Verwaltungsrecht

Lichtzeichen für zu Fuß gehende (Fußgängerampel), Sinnbild „Fußgänger“, Verwendung „alternativer“ Ampelfiguren, Wiener Ampelpärchen, Klagebefugnis

Aktenzeichen  11 ZB 21.1777

Datum:
20.7.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 17635
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 42 Abs. 2, 124 Abs. 2 Nr. 1
StVO § 37 Abs. 2 Nr. 5
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 23 K 20.6509 2021-04-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Verwendung von „Wiener Ampelpärchen“ durch die beklagte Landeshauptstadt …
Die Stadt Wien hat 2015 an mehreren Standorten Fußgängerampeln eingerichtet, bei denen das Sinnbild „Fußgänger“ Paare aus einem Mann und einer Frau, zwei Männern oder zwei Frauen zeigt. Die jeweils auf der roten, oberen Streuscheibe dargestellten Paare sind stehend abgebildet, die auf der unteren, grünen Streuscheibe schreitend. Die gehenden Paare fassen sich an den Händen, ebenso wie zwei wartende Paare. Eine weitere rote Streuscheibe zeigt zwei Männer, die sich die Arme um die Schultern legen. Auf mehreren Streuscheiben finden sich zusätzlich Herzchen, bei einem Pärchen „Schmetterlinge im Bauch“. Daraus ergeben sich folgende drei „Sujets“:
Installiert wurden die Ampelpärchen in Wien anlässlich des Vienna Life Balls – eines AIDS-Charity-Events – sowie des Eurovision Song Contests 2015. Sie sollen, wie sich aus einer Stellungnahme der Stadt Wien gegenüber der Beklagten vom 19. April 2021 sowie dem Beitrag „Wiener Ampelpärchen“ auf deren Internetseite ergibt, unterschiedliche Lebensformen und sexuelle Orientierungen, heterosexuell sowie homosexuell, thematisieren und ein Zeichen für Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren setzen.
In der Landeshauptstadt … wurden, auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der Stadt Wien, erstmals anlässlich des Christopher-Street-Days 2015 vorübergehend für den Zeitraum weniger Wochen Streuscheiben mit den Wiener Ampelpärchen im Bereich des Glockenbach- und Gärtnerplatzviertels verwendet. Zuvor hatte der Kreisverwaltungsausschuss einen Antrag der Fraktion „Die Grünen – Rosa Liste“ angenommen, mit dem die Stadtverwaltung aufgefordert wurde, an geeigneten Stellen „schwule, lesbische und hetero Paarmotive“ zu zeigen. In dem Antrag heißt es unter Verweis auf den anstehenden Christopher-Street-Day, Wien mache vor, wie man Toleranz und Weltoffenheit mit Herz und Humor kombinieren könne. Die Ampelmännchenpaare könnten „ein kleines und doch öffentlichkeitswirksames Signal der Sympathie aussenden und einen kleinen Festbeitrag an die LGBT*I-Gemeinde darstellen“. Sie brächten das Thema Gleichstellung in die Mitte der Gesellschaft und machten es sichtbar für die Stadtbevölkerung. In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurden ebenfalls Wiener Ampelpaare vorübergehend eingerichtet.
Eine von der Fraktion „Die Grünen – Rosa Liste“ beantragte dauerhafte Installation der Ampelpärchen lehnte das Kreisverwaltungsreferat der Beklagten 2015 zunächst ab. Neben der Frage, ob die Stadt Wien die weitergehende Verwendung gestatte, müsse auch die Vereinbarkeit mit der Straßenverkehrsordnung geklärt werden. In einer anlässlich dieses Vorgangs eingeholten Stellungnahme der Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen heißt es, das Design der Piktogramme vermittle „schnell und eingängig das Anliegen der Landeshauptstadt …, Sichtbarkeit und Akzeptanz von LGBT-Lebensweisen im öffentlichen Raum zu fördern“.
Im Juni 2019 regte das Baureferat unter Verweis auf nicht unerhebliche Kosten und Aufwände durch den jährlichen Umbau an, die Wiener Ampelpärchen, sofern rechtlich möglich, als Dauereinrichtung anzuordnen.
Seit dem 1. Juli 2019 verwendet die Beklagte dauerhaft Wiener Ampelpärchen an sechs – seit längerem bestehenden – Lichtsignalanlagen im Bereich des Glockenbach- und Gärtnerplatzviertels. Entsprechende verkehrsrechtliche Anordnungen ergingen unter dem 10. Februar 2021. Insgesamt kommen damit 56 derartige Streuscheiben zum Einsatz. Dabei verwendet die Beklagte, möglicherweise abweichend von dem Vorbild der Stadt Wien, rote und grüne Streuscheiben der drei o.g. Sujets in verschiedenen Kombinationen, u.a. dergestalt, dass auf der roten ein weibliches und auf der grünen Streuscheibe ein männliches Paar wie folgt dargestellt werden:
Im September 2019 wandte sich der Kläger, der mit seiner Familie im betroffenen Bereich wohnt, erstmals gegen die Ampelpärchen. Die Beklagte informierte ihn daraufhin darüber, bei deren Verwendung keine Nachteile zu sehen.
