Aktenzeichen 9 CS 16.2331
Leitsatz
1. Kann ein Tierhalter eine der Art und den Bedürfnissen der von ihm gehaltenen Tiere entsprechende angemessene Pflege nicht sicherstellen, können ihm die Tiere weggenommen und anderweitig untergebracht werden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Benennt ein Tierhalter, der zeitweilig nicht in der Lage ist, sich um seine Tiere zu kümmern, der Behörde dritte Personen, die dies sachgerecht erledigen könnten, reicht es nicht aus, lediglich den Namen und die Anschrift einer Person zu nennen, an die die Tiere zu übergeben seien. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 4 S 16.1468 2016-11-07 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat sich im erstinstanzlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. August 2016 gewandt, mit dem u.a. die bereits am 17. November 2015 vollzogene Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung von 14 Ziervögeln bestätigt wurde. Die Antragsgegnerin hatte die Fortnahme der Vögel zunächst mit für sofort vollziehbar erklärter Anordnung vom 24. November 2015 bestätigt, erließ aber nach Hinweis des Verwaltungsgerichts, das die Zustellung des Bescheids für unwirksam erachtete, den gegenständlichen Bescheid.
Das Verwaltungsgericht hat in Nr. I des Tenors des Beschlusses vom 7. November 2016 festgestellt, dass die Klage der Antragstellerin gegen den in Nr. 3 des Bescheids vom 18. August 2016 angeordneten Verkauf der Ziervögel aufschiebende Wirkung hat und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Soweit der Antrag Erfolg hatte, wurde der Antragstellerin Prozesskostenhilfe gewährt, im Übrigen wurde das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgelehnt (Nr. IV des Tenors des Beschlusses vom 7. November 2016).
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin „gegen den Beschluss vom 7.11.2016“ ist dahin auszulegen, dass sich die Antragstellerin gegen die teilweise Ablehnung ihres Prozesskostenhilfegesuchs durch das Verwaltungsgericht wendet (Nr. IV des Tenors des Beschlusses vom 7. November 2016). Wird die Beschwerde demgegenüber dahin ausgelegt, dass sie sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts in Nr. I des Tenors richtet, ist sie mangels Antragstellung durch einen Prozessbevollmächtigten unzulässig (§ 146, § 147 Abs. 1 Satz 2, § 67 Abs. 4 und Abs. 2 Satz 1 VwGO).
Die gegen die teilweise Ablehnung des Prozesskostenhilfegesuchs gerichtete Beschwerde ist unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Hinsichtlich der Nr. 6 des Bescheids vom 18. August 2016 (Tierhaltungsverbot) kommt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin nicht in Betracht, weil die sofortige Vollziehung insoweit nicht angeordnet wurde. Gleiches gilt für die feststellende Verfügung in Nr. 5 des Bescheids, wonach die Antragstellerin die Kosten für die pflegliche Unterbringung der Vögel zu tragen hat; Kosten wurden insoweit mit dem angefochtenen Bescheid nicht angefordert.
2. Die Bestätigung der am 17. November 2015 erfolgten Fortnahme der Vögel der Antragstellerin durch Nr. 1 des Bescheids vom 18. August 2016 sowie die Anordnung der anderweitigen Unterbringung dieser Vögel sind offensichtlich rechtmäßig (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG).
