Verwaltungsrecht

Keine Anerkennung als Asylberechtigter bei Einreise über einen sicheren Drittstaat

Aktenzeichen  M 5 S 16.30974

Datum:
17.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
GG GG Art. 16a, Art. 19 Abs. 4
AsylG AsylG § 3, § 4, § 26a, § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet aus, wenn die Einreise auf dem Landweg – also aus einem sicheren Drittstaat – in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt. (redaktioneller Leitsatz)
Angehörige der MDFC, die für die Unabhängigkeit der Casamance kämpfen, sind nicht schon aufgrund ihrer MDFC-Mitgliedschaft einer Verfolgung im Senegal ausgesetzt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit Mandingo. Er reiste nach eigenen Angaben auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 27. November 2014 Asylantrag.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab die Antragsteller an, dass er bei den Rebellen gelebt habe, die den MDFC unterstützten, der für die Unabhängigkeit des Casamance kämpfe. Regierungstruppen hätten ihn verhört. Er sei sich sicher gewesen, dass ihn die Regierungstruppen umbringen würden, wären sie noch einmal gekommen.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Antragstellerpartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung in den Senegal oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 10 bzw. 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass dem Ausländer keine asylerhebliche Verfolgung aufgrund seiner (unterstellten) Mitgliedschaft bei der MDFC drohe. Ein Zustellversuch des Bescheids am 25. Januar 2016 gegen Postzustellungsurkunde war erfolglos, da der Antragsteller unter der Zustelladresse nicht zu ermitteln war. Mit Schreiben vom 25. April 2016 wurde ihm eine Kopie des Bescheids übersandt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerpartei am 3. Mai 2016 Klage und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin legte am 14. Juni 2016 die Akten vor und stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmä-ßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt. Dem Antragsteller ist der streitgegenständliche Bescheid vom 11. Januar 2016 wirksam durch Übersendung einer Kopie mit Schreiben vom 25. April 2016 bekannt gegeben worden (§ 41 Abs. 1 VwVfG). Denn der Verwaltungsakt ist mit Wissen und Wollen der Behörde dem Adressaten zugestellt worden. Hierfür genügt auch die Übersendung einer Kopie. Nach § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als einfacher Brief als zugestellt. Das ist hier der 28. April 2016, Klage und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO am 3. Mai 2016 sind mithin fristgemäß innerhalb einer Woche erhoben worden (§ 36 Abs. 3 Satz 1, 74 Abs. 1 AsylG).
2. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
3. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Ent-scheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
a) Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet bereits deswegen aus, weil die Antragstellerpartei auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylG).
Aber auch ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Antragstellerpartei nicht erkennbar. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes für die Republik Senegal vom 21. November 2015 sind Angehörige der MDFC, die für die Unabhängigkeit der Casamance kämpfen, nicht schon aufgrund ihrer MDFC-Mitgliedschaft einer Verfolgung ausgesetzt (II. 3).
b) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Vor diesem Hintergrund ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
4. Gegen die Datenerhebung in elektronischer Form und deren Übermittlung ist rechtlich nichts einzuwenden. Sie beruht auf §§ 7 und 8 AsylG, die auch eine Datenerhebung und -speicherung in elektronischer Form umfassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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