Verwaltungsrecht

Offensichtliche Unbegründetheit eines Asylantrags – Sicherer Herkunftsstaat

Aktenzeichen  M 16 S 16.31393

Datum:
30.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
GG GG Art. 16a Abs. 3 S. 1
AsylG AsylG § 3, § 4, § 29 a, § 36
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Albanische Behörden sind grundsätzlich weder unwillig noch unfähig ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen. Bei Bedrohung durch einen nichtstaatlichen Dritten, ist in Albanien die inländische Fluchtalternative gegeben, da die Verlegung des Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile, ein Leben in gewisser Anonymität ermöglicht. Nichtstaatliche Dritte können mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit die bedrohte Person nicht ausfindig machen, sodass eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwendbar ist. Die Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keiner rechtlichen Einschränkung. (redaktioneller Leitsatz)
§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG dient nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Insbesondere begründet die Norm keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und dem in Deutschland vorherrschenden Standard der medizinischen Versorgung, sodass sich ein Ausländer auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen muss. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtschutz gegen einen Bescheid des Bundesamts für … (im Folgenden: Bundesamt), mit dem ihr Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Der Antragstellerin ist albanische Staatsangehörige. Sie reiste zusammen mit ihren Eltern nach eigenen Angaben erstmals am 11. Mai 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am 1. Juli 2015 bei dem Bundesamt einen Asylantrag.
Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt gemäß § 25 AsylG am 15. Juli 2015 gaben die Antragstellerin sowie ihre Mutter im Wesentlichen an, die Antragstellerin sei vor der Ausreise seit März von einem Jungen belästigt worden. Sie hätten sich nicht an die Polizei gewandt, weil diese korrupt sei und in den meisten Fällen auch gar nichts mache. Sie hätte dann der Mutter davon erzählt, nachdem sie Depressionen, Haarausfall und Magenprobleme gehabt hätte. Sie sei auch in ärztlicher Behandlung gewesen. Die Mutter habe es dann dem Vater erzählt und sie seien zu dem Schluss gekommen, den Söhnen nichts davon zu erzählen, da diese vielleicht sogar Gewalt angewendet hätten. Die Eltern hätten dann beschlossen, von dort wegzugehen. Der Junge habe die Antragstellerin meist morgens auf dem Weg zur Schule abgefangen. Es sei so weit gegangen, dass er gesagt habe, entweder er heirate sie oder er bringe sie um. Er sei sehr aufdringlich gewesen und habe sie angefasst. Den Namen des Jungen hätten sie nicht gekannt. Aus Angst, dass dieser aggressiv werden könnte, hätten sie nicht gewollt, dass der Vater die Tochter begleitet hätte. Dies sei der einzige Grund für die Ausreise gewesen.
Mit Bescheid vom 25. Mai 2016, zugestellt am 9. Juni 2016, lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte (Nr. 2 des Bescheids) als auch den Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1 des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab. Ebenso wurde der Antrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes abgelehnt (Nr. 3 des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Nr. 4 des Bescheids). Die Antragstellerin wurde zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht (Nr. 5 des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6 des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Nr. 7 des Bescheids).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29a Abs. 2 AsylG i. V. m. der Anlage II zum AsylG. Sie habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat in ihrem Falle die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung erfüllt seien. Belästigungen oder Drohungen durch eine dritte Person seien kein Verfolgungsschicksal, das diese Regelvermutung widerlegen würde. Es sei ein Vorfall gewesen, der sich im privaten Bereich zugetragen habe. Auch wäre der Antragstellerin zuzumuten gewesen, deswegen Hilfe der Sicherheitsbehörden in Anspruch zu nehmen. Es sei jedoch erst gar nicht der Versuch gemacht worden, die Polizei einzuschalten. Notfalls hätte man sich auch in einen anderen Landesteil begeben können. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Die nationalen Sicherheitskräfte gewährleisteten grundsätzlich ausreichenden Schutz vor Schäden, die von nichtstaatlichen Akteuren drohen könnten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Es drohe der Antragstellerin auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin, vertreten durch ihre Mutter, am 14. Juni 2016 zur Niederschrift Klage mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamts vom 25. Mai 2016 in Ziffer 1 und in den Ziffern 3 bis 7 aufzuheben, die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
Zudem beantragte sie,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung nahm die Antragstellerin auf ihre Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug. Sie werde in ihrer Heimat von einem Jungen „gestalkt“. Sie hätten keine ruhige Minute und so viel Angst. Die Antragstellerin leide an Depressionen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 16.31392 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43 ff.). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach – dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden – § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
An der Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Fall vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen bestehen hier im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keine derartigen ernstlichen Zweifel.
