Verwaltungsrecht

Lehrer (BesGr. A 14), Aufgabenübertragung (kommissarischer Beratungslehrer), Vertrauensgrundsatz (prüfungsrechtlicher) Grundsatz der Chancengleichheit, Grundsatz der Bestenauslese, Vorgreiflichkeit, Organisationshoheit des Dienstherrn (kein) Schutz vor Konkurrenz

Aktenzeichen  3 CE 21.955

Datum:
29.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10994
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 1 E 20.2567 2021-03-22 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des 1972 geborenen Antragstellers, der als Lehrer (BesGr. A 14) in Diensten des Antragsgegners steht, ist unbegründet.
1. Der Antragsteller war von Januar 2011 bis zum August 2020 als Beratungslehrer an der Berufsoberschule L. tätig, wobei lediglich im Zeitraum vom 17. Oktober 2017 bis 31. Juli 2019 eine entsprechende Funktionsstelle ausgewiesen war. Nach der Fusion der Berufsoberschule L. mit der Fachoberschule L. zur Beruflichen Oberschule L. zum 1. August 2019 fiel die (vom Antragsteller innegehabte) Funktionsstelle der Beratungslehrkraft weg. Aufgrund dessen wurde dem Antragsteller seine Beratungslehrertätigkeit mit mündlicher Dienstanweisung vom 23. April 2020 zum Schuljahresende entzogen.
Ausweislich des Funktionenplans der Beruflichen Oberschule L. ist die Funktion der Beratungslehrkraft bis mindestens 2023 mit einer darin eingewiesenen Lehrkraft, StDin S., besetzt. Da sich diese (seit September 2020) im Krankenstand befindet, ist StRin H. mit der kommissarischen Wahrnehmung beauftragt worden.
Seit März 2020 besucht der Antragsteller eine (zweijährige) Weiterbildungsveranstaltung der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP) D., um die Qualifikation als Beratungslehrkraft zu erwerben. Die Gelegenheit zur Teilnahme an dieser Qualifizierung erhielt der Antragsteller aufgrund einer außergerichtlichen Einigung, wobei die erfolgte Zusage des Antragsgegners unter dem Vorbehalt stand, dass sich der Antragsteller nach erfolgreicher Beendigung der Maßnahme mit einer Teilabordnung an die staatliche Schulberatungsstelle einverstanden erklärt.
Unter dem 14. Juli 2020 wurde von der Beruflichen Oberschule L. die Ausbildung zur Beratungslehrerin/zum Beratungslehrer ausgeschrieben. Hierauf bewarb sich der Antragsteller. Seine Bewerbung wurde jedoch nicht berücksichtigt, weil er sich bereits in einer entsprechenden Ausbildung befand. Auf die ausgeschriebene Stelle hat sich ausweislich der Mitteilung des Antragsgegners (Schr. vom 11.2.2021) kein Bewerber gemeldet; entsprechend wurde auch keine Lehrkraft dieser Schule zur Ausbildung zur Beratungslehrkraft zugelassen.
2. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller die Aufgaben eines kommissarischen Beratungslehrers an der Berufsoberschule L. vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – zu übertragen, zu Recht abgelehnt.
Es gibt keine vakante Stelle, die mit dem Antragsteller kommissarisch besetzt werden könnte. Gegen die kommissarische Besetzung mit der StRin. H. – vom Antragsteller als „Wunschkandidatin“ bezeichnet – ist der Antragsteller nicht vorgegangen. Der Antragsgegner ist auch nicht verpflichtet, den Antragsteller – wie bisher – rein faktisch als Beratungslehrer zu beschäftigen. Ein entsprechender Anspruch ergibt sich weder aus Art. 33 Abs. 2 GG (a.), noch aus dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit (b.) oder dem Vertrauensgrundsatz (c.).
a. Der Antragsteller führt aus, es widerspreche dem Grundsatz der Bestenauslese, erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten zulasten eines Bewerbers zu ignorieren. Daher verbiete dieser Grundsatz, ihm die Aufgaben eines Beratungslehrers zu entziehen.
Ein solcher Rückschluss ist nicht möglich. Der Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) dient neben dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes auch dem berechtigten Interesse des Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Der Beamte kann beanspruchen, dass der Dienstherr das ihm bei der zu treffenden Entscheidung zustehende Auswahlermessen unter Einhaltung etwaiger Verfahrensvorschriften ermessens- und beurteilungsfehlerfrei ausübt (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch; stRspr., vgl. etwa BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 19 f.; BVerfG, B.v. 11.5.2011 – 2 BvR 764/11 – juris Rn. 10). Art. 33 Abs. 2 GG gibt damit die entscheidenden Maßstäbe für die Bewerberauswahl abschließend vor. Ein Anspruch auf Aufgabenübertragung, wie hier die Beratungslehrertätigkeit, mit dem Ziel eines etwaigen Wettbewerbsvorteils folgt daraus freilich nicht.
