Verwaltungsrecht

Keine Gruppenverfolgung der Bihari in Bangladesch

Aktenzeichen  AN 9 K 16.30144

Datum:
9.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3a, § 4, § 34
GG GG Art. 16a
AufenthG AufenthG § 25a, § 60, § 60a

 

Leitsatz

1 Allein die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bihari in Bangladesch begründete keine Verfolgung. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Repressionen privater Dritter könnten dem bangladeschischen Staat nicht zugerechnet werden, weil er grundsätzlich bereit ist, Schutz vor solchen Übergriffen zu gewähren. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er seiner Bevölkerung oder Gruppen von ihnen – insbesondere den Bihari – den Schutz verweigert. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Lebensbedingungen für Angehörige der Bihari sind schlecht. Dies trifft jedoch auf die Lebensverhältnisse weiter Teile der Bevölkerung in Bangladesch zu und führt nicht zu einem individuellen Abschiebungsverbot. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2016, Az.: 5956482-998, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. In dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht ihm ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne des Art. 16 a GG und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG nicht zu. Auch die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche auf die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG oder auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG stehen ihm nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.1 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. 1953 II S. 560) ist einem Ausländer nach § 3 Abs. 1, 4 AsylG zuzuerkennen, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Als Verfolgungshandlungen sind nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG solche Handlungen anzusehen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Nach § 3a Abs. 2 AsylG zählen dazu unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, diskriminierende gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, wie auch unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, insbesondere wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (§ 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG). Bei den Akteuren, von denen die Verfolgung ausgeht, muss es sich nach § 3c AsylG um den Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder nichtstaatliche Akteure handeln, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, wirksamen und dauerhaften Schutz vor Verfolgung zu bieten. Für die Frage, ob die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist gemäß § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich, ob er das entsprechende, zur Verfolgung führende Merkmal tatsächlich aufweist, ausreichend ist, dass es ihm von dem Verfolgungsakteur im Sinne des § 3c AsylG zugeschrieben wird.
Ob eine solche Bedrohungslage für den Ausländer vorliegt und ihm bei seiner unterstellten Rückkehr politische Verfolgung droht, hat das Gericht anhand einer Prognose zu beurteilen (vgl. BVerwG, U.v. 6.3.1990 – 9 C 14.89). Auszugehen ist hierfür zunächst von seinem bisherigen Schicksal, weil in der Vergangenheit liegenden Umständen auch Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft zukommt (vgl. BVerwG, U.v.27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris, Rn. 23; EuGH, U.v. 2.3.2010 – C-175/08 – juris, Rn. 92 ff.), aber auch nachträglich eingetretene Ereignisse sind zu berücksichtigen, weil nach § 28 Abs. 1a AsylG die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG auch auf solchen Ereignissen beruhen kann, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat. Die Prognoseentscheidung hat am Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen (vgl. BVerwG, U.v. 1.3.2012 – 10 C 7.11 – juris, Rn. 12). Es ist danach zu fragen, ob bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände des Falls ein vernünftig denkender und besonnener Mensch es ablehnen müsste, in sein Land zurückzukehren, weil die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, U.v. 23.2.1988 – 9 C 32.87 – juris, Rn. 16; U.v. 15.3.1988 – 9 C 278.86 – juris, Rn. 23; Vorlagebeschluss v. 7.2.2008 – 10 C 33.07 – juris, Rn. 37). Entscheidend ist also der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (vgl. BVerwG, U.v. 23.7.1991 – 9 C 154.90 – juris, Rn. 28; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118.90 – juris, Rn. 17). Diese wird