Das Gericht folgt den Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
Nach § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG – ein sogenannter sicherer Herkunftsstaat – als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegeben Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
Die Antragstellerin stammt aus einem sicheren Herkunftsstaat. Albanien ist als solcher im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG in der Anlage II zum AsylG gelistet. Gegen die Einstufung der Republik Albanien als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (vgl. VG Berlin, B.v. 22.12.2015 33 L 357.15 A – juris).
Der Asylantrag ist somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, da der Vortrag der Antragsteller nicht die Anforderungen zur Erschütterung der Regelvermutung gemäß § 29a Abs. 1 AsylG, Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG erfüllt. Die Antragstellerin hat sich darauf berufen, dass sie von einem Jungen belästigt und bedroht worden sei. Probleme mit dem Staat, der Polizei oder anderen Behörden haben sie und ihre Eltern nicht angegeben.
Aus diesem Vorbringen ergeben sich schon im Ansatz ganz offensichtlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei der Antragstellerin eine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylG vorliegen könnte.
Zudem erfordert § 3c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der albanischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen. Das Gericht teilt gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vor allem auch des Berichts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien des Auswärtigen Amts vom 10. Juni 2015 (Stand Mai 2015) – im Folgenden: Lagebericht) die Einschätzung des Bundesamts, dass der albanische Staat bei einer derartigen Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelte, in der Lage und auch willens ist, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 und 2 AsylG; vgl. allgemein zum Schutz durch den albanischen Staat auch: OVG NW, B. v. 23.02.2015 – 11 A 334/14.A – juris Rn. 8 ff.; VG München, B.v. 10.09.2015 – M 2 S 15.31175; VG München, B.v. 4.2.2016 – M 11 S 15.31693; VG München, B.v. 14.01.2016 – M 4 S 15.31618; VG Düsseldorf, B.v. 1.2.2016 – 17 L 95/16.A – juris Rn. 18ff; B.v. 28.10.2015 – 17 L 2938/15.A – juris; VG Arnsberg, B.v. 23.02.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 23 ff.).
Ferner ist davon auszugehen, dass jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden – Bedrohung durch einen nichtstaatlichen Dritten – ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht (§ 3e AsylG). Die Antragstellerin könnte jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist und nichtstaatliche Dritte sie mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit nicht ausfindig machen könnten, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden. Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (vgl. Lagebericht S. 11; VG Düsseldorf, U.v. 12.03.2015 – 6 K 8197/14.A – juris Rn. 63; VG Düsseldorf, B.v. 23.11.2015 – 17 L 3729/15.A – juris Rn. 38ff.; VG Düsseldorf, B.v. 14.10.2015 – 17 L 3111/15. A – juris, Rn. 20; VG Oldenburg, U.v. 10.4.2015 – 5 A 1688/14 – juris; VG München, B.v. 3.2.2016 – M 5 S 15.31520 – UA S. 7; Gerichtsbescheid v. 2.5.2016 – M 17 K 16.30321).
Dementsprechend scheidet auch die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 bereits aus diesen Gründen aus (vgl. § 4 Abs. 3 AsylG i. V. m. §§ 3d und 3e AsylG).
Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) liegen ebenfalls nicht vor.
Gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen – zielstaatsbezogenen – Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Diese Gefahr muss dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, wobei im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „konkreten“ Gefahr für „diesen“ Ausländer als zusätzliches Erfordernis eine einfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefahrensituation hinzutreten muss, die überdies landesweit droht.
Für die Annahme einer derartigen drohenden konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bestehen im Fall der Antragstellerin keine hinreichenden Anhaltspunkte, zumal ihr auch – wie dargestellt – eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (vgl. auch VG Regensburg, U.v. 18.2.2015 – RO 6 K 14.30903 – juris Rn. 26).