Am 11. Dezember 2020 erhob der Kläger nach weiterem Schriftverkehr Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte, soweit hier von Interesse, die Beklagte zu verurteilen, „alle von Standarddarstellungen abweichenden Ampelscheiben im Zentrum der Landeshauptstadt …, insbesondere jene, die im Glockenbachviertel Personen im sexuellen Kontext zeigen, unverzüglich abzumontieren und dauerhaft durch die üblichen standardisierten Ampelscheiben zu ersetzen“. Die in Rede stehenden Ampelpärchen stellten keinesfalls nur allgemein gleichgeschlechtliche und heterosexuelle Paare im Erwachsenenalter dar. Bei der Ausdeutung der rudimentären Bildsymbole sei „in alle Richtungen zu denken“. Danach zeigten die Piktogramme – wie der Kläger unter Verweis auf die „Neumischung“ der Sujets ausführt, wobei ihm ersichtlich die vorgenannte Kombination vor Augen steht – „als Art Comic“ zunächst im Rotlicht einträchtig nebeneinanderstehende weibliche Zwillingskinder im Rock, die sich „im weiteren Verlauf des Comics“ in der Grünphase „bereits als Teil des Sexualaktes zumindest ausgezogen“ hätten, was daran ersichtlich werde, dass sie hier keinen Rock mehr trügen. Dabei ziehe „die eine mit etwas größerer Schrittlänge und von blinder Gier getrieben die andere“ zum weiteren Vollzug sexueller Handlungen hinter sich her. Die Streuscheiben mit gemischtgeschlechtlichen Paaren zeigten „zweieiige gemischtgeschlechtliche Zwillinge beim Inzest“; an anderer Stelle bezeichnet der Kläger diese als „Alibi-Heteroscheiben“. In diesem Zusammenhang führt der Kläger aus, dass Zwillinge in allen Kulturkreisen seit Jahrtausenden als identische Figuren dargestellt würden. Damit werde Sex bzw. Inzest „zwischen und/oder mit Zwillingen, Zwillingskindern, Kindern und Jugendlichen“ propagiert. Es handle sich um „Dauerzwangspropaganda für entgrenzten Sex zwischen allen Altersgruppen, insbesondere zwischen und mit Zwillingskindern“ bzw. um die Propagierung „genereller grenzenloser Sex-Enthemmung“, insbesondere von „Sex unter/mit Kindern sowie von jeglichem sonstigen Sex zwischen allen Passanten bzw. Bürgern“. Damit werde auch der sexuelle Missbrauch von Kindern gefördert bzw. verharmlost. Es drohe eine Indoktrination seiner minderjährigen Tochter, die er nur mit erheblichem Aufwand abfedern könne. Die „Sex-Ampelscheiben“ hätten zur Folge, dass bereits die jüngsten Passanten auf dem Dreirad Fragen stellten, was zur sexuellen Frühaufklärung führe und die Eltern davon abhalte, unter Berücksichtigung des Einzelfalls selbst den bestmöglichen Zeitpunkt zu wählen. Die Ampelpärchen zeigten „auch die bis zu dreitausend Kinderzwillinge“ bzw. über die „Alibi-Hetero-Sexscheiben“ insgesamt letztlich alle „in Auschwitz ermordeten Menschen“, die „nackt in das Labor des Dr. M2. und danach in die Gaskammer“ hätten gehen müssen. Dabei verweist der Kläger auf die sog. „Zwillingsforschung“, medizinische Versuche an Häftlingen des Lagerarztes im Konzentrationslager Auschwitz Dr. M2. Dadurch würden NS-Gräuel verharmlost bzw. werde das Andenken jüdischer Mitbürger, die im Dritten Reich verfolgt und umgebracht worden seien, verunglimpft im Sinne des § 189 StGB. Das betreffe ihn auch persönlich, da er jüdischer Abstammung sei und Mitglieder seiner Familie zu den Opfern des Holocaust gehörten. In diesem Zusammenhang weist der Kläger auch auf die räumliche Nähe zwischen den in Rede stehenden Ampeln und den jüdischen Institutionen am Sankt-J.latz hin. Die Ampelpärchen steckten einen Stadtteil vorzugsweise für Homosexuelle ab, es bestehe die Gefahr der Ausgrenzung Heterosexueller und einer Ghettobildung. Zudem handle es sich um „verkappte Wahlwerbung“. Das „Rot-Grün-Wechsellicht“ der Ampeln werde missbraucht, um die Belange von „schwulen und lesbischen“ Lebensformen durch politische Parteien mit roten und/oder grünen Parteifarben zu vereinnahmen. In rechtlicher Hinsicht führt der Kläger aus, die Ampelpärchen verletzten ihn in seinen Rechten aus Art. 1, 2, 5, 8, 9, 10, 11 und 14 EMRK sowie aus Art. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 11, 12, 13, 14 und 20 GG bzw. er werde vom Schutzbereich des § 189 StGB umfasst.
