Aktenzeichen AN 3 S 17.30832
Leitsatz
Die Vorlage gefälschter Dokumente im Asylverfahren zum Nachweis der Identität begründet ein subjektiv vorwerfbares Verhalten, das die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet rechtfertigt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Der Gegenstandswert beträgt 2.500,00 EUR.
Gründe
I.
Der nach eigenen Angaben 1992 geborene Antragsteller ist ohne Identitätsnachweis und gibt an, eritreischer Staatsangehöriger zu sein. Nach eigenen Angaben reiste er am 11. Januar 2016 auf dem Landweg über Österreich in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 15. Januar 2016 einen Asylantrag, den er im Rahmen der Anhörung am 13. Oktober 2016 auf die Feststellung von Flüchtlingsschutz beschränkte.
In seiner Anhörung nach § 25 AsylG am 13. Oktober 2016 gab er an, bis zu seiner Ausreise im August 2015 in … gelebt zu haben. Geboren sei er in … Seine Mutter sei äthiopische Staatsangehörige, sein Vater sei eritreischer Staatsangehöriger und sei ungefähr im Jahr 1996 mit fünf seiner Kinder zurück nach Eritrea gegangen, während er selbst mit seiner Mutter und einem kleinen Bruder in Äthiopien geblieben sei. Sein Vater habe durch die Rückkehr nach Eritrea die eritreische Staatsbürgerschaft erhalten. Er selbst sei, als er 18 Jahre alt geworden sei, zum eritreischen Konsulat in Äthiopien gegangen und habe dort die eritreische Staatsbürgerschaft beantragt, die er dann auch erhalten habe. Diese müsse regelmäßig, d.h. jedes Jahr, verlängert werden. Er sei nie in Eritrea gewesen, besitze jedoch nur die eritreische Staatsbürgerschaft. Er besitze keine Personalpapiere. Der Antragsteller legte einen auf den Namen seines Vaters ausgestellten eritreischen Personalausweis vor. Nach dem Untersuchungsergebnis der physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung vom 15. September 2016 weicht dieses Formular in Untergrunddruck, Formulardruck sowie in den sicherungstechnischen Merkmalen von vorliegendem Vergleichsmaterial ab und stellt somit eine Nachahmung dar. Es handle sich um eine Totalfälschung.
Zu seinen Fluchtgründen erklärte er, die äthiopische Regierung habe seinen Vater umgebracht. Dieser sei in Äthiopien öfter verhört und der Spionage verdächtigt worden. Eines Tages nach einem Verhör hätten sie ihn tot aufgefunden im Stadtviertel … Er selbst sei in Äthiopien aus dem College geworfen worden, weil er Eritreer sei. Er habe dann einem Freund eine Kfz-Werkstatt abkaufen wollen und sich als Eigentümer eintragen lassen. Dies sei ihm vom äthiopischen Staat nicht erlaubt worden, weil er Eritreer sei. Er sei sechs Monate in Äthiopien im Gefängnis gewesen, weil er die Namensänderung verspätet durchführen wollte. Nach seiner Entlassung sei ungefähr ein Jahr vergangen, in welchem er all sein Eigentum verkauft habe und habe sich dann entschlossen, mit seiner Frau und den zwei gemeinsamen Kindern Äthiopien Richtung Sudan zu verlassen. Im Sudan habe er Frau und Tochter zurückgelassen und sei mit seinem Sohn weitergereist, welchen er in der Wüste zwischen Sudan und Libyen verloren habe. Für den Fall einer Rückkehr nach Eritrea befürchte er, dort ins Gefängnis zu kommen oder umgebracht zu werden, weil die derzeitige Regierung diktatorisch sei.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2017, der dem Antragsteller persönlich gegen Postzustellungsurkunde am 10. Februar 2017 zugestellt wurde, lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 2), lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und drohte ihm anderenfalls die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten oder bereiten Stadt an (Ziffer 5) und befristete das gesetzliche Einreise-und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe seine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden nicht glaubhaft gemacht, es sei aus dem vorgetragenen Sachverhalt nicht erkennbar, dass in der Vergangenheit im Heimatland eine Gefahr für die Zuerkennung internationalen Schutzes und/oder eine politische Verfolgung bestand oder unmittelbar drohte bzw. bei einer Rückkehr dorthin drohe. Die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes sein unsubstantiiert, vage