Verwaltungsrecht

Untätigkeitsklage nach Beförderung der ausgewählten Konkurrenten

Aktenzeichen  5 A 290/20 MD

Datum:
19.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 5. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0519.5A290.20MD.00
Spruchkörper:
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Leitsatz

Die Erhebung einer Untätigkeitsklage ist unzulässig, wenn sich das wegen einer Beförderungsauswahlentscheidung angestrengte Widerspruchsverfahren durch Beförderung der ausgewählten Bewerber mit der Folge erledigt hat, dass die Behörde keinen Widerspruchsbescheid mehr erlassen darf und das Verfahren nur noch einstellen kann.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Auswahlentscheidung des Beklagten wegen der Beförderung von 79 Konkurrenten zu Steueramtsräten (Besoldungsgruppe A 12 LBesO). Der Kläger ist beim Beklagten im Range eines Steueramtmanns (Besoldungsgruppe A 11 LBesO) beim Finanzamt Stendal beschäftigt. In der dienstlichen Regelbeurteilung zum Stichtag 31.12.2018 wurde seine Leistung im Gesamturteil mit der Note E (entspricht in den Leistungsanforderungen mit Einschränkungen) und in den Einzelmerkmalen der Befähigung mit C, C und D bewertet. Er wurde zuletzt auf einem nach der Besoldungsgruppe A 9 bis A 10 LBesO bewerteten gebündelten Dienstposten eingesetzt. Aufgaben auf einem höherwertigen Dienstposten nahm der Kläger bisher nicht wahr. Über das allgemeine Informationssystem der Finanzämter machte der Beklagte am 27.04.2020 bekannt, dass vorgesehen sei, 79 Beförderungen von Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A 11 in Ämter der Besoldungsgruppe A 12 vorzunehmen, die in der aktuellen Leistungsbeurteilung die Gesamtbewertung „übertrifft die Leistungsanforderungen erheblich“ (Bewertungsstufe B) erhalten haben. Die Bekanntmachung enthielt den Hinweis, dass und wo Einsicht in den Auswahlvermerk genommen werden könne.
Mit dem gegen die Auswahlentscheidung erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, Widersprüche gegen dienstliche Beurteilungen entfalteten aufschiebende Wirkung, so dass jedenfalls so viele Beförderungen zurückzustellen seien, wie Beamte gegen ihre dienstlichen Beurteilungen Widersprüche erhoben hätten. Seine Beurteilung sei fehlerhaft, weil der Erstbeurteiler befangen gewesen sei. Am 12.05.2020 wurden den ausgewählten 79 Konkurrenten die Ernennungsurkunden ausgehändigt. Den wegen der beabsichtigten Beförderung am 14.05.2020 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das erkennende Gericht mit Beschluss vom 19.10.2020 – 5 B 157/20 MD – als unzulässig ab. Durch die Ernennung der ausgewählten Bewerber seien die ausgeschriebenen Statusämter der Besoldungsgruppe A 12 vergeben. Ob die Ernennungen der ausgewählten Bewerber durch Widerspruch und Anfechtungsklage rückgängig gemacht werden könnten, sei in dem Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu klären.
Mit der am 08.11.2020 erhobenen Untätigkeitsklage macht der Kläger geltend, bei den der Auswahlentscheidung zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilungen handele es sich um Verwaltungsakte. Da er gegen seine dienstliche Beurteilung Widerspruch erhoben habe, stehe die damit verbundene aufschiebende Wirkung einer Vollziehung durch eine Auswahlentscheidung entgegen. Auch die in der an den Kläger gerichteten Mitteilung über den Ausgang des Auswahlverfahrens enthaltene Feststellung, dass er die Beförderungsvoraussetzungen mangels Bewährung auf einem höherwertigen Dienstposten nicht erfülle, sei ein eigenständiger Verwaltungsakt, gegen den er Widerspruch erhoben habe und aus dem deshalb wegen der damit verbundenen aufschiebenden Wirkung keine rechtlichen Folgerungen für das Auswahlverfahren getroffen werden dürften.
Nachdem er zunächst beantragt hatte, die Beförderungsauswahlentscheidung vom 27.04.2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, festzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 22 BG LSA für eine Beförderung des Klägers vorliegen, beantragt er nunmehr,
den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch wegen seiner Auswahl unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut ermessensfehlerfrei zu entscheiden oder das Widerspruchsverfahren einzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, die Klage sei unzulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 05.01.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig.