Die seit Oktober 2015 inhaftierte Antragstellerin konnte und kann nicht sicherstellen, dass die fortgenommenen und anderweitig untergebrachten Vögel ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend angemessen gepflegt werden (§ 2 Nr. 1 TierSchG). Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Krankheitszustands der fortgenommenen Vögel durch die Amtstierärztin des Landratsamts Landshut und den entsprechenden Befundberichten der Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Zierfische der Tierärztlichen Fakultät der LMU München. Seit der Fortnahme der Vögel sind keine Umstände eingetreten, die annehmen lassen können, dass eine den Anforderungen des § 2 TierschG entsprechende Pflege der Vögel durch die Antragstellerin oder auf deren Veranlassung dauerhaft sichergestellt ist. Die Behauptung der Antragstellerin, dass am 26. Oktober 2015 anlässlich des Vor-Ort-Termins keine Krankheitsanzeichen festgestellt worden seien, verhilft ihrer Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil die Tiere ausweislich der o.g. Feststellungen und Befundberichte jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Fortnahme im November 2015 deutliche Krankheitsanzeichen aufwiesen. Der weitere Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, ihre Vögel seien im Januar 2016 noch in der Wohnung gewesen, trifft nach Darstellung der Antragsgegnerin zwar teilweise zu. Danach seien am 17. November 2015 nur 8 Vögel (2 Amazonen, 4 Wellensittiche, 2 Prachtrosellas; vgl. auch Bescheidsbegründung Nr. 2.a) fortgenommen worden, bei denen eine tiermedizinische Hilfe dringend geboten gewesen sei. Weitere 6 Vögel (2 Kanarienvögel, 2 Amazonen, 2 sog. „Unzertrennliche“) seien bis Januar 2016 in der Obhut der Schwester der Antragstellerin verblieben, die diese aber an eine Privatperson weitergegeben habe. Hinsichtlich dieser 6 Vögel mag die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids deshalb ggf. ins Leere gehen. Eine der Antragstellerin günstigere Bewertung der Erfolgsaussichten ihres Antrags hinsichtlich der 8 Vögel, die nach Darlegung der Antragsgegnerin fortgenommen und anderweitig untergebracht wurden, folgt daraus aber nicht.
3. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der in Nr. 2 des Bescheids vom 18. August 2016 verfügten Aufrechterhaltung der anderweitigen pfleglichen Unterbringung der Vögel, bis die Antragstellerin eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung sicherstellen kann, hat aus den zuvor genannten Gründen keinen Erfolg.
4. Die in Nr. 2 des Bescheids vom 18. August 2016 verfügte zeitliche Beschränkung der anderweitigen pfleglichen Unterbringung bis längstens zum 2. September 2016 steht in Zusammenhang mit der Verfügung in Nr. 3 des Bescheids vom 18. August 2016, wonach die Vögel veräußert werden, wenn die Antragstellerin bis zum 2. September 2016 keine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung sicherstellen kann. Hierzu hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Klage der Antragstellerin gegen Nr. 3 des Bescheids vom 18. August 2016 aufschiebende Wirkung hat und der Antragstellerin insoweit auch Prozesskostenhilfe gewährt.
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht davon abgesehen, die faktisch bereits vollzogene Vermittlung der Vögel an Dritte nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO durch Anordnung der Aufhebung der Vollziehung rückgängig zu machen (vgl. zum gleichgerichteten Begehren der Antragstellerin, die Wegnahme und den Verkauf der Vögel rückgängig zu machen auch die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.12.2016 – 9 C 16.2016 und 9 CE 16.2015). Bei seiner Bewertung stellt das Verwaltungsgericht ohne Rechtsfehler darauf ab, dass die im Bescheid vom 18. August 2016 verfügte Veräußerung der Vögel nach summarischer Prüfung den Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG entspricht und darüber hinaus auch nicht abzusehen ist, wann die Antragstellerin wieder in der Lage ist, sich selbst um die Tiere zu kümmern. Dass dritte Personen dies sachgerecht erledigen könnten, sei nicht ersichtlich. Auch diese Bewertung ist nicht zu beanstanden. Insoweit reicht es nicht aus, dass die Antragstellerin den Namen und die Anschrift einer Person nennt, an die die Tiere sofort zu übergeben seien (vgl. Klageschrift im Hauptsacheverfahren RN 4 K 16.1459 vom 6.9.2016).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen im Fall der Zurückweisung der Beschwerde kostenpflichtig (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 9 C 16.96 – juris Rn. 8). Kosten werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO).
Eine Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ist nicht erforderlich, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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