Mit Urteil vom 28. April 2021 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Sie sei bereits unzulässig, wobei dahinstehen könne, ob die Anfechtungsdie Verpflichtungs- oder die allgemeine Leistungsklage statthaft sei. Einer Anfechtungswie einer Verpflichtungsklage dürfte bereits entgegenstehen, dass die Klage nicht auf die Änderung einer „Regelung“ i.S.v. Art. 35 Abs. 1 BayVwVfG gerichtet sei; mit dem begehrten Austausch der Streuscheiben sei lediglich eine rechtlich unwesentliche Änderung der bildlichen Darstellung verbunden. Im Übrigen stünde einer Anfechtungswie auch Verpflichtungsklage die Jahresfrist des § 58 VwGO entgegen. Einer Verpflichtungsklage auf behördliche Neuentscheidung fehle es zudem an einem subjektiv-öffentlichen Recht auf Neuentscheidung. Ob ein auf schlicht hoheitlichen Austausch der Streuscheiben gerichteter Antrag als allgemeine Leistungsklage statthaft sei, könne ebenfalls dahingestellt bleiben, da es auch insoweit an der Klagebefugnis fehle. Der Kläger wende sich nicht gegen die der Lichtsignalanlage innewohnende Ge- bzw. Verbotsregelung. Vielmehr berufe er sich auf Belange des Kinder- und Jugendschutzes, die dem Allgemeininteresse und nicht dem Kläger persönlich zu dienen bestimmt seien. Wenn dieser meine, dass hier Kinderpornographie verharmlost werde, sei darauf hinzuweisen, dass die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) nicht vor eigenen und höchst subjektiven Wahrnehmungen schütze, die bei einer objektiven Betrachtung fernliegend seien, und auch keinen entsprechenden Anspruch vermitteln könne.
Zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagebefugnis, für deren Annahme die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechts ausreiche, nicht verneinen dürfen. Der Kläger habe ausführlich dargestellt, welche ihm zustehenden Grund- und Menschenrechte durch die Verwendung der Ampelpärchen verletzt würden. Er verweise insoweit auf die Rechte aus Art. 1, 2, 5 und 8 EMRK sowie das sich aus Art. 1 GG ergebende Recht der Menschenwürde. Hierzu lege er dar, dass mit den gewählten Darstellungen auf den in Rede stehenden Ampelstreuscheiben eine mindestens unterbewusste bzw. konkludente Dauerzwangspropaganda verbunden sei. Damit solle dem sexuellen Missbrauch von Kindern Vorschub geleistet bzw. dieser banalisiert werden. Weiter verwiesen werde auf das Recht der Gedankenfreiheit sowie die Rechte auf Freiheit und freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht auf Weltanschauungs- und Religionsfreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht auf politische Partizipation und die Freiheit der politischen Anschauung und Vereinigungsfreiheit, ferner auf das sich aus Art. 8 EMRK und Art. 6 GG ergebende Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, den besonderen Schutz von Ehe und Familie durch die staatliche Ordnung und das natürliche Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung der Kinder. Insbesondere werde die Gedankenfreiheit durch die bewusste, aber auch sogar halb- und unterbewusste Gedankenbeeinflussung ersetzt. Erschwerend komme hinzu, dass dies über Verkehrszeichen erfolge, deren Nichtbeachtung sanktioniert werde. Hierdurch werde die Weltanschauungsfreiheit, insbesondere in Bezug auf konkludent mitvertretene Gender-Ansichten, verletzt. Der Kläger habe keine Einwände gegen die bekleideten Wiener Ampelpärchen, die stets bekleidet seien bzw. blieben. Durch die sexuelle Handlung des Ausziehens mit offenkundigen Berührungen – die Pärchen hielten sich im „Comic-Strip“ durchgehend an der Hand – seien jedoch klare Grenzen massiv überschritten. Dies gelte auch in Bezug auf die eigenen religiösen Gefühle sowie die von Mitbürgern. Außerdem führe die Ausweisung eines mit staatlichen StVO-Zeichen an den Grenzen markierten speziellen Gebiets und die konkrete Auswahl der Lichtzeichenanlagen, an denen Nackte bei sexuellen Handlungen zu sehen seien, zu einer Ghettobildung. Hierdurch würden nach dem Empfinden des Klägers zumindest konkludent Naziverbrechen an Juden verharmlost, was unter anderem gegen § 189 StGB verstoße. Da der Kläger selbst eine jüdische Großmutter habe, falle er auch unter den durch § 189 StGB vermittelten Schutz. Darüber hinaus sei der Kläger Vater einer minderjährigen Tochter. Er empfinde die Ampelstreuscheiben als eine gegen Art. 6 GG verstoßende Beeinträchtigung seiner Grundrechte und Grundpflichten bei der Pflege und Erziehung seiner Tochter. Damit habe er ausreichend vorgetragen, durch die Verwendung der Ampelstreuscheiben in eigenen Rechten verletzt zu sein. Ob die Ampelpärchen tatsächlich rechtswidrig seien und den Kläger in seinen subjektiven Rechten verletzten, sei erst im Berufungsverfahren zu klären, aber auch zu bejahen. Zulässig seien gemäß § 39 Abs. 7 bis 9 StVO ausschließlich die in der StVO vorgesehenen oder vom Bundesverkehrsministerium im Verkehrsblatt zugelassenen Verkehrszeichen. Dazu gehörten die Ampelpärchen als Phantasiezeichen, die verkehrsfremde Zwecke verfolgten, nicht. Eine Lichtzeichenanlage zum Hinweis auf eine eventuelle Diskriminierung von Schwulen und Lesben o.