Aktenzeichen M 4 S 17.32617
Leitsatz
1. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. Zudem ist in § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG mittlerweile ausdrücklich geregelt, dass nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig sein muss. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde.
Der Antragsteller gibt sich als ein am … Juni 1988 geborener senegalesischer Staatsangehöriger aus, ohne dies allerdings näher belegen zu können. Der Antragsteller wurde am … Juni 2015 (also an seinem vorgeblichen Geburtstag) am … Hauptbahnhof einer Personenkontrolle unterzogen. Dabei wurde eine italienische Aufenthaltsgestattung für Asylsuchende aufgefunden, gültig vom … März 2014 bis … Februar 2015, lautend auf die Personalien … …, geboren … Januar 1994 in …, Senegal. Ein interner polizeilicher Datenabgleich ergab, dass der Antragsteller bereits am … Januar 2015 als ausweislose Person im Hauptbahnhof … polizeilich aufgegriffen wurde. Damals stellte er als sudanesischer Staatsbürger einen Asylantrag. Eine entsprechende Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender wurde ihm damals ausgehändigt. Am … Januar 2015 erfolgte eine Kurzanzeige wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Auch zu diesem Zeitpunkt stellte der Antragsteller als ausweisloser senegalesischer Staatsbürger einen Asylantrag beim Bundesamt. Eine Abfrage nach dem Ausländerzentralregister ergab am … Juni 2015 keinen Datenbestand, eine erkennungsdienstliche Behandlung war nicht hinterlegt und abrufbar. Die italienische Aufenthaltsgestattung wurde der Asylakte beigefügt. Er beantragte am … Juni 2015 in Deutschland Asyl und gab bei seiner Erstbefragung an, sein Heimatland am … Oktober 2012 erstmalig verlassen zu haben. Er sei dann über die Sahararoute nach Libyen gereist, wo er sich neun Monate aufgehalten habe. Über die Mittelmeerroute sei er dann nach Italien und mit dem Zug nach Deutschland gereist, wo er am … Januar 2015 angekommen sei. In Italien seien ihm Fingerabdrücke genommen worden. Als Beruf wird Schreiner angegeben, einen Schulabschluss hat der Antragsteller nach seinen Angaben nicht.
Wegen Fristablaufs ist die Zuständigkeit des zur Durchführung des Asylverfahrens von Italien auf Deutschland übergegangen, gleichwohl ergab sich im EURODAC-System ein Treffer für Italien nach der Kategorie 1.
Bei seiner persönlichen Anhörung am … August 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, einen Reisepass habe er niemals besessen, im Senegal seien sein Personalausweis und eine Arbeitserlaubnis verblieben. In Italien sei er in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht gewesen. Dort habe es Gutscheine und Essensmarken gegeben. Man habe aber nicht aus dem Camp herausgedurft und man habe kein Geld bekommen. Auf Nachfrage bestätigte er, er habe nie herausgehen dürfen. Anlässlich von Unruhen habe er sich versteckt und so entkommen können. Italienische Papiere habe er nicht. Auf Nachfrage erklärte er, er habe eine italienische Karte, habe aber nie darauf geschaut, was drin stehe, er sei Analphabet. Im Camp sei er gewesen, weil er niemanden gekannt habe. Wenn man jemanden kenne, dürfe man drei Stunden raus, müsse aber abends wieder zurück sein. Er habe auch raus gedurft, aber man habe wohl nicht gewollt, dass er sich verlaufe. Was seine Reise vom Senegal bis Deutschland ungefähr gekostet habe, könne er nicht berechnen. Als Grund für seinen Asylantrag gab er an, er sei im Senegal ohne Führerschein mit dem Auto eines Freundes unterwegs gewesen. Auch für das Auto habe es keine Papiere gegeben. Aufgrund eine technischen Defekts habe er eine schwangere Frau angefahren. Er sei dann von der Unfallstelle geflohen, aus Angst, gelyncht zu werden. Er habe sich von einem Freund Geld geliehen und sei noch in der gleichen Nacht geflohen. Im Senegal könne es schnell geschehen, dass man umgebracht werde. Die Polizei hätte ihn lebenslang eingesperrt.
Anlässlich einer Zweitbefragung beim Bundesamt am … August 2016 gab der Antragsteller noch an, an Hepatitis B zu leiden. Entsprechend Atteste habe er zu Hause. Einem Attest der … zufolge wurden beim Antragsteller unklare Bauchschmerzen mit Verdacht auf Nahrungsmittelunverträglichkeit diagnostiziert. Medikation erfolgte keine.
Mit Bescheid vom 2 Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (1. und 2.). Auch der Antrag auf subsidiären Schutz wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- lägen nicht vor (4.). Der Antragsteller werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Senegal abgeschoben. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (7.).
Das Bundesamt begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller keine schutzwürdigen Belange angegeben habe. Beim Senegal handle es sich um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Mit Telefax vom 13. Februar 2017 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid, ihm zugestellt am 7. Februar 2017 (Az.: M 4 K 17.32614) und beantragte nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG), jedoch unbegründet.
Zugunsten des Antragstellers wird davon ausgegangen, dass ihm der streitgegenständliche Bescheid tatsächlich erst am 7. Februar 2017 zugestellt worden ist. Die Antragsgegnerin legte dem Gericht keinen Zustellnachweis vor. Zweifel hinsichtlich des Zustellungszeitpunktes gehen zu Lasten der Antragsgegnerin.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Ein-schätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet. Der Vortrag des Antragstellers enthält keinerlei Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines im Sinne der §§ 3 ff. AsylG relevanten Verfolgungsschicksals. Dies gilt auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes im Sinne der §§ 4 ff. AsylG. Jedenfalls ist der Kläger auf einen Umzug innerhalb des Senegals zu verweisen (vgl. §§ 3e, 4 Abs. 3 AsylG).
b) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2016, dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d.h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20). Auch ist in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zudem mittlerweile ausdrücklich geregelt, dass nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig sein muss.
Das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei Rückkehr kann beim Antragsteller mit Verweis auf die schon getätigten Ausführungen nicht angenommen werden.
c) Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung insgesamt nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).