Verwaltungsrecht

länderübergreifende Umverteilung, volljähriger Asylbewerber, Kernfamilie (verneint), keine sonstigen humanitären Gründe von vergleichbarem Gewicht, Arbeitsplatz als humanitärer Grund (verneint)

Aktenzeichen  Au 9 K 21.1538

Datum:
23.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 33364
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5
AsylG § 51
AsylG § 55
AsylG § 61 Abs. 2
AsylG § 26 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass der Kläger und die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2021 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen. Der Kläger und die Beklagte sind zur mündlichen Verhandlung vom 23. September 2021 form- und fristgerecht geladen worden.
Die zulässige Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1.2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) auf Umverteilung des Klägers von Bayern nach … hat in der Sache keinen Erfolg.
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Umverteilung nach … ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; der Kläger hat weder einen Anspruch auf länderübergreifende Umverteilung in die … nach § 51 AsylG noch auf Neuverbescheidung seines Antrags gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Grundsätzlich hat ein Ausländer, der um Asyl nachsucht, keinen Anspruch darauf, sich in einem bestimmten Land oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Gemäß § 51 Abs. 1 AsylG ist jedoch, wenn der Ausländer nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Abs. 1 bis Abs. 3 AsylG (Ehegatten sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern) oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Umverteilung Rechnung zu tragen.
Wie die Beklagtenpartei im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt hat, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AsylG nach den Umständen des vorliegenden Sachverhalts nicht vor. In der … hält sich derzeit nach dem Vortrag des Klägers nur dessen Schwägerin auf. Diese ist nicht der in § 51 Abs. 1 AsylG genannten Kernfamilie des Klägers zuzurechnen, so dass der Kläger bereits aus diesem Grund keinen Anspruch auf die von ihm begehrte länderübergreifende Umverteilung nach … besitzt. Die Schwägerin gehört nicht zu dem in § 51 Abs. 1 Alt. 1 AsylG genannten Personenkreis.
Der Kläger hat aber auch keinen sonstigen humanitären Grund von vergleichbarem Gewicht im Sinne von § 51 Abs. 1 Alt. 2 AsylG dargetan, dem durch länderübergreifende Umverteilung Rechnung zu tragen wäre. Insoweit hat der Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) solche vorzutragen und zu belegen. Einen Betreuungsbedarf der sich im Gebiet der Beklagten aufhaltenden Schwägerin hat der Kläger bereits nicht dargelegt. Im Übrigen wäre ein solcher Betreuungsbedarf vorrangig durch die Kernfamilie der Schwägerin sicherzustellen.
Letztlich ergibt sich auch kein sonstiger humanitärer Grund von vergleichbarem Gewicht im Sinne des § 51 Abs. 1 AsylG daraus, dass der Kläger Aussicht auf eine Beschäftigung im Backshop seiner Schwägerin in … hat und bereits einen entsprechenden Arbeitsvertrag mit Beginn zum 1. Mai 2021 abgeschlossen hat. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bedarf neben der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit der Gestattung durch die zuständige Ausländerbehörde (vgl. § 61 Abs. 1 und 2 AsylG) (vgl. VG Bayreuth, G.v. 31.7.2017 – B 3 K 17.32322 – juris Rn. 21). Da nicht ersichtlich ist, dass diese Voraussetzungen beim Kläger vorliegen, kann schon deswegen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht von einem sonstigen humanitären Grund von vergleichbarem Gewicht ausgegangen werden. Überdies handelt es sich bei der vom Kläger angestrebten Tätigkeit als Bäckereigehilfe nicht um eine in solchem Maße spezialisierte Tätigkeit, dass diese nicht auch im Bereich der derzeit zuständigen Ausländerbehörde im Landkreis … ausgeübt werden könnte. Jedenfalls ist für das Gericht im derzeit maßgeblichen Zeitpunkt kein sonstiger humanitärer Grund von vergleichbarem Gewicht im Sinne des § 51 Abs. 1 AsylG zu erkennen.
Nach allem besitzt der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm begehrte länderübergreifende Umverteilung gemäß § 51 Abs. 1 AsylG. Da der Antrag des Klägers von der Beklagten auch ermessensfehlerfrei im Sinne der eingeschränkten Prüfung des § 114 VwGO abgelehnt worden ist, besteht darüber hinaus auch kein Anspruch des Klägers auf Neuverbescheidung im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Nach allem war die Klage des Klägers daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da über den Asylantrag des Klägers zum für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung und Antragstellung noch nicht bestandskräftig bzw. rechtskräftig entschieden worden war, handelt es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2016 – 21 CS 16.30179 – juris Rn. 8 ff.; B.v. 17.10.2016 – 21 CS 16.30053 – juris Rn. 10 ff.). Gerichtskosten werden daher nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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