Aktenzeichen W 2 K 20.1737
SchBefV § 2 Abs. 4 Nr. 2
SchBefV § 2 Abs. 4 Nr. 4
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Kommunalunternehmen vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Entsprechende Einverständniserklärungen liegen mit den Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 9. Februar 2021 und des beklagten Kommunalunternehmens vom 10. Februar 2021 vor.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des beklagten Kommunalunternehmens vom 8. Juli 2020 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 16. Oktober 2020 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten für ihren Sohn P. zum W2. Gymnasium in W. im Schuljahr 2020/2021 (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO). Die ablehnende Entscheidung ist auch nicht ermessensfehlerhaft (§ 114 VwGO).
1.1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten nach dem Schulwegkostenfreiheitsgesetz – SchKfrG – i.d.F. d. Bek. vom 31. Mai 2000, zuletzt geändert durch Verordnung 26. März 2019 (GVBl. S. 98) in Verbindung mit der Schülerbeförderungsverordnung (SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Februar 2020 (GVBl. S. 144). Auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des beklagten Kommunalunternehmens vom 8. Juli 2020 und im Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 16. Oktober 2020 wird insoweit verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend wird ausgeführt:
Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG hat der Landkreis des gewöhnlichen Aufenthalts des Schülers die Aufgabe – die vorliegend dem beklagten Kommunalunternehmen gem. Art. 17, 77 Abs. 2 der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (Landkreisordnung – LKrO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 826), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. März 2021 (GVBl. S. 74), i.V.m. § 2 Nr. 3 der Unternehmenssatzung für das beklagte Kommunalunternehmen übertragen wurde -, die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg u.a. zu Gymnasium sicherzustellen. Eine Beförderung durch öffentliche oder private Verkehrsmittel ist nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG notwendig, wenn der Schulweg in eine Richtung mehr als drei Kilometer beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der SchBefV besteht eine Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule. Diese nächstgelegene Schule ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 1 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Bei dem Vergleich des Beförderungsaufwands kommt es nicht auf die Entfernung oder den Zeitaufwand an, sondern auf die unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit zu ermittelnden Fahrtkosten (BayVGH, B.v. 14.3.2017 – 7 ZB 16.343 – juris). Ist ein verbundweit gültiges Jahresticket zum Pauschalpreis eingeführt, so sind nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SchBefV zur Ermittlung des Beförderungsaufwands im allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr die Tarife von Monatskarten für den betreffenden Personenkreis heranzuziehen.
Nach diesen Maßgaben ist für den Wohnort des Schülers P. die nächstgelegene Schule des von P. gewählten Ausbildungszweiges (naturwissenschaftlich-technologisches Gymnasium) das B. N2. Gymnasium in M., da die Preise der Monatskarten für den Schulweg zu diesem (63,50 EUR) geringer sind als zum W2.-Gymnasiums in W. (79,10 EUR).
An der Rechtmäßigkeit von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SchBefV bestehen keine Zweifel. Die Regelung verstößt weder gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV noch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV.
1.1.1. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen grundsätzlich so genau zu fassen, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen können und die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren. Diese Anforderungen erfüllt die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SchBefV. Sie ist klar und verständlich und steht auch nicht in Widerspruch zu § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 1 SchBefV, sondern konkretisiert diese Vorschrift als lex specialis.
1.1.2. Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV ist nicht gegeben.
Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend ungleich zu behandeln. Dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen wie für ungleiche Begünstigungen. Er verlangt aber keine schematische Gleichbehandlung, sondern lässt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind. Bei der Gewährung staatlicher Leistungen, auf die der Bürger keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch hat, belässt der allgemeine Gleichheitssatz dem Normgeber grundsätzlich einen größeren Gestaltungsspielraum für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise als bei sonstiger Staatstätigkeit. Die Abgrenzung eines begünstigten Personenkreises ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn vertretbare Gründe dafür bestehen und wenn der Gesetzgeber willkürliche Privilegierungen und Diskriminierungen vermeidet, den Kreis der Begünstigten also gerecht abgrenzt (BayVerfGH, E.v. 28.10.2004 – Vf.8- VII-03 – juris).
Gemessen hieran verstößt § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SchBefV nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass es sich bei der kostenlosen Schülerbeförderung um eine verfassungsrechtlich nicht geschuldete freiwillige Leistung des Staates handelt, bei der deren Ausgestaltung dem bayerischen Gesetz- und Verordnungsgeber ein weiter Spielraum zukommt (vgl. BayVerfGH, E.v. 27.7.1984 – Vf. 17-VII-83 – VerfGH 37, 126/137; E.v. 28.10.2004 – Vf.8 -VII-03 – juris; E.v. 7.7.2009 – Vf.15-VII/08 – juris). Dieser Spielraum ist durch § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SchBefV nicht überschritten. Denn die Norm dient einem sachlichen Zweck.
