Verwaltungsrecht

Keine Anordnung zur Sicherung eines Bürgerbegehrens wegen Nichteinhaltung von Formerfordernissen der Unterschriftenliste

Aktenzeichen  RN 3 E 17.236

Datum:
28.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGO BayGO Art. 18a Abs. 4 S. 1, Abs. 9

 

Leitsatz

1 Für die Erfüllung der Formerfordernisse des § 18a Abs. 4 S. 1BayGO ist es ausreichend, wenn Antrag, Fragestellung, Begründung und Vertreterbenennung auf der Vorderseite der Unterschriftenliste angegeben sind und sich die Unterschriften auf der Rückseite befinden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die bloße Verwendung von Einlageblättern oder Hintereinanderklammerung loser Listen erfüllt nicht die Formvorschriften des § 18a Abs. 4 S. 12 BayGO, sofern nicht auf jedem Blatt neben den Unterschriften auch der Antrag, die Fragestellung, die Begründung und die Vertreter angegeben sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 7500,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind die Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens „Sanierung der Kläranlage …“. Sie begehren im Wege der einstweiligen Anordnung, die Antragsgegnerin zu verpflichten, keine Maßnahmen zu unternehmen, die dem Ziel des Bürgerbegehrens entgegenstehen und dieses vereiteln würden, insbesondere keine weiteren Verträge abzuschließen.
Die Antragsteller initiierten das Bürgerbegehren „Sanierung der Kläranlage …“. Am 9. Februar 2017 reichte der Antragsteller zu 1. Unterschriftenlisten mit 107 Unterschriften ein. Das Bürgerbegehren einschließlich der gesammelten Unterschriften hat einen Umfang von fünf Seiten. Auf der ersten Seite finden sich folgende Angaben:
„Bürgerbegehren
„Sanierung der Kläranlage …“
Mit meiner Unterschrift beantrage ich gemäß Artikel 18a der Bayerischen Gemeindeordnung die Durchführung eines Bürgerentscheides zu folgender Frage:
Sind Sie dafür, dass die Sanierung bzw. Umbau der Kläranlage … nach der günstigsten zulässigen Methode durchgeführt wird? Eine Satzungsänderung zur Verteilung der Kosten lehne ich ab!
Begründung:
Die Gemeinde … muss die vorhandene Kläranlage nachrüsten um die vom Wasserwirtschaftsamt geforderte Abwasserqualität zu erreichen. Das planende Ingenieurbüro hat dazu mehrere Verfahren vorgeschlagen:
1. Das sog. Schwebebettverfahren mit Kosten von ca. 310.000,00 Euro
2. Das sog. Festbettverfahren mit Kosten von ca. 440.000,00 Euro
3. Das sog. SBR-Verfahren mit Kosten von ca. 750.000,00 Euro mit Zuschuss von 145.000,00 Euro
4. Das sog. Belebungsverfahren mit Kosten von ca. 1.130.000,00 Euro
Bei allen Verfahren kommen noch die Baunebenkosten hinzu. (Planungskosten ca. 20% usw.) Die Gesamtkosten für die Herstellung werden 1:1 an die Bürger weiter gegeben. Es ist daher für die Belastung der Bürger entscheidend, dass das günstigste Verfahren ausgewählt wird. Alle Verfahren sind, lt. Auskunft Ingenieurbüro, für die nächsten 20 Jahre ausreichend. Und was in 20 Jahren ist, kann zum jetzigen Zeitpunkt keiner sagen. Der Bürgermeister und die Mehrheit des Gemeinderats hat sich für ein Verfahren entschieden, das bei ca. einer Million Euro liegt. Auch die späteren Betriebskosten sind für die Bürger mit ausschlaggebend. Das günstigste Verfahren hat auch die geringsten Betriebskosten und damit ergeben sich auch die, für die Bürger besseren Abwassergebühren.“
Zudem befinden sich auf der ersten Seite die Benennung der Vertreter des Bürgerbegehrens und der erste Teil der Unterschriftenliste mit sieben ausgefüllten Zeilen. Die erste Seite enthält in der Kopfzeile mittig die Angabe „Seite 1 von 5“. Die weiteren Seiten sind in entsprechender Weise fortlaufend nummeriert. Sie enthalten neben der Seitenangabe ausschließlich jeweils 25 weitere Zeilen für die Eintragung von Unterschriften. Die Zeilen der Unterschriftenlisten sind seitenübergreifend fortlaufend mit „1.“ bis „107.“ nummeriert.
