Verwaltungsrecht

Referatsleitung, Bundespatentgericht;, Aufgabenübertragung;, Betroffenheit in eigenen Rechten

Aktenzeichen  M 5 K 21.3056

Datum:
7.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 17909
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Verwaltungsstreitsache kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
Die Klage ist bereits unzulässig.
1. Die Klage ist unzulässig. Es fehlt der Klägerin an Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog (BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 A 6/13 – BVerwGE 153, 246, juris Rn. 15 m.w.N.; Bodanowitz in: Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Auflage 2020, § 4 Rn. 68). Denn der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz dient dem Schutz individueller Rechte und nicht einer abstrakten Rechtmäßigkeitskontrolle des Verwaltungshandelns.
a) Die Übertragung einer Zusatzfunktion wie im vorliegenden Fall ohne Zulagen oder unmittelbare Förderlichkeit für die Vergabe höher bewerteter Dienstposten ist aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzes mit der Konstellation einer Umsetzung (BVerwG, U.v. 22.5.1980 – 2 C 30.78 – BVerwGE 60, 144, juris Rn. 16 ff.) vergleichbar: Das Statusamt und das funktionelle Amt im abstrakten Sinn bleiben unberührt. Es wird neben dem Amt als Richterin/Richter am Bundespatentgericht zusätzlich die Funktion der Referatsleitung 3 zugewiesen. Damit wird der Aufgabenbereich der/des davon betroffenen Richterin/Richters zum Teil verändert, indem die Referatsleitung übertragen wird. Das stellt einen Akt der innerbehördlichen Organisation dar (BVerwG, U.v. 22.5.1980 – 2 C 30.78 – BVerwGE 60, 144, juris Rn. 18). Dieser erfolgt allein im öffentlichen Interesse an einer möglichst optimalen Aufgabenerfüllung und Stellenbesetzung (BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 A 6/13 – BVerwGE 153, 246, juris Rn. 18)
b) Bei der Auswahlentscheidung zur Vergabe der Zusatzfunktion Referatsleitung 3 war die Beklagte nicht an das in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz/GG verankerte Leistungsprinzip gebunden. Denn damit ist weder ein höherwertiges Amt oder eine Vorwegnahme einer Entscheidung über ein höherwertiges Amt verbunden. Nach den vorgelegten Akten und den entsprechenden Organisationsübersichten ist die Leitung des Referats 3 nicht mit einer entsprechenden höherwertigen Ämtereinstufung bzw. einer entsprechenden Vorentscheidung verbunden (anders OVG Bremen, B.v. 12.10.2009 – 2 B 77/09 – ZBR 2010, 49, juris Rn. 14: Die Übertragung einer „Zusatzfunktion“ stellte tatsächlich die Übertragung eines höherwertigen Amtes dar).
Eine Bindung an das Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG) folgt auch nicht aus den konkreten Umständen des Einzelfalls (BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 A 6/13 – BVerwGE 153, 246, juris Rn. 21 f.). Denn im „Aufruf zur Interessenbekundung“ vom September 2020 ist kein Anhalt dafür enthalten, dass es sich bei der Referatsleitung 3 um ein höherwertiges Amt oder eine solche Entscheidung vorwegnehmende Funktion handeln könnte. Zudem ist aus den Organisationsübersichten – die von auch den Gerichtsangehörigen ohne weiteres einsehbar sind – zu entnehmen, dass es sich dabei um eine Zusatzfunktion ohne Verleihung oder Vorwirkung für die Vergabe eines höherwertigen Amtes handelt. Auch aus dem Vermerk vom … Oktober 2020, in dem inhaltlich über die Vergabe der Referatsleitung entschieden wurde, folgt keine (strikte) Bindung an das Leistungsprinzip. Dort ist nach Darstellung des beruflichen Werdegangs der Beigeladenen wie der Klägerin dargestellt, dass der Beigeladenen aufgrund der besseren juristischen Qualifikation die Referatsleitung übertragen werden soll. Soweit die Klagepartei in ihrem Schriftsatz vom … April 2022 darauf verweist, dass eine Auseinandersetzung mit den dienstlichen Beurteilungen der Bewerberinnen nicht stattgefunden habe, so ist das nicht erforderlich. Das unterstreicht, dass das (strikte) Leistungsprinzip vorliegend nicht angewendet wurde. Das zeigt sich auch daran, dass als weiterer Grund für die Entscheidung angegeben ist, dass eine Zusammenarbeit der Gerichtsleitung mit der Klägerin nicht für möglich gehalten werde.
Daran ändert nichts, dass durch die Übertragung einer Referatsleitung die Chance erhöht werden kann, sich erfolgreich auf ein höherwertiges Amt innerhalb des Bundespatentgerichts bewerben zu können. Denn mit einer solchen Funktion zeigt eine Richterin/ein Richter ein zusätzliches Engagement und kann Erfahrung in Verwaltungstätigkeit erlangen. Das ist aber nicht zwingend oder in jedem Fall wesentlich für die Vergabe eines höherwertigen Postens. Die Leistungsfähigkeit einer/s Beamtin/en oder hier einer Richterin/eines Richters kann sich auf vielfältige Art und Weise zeigen und nicht nur in der Übernahme einer Referatsleitung. Solche zusätzlichen Tätigkeiten bzw. ein über den eigentlichen Arbeitsbereich hinausgreifendes Engagement können auch mit anderen Funktionen, etwa der Abordnung an andere Behörden oder Gerichte, auch mit wissenschaftlichen Tätigkeiten oder auch mit besonderem Engagement in der Fortbildung gezeigt bzw. belegt werden.