noch nicht berührt, wenn die politische Verfolgung lediglich eine theoretische Möglichkeit darstellt. Nicht zu fordern ist aber auch, dass der mathematische Wahrscheinlichkeitsgrad in jedem Fall 50% übersteigt, auch eine geringere Wahrscheinlichkeit kann hier ausreichend sein. Zu berücksichtigen ist insbesondere die Schwere des befürchteten Eingriffs. So macht es etwa für die Erwägungen eines besonnenen Menschen einen erheblichen Unterschied, ob er bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat lediglich eine geringe Freiheitsstrafe oder eine Geldbuße zu erwarten hat, oder aber ob ihm Folter, Misshandlung oder gar die Todesstrafe drohen (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1991 – 9 C 118.90 – juris, Rn. 17; Vorlagebeschluss v. 7.2.2008 – 10 C 33.07 – juris, Rn. 37). An die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Verfolgung im Falle der Rückkehr sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer und einschneidender die zu erwartende Verfolgungshandlung ist.
Ausgehend von diesem Maßstab ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG nicht zuzuerkennen.
Das Gericht geht auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht davon aus, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bihari in Bangladesch begründete Furcht vor Verfolgung haben muss, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt. Eine unmittelbare oder mittelbare Gruppenverfolgung der Bihari kann nicht angenommen werden. Das Gericht folgt damit der Rechtsprechung zahlreicher Verwaltungsgerichte sowie von Obergerichten (vgl. OVG NRW, B.v. 5.11.2014 – 16 A 307/14.A; VG Köln, U.v. 15.2.2016 – 13 K 4219/14.A; VG Saarlouis, U.v. 22.1.2015 – 6 K 813/13; VG Minden, U.v. 11.9.2014 – 1 K 1940/14.A; VG Aachen, U.v. 16.1.2014 – 5 K 2027/12.A; VG Gelsenkirchen, U.v. 29.3.2012 – 2a K 4589/10.A; VG Düsseldorf, U.v. 26.3.2010 – 1 K 6554/09.A).
In Bangladesch leben heute ca. 250.000 bis 300.000 Bihari, die sich vorwiegend zum islamischen Glauben bekennen. Im Zuge der Aufteilung des indischen Subkontinents kam die Volksgruppe aus dem indischen Bundesstaat Bihar und anderen indischen Landesteilen in das heutige Bangladesch, damals Ost-Pakistan. Sie sprachen kein Bengali, sondern Urdu, die Landessprache (West-) Pakistans, und standen den aus Indien dorthin vertriebenen Muslimen näher als den bengalisch sprechenden Muslimen, die von Indien nach Ost-Pakistan gezogen waren. Auch im Unabhängigkeitskrieg 1971, in dem sich das heutige Bangladesch von (West-) Pakistan loslöste, standen die Bihari auf der Seite der (West-) Pakistaner. Nach dem Krieg fand sich ein Teil der Bihari mit der neuen Situation ab und lebt heute ohne erkennbare Diskriminierung unter der Mehrheitsbevölkerung. Der Teil von ihnen, der sich 1972 weigerte, die Staatsangehörigkeit des neu entstandenen Staates Bangladesch anzunehmen, wurde in einem der 116 Lager, die in verschiedenen Teilen des Landes teilweise durch das Internationale Rote Kreuz errichtet wurden, untergebracht. Dort leben heute etwa 151.000 von ihnen. Für die in den Lagern lebenden Bihari ist es mitunter schwierig, Arbeit zu finden, da sie von Teilen der Bevölkerung wie von staatlichen Institutionen mit Misstrauen betrachtet werden. Gerade die Arbeit im öffentlichen Dienst oder in sonstigen höher bezahlten Positionen, die die bangladeschische Staatsangehörigkeit voraussetzen, ist für sie daher theoretisch nicht erreichbar. Gleichwohl sind eine Integration und der Zugang zu höherwertiger Arbeit möglich, wenn die Bihari ihre Herkunft verschleiern . Äußerlich unterscheiden sie sich kaum von der bengalisch sprechenden Mehrheitsbevölkerung. Hinzu kommt, dass gerade viele junge Bihari nicht mehr Urdu sprechen, sondern die bengalische Sprache angenommen haben (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, Januar 2016; D-A-CH Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Factsheet Bangladesch, April 2013, m.w.N.).