gehalten und unrealistisch, so dass erhebliche begründete Zweifel an der Wahrheit dieser Angaben bestünden. Das Vorbringen sei nicht glaubhaft, da die Einreise ohne eigene Legitimationspapiere in die Bundesrepublik Deutschland erfolgt sein solle. Auch seien keinerlei Unterlagen vorgelegt worden, aus denen sich die Identität oder aber die Richtigkeit der Angaben hinsichtlich der Betätigung im Heimatland ergäben. Durch die Erklärung, keine Ausweispapiere mitgebracht zu haben, dränge sich der Verdacht auf, dass durch diesen angeblichen Besitz an Personalpapieren versucht werde, Angaben über die wahre Identität oder aus möglichen Passeintragungen ersichtliche Ereignisse, die dem Sachvortrag widersprechen könnten, zu unterdrücken. Außerdem habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, die eritreische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Antragsteller äthiopischer Staatsangehöriger sei. Seine Muttersprache sei amharisch, Tigrinya spreche nicht, obwohl er angegeben habe, nach seinem Vater Tigrinya-Volkszugehöriger zu sein. Auch könne er, obwohl er die eritreische Staatsangehörigkeit beantragt haben wolle, keine eritreischen Personaldokumente vorliegen. Weshalb er stattdessen im Besitz des Ausweises seines Vaters sein wolle, sei unerklärlich. Hierbei handele es sich außerdem nach dem Ergebnis der physikalisch-technischen Untersuchung des BAMF vom 15. September 2016 um eine Totalfälschung. Der gefälschte Ausweis lasse die Zweifel an einer eritreischen Staatszugehörigkeit des Antragstellers erheblich steigen, da dies der einzige Nachweis des Antragstellers für eine eritreische Staatsangehörigkeit hätte sein können. Weiterhin habe der Antragsteller nicht erklären können, warum er die eritreische Staatsbürgerschaft beantragt haben wolle, wenn er selber nie in Eritrea gewesen sei und auch nicht vorgehabt habe, sich in Eritrea aufzuhalten. Hätte der Antragsteller wie vorgetragen tatsächlich jährlich die eritreische Staatsangehörigkeit verlängern müssen, so stelle sich die Frage, weshalb er dies nach den ersten Problemen wie dem Ausschluss aus dem College und der Verweigerung, ihn als Eigentümer einer Kfz-Werkstatt einzutragen, nicht einfach unterlassen habe, um so wieder die äthiopische Staatsangehörigkeit anzunehmen. Insgesamt erweise sich der Sachvortrag als unglaubwürdig und teilweise widersprüchlich. Aufgrund des eindeutig gefälschten Ausweises des angeblichen Vaters können nicht von der eritreischen Staatsangehörigkeit ausgegangen werden. Dem Antragsteller drohe daher bei einer Rückkehr keine Verfolgung durch den äthiopischen Staat, weil er selbst die äthiopische Staatsangehörigkeit besitze. Der Antrag des Antragstellers wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt, da der Antragsteller im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täusche oder diese Angaben verweigere, § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten, der am 17. Februar 2017 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ der Antragsteller Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben (AN 3 K 17.30833). Gleichzeitig beantragte er, die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
Der Antragsteller ließ nun vortragen, der Kläger sei zwar in … geboren. Sein Vater sei jedoch, wie der Antragsteller glaubhaft und widerspruchsfrei angegeben habe, eritreischer Staatsangehöriger gewesen. Von diesen habe der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit „geerbt“. Deshalb sei er auch mit seinem Vater und fünf Geschwistern nach Eritrea zurückgekehrt. Der Antragsteller bemühe sich um die Beibringung von Unterlagen, die seine eritreische Staatsangehörigkeit beweisen können. Eine Rückkehr des Antragstellers nach Äthiopien sei nicht möglich, weil er die äthiopische Staatsangehörigkeit nicht besitze. Eine Rückkehr des Antragstellers nach Eritrea würde zu einer Verfolgung wegen der Wehrdienstentziehung führen, die zu massiven Menschenrechtsverletzungen führe. Außerdem erfordere die Abweisung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, dass die Aussichtslosigkeit des Asylantrags schon „beim ersten Zusehen offen zutage trete“.