Ebenfalls am 9. Februar wurde durch den Antragsteller zu 1. das Bürgerbegehren „Umbau altes Schulhaus, Abbruch des neueren Anbaus und Neubau eines Feuerwehrhauses mit zwei Stellplätzen für Einsatzfahrzeuge“ eingereicht. Die Seiten 2 bis 5 sind hinsichtlich ihrer Gestaltung identisch mit jenen des hiesigen Bürgerbegehrens. Die Unterzeichner stimmen nur teilweise überein. Die Antragsteller zu 1. und zu 3. sind auch Vertreter des Bürgerbegehrens „Umbau altes Schulhaus, Abbruch des neueren Anbaus und Neubau eines Feuerwehrhauses mit zwei Stellplätzen für Einsatzfahrzeuge”.
Am 10. Februar 2017 hat der Antragsteller zu 1. beim Verwaltungsgericht Regensburg vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO gestellt. Mit bei Gericht am 16. Februar 2017 und am 20. Februar 2017 eingegangenen Schreiben schlossen sich die Antragsteller zu 2. und zu 3. dem Antrag an. Das Bürgerbegehren wurde in Kopie vorgelegt. Die bei Gericht eingereichten fünf Seiten sind einseitig bedruckt.
Die Gemeinde habe bereits mit der planerischen Umsetzung begonnen. Da erst nach Zulässigkeitsbeschluss im Gemeinderat eine gesetzliche Schutzwirkung für die Ziele des Bürgerbegehrens eintrete (spätestens also nach 1 Monat), solle die Gemeinde bzw. die Gemeindeverwaltung daran gehindert werden in der Zwischenzeit vollendete Tatsachen zu schaffen. Die Eilbedürftigkeit sei deshalb begründet. Die Gemeinde solle, bis zur Entscheidung durch den Gemeinderat, daran gehindert werden, noch weitere Verpflichtungen bzw. Verträge einzugehen. Die erforderlichen 10% der Wahlberechtigten seien erreicht worden. Die Gemeinde … habe etwa 1020 Einwohner, wahlberechtigt seien laut Wahlamt etwa 810 Personen.
Die Antragsteller beantragen,
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, keine Maßnahmen zu unternehmen, die dem Ziel der beiden Bürgerbegehren entgegenstehen und diese vereiteln würden. Insbesondere keine weiteren Verträge abzuschließen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Gemeinde … werde innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist (1 Monat) in einer Gemeinderatssitzung über die Zulässigkeit des eingereichten Bürgerbegehrens entscheiden. Unabhängig vom Antrag auf einstweilige Anordnung hätte die Gemeinde … ohnehin keine Maßnahmen unternommen oder Verträge abgeschlossen, die dem Begehren an sich entgegenstünden. Eine in der Sache liegende, objektive Dringlichkeit des Antrages werde nicht gesehen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig.
Zwar ist der Antrag seinem Wortlaut nach hinsichtlich des Zeitraums nicht beschränkt, für den die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, keine Maßnahmen zu unternehmen, die dem Ziel des Bürgerbegehrens entgegenstehen und es vereiteln würden, insbesondere keine weiteren Verträge abzuschließen. Allerdings ergibt eine am Begehr der Antragsteller orientierte Auslegung des Antrags, dass eine Absicherung bis zur Entscheidung des Gemeinderats über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens gewollt ist. Denn in der Antragsbegründung wird geschildert, dass die Antragsgegnerin bis zur Entscheidung des Gemeinderats über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens an Maßnahmen gehindert werden solle, die dem Bürgerbegehren entgegenstehen und es vereiteln würden.
