Verwaltungsrecht

Staatliche Anerkennung einer Ersatzschule für Rettungsassistenten

Aktenzeichen  M 3 K 14.4307

Datum:
19.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG BayEUG Art. 90 S. 2, Art. 92, Art. 100
VwVfG VwVfG Art. 24
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Die Verpflichtungsklage auf staatliche Anerkennung einer Ersatzschule – Berufsfachschule für Rettungsassistenten – erledigt sich, wenn infolge einer Gesetzesänderung diese Ausbildung nicht mehr erfolgen kann. Ein Feststellungsinteresse für eine Umstellung zur Fortsetzungsfeststellungsklage ergibt sich, wenn die Feststellung für einen neuen Antrag auf staatliche Anerkennung für die gesetzlich geänderte Ausbildung – nummehr zum Rettungssanitäter – Berücksichtigung findet. (redaktioneller Leitsatz)
Die staatliche Anerkennung einer Ersatzschule (Art. 100 BayEUG) setzt voraus, dass sie auf Dauer im Unterrichtserfolg die Anforderungen an öffentliche Schulen erfüllt. Dies ist nach der Verwaltungspraxis erfüllt, wenn zwei Drittel der Schüler in zwei aufeinanderfolgenden Prüfungsjahrgängen die Prüfung erfolgreich absolviert haben.  (redaktioneller Leitsatz)
Es ist Sache der Schulaufsicht, die entsprechenden Zahlen der Prüfungsjahrgänge zu ermitteln, zumal wenn sie an den Prüfungen beteiligt ist.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 14.08.2014 rechtswidrig gewesen ist und der Klägerin auf ihren Antrag vom 21.01.2014 die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Ersatzschule, Berufsfachschule für Rettungsassistenten ab dem Schuljahr 2014/2015 zu verleihen gewesen wäre.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Die Klage ist zulässig.
1.1 Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist hier statthafte Klageart gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ist nach ganz herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung auf erledigte Verpflichtungsbegehren anwendbar (u. a. BVerwG U. v. 04.12.2014 – 4C 33/13 -; BeckOK VwGO/Psser/Wolff § 113, Rn. 97).
Nachdem sich der begehrte Verwaltungsakt durch Rechtsänderung nach Klageerhebung erledigte, stellte die Klägerin ihren ursprünglichen Verpflichtungsantrag auf staatliche Anerkennung ihrer Schule vom 19.09.2014 in der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2016 um auf Feststellung, dass der Ablehnungsbescheid rechtswidrig gewesen sei und die staatliche Anerkennung ihrer Ersatzschule entsprechend ihres Antrags vom 21.01.2014 hätte erfolgen müssen.
Das Begehren der Klägerin auf staatliche Anerkennung gemäß Art. 100 BayEUG der „Berufsfachschule für Rettungssanitäter“ der Klägerin hatte sich jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erledigt, da mangels gesetzlicher Grundlage ab dem Schuljahr 2015/2016 keine Ausbildung mehr nach dem Rettungsassistentengesetz stattfinden konnte.
Aufgrund der Übergangsregelung des § 32 Abs. 1 NotSanG konnten letztmalig die Schülerinnen und Schüler des Schuljahres 2014/2015 Ausbildungen zur Rettungsassistentin und zum Rettungsassistenten nach den Vorschriften des RettAssG abschließen. Die von der Klägerin an ihrer Schule angebotene Ausbildung richtete sich nach den Vorgaben des RettAssG und war auch als solche von der Regierung von Oberbayern mittels Bescheid vom 27.07.2011 nach Art. 92 BayEUG staatlich genehmigt. Die schulaufsichtliche Genehmigung bezog sich ausschließlich auf die Ausbildung von Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten, so dass auch nur diesbezüglich eine staatliche Anerkennung denkbar gewesen wäre. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 31.05.2016 war das ursprüngliche Verpflichtungsbegehren auf staatliche Anerkennung der bereits nicht mehr existenten Schule nicht mehr realisierbar und hatte sich somit erledigt.
1.2 Die Klägerin hat auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Da das Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, ein gegenstandslos gewordenes Klagebegehren auf seine ursprüngliche Berechtigung hin zu überprüfen, kann die Klägerin nur bei Vorliegen eines besonderen Interesses eine Sachentscheidung beanspruchen. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass für die Anwendung des § 113 S. 4 VwGO jedes nach vernünftigen Erwägungen schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art genügt (BVerwG, B. v. 24.10.2006 – 6 B 61/06).
