Aktenzeichen Au 5 K 17.32974
Leitsatz
1 Ein Asylantrag ist dann offensichtlich unbegründet, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemeiner Rechtsauffassung sich die Abweisung des Antrags geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG BeckRS 20017, 20179). Dies ist bei der Berufung auf eine Individualverfolgung dann der Fall, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist. (Rn. 20) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Das Asylgesetz schreibt nicht zwingend vor, dass der Anhörer des Asylbewerbers und der Entscheider über den Asylantrag dieselbe Person sein müssen. Ein Verfahrensfehler aufgrund fehlender Identität von Anhörer und Entscheider könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn es maßgeblich auf die Glaubwürdigkeitsprüfung ankommt und das Bundesamt den Antrag des Antragstellers gerade deshalb als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, weil es den Vortrag des Betroffenen für unglaubwürdig erachtet (vgl. VG Göttingen BeckRS 2011, 49269). (Rn. 23) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Malische Asylbewerber besitzen im Süden des Landes die Möglichkeit, internen Schutz iSv § 3e AsylG zumutbar zu erlangen. (Rn. 28 – 29) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Ein alleinstehender junger Mann kann im Süden Malis seinen Lebensunterhalt sicherstellen, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. (Rn. 30 – 31) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I.
Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet.
Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Klägers nicht im Ansatz (§ 30 Abs. 1 AsylG) erkennbar.
Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet beruht auf § 30 Abs. 1 AsylG. Nach § 30 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemeiner Rechtsauffassung sich die Abweisung des Antrags geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196; B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – NVWZ 2007, 1046).
Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil u.a. dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist.
1. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes leidet an keinen formellen Fehlern.
Ungeachtet dessen, dass der Asylantrag des Klägers vorliegend als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, ist die fehlende Identität von der Person, die die Anhörung des Klägers durchgeführt hat und dem Entscheider unschädlich. Zum einen lässt sich aus dem AsylG nicht zwingend ableiten, dass Anhörer und Entscheider identisch sein müssen (vgl. VG Schleswig, U.v. 26.6.2006 – 1 A 8/06 – juris zur rechtlichen Lage nach dem AsylVfG). Denn das AsylG schreibt nicht zwingend vor, dass Anhörung und Entscheidung von ein und derselben Person getroffen werden müssen. Aus den maßgeblichen Normen des AsylG ergibt sich nicht, dass allein der Umstand, dass der zur Entscheidung Berufene den jeweiligen Asylbewerber nicht persönlich angehört, dazu führt, dass eine Entscheidung über den Asylantrag nicht rechtmäßig getroffen werden könnte. Zum anderen hat das Bundesamt in der hier in Streit stehenden Entscheidung gerade nicht auf die Glaubwürdigkeit des Vortrags des Klägers abgestellt. Vielmehr beruht die Entscheidung maßgeblich darauf, dass der Vortrag des Klägers bei dessen persönlicher Anhörung vor dem Hintergrund der §§ 3 ff. AsylG asylrechtlich ohne Relevanz ist. Ein Verfahrensfehler aufgrund fehlender Identität von Anhörer und Entscheider kann aber nur dann vorliegen, wenn es maßgeblich auf eine Glaubwürdigkeitsprüfung ankommt und das Bundesamt den Antrag des jeweiligen Antragstellers gerade deshalb als offensichtlich unbegründet ablehnt, weil es den Vortrag des Ausländers als unglaubwürdig erachtet (vgl. hierzu VG Göttingen, B.v. 17.8.2010 – 2 B 301/10 – juris Rn. 10; VG Frankfurt/Oder, B.v. 23.3.2000 – 4 L 167/00 – juris Rn. 10; VG Aachen, U.v. 31.8.2016 – 7 K 893/15.A – juris Rn. 53). Die Ablehnung des Asylantrages des Klägers im vorliegenden Fall beruht jedoch gerade nicht darauf, dass das Bundesamt dessen Sachvortrag bei der persönlichen Anhörung als unglaubwürdig beurteilt hat.
Auch die vom Bevollmächtigten des Klägers gerügte Aktenführung der Beklagten im vorliegenden Fall ist, läge der gerügte Mangel tatsächlich vor, unbeachtlich. Denn ein solcher Verfahrensmangel wäre gemäß § 46 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) unschädlich, weil keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Die Ablehnung im streitgegenständlichen Bescheid beruht maßgeblich auf den Angaben des Klägers bei dessen persönlicher Anhörung gegenüber dem Bundesamt am 10. Oktober 2016. Einen weitergehenden Mangel dieser Anhörung selbst macht der Kläger hingegen nicht geltend. In der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2017 hat der Kläger vielmehr klargestellt, dass er bei der persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt ausreichend Gelegenheit gehabt habe, seine Fluchtgründe darzulegen, und dass es zu keinen Verständigungsschwierigkeiten mit dem vom Bundesamt hinzugezogenen Dolmetscher gegeben habe.