ä. sei nicht zulässig, da es hier nicht um Belange des Straßenverkehrs gehe. Der Kläger könne daher verlangen, von solchen Phantasiezeichen nicht in seinen Rechten aus Art. 1, 2 und 6 GG sowie aus § 189 StGB verletzt zu werden. Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2021 ließ der Kläger ergänzend vortragen und eine von ihm selbst verfasste Stellungnahme mit einem Umfang von 166 Seiten vorlegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus dem Vorbringen des Klägers, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), da er weder einen tragenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 = Rn. 32 m.w.N.).
1. Nach § 42 Abs. 2 VwGO muss ein Kläger geltend machen können, durch den angefochtenen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines begehrten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass dieses Erfordernis für die – hier nach Auffassung des Senats allein statthafte, auf Folgenbeseitigung als schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln zielende – allgemeine Leistungsklage entsprechende Anwendung findet. Denn in § 42 Abs. 2 VwGO kommt ein allgemeines Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck. Dieser ist vor dem Hintergrund von Art.19 Abs. 4 GG wenn auch nicht ausschließlich, so doch in erster Linie auf den Individualrechtsschutz ausgerichtet (vgl. BVerwG, U.v. 5.4.2016 – 1 C 3.15 – BVerwGE 154, 328 Rn. 16; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 80). Zur Geltendmachung ist es in tatsächlicher Hinsicht erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Kläger Tatsachen vorträgt, die eine Verletzung rechtlich geschützter Positionen denkbar und möglich erscheinen lassen (BVerwG, U.v. 27.2.2019 – 6 C 1.18 – BVerwGE 164, 368 Rn. 14; vgl. zur Darlegungslast auch Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 42 Rn. 125; Sennekamp in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 42 Rn. 82). Daran fehlt es im Falle der allgemeinen Leistungsklage, wenn der vom Kläger behauptete Anspruch offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann (vgl. BVerwG, B.v. 24.1.1991 – 8 B 164.90 – NVwZ 1991, 574 = juris Rn. 4; U.v. 20.10.2016 – 2 A 2.14 – BVerwGE 156, 193 Rn. 16). So liegt es insbesondere, wenn die Sachlage in so hohem Maße eindeutig ist, dass eine schutzwürdige Rechtsposition des Klägers von vornherein auszuschließen ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1993 – 4 B 206.92 – NVwZ 1993, 884 – juris Rn. 6, 15). Die bloße Behauptung einer Rechtsverletzung reicht demnach, anders als der Kläger meint, nicht aus (BVerwG, B.v. 10.5.1993 – 3 B 113.92 – NJW 1993, 3002 = juris Rn. 4; Sennekamp, a.a.O. Rn. 82).
2. Davon ausgehend stellt die Antragsbegründung die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es hier an der Klagebefugnis fehlt, nicht ernstlich in Zweifel. Aus ihr ergeben sich keine Tatsachen, die die Verletzung einer eigenen Rechtsposition bzw. einen Anspruch des Klägers möglich erscheinen lassen. Wenn das Verwaltungsgericht darauf abstellt, ob der Kläger durch die Installation bzw. Gestaltung der Ampelpärchen in einem subjektiven Recht verletzt ist, ist dies der Sache nach zutreffend. Als rechtlicher Ansatzpunkt für die Prüfung eines Anspruchs auf Austausch der in Rede stehenden Streuscheiben kommt dabei allein der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Folgenbeseitigung in Betracht. Dieser setzt voraus, dass durch einen hoheitlichen, ein subjektives Recht des Betroffenen verletzenden Eingriff ein rechtswidriger Zustand entstanden ist, der noch andauert (vgl. BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – BVerwGE 94, 100 = juris Rn. 23 f.; U.v. 23.5.1989 – 7 C 2.87 – BVerwGE 82, 76 = juris Rn. 80 ff.; BayVGH, B.v. 13.11.2020 – 11 CE 20.1956 – juris Rn. 14; Enders in Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2. Aufl. 2013, Bd. III, § 53 Rn. 37 ff.), und verlangt damit zwingend ein subjektives Recht, um dessen Bestehen hier gestritten wird.
a) Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung die Frage anspricht, ob die Straßenverkehrsordnung die hier in Rede stehende Ausgestaltung des Sinnbilds „Fußgänger“ zulässt, bedarf dies vorliegend keiner vertieften Erörterung.