Dabei kann offen bleiben, ob die von der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerte Absicht, gegen den Beklagten einen Amtshaftungsprozess führen zu wollen, für die Begründung des Feststellungsinteresses genügt. Ein schutzwürdiges Interesse an der beantragten Feststellung besteht jedenfalls deshalb, weil der Klägerin nach eigenem Vortrag nur im Fall der beantragten Feststellung die Fortführung der Schule als Schule für Notfallsanitäter überhaupt tatsächlich möglich ist; wenn ihrer Schule vor der Erledigung die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Ersatzschule hätte verliehen werden müssen, fände für eine etwaige beabsichtigte erneute Beantragung einer Ersatzschule für Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen, in diesem Verfahren auch diese Feststellung Berücksichtigung.
Das hier zulässige Fortsetzungsfeststellungsbegehren scheitert auch nicht daran, dass der aktuelle Streitgegenstand nicht vom bisherigen Antrag umfasst gewesen sei. Anders als in dem von der Beklagten aufgeführten Urteil des VG Ansbach vom 08.10.2015 – AN 2 K 14.00998 – hat die Klägerin ihr zunächst beantragtes Verpflichtungsbegehren auf Feststellung umgestellt, dass ihr im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses ein Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt – die staatliche Anerkennung – zugestanden habe. Dieser Antrag ist aufgrund der Erledigung des Verpflichtungsbegehrens vom ursprünglichen Verpflichtungsantrag mitumfasst.
2. Die Klage ist begründet.
Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 14.08.2014 war rechtswidrig wodurch die Klägerin in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt wurde (§ 113 Abs. 1 VwGO); der Klägerin stand im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses ein Anspruch auf Anerkennung als staatlich anerkannte Ersatzschule für Rettungssanitäter gemäß Art. 100 BayEUG zu.
Eine Fortsetzungsfeststellungsklage bezüglich eines erledigten Verpflichtungsbegehren ist gemäß einer entsprechenden Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO begründet, wenn die Versagung des begehrten Verwaltungsakts im Zeitpunkt unmittelbar vor dem erledigenden Ereignis rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte, weil er in diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts hatte (vgl. BVerwG, Urteil vom 04. Dezember 2014 – 4 C 33/13 -, BVerwGE 151, 36-44 (Rn. 21); Kopp/Schenke, 19. Auflage, § 113 Rn. 109; BeckOK VwGO/Posser/Wolff, 37.Edition, Stand: 01.04.2016 VwGO § 113 Rn. 98 ff.).
Rechtsgrundlage für die Verleihung der Eigenschaft einer staatlich anerkannten Ersatzschule ist Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), das zuletzt durch Art. 9a Abs. 18 des Gesetzes vom 22. Dezember 2015 (GVBl. S. 458) geändert worden ist.
Nach dieser Vorschrift wird einer Ersatzschule, die die Gewähr dafür bietet, dass sie dauernd die an gleichartige oder verwandte öffentliche Schulen gestellten Anforderungen erfüllt, vom zuständigen Staatsministerium auf Antrag die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Ersatzschule verliehen. Voraussetzung für die staatliche Anerkennung ist damit, dass die Schule dauernd die Gewähr dafür bieten muss, dass die von ihr erstellten Zeugnisse nur solche Leistungen und Befähigungen der Schüler bescheinigen, wie sie auch an öffentlichen Schulen bei entsprechenden Zeugnissen vorausgesetzt werden. Diesem Zweck dient die Verpflichtung nach Art. 100 Abs. 2 Satz 1 BayEUG, im Rahmen des Art. 90 bei der Aufnahme, beim Vorrücken und beim Schulwechsel von Schülerinnen und Schülern sowie bei der Abhaltung von Prüfungen die für öffentliche Schulen geltenden Regelungen anzuwenden. Nach Art. 90 Satz 2 BayEUG sind private Schulen im Rahmen der Gesetze frei in der Entscheidung über eine besondere pädagogische, religiöse oder weltanschauliche Prägung, über Lehr – und Erziehungsmethoden, über Lehrstoff und Formen der Unterrichtsorganisation; daher darf die Verleihung der staatlichen Anerkennung nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 BayEUG nur von solchen Anforderungen abhängig gemacht werden, die zur Erreichung des Gesetzeszwecks der Sicherstellung der Vergleichbarkeit der Zeugnisse geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung des Grundrechts der Privatschulfreiheit verhältnismäßig sind, also den der Sache nach gebotenen Umfang nicht überschreiten (vgl. Bay. Verfassungsgerichtshof, E. v. 17.03.2004 – Vf. 11-VII-02 – Rn. 32). Bei der Prüfung der Anerkennungsfähigkeit einer genehmigten Ersatzschule nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 BayEUG kommt es somit entscheidend und in erster Linie darauf an, ob die Schule in ihren Leistungen, also in Bezug auf den Unterrichtserfolg, auf Dauer die Anforderungen an öffentliche Schulen erfüllt.