Dis gilt auch im Hinblick auf die geltend gemachte Depression. Hierzu ist Folgendes auszuführen:
Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann auch einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Herkunftsland wesentlich verschlechtert. Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710/94 – juris). Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris Rn. 8). Dies kann auch der Fall sein, wenn der betroffene Ausländer eine grundsätzlich mögliche medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 u.a – juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. VG Arnsberg, B.v. 23.2.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 64 m. w. N.). Mit der ab dem 17. März 2016 geltenden gesetzlichen Regelung hat auch der Gesetzgeber klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
Da keinerlei ärztliche Belege vorgelegt wurden, ergeben sich bei der Antragstellerin keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis im dargestellten Sinne vorliegen könnte. Zudem ist davon auszugehen, dass die Behandlung und auch der Zugang zu ihr für die geltend gemachte psychische Erkrankung in Albanien ebenfalls zureichend sichergestellt wäre (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 1.02.2016 – 17 L 95/16.A – juris Rn. 26ff.; B.v. 9.12.2015 – 17 L 3839/15.A – juris; VG Arnsberg, B.v. 23.02.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 56 ff.; VG Berlin, B.v. 30.10.2015 – 33 L 305.15 A – juris Rn. 18 zu depressiver Störung mit Verweis auf Auskunft der Botschaft an das Bundesamt vom 21.03.2014 – jaf-17129706; sowie vom 29.03.2013 – jaf-16381022; VG München, Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2016 – M 17 K 16.30321). Mangels gegenteiliger durchgreifender Erkenntnisse ist eine medizinische und therapeutische Versorgung von psychisch Erkrankten – zumindest medikamentös – auf rechtlich maßgeblichem Landesniveau gewährleistet und zugänglich. Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos über eine staatliche Krankenversicherung gesichert (vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 29. März 2013 – zu Frage 22; s. bereits Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 3. September 2003; s. zur Erreichbarkeit und Kostenübernahme von Medikamenten Lagebericht, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6f.). Zudem sind insbesondere in Tirana Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen (vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland; Auskunft vom 1. Juni 2012, Frage 2) und Nichtregierungsorganisationen ansässig, die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache vom 13. Februar 2013, S. 7f.). Insbesondere Medikamente zur Behandlung psychischer Krankheiten sind in ganz Albanien verfügbar (vgl. Amtliche Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Tirana an das Bundesamt vom 29. März 2013). Die Situation in psychiatrischen Kliniken mag erschreckend sein (Lagebericht S. 13), eine grundsätzliche Behandelbarkeit von psychischen Erkrankungen wird damit allerdings nicht in Frage gestellt. Nach Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Behandlung von Epilepsie und Depressionen vom 2. Dezember 2015, S. 9f.) sind zwar Mängel bei der psychischen Behandlung von Patienten festzustellen, gleichwohl ist der Zugang zu Dienstleistungen im Bereich psychischer Gesundheit in Albanien in Landesteilen gewährt. Dem jüngsten Mental Health Atlas der World Health Organization (WHO) aus dem Jahr 2014 (WHO Mental Health Atlas 2011 – Albania, 2014: www…int/…pdf?ua=1.) ist zu entnehmen, dass Albanien derzeit zwei psychiatrische Abteilungen an allgemeinen Krankenhäusern, zwei psychiatrische Kliniken sowie zehn „Wohneinheiten“ („residental care units“) unterhält. Die ambulante Behandlung psychischer Erkrankungen ist in zehn Ambulatorien und zwei Tageskliniken („day treatment facilites“) möglich. Für zahlungsfähige Patientinnen und Patienten besteht außerdem die Möglichkeit der Behandlung in einer Privatklinik (vgl. VG München, Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2016 – M 17 K 16.30321). Zudem hat die Antragstellerin selbst angegeben, in Albanien in Behandlung gewesen zu sein.
Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin im Falle einer Rückkehr nach Albanien in eine derart schlechte wirtschaftliche Lage kommen könnten, dass ausnahmsweise in ihrem außergewöhnlichen Einzelfall aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen bzw. einer mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehenden extremen Gefahrenlage ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht zu ziehen wäre (dazu BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 23 – 26 sowie Rn. 38).
Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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