Gelten Lichtzeichen von Lichtzeichenanlagen (Verkehrsampeln) nur für zu Fuß Gehende, wird dies nach § 37 Abs. 2 Nr. 5 der Straßenverkehrsordnung vom 6. März 2013 (StVO, BGBl I S. 367), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091), durch das Sinnbild „Fußgänger“ angezeigt.
In Deutschland finden sich mittlerweile eine ganze Reihe „alternativer“ Ampelfiguren. Diese stellen als „Fußgänger“ z.B. Angehörige von Berufen mit besonderem Bezug zum Aufstellungsort (etwa das Bergmann-Ampelmännchen in Essen), Sagenfiguren oder Wahrzeichen (wie die Bremer „Ampelmusikanten“, das Kasperle in Augsburg oder das Mainzelmännchen in Mainz), historische Persönlichkeiten (z.B. die Luther-Ampel in Worms) oder aber Figuren dar, die eine Botschaft vermitteln, etwa für die Gleichberechtigung von Mann und Frau (z.B. Ampelfrauen in Köln), die für Toleranz gegenüber verschiedenen sexuellen Orientierungen werben sollen (z.B. homosexuelle Ampelpärchen in Hamburg) oder die sonst das Thema „Vielfalt“ ansprechen (wie die Ampeln für die Vielfalt in Langenhagen bei Hannover, die u.a. einen Rollstuhlfahrer, homo- und heterosexuelle Paare und Menschen mit Gehstock zeigen).
Vor diesem Hintergrund wird diskutiert, ob die Straßenverkehrsordnung für das Sinnbild „Fußgänger“ i.S.d. § 37 Abs. 2 Nr. 5 StVO zwingend eine Ausgestaltung entsprechend dem Sinnbild „Fußgänger“ für Verkehrszeichen in § 39 Abs. 7 StVO sowie nach Ziffer 6.2.7 der Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA) 2015 vorgibt und der Verwendung andersartiger Sinnbilder entgegensteht (in diesem Sinne Wern in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 1.12.2021, § 37 StVO Rn. 45; Dabringhaus, NZV 2020, 636/637). Diese Frage kann hier jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn die Verwendung der Wiener Ampelpärchen objektiv-rechtlich nicht in Einklang mit § 37 Abs. 2 Nr. 5 StVO stehen sollte, erscheint es nach dem vorgetragenen Sachverhalt offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen, dass dem Kläger allein wegen einer Abweichung von diesen Vorgaben ein Anspruch auf Austausch der Streuscheiben bzw. auf Ausgestaltung im Sinne der Ziffer 6.2.7 RiLSA zustände. Denn diese dienen ersichtlich allein der Einheitlichkeit, Verständlichkeit sowie Verkehrssicherheit und damit Allgemeininteressen, nicht jedoch dem Individualinteresse des Klägers (vgl. dazu auch den Beschluss des Bund-Länder-Fachausschusses zur Straßenverkehrsordnung vom 16./17.1.2019, wiedergegeben in der Drucksache 19/2025 des Schleswig-Holsteinischen Landtags). Weitergehende Fragen dazu wirft der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht auf.
b) Soweit der Kläger geltend macht, dass die Ampelpärchen, mit denen er unausweichlich konfrontiert werde, sexuelle Handlungen, insbesondere von und an Kindern darstellten, bedarf keiner Vertiefung, ob darin eine Beeinträchtigung in eigenen Rechten des Klägers, insbesondere in seinem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht, liegen könnte. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die dahingehende subjektive Wahrnehmung des Klägers bei objektiver Betrachtung fernliegt und die behauptete Rechtsverletzung schon deswegen offensichtlich ausgeschlossen ist.
Zu Grunde zu legen ist dabei nach allgemeinen Grundsätzen und dem in §§ 133, 157 BGB normierten Rechtsgedanken die Perspektive eines mündigen, unvoreingenommenen und verständigen Betrachters (vgl. dazu zuletzt auch BVerfG, U.v. 15.6.2022 – 2 BvE 4/20 – juris Rn. 80; BGH, U.v. 14.6.2022 – VI ZR 172/20 – juris Rn. 15). Dabei dürfen auch der geschichtliche Kontext und öffentlich bekannte Positionen der Stadt Wien sowie der Beklagten zu Sinn und Zweck der Lichtzeichen berücksichtigt werden.