Diese Voraussetzung hatte die Klägerin im Zeitpunkt des Ergehens des streitgegenständlichen Bescheids vom 14.08.2014 tatsächlich erfüllt. Denn nach den Ergebnissen der staatlichen Abschlussprüfungen der Schuljahre 2012/2013 und 2013/2014 hatten jeweils mehr als Zwei Drittel der zum Stichtag 20.10. des jeweiligen Schuljahresbeginns angemeldeten Schülerinnen und Schüler (2012/2013: 20 Teilnehmer, davon 19 erfolgreich; 2013/2014: 18 Teilnehmer, davon 14 erfolgreich) die Abschlussprüfung bestanden. Die Klägerin hat damit ihre Schülerinnen und Schüler – wie vom Beklagten in seinen Prüfungskriterien gefordert – „mit entsprechendem Erfolg zur Abschlussprüfung geführt“.
Nach der vom Beklagten entwickelten Anerkennungspraxis, wonach mindestens Zwei Drittel der Schüler des Jahrgangs der Abschlussprüfung in zwei aufeinanderfolgenden Prüfungsjahrgängen die Prüfung erfolgreich bestanden haben müssen, lagen die Voraussetzungen für eine staatliche Anerkennung im Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 14.08.2014 vor. Auf die Frage, ob die vom Beklagten aufgestellte Stichtagsregelung – vorliegend der 20.10. zu Beginn des jeweiligen Schuljahres – mit Art. 100 BayEUG vereinbar ist, kommt er hier somit gar nicht an (zu dieser bislang nicht beanstandeten Anerkennungspraxis s. BayVGH, B. v. 24.05.2013 – 7 ZB 12.2733 in einem obiter dictum; VG Regensburg, B. v. 20.11.2014 – RO 2 E 14.1750; VG Ansbach, B. v. 09.09.2014 – AN 2 E 14.00997).
Der Einwand des Beklagten, ihm hätten zum Bescheidszeitpunkt die Zahlen des Prüfungsdurchgangs 2014 nicht vorgelegen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Zahlen lagen dem Beklagten am 28.07.2014 vor, da die Notenkonferenz unter Vorsitz der Regierung von Oberbayern als aufsichtsführende Behörde durchgeführt wurde; unabhängig davon hätte der Beklagte im Rahmen des Art. 24 BayVwVfG das Ergebnis des aktuellen Jahrgangs anfordern können. Art. 24 BayVwVfG normiert den Grundsatz der Amtsermittlung bei der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes. Das Verwaltungsverfahren ist damit vom Untersuchungsgrundsatz geprägt. Es ist grundsätzlich Aufgabe der Behörde, alle relevanten Umstände, die sie ihrer Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen hat, selbst festzustellen.
Die in Art. 26 Abs. 2 S. 1 BayVwVfG normierte Mitwirkungspflicht der Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts wurde nicht verletzt. Der Beklagte hatte nicht um Übersendung weiterer Unterlagen gebeten. Des Weiteren konnte die Klägerin aufgrund des Beiseins der Regierung von Oberbayern an der Notenkonferenz davon ausgehen, dass die aktuellen Prüfungsergebnisse der Entscheidung über ihren Antrag zugrunde gelegt würden.
Schließlich besteht der Anspruch nach Art. 100 BayEUG auch im Zeitpunkt unmittelbar vor dem erledigenden Ereignis. Dabei kann offen bleiben, ob die Erledigung bereits mit Beginn des letztmöglichen Ausbildungsjahres eingetreten ist, oder erst mit dessen Ende. Selbst wenn man das Schuljahresende 2014/2015 als Zeitpunkt der Erledigung zugrunde legen würde, wäre der Anspruch begründet. Aus den von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine Gesichtspunkte, die dem Anspruch auf Anerkennung entgegenstehen könnten. Etwaige im Zuge der bevorstehenden Einstellung des Schulbetriebs vorgenommene organisatorische Maßnahmen können nicht die Zuverlässigkeit der Klägerin für die Durchführung eines geordneten Schulbetriebs in Frage stellen; im Übrigen wurden die Prüfungszeugnisse an die Schülerinnen und Schüler weitergeleitet und auch die Wiederholungsprüfungen abgehalten und somit die schulrechtlichen Anforderungen der Beklagten erfüllt. Die in dem vorgelegten E-Mail-Verkehr enthaltenen Ermahnungen des Beklagten an die Klägerin, die Verwaltung der Schule für die Resttätigkeiten des Schuljahres 2014/2015 sicherzustellen, lassen sich daher nicht als schulaufsichtliche Beanstandungen einordnen, die im Rahmen des Art. 100 BayEUG zu berücksichtigen wären.
Aus den dargelegten Gründen ist der Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO statt zu geben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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