Verwaltungsrecht

Übernahme der Beförderungskosten im Rahmen eines schulischen Modellversuchs

Aktenzeichen  7 BV 17.712

Datum:
6.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2018, 452
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG Art. 16 Abs. 1
BayEUG Art. 81
SchBefV § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

Auch eine im Rahmen eines Schulversuchs gemäß Art. 81 BayEUG eingerichtete, eigenständige Ausbildungsrichtung (hier: Gesundheit) ist schon während ihrer Erprobungsphase eine Ausbildungsrichtung im Sinne von Art. 16 Abs. 1 BayEUG und § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV, die eine Übernahme der Beförderungskosten gebietet. (Rn. 14)

Verfahrensgang

AN 2 K 16.58 2017-02-23 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und den beklagten Landkreis verpflichtet, die der Klägerin im Schuljahr 2014/2015 für den Schulweg ihrer Tochter entstandenen Beförderungskosten zu erstatten. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab (§ 130b Satz 2 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
Die Klägerin hat – und dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – im Grundsatz Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten für den Schulweg ihrer Tochter zur nächstgelegenen Schule; insoweit besteht eine Beförderungspflicht des Beklagten, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung – SchBefV i.d.F. d. Bek. v. 8.9.1994, zuletzt geändert am 14.6.2017). Nächstgelegene Schule ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Das ist im Fall der Tochter der Klägerin die Fachoberschule in N* …, weil nur diese und nicht die Fachoberschule in F* … die von ihr gewählte Ausbildungsrichtung Gesundheit bereits im Schuljahr 2014/2015 tatsächlich angeboten hat und noch heute anbietet.
Die Auffassung des Beklagten und des Vertreters des öffentlichen Interesses (Landesanwaltschaft Bayern), die Klägerin sei insoweit auf die Schule in F* … als nächstgelegene Schule zu verweisen, weil es – zunächst – an einer gesetzlichen Regelung im Hinblick auf die Ausbildungsrichtung Gesundheit gefehlt habe und mit einer diesbezüglichen Kostenübernahme unabsehbare Kosten zu Lasten des beklagten Landkreises verbunden seien, verfängt nicht. Ersteres trifft schon deshalb nicht zu, weil Art. 16 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) und § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV den Begriff „Ausbildungsrichtung“ ersichtlich synonym verwenden: So heißt es in Art. 16 Abs. 1 BayEUG, (an Fach- und Berufsoberschulen) „können folgende Ausbildungsrichtungen eingerichtet werden“, die unter Nrn. 1 ff. enumerativ aufgezählt sind. Zu einer Schule mit einer solchen – eigenen – Ausbildungsrichtung besteht indes gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV Beförderungspflicht. Dass die Ausbildungsrichtung Gesundheit im Schuljahr 2014/2015 noch nicht namentlich erwähnt war, ist allein dem Umstand geschuldet, dass diese Richtung zunächst im Rahmen eines Schulversuchs gemäß Art. 81 BayEUG, der der Weiterentwicklung des Schulwesens dient und den Zweck hat, neue Organisationsformen für Unterrichtung und Erziehung einschließlich neuer Schularten und wesentliche inhaltliche Änderungen zu erproben, eingerichtet wurde. Gleichwohl ist auch eine im Rahmen eines Schulversuchs gemäß Art. 81 BayEUG eingerichtete, eigenständige Ausbildungsrichtung (hier: Gesundheit) schon während ihrer Erprobungsphase eine Ausbildungsrichtung im Sinne von Art. 16 Abs. 1 BayEUG und § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV, die eine Übernahme der Beförderungskosten gebietet. Dass es sich um eine eigene Ausbildungsrichtung handelt, geht auch eindeutig aus der Amtlichen Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterrichtung und Kultus (vom 20.3.2013, geändert d. Bek. v. 27.4.2015 – KWMBl S. 83) betreffend den Schulversuch zur Erprobung der Ausbildungsrichtungen „Gesundheit“ und „Internationale Wirtschaft“ an öffentlichen Fachoberschulen und öffentlichen Berufsoberschulen hervor. In der Amtlichen Bekanntmachung heißt es, mit dem Schulversuch solle erprobt werden, ob und mit welchem Erfolg es möglich ist, Schülerinnen und Schüler der Fachoberschule und Berufsoberschule in den neuen Ausbildungsrichtungen „Gesundheit“ und „Internationale Wirtschaft“ möglichst passend auf ein künftiges Hochschulstudium und eine Berufstätigkeit insbesondere in den Bereichen Gesundheit und Pflege sowie Internationale Wirtschaft vorzubereiten und es sind in deren Anlage 1 ausdrücklich alle 12 entsprechenden Versuchsschulen in Bayern benannt.
Vor diesem Hintergrund ist auch der Verweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats unbehelflich, mit der dieser entschieden hat, die Übernahme der Schulwegkosten durch die kommunalen Aufgabenträger hänge nicht vom Grad der Abweichungen im Fächerkanon der jeweiligen Schulen ab, sondern allein von der formalen Qualifikation eines zur Wahl stehenden Unterrichtsschwerpunkts als „Ausbildungsrichtung“ durch den zuständigen Gesetz- und Verordnungsgeber (vgl. BayVGH, U.v. 8.1.2008 – 7 B 07.1008; B.v. 23.6.2008 – 7 B 08.550 jeweils juris). Denn in den den genannten Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen galt es in erster Linie, klarzustellen, dass es nicht Sache des jeweiligen Aufgabenträgers ist, bestimmte und von einzelnen Schulen gestaltete Besonderheiten im Fächerkanon dahingehend zu qualifizieren, ob es sich tatsächlich um eine eigenständige Ausbildungsrichtung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV handelt oder nicht. Das ist vorliegend jedoch, wie oben ausgeführt, nicht zweifelhaft. Der Ausbildungsrichtung liegt mit der Amtlichen Bekanntmachung auch eine hinreichende formale Qualifikation zugrunde.
Der Hinweis auf die mit der Einführung eines Schulversuchs – angeblich – verbundenen unüberschaubaren Kosten insbesondere zu Lasten der kommunalen Aufgabenträger überzeugt in diesem Zusammenhang gleichfalls nicht: Abgesehen davon, dass diese Behauptung weder von Seiten des Beklagten noch des Vertreters des öffentlichen Interesses näher substanziiert worden ist, wäre es dann in erster Linie Sache des zuständigen Ministeriums, derartige eventuell anfallende und gesetzlich geregelte Folgekosten bei Einführung eines Modellversuchs bereits mit zu bedenken.
Auf die Frage, ob überdies ein Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten gemäß § 3 Abs. 4 SchBefV vorliegen könnte, kommt es sonach nicht an.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.


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