Von dieser Warte aus betrachtet zeigen die o.g., von der Stadt Wien zur Verfügung gestellten „Sujets“, wie bereits erwähnt, Paare aus zwei Männern (Figuren ohne Rock), aus zwei Frauen (Figuren mit Rock) sowie aus einem Mann und einer Frau. Sie thematisieren damit Liebe und Partnerschaft in verschiedensowie gleichgeschlechtlichen Paaren von Menschen, die die dem Kindesalter entwachsen sind. Dafür sprechen neben den Körperkontakten – dem Händchenhalten und den über die Schultern gelegten Armen – auch die Herzchen und „Schmetterlinge im Bauch“ als Symbole für Liebe. Weiterhin sollen die Piktogramme ersichtlich eine Botschaft der Sympathie und Toleranz an homosexuelle Menschen senden, aber auch eine Aufforderung an die Mehrheitsgesellschaft zu Toleranz gegenüber Menschen mit abweichender sexueller Orientierung. Bekräftigt wird dieses Verständnis durch die o.g., weitgehend öffentlich bekannten Bekundungen der Stadt Wien sowie der Beklagten zur Symbolik der Ampelpärchen. Das Thema Sexualität wird dabei allein als Teil von Liebe und Partnerschaft berührt. Nichts anderes gilt für die vorgenannte Kombination der Sujets, wie sie von der Beklagten verwendet wird. Für eine Deutung dahin, dass sich das auf der roten Streuscheibe dargestellte Paar hier im Verlauf von der Rotzur Grünphase entkleidete oder „im Rahmen sexueller Handlungen“ dargestellt würde, wie der Kläger meint, fehlt jeglicher Anhalt. Vielmehr werden hier für einen objektiven Betrachter zwei unterschiedliche Paare, ein wartendes Frauenpaar sowie ein schreitendes Männerpaar, gezeigt. Ebenso außerhalb jeder verständigen Interpretation liegt die klägerische Annahme einer Darstellung von Kindern und Zwillingskindern, des sexuellen Missbrauchs von Kindern bzw. einer Aufforderung von Kindern zur Vornahme sexueller Handlungen. Es mag zwar sein, dass Zwillinge typischerweise durch identische Figuren symbolisiert werden. Hier ist die Formgleichheit der beiden Frauen wie auch der beiden Männer, die jeweils ein Paar bilden, jedoch ersichtlich der beschränkten Gestaltungsmöglichkeit auf einer Streuscheibe und der holzschnittartigen Darstellung von typisch weiblichen bzw. typisch männlichen Figuren geschuldet, wie sie im Übrigen auch in der Straßenverkehrsordnung selbst abgebildeten Sinnbildern eigen ist (vgl. z.B. Zeichen Nr. 18 und 63.6 der Anl. 2 zur StVO). Ein unvoreingenommener Betrachter wird die so eröffneten Interpretationsspielräume durch naheliegende Deutungen füllen und dabei berücksichtigen, dass die Partner heterowie homosexueller Paare in der Lebenswirklichkeit in aller Regel keine Geschwister sind. Die Darstellung von Kindern bzw. die Thematisierung ggf. strafrechtlich relevanter Sexualität von Minderjährigen liegt ebenfalls schon aufgrund der Gestaltung der Figuren, der o.g. Äußerungen der Stadt Wien sowie der Beklagten und mit Blick auf die insoweit einschlägigen rechtlichen und sozialen Normen, an deren Beachtung die Beklagte keinen Zweifel aufkommen lässt, fern.
Ebenso fehlt es an jedem Anknüpfungspunkt für die vom Kläger gezogene Verbindung der Ampelpärchen zum Holocaust. Das gilt auch für einen objektiven Betrachter, der um das Schicksal der Menschen weiß, die Opfer der sog. „Zwillingsforschung“ insbesondere im Konzentrationslager Auschwitz wurden. Dies folgt schon daraus, dass die klägerische Assoziation auf der, wie dargelegt unzutreffenden, Annahme einer Darstellung von Zwillingen bzw. nackter Menschen aufbaut. Somit ist eine Verletzung des Geltungs- und Achtungsanspruchs des Klägers (vgl. dazu BGH, U.v. 14.6.2022 – VI ZR 172/20 – juris Rn. 11), auch unter dem Gesichtspunkt der geltend gemachten Verunglimpfung des Andenkens von Verstorbenen, offenkundig von vornherein ausgeschlossen.
c) Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung eine Rechtsverletzung unter dem Gedanken der „Dauerzwangspropaganda in Bezug auf Gender-Ansichten“ geltend macht, kann dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung führen.