Die für die Antragsteller erforderliche gemeinschaftliche Verfahrensführungsbefugnis liegt vor. Da die Unterschriftenlisten keine anderslautenden Hinweise enthalten, ist von Gesamtvertretung des Bürgerbegehrens durch all dessen Vertreter auszugehen (vgl. VG Würzburg, U.v. 9.2.2011 – W 2 K 10.1215 – juris). Alle Vertreter tragen den am 10. Februar 2017 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit. Zwar wurde der Antrag ursprünglich allein durch den Antragsteller zu 1. eingereicht. Mit Schriftsätzen vom 16. Februar 2017 und 20. Februar 2017 haben sich allerdings mit den Antragstellern zu 2. und zu 3. auch die übrigen Vertreter des Bürgerbegehrens dem Antrag angeschlossen.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Die Verwaltungsgerichte erlassen auf Antrag auch schon vor Klageerhebung und während eines anhängigen Hauptsacheverfahrens in Bezug auf den Streitgegenstand einstweilige Anordnungen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 VwGO). Erforderlich ist, dass der Antragsteller die Eilbedürftigkeit (den Anordnungsgrund) und sein subjektiv-öffentliches Recht (den Anordnungsanspruch) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 2 i.V.m. § 920 ZPO).
Die Antragsteller können keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. Grundsätzlich kann vor dem Eintritt der gesetzlichen Sperrwirkung des Art. 18a Abs. 9 GO durch die gemeindliche Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens oder ein dazu rechtskräftig verpflichtendes verwaltungsgerichtliches Urteil eine vorläufige Schutzwirkung zugunsten der Antragsteller im Wege der gerichtlichen Anordnung nach § 123 VwGO aufgrund einer konkreten gerichtlichen Abwägung erreicht werden, wobei die Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Bürgerbegehrens gesichert erscheinen muss (vgl. BayVerfGH, E.v. 13.4.2000 – Vf. 4-IX-00, BayVBl. 2000, 460/462; E.v. 15.7.1999 – Vf. 103-VI-97, BayVBl. 1999, 624/625 f.).
Hier erscheint es nicht gesichert, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Bürgerbegehrens erfüllt sind. Denn die Seiten 2 bis 5 des Bürgerbegehrens, auf denen 93 der 100 Unterschriften geleistet wurden, entsprechen nicht den nach Art. 18a Abs. 4 GO einzuhaltenden Formerfordernissen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die in Art. 18a Abs. 4 GO aufgeführten Merkmale auf jeder einzelnen Unterschriftenliste stehen müssen (so BayVGH, B.v. 8.7.1996 – 4 CE 96.2182, BayVBl. 1997, 89; B.v. 4.2.1997 – 4 CE 96.3435, BayVBl. 1997, 375; VG Würzburg, B.v. 18.09.2000 – W 2 E 00.982 – juris; offen gelassen von BayVGH, B.v. 6.11.2000 – 4 ZE 00.3018 – BayVBl. 2001, 500). So wird in der Rechtsprechung teilweise vertreten, die vier Angaben, der Antrag auf ein Bürgerbegehren, die mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung, die Begründung und die Benennung der Vertreterinnen und Vertreter, würden in ihrer Summe den Gegenstand des Bürgerbegehrens, den die Gemeindebürger nach Art. 18a Abs. 5 GO unterzeichnen können, bilden. Der Wille der Unterzeichner müsse sich auf alle vier Elemente nachweislich beziehen (vgl. BayVGH, B.v. 8.7.1996 – 4 CE 96.2182, BayVBl. 1997, 89; VG Würzburg, B.v. 18.09.2000 – W 2 E 00.982 – juris).
Sinn und Zweck des Formerfordernisses ist es, Streitigkeiten und Beweiserhebungen darüber, was bei der Unterschriftensammlung gesprochen wurde und wie die Unterschriften eingeholt wurden, weitestgehend zu vermeiden. Denn es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein Unterzeichner liest, was er auf der Unterschriftenliste unterschreibt. Für die Erfüllung der Formerfordernisse genügt es dabei, wenn Antrag, Fragestellung, Begründung und Vertreterbenennung auf der Vorderseite der Unterschriftenliste angegeben sind und sich die Unterschriften auf der Rückseite befinden. Dies folgt daraus, dass von demjenigen, der auf einem Blatt seine Unterschrift leistet, erwartet werden kann, dass er sich sowohl die Vorder-, als auch die Rückseite ansieht (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.1997 – 4 CE 96.3435, BayVBl. 1997, 375; VG Würzburg, B.v. 18.09.2000 – W 2 E 00.982 – juris).
