Aktenzeichen M 16 S 16.31362
Leitsatz
Ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis kann gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt. (redaktioneller Leitsatz)
Bei einer psychischen Erkrankung kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis auch (allein) wegen einer im Herkunftsland zu erwartenden Re-Traumatisierung aufgrund der Konfrontation mit den Ursachen des Traumas ergeben. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die in dem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtschutz gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.
Der Antragsteller ist albanischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben erstmals am 1. März 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am 25. August 2015 bei dem Bundesamt einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt gemäß § 25 AsylG am 27. November 2015 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, seit dem Tod seines Vaters im Jahre 2011 habe seine Mutter ihn mehrmals aus dem Haus geworfen, zuletzt am 15. Februar 2015. Er wisse keine Gründe dafür und er verstehe selber nicht, warum seine Mutter ihn nicht geliebt hätte. Als er fünf Jahre alt gewesen sei, sei er im Oktober von der Mutter mit Öl verbrannt worden. Die Narben könne man am Kopf jetzt noch sehen. Mit zehn Jahren sei er von der Mutter brutal geschlagen worden. Er habe viele Verletzungen dabei erlitten, auch seine Hand sei gebrochen worden. Die Mutter habe von ihm verlangt, dass er alleine den ganzen Haushalt und die gesamte Landwirtschaft besorge. Diese habe ca. 1 ha umfasst. Er sei ein guter Schüler gewesen, aber die Mutter habe nicht gewollt, dass er weiter zur Schule gehe. Seine Mutter habe ihm gedroht, es würde für ihn zu Hause keinen Platz mehr geben, wenn er sie bei der Polizei anzeige. In Albanien habe er nichts, lieber solle man ihn hier umbringen, als nach Albanien zurückschicken.
Im Folgenden legte der Antragsteller psychotherapeutische Stellungnahmen vor. Er befindet sich seit 13. Januar 2016 aufgrund fachärztlicher, jugendpsychiatrischer Empfehlung wegen posttraumatischer Belastungsreaktion, Anpassungsstörung und depressiver Krise in psychotherapeutischer Behandlung. Diagnostiziert wurde „Akute posttraumatische Belastungsreaktion (F43.BG) in Verbindung mit Depression (F32.OG) und Ängsten (F41.8G), Schlafstörung (F51.8G/F51.5G)“. Weiterhin wurde ein Untersuchungsbericht der Poliklinik und Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik Klinikum … … … vom 14. April 2016 vorgelegt. Diagnostiziert wurden „Mittelgradig depressive Episode (F32.1G); Teilsymptomatik einer Posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1G)“.
Mit Bescheid vom 2. Juni 2016, als Einschreiben am 2. Juni 2016 zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Nr. 2 des Bescheids) als auch den Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1 des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab. Ebenso wurde der Antrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes abgelehnt (Nr. 3 des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Nr. 4 des Bescheids). Der Antragsteller wurde zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht (Nr. 5 des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6 des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Nr. 7 des Bescheids).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29a Abs. 2 AsylG i. V. m. der Anlage II zum AsylG. Er habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat in seinem Falle die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung erfüllt seien. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Die nationalen Sicherheitskräfte gewährleisteten grundsätzlich ausreichenden Schutz vor Schäden, die von nichtstaatlichen Akteuren drohen könnten. Soweit der Antragsteller geltend mache, er habe wegen der Misshandlungen seiner Mutter das Herkunftsland verlassen und fürchte diese auch bei Rückkehr, sei er auf die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes und ggf. vorhandene Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftslands zu verweisen. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Es drohe dem Antragsteller auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Unter maßgeblicher Berücksichtigung der ärztlichen Stellungnahmen sei die Gefahr einer wesentlichen oder gar lebensbedrohlichen Gesundheitsverschlechterung alsbald nach Rückkehr in das Herkunftsland weder konkret geltend gemacht noch lägen Anhaltpunkte hierfür vor. Soweit als Krankheitsbild eine mittelgradige depressive Episode und die Teilsymptomatik einer PTBS diagnostiziert würden, entspreche die ärztliche Stellungnahme vom 14. April 2016 schon nicht den Mindestanforderungen, die an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen gestellt würden. Bezüglich der negierten Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland sei zunächst zu berücksichtigen, dass eine nicht zu erwartende Heilung einer Erkrankung im Zielland keine Verschlimmerung einer Erkrankung darstelle. Darüber hinaus sei der Antragsteller zudem bei weiterer Behandlungsnotwendigkeit auf die medizinische Versorgung im Herkunftsland zu verweisen. Auf die Gründe des Bescheids wird im Einzelnen Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Bevollmächtigten des Antragstellers am 13. Juni 2016 Klage mit den Anträgen, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2016, zugestellt am 7. Juni 2016, aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 bis 7 AufenthG vorliegen. Zudem beantragten sie,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, es sei in der Stellungnahme ausgeführt, dass eine Rückführung ins Heimatland sich negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken würde, insbesondere da eine psychiatrische Versorgung in Albanien nicht gewährleistet sei. Im Folgenden wurde eine ergänzende psychotherapeutische Stellungnahme der behandelnden Psychotherapeutin vom 15. Juni 2016 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 16.31361 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.