Soweit der Kläger erreichen will, dass die Beklagte über seinen Widerspruch wegen der getroffenen Auswahlentscheidung in der Sache entscheidet und die Behörde auf seine allgemeine Leistungsklage verurteilt wird, über die Bewerbung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, ist die Klage unzulässig, weil mit der Ernennung der 79 ausgewählten Bewerber am 12.05.2020 der Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers untergegangen ist, bevor der Kläger am 08.11.2020 (Untätigkeits-)Klage verhoben hat. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Behörde die Durchsetzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs vereitelt hätte, sodass eine Anfechtung der Ernennung der ausgewählten Bewerber der Grundsatz der Ämterstabilität ausnahmsweise nicht entgegengehalten werden könnte, könnte die hier erhobene Klage keinen Erfolg haben. Denn der Kläger ist in einem solchen Falle gehalten, die Ernennungen der ausgewählten Bewerber mit dem Widerspruch und gegebenenfalls einer nachfolgenden Anfechtungsklage anzufechten. Das hat der Kläger nicht getan. Er hat vielmehr im Gegenteil im Widerspruchsverfahren deutlich gemacht, dass er sich nicht gegen die Beförderung der ausgewählten Bewerber wenden wolle, sondern daneben seine eigene Beförderung erstrebe. Das ist ebenfalls unzulässig, weil Beamte aus Art. 33 Abs. 2 GG einen Anspruch auf Beförderung nicht ableiten können, sondern nur einen Anspruch auf eine beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung.
Soweit der Kläger sich mit der Klage nunmehr allein gegen die Untätigkeit der Behörde wendet und meint, die Klage bereits allein deshalb Erfolg haben, weil der Beklagte über den Widerspruch nicht entschieden, bzw. das Widerspruchsverfahren nicht einstellt habe, kann die Klage ebenfalls keinen Erfolg haben. Die so verstandene Klage ist ebenfalls unzulässig.
Zum einen muss eine zulässige Untätigkeitsklage grundsätzlich auf das mit der Erhebung des Widerspruchs verfolgte sachliche Ziel – hier die erneute Auswahlentscheidung – gerichtet sein und darf sich nicht allein auf die Überwindung der Untätigkeit der Behörde beschränken. Liegt ein zureichender Grund i. S. d. § 75 Satz 1 VwGO für die Verzögerung der Bescheidung des erhobenen Widerspruchs nicht vor, kommt die Aussetzung des Verfahrens durch das Gericht nach § 75 Satz 3 VwGO nicht in Betracht. In diesem Fall entscheidet das Gericht auf die Untätigkeitsklage grundsätzlich in der Sache und damit darüber, ob der mit dem Widerspruch geltend gemachte Anspruch, hier der geltend gemachte Anspruch auf eine erneute ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Auswahlentscheidung, besteht. Ungeachtet dessen ist die am 08.11.2020 erhobene Untätigkeitsklage im vorliegenden Fall unzulässig, weil sich das Widerspruchsverfahren bereits mit der Ernennung der Konkurrenten am 12.05.2020 erledigt hatte, so dass eine Entscheidung der Behörde über den Widerspruch nicht mehr zulässig gewesen wäre. Erledigt sich der Rechtsstreit im Widerspruchsverfahren, so darf die Behörde keinen Widerspruchsbescheides mehr erlassen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 20.01.1989 – 8 C 30/87 –, juris, Rdnr. 10). Selbst wenn man davon ausginge, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine allein auf eine Bescheidung gerichtete Untätigkeitsklage in Betracht kommen könnte, hätte der Kläger im Zeitpunkt der Erhebung der Untätigkeitsklage einen Anspruch auf Erlass eines Widerspruchsbescheides nicht mehr geltend machen können, weil die Behörde einen solchen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr hätte erlassen dürfen. Kann die Widerspruchsbehörde das erledigte Widerspruchsverfahren nur noch einstellen, so sieht das Gesetz für die hierfür keine bestimmte Form vor. Deshalb kann die Einstellung auch durch eine einfache Mitteilung an den Widerspruchsführer erfolgen. Soweit der Kläger mit der Klage eine solche Einstellungsmitteilung erstreiten wollte, wäre die Klage unzulässig, weil nicht ersichtlich ist, welches rechtlich schützenswerte Interesse der Kläger an einer solchen Mitteilung sollte haben können, weil ihr ohnehin nur deklaratorische Wirkung zukommt. Soweit der Kläger damit eine ihm günstige Kostenentscheidung erreichen wollte, stünde ihm darauf in diesem Verfahren ein Anspruch nicht zu, weil die gesetzliche Regelung eine Kostenentscheidung notwendig nur für den Fall des Erlasses eines Widerspruchsbescheides vorsieht (vgl. § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO), der hier wegen der im Widerspruchsverfahren eingetretenen Erledigung nach dem oben Gesagten aber gerade nicht mehr ergehen darf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren im 1. Rechtszug auf 35.000,- € festgesetzt.
Gründe
Die Bemessung der Höhe des Streitwertes beruht hinsichtlich der angegriffenen Auswahlentscheidung auf § 52 Abs. 6 GKG und hinsichtlich der gesondert erstrebten Feststellung des Bestehens der gesetzlichen Förderungsvoraussetzungen auf § 52 Abs. 2 GKG.


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