2. Die Klage des Klägers ist offensichtlich unbegründet.
Die Beklagte hat zutreffend ausgeführt, dass der Vortrag des Klägers nicht an ein asylrechtlich relevantes Merkmal im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG anknüpft. Der Kläger hat im Wesentlichen auf die wirtschaftliche Situation seiner Familie in Mali verwiesen. Darüber hinaus hat er lediglich die Befürchtung geäußert, dass der Landwirt, dessen Tiere er gehütet habe ihn wegen der bei dieser Tätigkeit verstorbenen fünf Kühen zur Verantwortung ziehen werde. Fluchtauslösend sei für ihn der Umstand gewesen, dass der Besitzer der Tiere Kontakte zur Polizei besessen habe. Dieser Vortrag knüpft nicht an ein asylrechtlich relevantes Merkmal im Sinne des § 3 AsylG an. Insoweit steht für das Gericht fest, dass der Kläger Mali im Jahr 2011 unverfolgt verlassen hat. Aus diesen Gründen scheidet eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für den Kläger offensichtlich aus.
Gleiches gilt insoweit, als der Kläger bzw. dessen Bevollmächtigter auf die allgemeine Situation in Mali verweist.
Zutreffend hat die Beklagte insoweit darauf hingewiesen, dass für den Kläger eine inländische Fluchtalternative im Süden Malis zur Verfügung steht, die für diesen auch zumutbar erreichbar ist. Hieran scheitert auch die vom Kläger hilfsweise beantragte Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG entsprechend).
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden Malis betroffen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Bereits im Juni 2013 war zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden Malis geschlossen worden (Amnesty International, Mali-Report 2015). Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-Mali geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden Malis blieb der Süden Malis jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, Mali: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung dabei keine Indizwirkung zu (vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris; BayVGH, B.v. 22.12.2016 – 13a ZB 16.30684 – juris Rn. 7).
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als junger, alleinstehender Mann ohne Kinder seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums.
Dem Kläger muss es auch gelungen sein, im Zeitraum zwischen 2011 und 2013 seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Darüber hinaus ist der Kläger in Mali aufgewachsen und hat dort bis 2011 sein gesamtes Leben verbracht. Auch hat sich der Kläger vor seiner Ausreise aus Mali als Hilfskraft in der Landwirtschaft (Viehhüter) betätigt. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger bei einer Rückkehr nach Mali nicht erneut eine derartige Tätigkeit aufnehmen könnte. Unterhaltspflichten hat der Kläger nicht zu erfüllen. Darüber hinaus verfügt er noch über mehrere Familienangehörige in Mali. Seine Mutter bzw. Stiefmutter („*“) und seine inzwischen verheiratete Schwester sind im Land verblieben. Es ist deshalb vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger in seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und Sprache er durchaus vertraut ist, seinen Lebensunterhalt erneut sicherstellen kann. Eine Rückkehr in den Süden Malis ist daher für den Kläger nach Auffassung des Gerichts gefahrlos möglich.
Im Übrigen hat das Gericht erhebliche Zweifel, ob der Kläger überhaupt aus Mali stammt. So fällt anlässlich der persönlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf, dass der Kläger weder zutreffende Angaben zur Größe seiner angeblichen Heimatstadt * (nach Wikipedia 130.690 Einwohner) noch zu deren geografischer Lage machen konnte. Nach Angaben des Klägers befinde sich die Stadt * im Norden Malis. Dies ist unzutreffend, da * lediglich 235 km nordöstlich von Bamako im Süden Malis gelegen ist. Letztlich bedarf dies alles keiner vertiefenden Betrachtung, da sich die Klage auch nach den vom Kläger im Verfahren angegebenen Fluchtgründen jedenfalls als offensichtlich unbegründet erweist.
Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid des Bundesamts verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheiden ebenfalls aus. Gesundheitliche Einschränkungen sind für den Kläger nicht vorgetragen.
4. Die Abschiebungsandrohung, die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nrn. 5 und 6 des Bescheids vom 12. Mai 2017 begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken und sind offensichtlich rechtmäßig. Die Beklagte hat das ihr in § 11 Abs. 1 AufenthG eröffnete Ermessen erkannt; die angestellten Ermessenserwägungen erweisen sich als sachgerecht und bleiben gerichtlich unbeanstandet.
5. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.
Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).