b. Das prüfungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit bezieht sich ausschließlich auf Prüfungsverfahren. Für das Prüfungsverfahren, das heißt für Form und Verlauf der Prüfungen, müssen einheitliche Regeln gelten, die auch einheitlich angewandt werden. Bevorzugungen und Benachteiligungen einzelner Teilnehmer oder Teilnehmergruppen müssen vermieden werden, um gleiche Erfolgschancen zu gewährleisten (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.2019 – 6 C 19.18 – juris Rn. 12). Das prüfungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit verlangt indes nicht, dass der Antragsteller, wie – von ihm behauptet, aber nicht dargelegt – alle anderen Teilnehmer der Weiterbildung bei der ALP Dillingen auch kommissarischer Beratungslehrer ist. Anders als der Antragsteller sieht der Senat darin keinen Wettbewerbsnachteil, weil der Antragsteller bereits zehn Jahre lang Erfahrungen als Beratungslehrkraft sammeln konnte, und der Antragsgegner im verwaltungsgerichtlichen Verfahren laut Schriftsatz vom 13. Januar 2021 die „wünschenswerte Einbindung in die Beratungstätigkeit an der Schule, Fallbearbeitung etc.“ ermöglichen will, wenngleich nicht mit der begehrten kommissarischen Beratungstätigkeit, sondern „auf anderem Wege“.
c. Der geltend gemachte Anspruch kann vom Antragsteller auch nicht auf den allgemeinen Grundsatz des Vertrauensschutzes gestützt werden. Zum einen geht der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht so weit, den Beamten für die Zukunft vor jeder nachteiligen Änderung des bisherigen Tätigkeitsbereichs zu schützen. Zum anderen fehlt es vorliegend bereits an einer ausreichenden Vertrauensgrundlage. Der Antragsteller verweist insoweit auf seine Tätigkeit als Beratungslehrer im Zeitraum vom 1. August 2019 bis 31. Juli 2020. Hier knüpft er jedoch fehlerhaft an einen zu großen Zeitraum an, da er nach dem Mitarbeitergespräch vom 23. April 2020 auf eine weitere Tätigkeit als Beratungslehrer nicht mehr vertrauen durfte. Aber auch der verbleibende Zeitraum (9 Monate) schafft keine ausreichende Vertrauensgrundlage, weil von Seiten des Antragsgegners stets deutlich kommuniziert worden war, dass nach der Zusammenlegung der Berufsoberschule L. und der Fachoberschule L. keine Funktionsstelle für den zweiten Beratungslehrer eingeplant ist (vgl. Schr. vom 5.11.2018; Widerspruchsbescheid vom 29.3.2019). Ausweislich des Funktionenplans der Beruflichen Oberschule L. war dies schließlich auch nicht der Fall.
3. Das Verwaltungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die vorläufige Untersagung der Besetzung der Stelle „Ausbildung zum Beratungslehrer“ mit einem anderen Bewerber hat. Zum einen hat der Antragsgegner mangels Bewerber keine Auswahlentscheidung über die Vergabe der Ausbildung zur Beratungslehrkraft getroffen. Der Antrag zielt mithin ins Leere. Der Senat sieht keinen Anlass, an der Aussage des Antragsgegners zu zweifeln, es habe keine Bewerber gegeben, zumal der Antragsteller anderes nur behauptet, aber nicht ansatzweise glaubhaft gemacht hat. Zum anderen hat der Antragsteller keinen Anspruch darauf, der einzige in Ausbildung befindliche Beratungslehrer zu sein. Es gibt keinen beamtenrechtlichen Grundsatz, der einen Beamten vor Konkurrenz in Bezug auf eine ausgeschriebene Funktionsstelle bzw. eine für eine Bewerbung für eine Funktionsstelle erforderliche Ausbildung schützt. Der Antragsteller kann eine Bestenauslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung beanspruchen, aber keinen Schutz vor Konkurrenz durch die Organisationsentscheidung des Dienstherrn, zunächst die Weiterbildung und dann die Funktionsstelle auszuschreiben.
Der Einwand des Antragstellers, das Ausschreibungsverfahren sei rechtsfehlerbehaftet, verfängt nicht. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es zum Organisationsermessen des Dienstherrn auch zählt, zunächst die für die spätere Vergabe eines höheren Dienstpostens erforderliche Weiterbildungsmaßnahme und erst später die konkrete Funktionsstelle auszuschreiben. Die Beschwerdebegründung führt hierzu nicht aus, sondern beschränkt sich darauf, auf die „Hinweise zum Bewerbungsverfahren“ auf der Homepage der ALP Dillingen und den Beschluss des Senats vom 28. Mai 2010 (3 CE 10.748 – juris Rn. 61) zu verweisen. Die genannten Hinweise („schreiben die Schulleitungen die zu besetzenden Funktionsstellen aus“) binden den Antragsgegner nicht, der sich – wie bereits ausgeführt – für eine getrennte Ausschreibung entschieden hat und sich daran auch festhalten lassen muss. In der zitierten Entscheidung ist der Senat aufgrund einer anderen Ausschreibungspraxis von einer Vorwirkung ausgegangen. Diese Entscheidung hat aber angesichts der veränderten Ausschreibungspraxis keine Bedeutung für die hier vorliegende Streitigkeit. Der Antragsgegner hat sich aufgrund seiner Erklärungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (zuletzt Schreiben vom 15.3.2021) im Hinblick auf die 2023 freiwerdende Funktionsstelle des Beratungslehrers an der Beruflichen Oberschule L. zur Ausschreibung verpflichtet. Dem Antragsteller steht es frei, sich zu gegebener Zeit darauf zu bewerben.
4. Die Beschwerde war nach alldem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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