Es spricht zwar einiges dafür, dass das Sachlichkeitsgebot, das für jedes Staatshandeln gilt (BVerwG, U.v. 13.9.2017 – 10 C 6.16 – BVerwGE 159, 327 Rn. 26), der Verwendung von Lichtzeichenanlagen sowie anderer Zeichen und Verkehrseinrichtungen für verkehrsfremde Zwecke Grenzen setzen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergeben sich die Anforderungen des Sachlichkeitsgebots u.a. aus dem Demokratieprinzip. Danach ist die freie Bildung der öffentlichen Meinung Ausdruck des demokratischen Staatswesens (Art. 20 Abs. 1 GG), in dem sich die Willensbildung des Volkes frei, offen, unreglementiert und grundsätzlich „staatsfrei“ vollzieht. Der Willensbildungsprozess im demokratischen Gemeinwesen muss sich vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin, vollziehen. Einem Amtsträger in Wahrnehmung seiner hoheitlichen Funktion ist deshalb eine lenkende oder steuernde Einflussnahme auf den politischen Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung grundsätzlich verwehrt. Dies gilt auch für eine Meinungskundgabe durch symbolische Handlungen (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 28 f.; Keller in jurisPR-BVerwG 2/2018 Anm. 2; BVerfG, U.v. 19.7.1966 – 2 BvF 1/65 – BVerfGE 20, 56 = juris Rn. 115 ff.). Damit kann die Nutzung von Zeichen und Verkehrseinrichtungen zur Vermittlung von Standpunkten des Staates bzw. der aktuell herrschenden politischen Mehrheit zu gesellschaftspolitischen Fragen ggf. in Konflikt geraten.
Ferner erscheint nicht ausgeschlossen, dass mit dieser objektiv-rechtlichen Verpflichtung des Staates und seiner Amtsträger ein subjektives Recht des betroffenen Bürgers korrespondiert. Das Bundesverwaltungsgericht verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Art. 5 Abs. 1 GG die freie Bildung der öffentlichen Meinung garantiert und den Kommunikationsprozess im Interesse der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung sichern will. Damit ist eine lenkende Einflussnahme des Staates unvereinbar (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 28; vgl. dazu auch BVerfG, U.v. 19.7.1966, a.a.O. Rn. 115; U.v. 16.6.1981 – 1 BvL 89/78 – BVerfGE 57, 295 = juris Rn. 85; Grabenwarter in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand November 2021, Art. 5 Rn. 75).
Dass die Beklagte durch die Verwendung der Ampelpärchen in unzulässiger Weise lenkend Einfluss auf die Meinungsbildung zu konkreten kontroversen Themen nimmt, etwa zu rechtspolitischen Fragen der (weitergehenden) Gleichstellung von Angehörigen der LGBTQI-Community oder Fragen der kommunalen Förderung von Institutionen, die deren besonderen Bedürfnissen dienen, hat der Kläger jedoch schon nicht substantiiert behauptet. Eine dahingehende Intention der Beklagten liegt auch nicht nahe. Dagegen spricht auch, dass sich die Verwendung der Ampelpärchen an sechs Ampelanlagen als eng umgrenzte Ausnahme darstellt, die erstmalige Installation auf den Christopher-Street-Day 2015 als konkreten Anlass zurückgeht und die dauerhafte Einrichtung, wie sich den Akten entnehmen lässt, maßgeblich durch praktische Erwägungen des Baureferats angestoßen wurde. Wenn der Kläger meint, durch die Verbindung der roten und grünen Streuscheiben mit den Ampelpärchen sollten Anliegen der LGBTQI-Bewegung durch Parteien mit den entsprechenden Parteifarben vereinnahmt werden, liegt dies schon angesichts der Vorgabe der Farbfolge Grün-Rot-Grün durch § 37 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 StVO fern.
Soweit die Ampelpärchen, auch dem Bekunden der Beklagten nach, allgemein ein Zeichen der Toleranz gegenüber Menschen mit homosexueller Orientierung setzen sollen, ist damit zwar durchaus ein Beitrag zur Willensbildung verbunden. Eine solche Symbolpolitik im Straßenverkehr erscheint der (partei-)politischen Auseinandersetzung und Disposition, schon mit Blick auf die damit verbundenen Kosten, auch nicht entzogen. Eine unzulässige staatliche Einflussnahme liegt darin jedoch offenkundig nicht. Denn die Verfassungsordnung ist nicht wertneutral und steht der Förderung von verfassungsrechtlichen Grundwerten, die als solche nicht der parteipolitischen Verfügung unterliegen, nicht entgegen (vgl. dazu BayVerfGH, E.v. 11.8.2021 – Vf. 97-IVa-20 – NVwZ-RR 2022, 81 Rn. 39 ff.; zur Rechtfertigung von Eingriffen in den Willensbildungsprozess vgl. auch BVerfG, U.v. 19.7.1966 – 2 BvF 1/65 – BVerfGE 20, 56 = juris Rn. 117 f.). Toleranz als geistige Haltung, die auf Beachtung, Achtung und Duldsamkeit dem anderen gegenüber in seinem Anderssein, nicht aber auf Beliebigkeit oder Meinungslosigkeit gerichtet ist, stellt ein Verfassungsprinzip dar, dessen Gehalt aus verschiedenen Verfassungsbestimmungen, insbesondere den Grundrechten, abgeleitet wird (vgl. Schmitt Glaeser, NJW 1996, 873/876 f.; BayVerfGH, a.a.O. Rn. 40; BVerfG, B.v. 17.12.1975 – 1 BvR 63/68 – BVerfGE 41, 29 = juris Rn. 67). Davon umfasst ist ersichtlich auch die Toleranz gegenüber unterschiedlichen sexuellen Orientierungen. Das lässt sich aus der Wertentscheidung des Art. 3 Abs. 1 GG ableiten, dem das Bundesverfassungsgericht einen Grundsatz der Nichtdiskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung entnommen hat (vgl. dazu BVerfG, B.v. 