Demgegenüber werden die Formvorschriften durch die bloße Verwendung von Einlageblättern oder die Hintereinanderklammerung loser Listen nicht eingehalten, sofern nicht auf jedem Blatt neben den Unterschriften auch der Antrag, die Fragestellung, die Begründung und die Vertreter angegeben sind. Für die Unterschriftenlisten können Papierbögen beliebiger Größe verwendet werden, solange für die Unterzeichner noch eindeutig erkennbar ist, was sie unterschreiben. Allerdings muss ausgeschlossen sein, dass Unterschriften geleistet und erst nachträglich mit einem Text verbunden werden. Denn ansonsten bestünde die Gefahr von Irrtümern bei den Unterzeichnenden oder von Manipulationen durch die Organisatoren des Bürgerbegehrens (vgl. HessVGH, B.v. 25.08.1997 – 6 TZ 2989/97, NVwZ-RR 1998, 255/256; VG Würzburg, B.v. 18.09.2000 – W 2 E 00.982 – juris).
Im hiesigen Fall werden die Seiten 2 bis 5 des Bürgerbegehrens der Formvorschrift des Art. 18a Abs. 4 GO nicht gerecht. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob alle vier Merkmale eines Bürgerbegehrens auf jeder Unterschriftenliste enthalten sein müssen. Denn zumindest eine Gestaltung wie die vorliegende kann nicht genügen. Vorliegend sind sowohl der Antrag und die Fragestellung, als auch die Begründung und die Vertreterbenennung allein auf der ersten von fünf Seiten vorhanden. Bei den übrigen vier Seiten handelt es sich um reine Unterschriftenlisten. Es fehlt an einem hinreichenden stofflichen Zusammenhang zwischen der ersten und den übrigen Seiten. Ein Bezug zur ersten Seite des Bürgerbegehrens wird lediglich durch die fortlaufende Nummerierung der Seiten in der Kopfzeile und durch die ebenfalls fortlaufende, seitenübergreifende Nummerierung der Zeilen der Unterschriftenliste hergestellt. Die Antragsteller haben die fünf Blätter in Kopie und jeweils einseitig bedruckt bei Gericht eingereicht. Darum kann nicht beurteilt werden, ob die Blätter im Original miteinander verbunden und ob sie ein- oder zweiseitig bedruckt sind. Jedenfalls durch eine Gestaltung der Listen wie sie hier ersichtlich ist, wird Sinn und Zweck der gesetzlichen Formerfordernisse in Art. 18a Abs. 4 GO nicht hinreichend Rechnung getragen. Es soll erreicht werden, dass auch im Nachhinein eindeutig erkennbar ist, dass die Unterzeichner die Elemente des Bürgerbegehrens ohne Weiteres erkennen konnten. Bei der Schaffung des Art. 18a GO wurde bewusst auf die Einführung von Amtslisten und das Erfordernis der Eintragung in Amtsräumen verzichtet. Die mit dieser gesetzgeberischen Entscheidung einhergehende Missbrauchsgefahr ist so gering wie möglich zu halten. Möglich ist dies zumindest dann nicht, wenn die Unterschriftenliste keines der vier Merkmale eines Bürgerbegehrens enthält (alle vier Elemente fordert VG Würzburg, B.v. 18.09.2000 – W 2 E 00.982 – juris m.w.N.). Denn die hier vorliegende Gestaltung des Bürgerbegehrens verdeutlicht die anderenfalls bestehende Anfälligkeit für Irrtümer der Unterzeichner und Manipulationen durch die Organisatoren. Unerheblich ist, ob Irrtümer oder Manipulationen tatsächlich vorlagen. Auch ein – hier nicht vorhandener – konkreter Verdacht ist nicht erforderlich. Im Nachhinein kann aufgrund der Nummerierung zwar nachvollzogen werden, dass das Bürgerbegehren aus fünf Seiten besteht. Allerdings wären bereits Manipulationen dergestalt denkbar, dass die erste Seite des Bürgerbegehrens nachträglich ausgetauscht wird, den Unterzeichnern also ein anderes mit „Seite 1 von 5“ überschriebenes Blatt vorgelegt wurde. Wenn, wie hier bei den Seiten 2 bis 5 der Fall, Unterschriftenlisten für ein Bürgerbegehren nicht als solche gekennzeichnet sind, etwa mit „Bürgerbegehren“ oder „Antrag auf Bürgerentscheid“, so kann auch nicht ohne Beweisschwierigkeiten nachvollzogen werden, ob die Unterschriften für ein Bürgerbegehren oder zu einem anderen Zweck geleistet wurden (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Kennzeichnung BayVGH, B.v. 30.11.1995 – 4 CE 95.3883, BayVBl. 1996, 181). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Seiten 2 bis 5 des parallel abgehaltenen Bürgerbegehrens „Umbau altes Schulhaus, Abbruch des neueren Anbaus und Neubau eines Feuerwehrhauses mit zwei Stellplätzen für Einsatzfahrzeuge“ hinsichtlich ihrer Gestaltung mit den hier verwendeten Seiten 2 bis 5 identisch sind. Dies steht einer zweifelsfreien Zuordnung der Unterschriften zu einem der beiden Bürgerbegehren entgegen.
