 357.15 A – juris Rn. 13 ff.; VG München, B.v. 1.3.2016 – M 17 S 16.30322). Von den Antragstellern sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigte oder als Flüchtlinge rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Antragsteller nicht erkennbar. Hierzu haben diese nichts vorgetragen.
Eine Ablehnung des Schutzantrages als offensichtlich unbegründet ist damit nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG gerechtfertigt.
Die Ablehnung der Zuerkennung subsidiären Schutzes ist ebenfalls nicht zu beanstanden; denn wie ausgeführt können die Antragsteller ausreichenden internen Schutz in Albanien vorfinden (§ 4 Abs. 3 i. V. m. § 3d, § 3e AsylG).
Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) sind solche hier für die Antragsteller nicht ersichtlich.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betreffende Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen, z. B. auch aus finanziellen Gründen, tatsächlich nicht erlangen kann (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (vgl. OVG NRW, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56 m. w. N.). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss die Krankheit ferner substantiiert vorgetragen sein, wozu regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – juris Rn. 15).
In Anwendung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall von einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nicht ausgegangen werden. Dass der Antragstellerin zu 2) unmittelbar nach ihrer Rückkehr eine wesentliche Verschlechterung ihrer Erkrankung oder gar ein lebensbedrohlicher Zustand droht, ist nicht ersichtlich. Aus dem bislang vorgelegten Merkblatt zum Ambulanten Operieren im Ärztehaus am Klinikum des Klinikums … geht nicht einmal hervor, an welcher Erkrankung die Antragstellerin zu 2) leidet und ob tatsächlich eine Operation durchgeführt wurde. Ein entsprechendes ärztliches Attest, dass im Falle der Rückkehr die Gefahr besteht, dass sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d. h. dass trotz der dort vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten, wenn auch möglicherweise nicht unmittelbar im Herkunftsort der Familie, eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankungen alsbald nach der Rückkehr droht, wurde nicht vorgelegt. Auch für weitere Erkrankungen der Antragstellerin zu 2) wurden keine Nachweise vorgelegt. Die behauptete psychische Erkrankung der Ehefrau des Antragstellers zu 1) begründet kein Abschiebungsverbot auch für die Antragsteller; die geltend gemachten Gründe liegen nur in der Person der Ehefrau vor.
Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 35 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).