c) Beim Rechtsschutz gegen eine Umsetzung wird die Ermessensausübung grundsätzlich gerichtlich nur darauf überprüft, ob sie durch einen Ermessensmissbrauch geprägt ist (BVerwG, U.v. 28.2.2008 – 2 A 1.07 – NVwZ-RR 2008, 547, juris Rn. 25; U.v. 22.5.1980 – 2 C 30.78 – BVerwGE 60, 144, juris Rn. 24 ff.). Bei einer Klage, mit der die Übertragung eines bestimmten Dienstpostens im Rahmen der Umsetzung erstrebt wird, ist ebenfalls nur eine Willkürkontrolle im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmen (BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 A 6/13 – BVerwGE 153, 246, juris Rn. 25 f.). Das gilt auch für den vorliegenden Fall einer erstrebten Übertragung einer zusätzlichen Referatsleitung. Für eine Willkürlichkeit der Entscheidung, die sachlich begründet ist, ist nichts ersichtlich.
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Argumentation der Klägerin gegenüber der früheren Präsidentin des Gerichts, sie sei bei der Erstellung der Beurteilung gegenüber der Klägerin voreingenommen (siehe hierzu: VG München, B.v. 18.5.2020 – M 5 E 20.468 – Rn. 8, 49 ff.; B.v. 13.8.2021 – M 5 E 21.1475 – Rn. 8, 48 ff.; BayVGH, B.v. 2.9.2020 – 6 CE 20.1351 – juris Rn. 27 ff.; Klageschriftsatz vom 3.2.2021 im Verfahren M 5 K 21.600) als Hinweis dafür genommen wird, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Gerichtsleitung nicht möglich sei. Die Referatsleitung ist in der Hierarchie der Gerichtsverwaltung nach der/m Präsidentin/en bzw. der/m Vizepräsidenten angesiedelt. Das bedingt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Referatsleitung mit der Gerichtsleitung. Steht der – sich als unberechtigt erwiesene – Vorwurf im Raum, die/der Präsident/in sei einer Richterin, die sich als Referatsleiterin beworben habe, bei deren Beurteilung voreingenommen, so ist es mit Blick auf den rechtlichen Maßstab des Willkürverbots nicht zu beanstanden, wenn dieser Umstand als Anhaltspunkt dafür genommen wird, dass das persönliche Verhältnis zwischen Präsidentin und Richterin belastet ist. Denn eine Voreingenommenheit bei der Erstellung einer Beurteilung setzt voraus, dass der Beurteiler weder willens noch in der Lage ist, eine zu beurteilende Person sachgerecht zu beurteilen. Das ist Ausdruck einer massiven Störung des Verhältnisses zwischen Beurteilerin und Beurteilter. Dem steht nicht entgegen, dass die Gerichtspräsidentin mittlerweile eine andere Person ist. Denn bei der Entscheidung über die Übertragung der Referatsleitung sind aufgrund der dargestellten sachlichen Nähe zur Umsetzung die Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung der Übertragung der Referatsleitung (15. Oktober 2020) maßgeblich (BayVGH, B.v. 21.2.2022 – 3 CE 22.44 – juris Rn. 6; B.v. 18.12.2019 – 3 CE 19.1884 – juris Rn. 15; U.v. 3.5.2016 – 3 B 13.1069 – juris Rn. 69 – Versetzung).
Eine Verletzung der Fürsorgepflicht bei der streitgegenständlichen Organisationsentscheidung ist nicht ersichtlich (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 A 6/13 – BVerwGE 153, 246, juris Rn. 26). Für ein besonders hohes Gewicht der Belange der Klägerin unter dem Blickwinkel der Fürsorgepflicht, dass diese in besonders herausragender Weise für die Referatsleitung 3 geeignet sei, so dass sich deren Nichtberücksichtigung als willkürlich darstellen würde, ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Dagegen spricht bereits der gerade erörterte Gesichtspunkt einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.
d) Der Klägerin steht bei der Prüfung der Organisationsentscheidung auch kein (allgemeiner) Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) zu. Denn es fehlt an einer subjektiven Rechtsposition im Rahmen einer umsetzungsähnlichen Organisationsentscheidung. Es liegt hier gerade nicht der Fall einer Besetzungsentscheidung im Rahmen der Entscheidung über eine Versetzungsbewerbung vor (hierzu: BayVGH, U.v. 11.11.2020 – 3 BV 19.1619 – BeckRS 2020, 32732 Rn. 21 – Einräumung eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensentscheidung in den einschlägigen Besetzungsrichtlinien).
e) Auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig. Die Feststellungsklage ist gegenüber der Leistungsklage gegen die Absage der Übertragung der Referatsleitung 3 an die Klägerin subsidiär (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Die im Rahmen der Feststellungsklage beantragte Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses ist bereits im Rahmen der Leistungsklage gegen die Absage zu klären. Die Klärung der Frage, ob sich ein bei der Übertragung der Referatsleitung innerhalb eines Gerichts nicht zum Zuge gekommene/r Richter/in gegen die entsprechende Ablehnung zulässigerweise rechtlich zur Wehr setzen kann (das ist wohl mit dem unscharfen Begriff „rechtsmittelfähig ist“) und unter Berücksichtigung von Eignung, Leistung und fachlicher Befähigung zu erfolgen hat, erfolgt bereits in der Klage hinsichtlich der Absage.
2. Der Klägerin sind als unterlegene Beteiligte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Da die Beigeladene weder einen Antrag gestellt noch sonst das Verfahren wesentlich gefördert hat ist es sachgerecht, dass sie ihre außergerichtlichen Auslagen selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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