Da bereits die Formvorschrift des Art. 18a Abs. 4 GO nicht eingehalten wurde, kann dahinstehen, ob die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens auch deshalb nicht gesichert erscheint, da ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO vorliegt. Diese Vorschrift bestimmt, dass ein Bürgerbegehren unter anderem „eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung“ zu enthalten hat. Dies schließt zwar die Stellung zweier Fragen auch dann nicht aus, wenn diese nur einheitlich mit Ja oder Nein beantwortet werden können (vgl. BayVGH vom 8.5.2006 Az. 4 BV 05.756, BayVBl. 2006, 534). Da sich das Koppelungsverbot auf den materiellen Regelungsinhalt bezieht, ist in formeller Hinsicht nicht ausgeschlossen, dass eine Frage in mehrere Teilfragen untergliedert wird oder zwei Fragen in einem Bürgerbegehren zusammengefasst werden. Entscheidend ist, ob die Fragen bei objektiver Betrachtung innerlich zusammenhängen und eine einheitlich abgrenzbare Materie bilden (vgl. BayVGH, U.v. 28.5.2008 – 4 BV 07.1981, BayVBl. 2009, 245). Ob dies hier der Fall ist, erscheint zumindest fraglich, kann im Ergebnis aber offen bleiben. So bezieht sich das Bürgerbegehren nicht nur auf die Methode für die Modernisierung der Kläranlage … Daneben behandelt die Fragestellung auch die Durchführung einer Satzungsänderung zur Verteilung der entstehenden Kosten. Zwar betreffen beide Teilfragen die Modernisierung der Kläranlage. Doch ist es nicht ausgeschlossen, dass Unterzeichner, die sich für eine möglichst günstige Modernisierung aussprechen möchten, die Kosten im Hinblick auf den gemeindlichen Haushalt mittels einer Satzungsänderung verteilen wollen. Bei einer Verbindung der Fragestellungen, wie sie hier vorliegt, müssten sie sich entscheiden, ob sie mit Ja oder Nein abstimmen. Das Erfordernis einer derartigen Entscheidung ist nicht generell unzulässig. Jedoch erscheint es hier zumindest nicht unproblematisch, ob die Abstimmungsfreiheit im erforderlichen Maße gewährleistet ist und die Bürger ihrem Willen hinreichend differenziert Ausdruck verleihen können.
Aufgrund der fehlenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs kommt es nicht darauf an, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurde. So äußerten die Antragsteller im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit lediglich, die Gemeinde habe bereits mit der planerischen Umsetzung begonnen. Um zu verhindern, dass bereits im Vorfeld vollendete Tatsachen geschaffen würden, sei die Eilbedürftigkeit begründet. Die einzige Maßnahme der Antragsgegnerin, die konkret benannt wurde, ist die in der Begründung des Bürgerbegehrens angeführte Entscheidung des Gemeinderats für eines der Modernisierungsverfahren. Weitere, konkret drohende Umsetzungsmaßnahmen wurden nicht aufgeführt. Die Antragsgegnerin äußerte demgegenüber, sie hätte unabhängig vom Antrag auf einstweilige Anordnung keine Maßnahmen unternommen oder Verträge abgeschlossen, die dem Begehren an sich entgegenstünden. Vor dem Hintergrund des schriftlichen Vortrags ist damit zumindest fraglich, ob Eilbedürftigkeit nicht bereits von vornherein fehlte, oder zumindest im Laufe des hiesigen Verfahrens durch die genannte Erklärung der Antragsgegnerin wegfiel.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung von Nrn. 1.5 und 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai, 1. Juni 2012 und am 28. Juni 2013 beschlossenen Änderungen (Hälfte des Hauptsachestreitwertes im vorläufigen Rechtsschutzverfahren).


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