Der Antrag ist auch begründet, da ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43 ff.). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach – dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden – § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Im Hinblick auf die aktuelle Erkrankung des Antragstellers und eines damit möglicherweise vorliegenden (auch) zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidung. Es sprechen erhebliche Gründe dafür, dass die angefochtene Maßnahme jedenfalls in dem für diese Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.
Es liegen im Fall des Antragstellers aufgrund der vorgelegten psychotherapeutischen und fachärztlichen Berichte ernsthafte Hinweise darauf vor, dass bei ihm im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand die Voraussetzungen für ein (auch) zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen könnten. Eine eingehendere Aufklärung und Prüfung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Im Hinblick auf die möglicherweise gravierenden gesundheitlichen Folgen für den Antragsteller, die mit einer Rückkehr in sein Herkunftsland verbunden wären, ist seinem Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im streitgegenständlichen Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung der Vorrang einzuräumen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben (z. B. Reiseunfähigkeit), nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis kann gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d. h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 u.a – juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NRW, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56). Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710/94 – juris). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland (vgl. VG Arnsberg, B.v. 23.2.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 64 m. w. N.).
Zudem kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei einer psychischen Erkrankung auch (allein) wegen einer im Herkunftsland zu erwartenden Re-Traumatisierung aufgrund der Konfrontation mit den Ursachen des Traumas ergeben. In diesem Fall sind an sich im Zielstaat vorhandene Behandlungsmöglichkeiten unerheblich, wenn sie für den Betroffenen aus für ihn in der Erkrankung selbst liegenden Gründen, nämlich wegen der Gefahr der Re-Traumatisierung, nicht erfolgversprechend sind (vgl. OVG Lüneburg, U.v.12.9.2007 – 8 LB 210/05 – juris; vgl. auch OVG Lüneburg, U.v. 28.6.2011 – 8 LB 221/09 – juris Rn. 37).
Mit der ab dem 17. März 2016 geltenden gesetzlichen Regelung hat auch der Gesetzgeber klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Nach der Gesetzesbegründung könne die geforderte schwerwiegende Erkrankung in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden. In Fällen einer PTBS sei die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, die Abschiebung führe zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung (vgl. BT-Drs. 18/7538 S. 18).
Ein (ausländerrechtlicher) Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen (inlandsbezogener) rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ist hingegen unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche – außerhalb des Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn) (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14).
Demnach könnten hier nach dem derzeitigen Sachstand sowohl eine Reiseunfähigkeit (im weiteren Sinn) im Sinne eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses als auch ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot vorliegen.
Den vorgelegten Stellungnahmen lässt sich entnehmen, dass dem Antragsteller im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsland (auch) eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohen könnte. So wurde u. a. prognostiziert, dass die Rückkehr in die psychosozialen Lebensumstände seiner Heimat traumatisierenden Charakter hätte, die ohne weitere Behandlung in eine akute depressivsuizidale Krise führen würde (vgl. psychotherapeutische Stellungnahme vom 4. Februar 2016). Es sei eine unmittelbare zeitnahe psychotherapeutische Behandlung und Krisenintervention sowohl im Vorfeld einer möglichen unfreiwilligen Rückkehr als auch unmittelbar nach der Ankunft erforderlich (vgl. psychotherapeutische Stellungnahme vom 15. Juni 2016).
Eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands durch Re-Traumatisierung bzw. eine akute Suizidalität könnten demnach im Fall des Antragstellers nicht nur im Hinblick auf den Abbruch der Therapie und den Abschiebevorgang eintreten, sondern auch im Hinblick auf die Verhältnisse in Albanien, die der Antragsteller dort bei einer Rückkehr vorfinden würde. Es erscheint mehr als zweifelhaft, dass die erforderliche psychotherapeutische Behandlung und Krisenintervention in Albanien gewährleistet wäre bzw. der Antragsteller unmittelbaren Zugang dazu hätte. Damit läge jedenfalls auch ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis vor.
Aus dem aktuellen Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien (Stand: Mai 2015, vgl. S. 13) geht hervor, dass die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken (zwar) grundsätzlich kostenlos ist, die Patienten in der Praxis (jedoch) erhebliche Zuzahlungen leisten müssten. Die Situation in psychiatrischen Kliniken sei erschreckend. Einige gut ausgestattete Privatkliniken würden in den größeren Städten ihre Dienste anbieten; sie dürften jedoch für einen Großteil der Bevölkerung zu teuer sein. Soweit in dem streitgegenständlichen Bescheid im Hinblick auf vier Krankenhäuser, die psychologische Behandlungen anbieten würden, auf eine Auskunft an das Bundesamt vom 21. März 2014 Bezug genommen wird, wird darin auch ausgeführt, dass die Patientenzahl sehr groß sei und viele lange Zeit warten würden. In Bezug auf psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten ergeben sich aus diesen Erkenntnismitteln keinerlei Hinweise.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.