Die Beklagte hat bislang keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behörden-und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die (gemäß § 75 VwGO ausgeschlossene) aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 8. Februar 2017 anzuordnen, ist zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag hat keinen Erfolg, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG (1.).
Auch die in Ziffer 6 ausgesprochene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes begegnet bei summarischer Prüfung keinen ernstlichen rechtlichen Bedenken (2.).
1. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes daher auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Aus den Gründen des Bescheides muss sich dabei klar ergeben, weshalb das Bundesamt zu dem Ergebnis kommt, dass die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie auf Asylanerkennung nicht nur schlicht, sondern offensichtlich unbegründet sind. Ferner dürfen keine ernstlichen Zweifel daran bestehen, dass kein Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes besteht und nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (vgl. BVerfG, U.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris m.w.N.).
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an dem Offensichtlichkeitsurteil oder an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Übrigen bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung – insbesondere das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG a.a.O). Von einem Standhalten ist demnach auszugehen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Gemessen an diesen Erwägungen bestehen an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ent-scheidung keine ernstlichen Zweifel, auch nicht im Hinblick auf das ausgesprochene Offensichtlichkeitsurteil. Insoweit nimmt das Gericht vollumfänglich auf die Begründung des Bescheides mit den Hinweisen auf die zu den angesprochenen Themenkreisen ergangene Rechtsprechung Bezug, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die Ablehnung des auf die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz beschränkten Asylantrages wurde zu recht auf § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG gestützt, weil der Antragsteller ein nach dem Ergebnis der physikalisch-technischen Untersuchung offensichtlich gefälschtes Dokument im Verfahren vorlegte, um seine eritreische Staatsangehörigkeit nachzuweisen. Dieses Untersuchungsergebnis wird vom Antragsteller nicht angezweifelt.
Über sonstige Dokumente verfügt er angeblich nicht, obwohl er die eritreische Staatsangehörigkeit nach eigenen Angaben jährlich verlängern lassen musste.
Die Vorlage gefälschter Dokumente im Asylverfahren zum Nachweis der Identität des Antragstellers begründet ein subjektiv vorwerfbares Verhalten, das die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet rechtfertigt. Dem übrigen asyl- bzw. flüchtlingsschutzrelevanten Vorbringen des Antragstellers wird mit dem Nachweis der Fälschung des einzigen Personaldokuments völlig die Grundlage entzogen, da er sein Vorbringen allein auf die angeblich eritreische Staatangehörigkeit stützt. Dieses ist aber offensichtlich nicht geeignet, den geltend gemachten Anspruch zu tragen. Denn von ihm konkret drohenden Verfolgungshandlungen seitens staatlicher Stellen hat der Antragsteller nicht gesprochen. Vielmehr gab er an, nach seiner Haftentlassung ein Jahr lang seine Ausreise vorbereitet zu haben, ohne staatlichem Verfolgungsdruck ausgesetzt gewesen zu sein. Im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten lässt der Antragsteller erklären, er sei gemeinsam mit seinem Vater nach Eritrea ausgereist. Damit setzt er sich in Widerspruch zu seinem Vorbringen im behördlichen Verfahren, wo er angab, sein Leben lang in Äthiopien gelebt zu haben.
Eine Abschiebung nach Eritrea wird dem Antragsteller gerade nicht angedroht.
2. Auch der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheides, mit dem für den Antragsteller eine Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG von 36 Monaten ausgesprochen wurde, hat keinen Erfolg.
Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dieser Entscheidung unzutreffende Erwägungen zugrunde gelegt oder Belange des Antragstellers nicht ausreichend berücksichtigt wurden, zumal dieser sich hierzu nicht geäußert hat.
Außerdem berührt ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nach § 36 Abs. 3 Satz 11 AsylG nicht die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung. Den Betroffenen ist es nach dem Willen des Gesetzgebers also zumutbar, den Rechtsstreit zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Befristung nach § 11 Abs. 2 AufenthG vom Zielstaat der Abschiebung aus zu führen.
Auch tritt das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG nur im Falle einer Abschiebung und nicht bei einer freiwilligen Ausreise in Kraft.
Der Antrag war demnach abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz RVG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.