Wie der Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits wiederholt entscheiden hat, bezwecken die Bestimmungen über die Kostenfreiheit des Schulwegs nicht nur eine finanzielle Entlastung der Schüler und Eltern, sondern sollen zugleich die optimale Organisation der Schülerbeförderung sicherstellen. Zweck der gesetzlichen Regelungen ist es erkennbar (auch), ein Schülertransportnetz aufzubauen, das den Schulen tragfähige Einzugsbereiche sichert und das Entstehen unzumutbar langer Schulwege verhindert. Durch den Aufbau eines Schülertransportnetzes soll auch darauf hingewirkt werden, dass die einzelnen Schulen, die grundsätzlich für bestimmte Einzugsgebiete und im Hinblick auf voraussichtliche Schülerzahlen geschaffen und bereitgehalten werden, angemessen ausgelastet sind (vgl. BayVGH U.v. 11.2.2008 – 7 B 06.1390 – juris; U.v. 13.4.2011 – 7 B 10.1423 – juris; B.v. 2.3.2015 – 7 ZB 14.2484 – juris).
Weiterführende Schulen haben keine Sprengel. Gleichwohl setzt die Planung bei der Errichtung und dem Betrieb derartiger Schulen verlässliche Daten über die zu erwartenden Schülerzahlen voraus. Die Gewinnung entsprechender Zahlen folgt aus der Annahme, dass Schülerinnen und Schüler die weiterführenden Schulen besuchen werden, zu denen eine kostenlose Beförderung möglich ist. Die Ausweitung der Schülerbeförderung auf alle vom Wohnort beliebig weit entfernten Schulen innerhalb eines Verkehrsverbundgebiets bei Existenz eines verbundweit gültigen Jahrestickets zum Pauschalpreis würde zu einer noch stärkeren Streuung der Schülerströme führen. Dies widerspräche dem öffentlichen Interesse der auf den näheren Einzugsbereich abstellenden Schulplanung und den Interessen der beteiligten Aufgabenträger, die auch bei geringerer Schülerzahl die notwendige Beförderung zu den nächstgelegenen Schulen sicherzustellen haben. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SchBefV in diesem Fall die Tarife der Monatskarten für maßgeblich erklärt.
1.2. Die Ablehnung der Übernahme der Beförderungskosten im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach § 2 Abs. 3 und Abs. 4 SchBefV ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die gesetzlichen Ausnahmetatbestände hierfür sind nicht erfüllt.
Beim W2. Gymnasium handelt es sich um keine Schule mit pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheiten im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV.
Die Kläger können sich auch nicht auf eine Unzumutbarkeit des Schulwechsels gem. § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV berufen. Dass das W2. Gymnasium, das der Schüler P. seit der 5. Jahrgangsstufe besucht, im streitgegenständlichen Schuljahr nicht mehr die nächstgelegene Schule der gewählten Ausbildungsrichtung ist, haben die Kläger und ihr Sohn durch die – nicht zwingend erforderliche – Änderung der (angegebenen) Ausbildungsrichtung vom humanistischen Zweig auf den naturwissenschaftlich-technologischen Zweig selbst herbeigeführt. Angesichts dessen kann ein Schulwechsel nicht als unzumutbar angesehen werden. Die Festlegung auf eine (angestrebte) Ausbildungsrichtung ist immer mit dem Risiko verbunden, dass ein Anspruch auf Schulwegkostenübernahme im Falle eines späteren Ausbildungsrichtungswechsels entfallen kann. Hierauf hat das beklagte Kommunalunternehmen im Antragsformular auf Übernahme der Schulwegkosten unter Ziffer 2 ausdrücklich hingewiesen. Im Übrigen bleibt es P. unbenommen, das W2. Gymnasium unter eigener Tragung der Schulwegkosten weiterhin zu besuchen.
Auch die Regelung in § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV greift nicht zugunsten der Kläger ein, da die Preise der Monatskarten vom Wohnort … zum Wirsberg-Gymnaisum die Preise der Monatskarten zum B. N2. Gymnasium um mehr als 20% übersteigen.
Ferner ist es nicht zu beanstanden, dass das beklagte Kommunalunternehmen die Kosten nicht nach § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV als betroffener Aufwandsträger übernommen hat. Der Sinn dieser Ausnahmevorschrift liegt darin, Härten aus der Beschränkung auf die Beförderung zur nächstgelegenen Schule, die nicht bereits von den Fällen des § 2 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SchBefV erfasst sind, auszugleichen. Es ist deshalb ermessensgerecht, die Zustimmung nur in außergewöhnlichen Fällen zu erteilen (vgl. BayVGH, B.v. 17.03.2003 – 7 C 03.2893 – juris). Einen außergewöhnlichen Härtefall haben die Kläger jedoch nicht dargelegt.
2. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.