Die offene Staatsangehörigkeitsfrage wurde mittlerweile durch den Obersten Gerichtshof von Bangladesch entschieden, der mit Urteil vom 18. Mai 2008 festgestellt hat, dass alle Bihari die Staatsangehörigkeit Bangladeschs besitzen, die nach 1972 geboren wurden oder zu diesem Zeitpunkt minderjährig waren. Sie haben seither einen Anspruch auf Ausstellung von Identitätspapieren und ihnen steht das Wahlrecht zu. Wenngleich es nach wie vor vorkommt, dass Behörden ihnen die Ausstellung von Identitätsdokumenten verweigern, so hat dennoch seither ein Großteil der Bihari in den Lagern (nach Schätzungen des UNHCR 80%, andere Schätzungen liegen darüber) Identitätskarten von Bangladesch erhalten und ist in das Wählerverzeichnis eingetragen worden. Die Identitätskarten enthalten auch keinen Hinweis auf ihre Herkunft als Bihari (vgl. Ebd.). Dies ist als Verbesserung ihrer Situation zu bewerten und lässt den Schluss zu, dass der bangladeschische Staat den in der Mehrheitsbevölkerung gegebenenfalls noch verbreiteten Ressentiments gegen die Bihari jedenfalls keinen Vorschub leisten möchte, sondern ihnen durch die Ausstellung von Dokumenten, die sie als „normale“ Bürger Bangladeschs ausweisen, grundsätzlich eine Integration in die Gesellschaft ermöglichen will.
Demnach ist eine asylrechtlich relevante unmittelbaren oder mittelbaren Verfolgung des Klägers allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bihari nicht anzunehmen. Hieran ändert auch sein Vortrag nichts, es sei ihm nicht möglich, bangladeschische Ausweispapiere zu erhalten. Nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er vor seiner Ausreise aus Bangladesch nicht einmal den Versuch unternommen, solche bei den zuständigen Behörden zu erlangen, eine Anfrage machte er erst über die für ihn zuständige Ausländerbehörde in Deutschland.
Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr in Bangladesch aus individuellen Gründen staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt wäre.
Schon an der Glaubhaftigkeit seiner Schilderungen hat das Gericht Zweifel. Einerseits trug er vor, er habe in Bangladesch in …, einem Stadtteil von …, von seiner Geburt an bis zu seiner Ausreise in einem Kinderheim gewohnt, habe seine Eltern nie gesehen und kenne diese nicht. Andererseits geht aus dem von ihm vorgelegten Identitätspapier des …, … hervor, dass er dort in …, … gewohnt hat. Dieses Ausweispapier sowie das von ihm vorgelegte Empfehlungsschreiben eines Offiziellen des … enthalten zudem die Namen seines Vaters und seiner Mutter. In der vorgelegten Lebensmittelrationskarte des Office of the Deputy Commissioner des Camps ist vermerkt, dass er weitere Familienmitglieder hat. Mit diesem Widerspruch in der mündlichen Verhandlung konfrontiert gab er lediglich an, das Kinderheim habe sich in dem Camp befunden. Bei seiner Befragung vor dem Bundesamt gab er weiter an, dass das Essen in dem Kinderheim sehr schlecht gewesen sei. Jedenfalls aber gab es nach seiner Schilderung eine Verpflegung, sodass er eine Lebensmittelrationskarte – wenn er wirklich in einem Kinderheim gewohnt hätte – wohl nicht benötigt hätte. Wahrscheinlicher ist, dass er allein oder mit Familie in dem Camp, jedenfalls nicht in einem Kinderheim gewohnt hat.
Auch wenn man unterstellt, dass seine Angaben insgesamt der Wahrheit entsprechen, so hat er gleichwohl keine Umstände vorgetragen, aus denen sich eine asylrechtlich relevante Verfolgungshandlung ergibt. Was die Probleme mit seinen Mitschülern und den Brandanschlag auf das Kinderheim anbelangt, fehlt es hier schon an der Verfolgung durch einen in § 3d AsylG genannten staatlichen Akteur bzw. an der Verantwortlichkeit Bangladeschs. Repressionen privater Dritter könnten dem bangladeschischen Staat nur dann zugerechnet werden, wenn er nicht willens oder nicht in der Lage wäre, grundsätzlich Schutz vor solchen Übergriffen zu gewähren. Dies gilt indes nicht schon bei einem Versagen staatlichen Schutzes im konkret zu beurteilenden Einzelfall, sondern erst, wenn der Staat gegen Verfolgungsmaßnahmen Privater grundsätzlich keinen effektiven Schutz gewährt. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zuständigen öffentlichen Stellen bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und von der Regierung auch landesweit angehalten sind, Fälle von Schutzverweigerung demnach ein ausnahmsweises Fehlverhalten darstellen (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.1994 – 9 C 1.94; VGH BW, U.v. 27.10.2005 – A 12 S 603/05 – juris, Rn. 29). Dafür, dass der bangladeschische Staat seiner Bevölkerung oder Gruppen von ihnen – insbesondere den Bihari – grundsätzlich den Schutz verweigert, liegen dem Gericht keine Anhaltspunkte vor. Aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 14. Januar 2016 geht vielmehr hervor, dass Recht und Ordnung in Bangladesch regelmäßig durch die Polizeikräfte durchgesetzt werden, die seit 2004 im Bereich der Terrorabwehr, der Drogendelikte und anderer schwerer Verbrechen durch das sogenannte Rapid Action Batallion (RAB) unterstützt werden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, Januar 2016). Und auch aus dem Vortrag des Klägers lässt sich dieser Schluss nicht ziehen. Den Schutz der Polizei hat er nach eigenen Angaben überhaupt nicht in Anspruch genommen, und nach Gesprächen mit seinem Lehrer – wobei dahingestellt bleiben kann, ob dieser als staatlicher Akteur anzusehen ist – hat sich dieser auch für ihn eingesetzt.