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07 – NJW 2010, 1439 = juris Rn. 85 ff.; Nußberger in Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 3 GG Rn. 290 f.; Kischel in Epping/Gruber, BeckOK GG, Stand 15.5.2022, Art. 3 Rn. 130). So ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Anleitung zu Toleranz gegenüber unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und innerhalb der Grenzen der Rechtsordnung ausgeübten sexuellen Verhaltensweisen ein legitimes staatliches Ziel (vgl. BVerwG, B.v. 8.5.2008 – 6 B 64.07 – NVwZ 2009, 56 Rn. 11). Dies vermag zugleich die in dem allgemeinen Aufruf zu Toleranz gegenüber unterschiedlichen sexuellen Orientierungen liegende Einwirkung auf die Meinungsbildung zu rechtfertigen. Eine (partei-)politische Ausrichtung dieser Aufforderung ist, wie bereits erwähnt, weder dargetan noch ersichtlich.
Abgesehen davon kann dem Antrag auf Zulassung der Berufung aber auch nicht entnommen werden, dass sich der Kläger durch eine allgemein befürwortende Botschaft der Toleranz gegenüber homosexuellen Menschen verletzt fühlt. Vielmehr führt er die beklagten Beeinträchtigungen und insbesondere die befürchtete Indoktrinierung allein auf fernliegende, rein subjektive Deutungen zurück. So unterstreicht auch der Antrag auf Zulassung der Berufung, der Kläger habe stets betont, keine Einwände gegen „die bekleideten Wiener Ampelpärchen“ zu haben, die Grenze sei jedoch durch die „die sexuelle Handlung des Ausziehens“ überschritten.
d) Der Kläger hat eine Verletzung in eigenen Rechten auch insoweit nicht dargelegt, als er sein Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) ins Feld führt. Er hat bereits nicht substantiiert dargetan, inwieweit die Konfrontation mit den Ampelpärchen die vom Elternrecht umfasste individuelle Sexualerziehung seiner Tochter (vgl. dazu BVerwG, U.v. 22.3.1979 – VII C 8.73 – BVerwGE 57, 360 = juris Rn. 31) angesichts deren Alters- und Reifesituation beeinträchtigt. Ferner drängt sich auf, dass Kinder, sobald sie die Darstellung gleichgeschlechtlicher Liebe und Partnerschaft auf den in Rede stehenden Streuscheiben erfassen können, schon mit Blick auf die gesellschaftliche Vielfalt einer Großstadt sowie die Thematisierung in Printmedien und im Internet ohnehin mit gleichgeschlechtlicher Sexualität konfrontiert werden. Abgesehen davon gilt aber auch insoweit, dass der Kläger die von ihm beanstandete Beeinträchtigung auf eine unzutreffende Deutung der Ampelpärchen zurückführt.
e) Weitere Gesichtspunkte wie insbesondere der Gedanke der „Ghettobildung“, die in dem Zulassungsverfahren aufscheinen, sind mangels substantiierter Darlegung, aber auch ihrer Natur und ihres fehlenden Realitätsbezugs nach von vornherein ungeeignet, eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten als möglich erscheinen zu lassen. Dies gilt dabei unabhängig von der Frage, wie weit die Bevollmächtigte sich die vom Kläger persönlich eingereichten Äußerungen zu eigen gemacht und eigenständig aufgearbeitet hat mit der Folge, dass diese berücksichtigungsfähig sind (vgl. dazu Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 119). Soweit der Kläger durch die in Rede stehenden Ampelpärchen bloß tatsächlich betroffen ist, etwa in seinen politischen oder kulturellen Interessen, verleiht ihm dies keine Klagebefugnis (vgl. BVerwG, B.v. 7.5.1971 – VII B 65.70 – Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 42 = juris Rn. 9; U.v. 22.12.1980 – 7 C 84.78 – BVerwGE 61, 256 = juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 15.8.2016 – 20 ZB 16.931 – juris Rn. 4; U.v. 2.3.2010 – 8 BV 08.3320 – BayVBl 2010, 599 = juris Rn. 25 mit nachfolgender Entscheidung des BayVerfGH, E.v. 25.9.2012 – Vf. 17-VI-11 – VerfGHE 65, 170).
3. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes.
5. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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