Den geschilderten Vorkommnissen kommt im vorliegenden Fall auch keine Beweiskraft für eine Wiederholung in der Zukunft zu. Der Kläger ist zwischenzeitlich volljährig und müsste weder in sein ehemaliges Kinderheim noch in seine ehemalige Schule zurückkehren.
Auch hat er in keiner Weise substantiiert vorgetragen, warum ihm in Bezug auf die geschilderten schulischen Probleme und den Brandanschlag auf sein Kinderheim eine inländische Fluchtalternative im Sinne des § 3e Abs. 1 AsylG nicht zur Verfügung stehen soll.
1.2 Aus den unter 1.1 genannten Gründen steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG zu. Von der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG unterscheidet sich der Status als Asylberechtigter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG lediglich dadurch, dass sein Schutzbereich enger gefasst ist.
1.3 Dem Kläger steht auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht zu. Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG erhält ein Ausländer subsidiären Schutz, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Hierzu zählen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Für das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale hat das Gericht auf Grundlage der im vorliegenden Erkenntnismittel keine Anhaltspunkte, und der Kläger hat nichts dergleichen vorgetragen.
1.4 Aus den genannten Gründen kann der Kläger auch nicht hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG verlangen. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass er im Falle seiner Rückkehr konkreten individuellen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt wäre. Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, kommen aber in Hinblick auf die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nicht in Betracht. Vorliegend müssen zwar die Lebensbedingungen für Angehörige der Bihari in Bangladesch insbesondere in den Camps als schlecht bezeichnet werden. Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln geht hervor, dass die hygienischen, gesundheitlichen und sanitären Bedingungen mitunter desolat sind. Diese Feststellung trifft jedoch auf die Lebensverhältnisse weiter Teile der Bevölkerung in Bangladesch zu (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, Januar 2016), fast 26,5% der Bevölkerung (ca. 44 Millionen) leben unterhalb der Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar pro Tag (Österreichisches Rotes Kreuz, Länderkurzübersicht Bangladesch, Juni 2016; nach anderen Quellen leben sogar 40% der gesamten Bevölkerung in absoluter Armut, vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, Glossar Islamische Länder, Bd. 4 Bangladesch, Dezember 2009, S. 34). Ein individuelles Abschiebungshindernis folgt hieraus im Falle des Klägers nicht.
1.5 Auch die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5) des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtmäßig. Sie durfte vom Bundesamt nach § 34 Abs. 1 AsylG ausgesprochen werden, weil der Kläger weder als Asylberechtigter noch als Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter anzuerkennen war, und auch keine Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AsylG vorliegen (siehe Ziffern 1.1 bis 1.4). Auch einen sonstigen Aufenthaltstitel besitzt er nicht. Die ihm unter Umständen zustehende Duldung wegen seiner in Deutschland begonnenen Ausbildung stellt keinen Aufenthaltstitel dar, der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG einer Abschiebungsandrohung entgegensteht. Die Aufenthaltstitel sind in § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG aufgezählt. Die Duldung wird darin nicht genannt. Bei ihr handelt es sich lediglich um eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG.
Im Übrigen wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheids des Bundesamtes vom 18. Januar 2016 Bezug genommen.
Nach alledem war die Klage vollumfänglich abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gerichtsverfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

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