Verwaltungsrecht

Verfolgung durch Rebellen des „Ansar Dine“

Aktenzeichen  Au 5 K 16.31969

Datum:
30.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 3c Nr. 3, § 3e

 

Leitsatz

1 Die Behauptung, von den Rebellen der islamischen Gruppierung „Ansar Dine“ zu Kampfhandlungen im Norden Malis gezwungen worden zu sein, knüpft nicht an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal iSd § 3 Abs. 1 AsylG an, da dieses Schicksal von einer Vielzahl junger malischer Männer geteilt wird. Auf die Frage, ob die Rebellen des „Ansar Dine“ als Akteure iSd § 3c Nr. 3 AsylG angesehen werden können, weil der Staat Mali einschließlich internationaler Organisation erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sei, Schutz vor Verfolgung zu bieten, kommt es deshalb nicht mehr an. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Süden Malis ist von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen, wie sie im Norden des Landes herrschen, verschont geblieben; auch wenn in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann, steht im Süden Malis eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 13. September 2016 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Durch Anlage I zu § 26a AsylG sind Norwegen und die Schweiz als sichere Drittstaaten bestimmt worden. Da somit alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder aufgrund der Anlage I zu § 26a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht (BVerwG, U. v. 7.11.1995, InfAuslR 1996, 152). Auf den genauen Reiseweg kommt es dabei nicht mehr an.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i. S. des § 3 Abs. 1 AsylG.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Dabei kann die Verfolgung i. S. des § 3 AsylG nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
a) Hiervon ausgehend kann der Kläger nicht als Flüchtling anerkannt werden. Eine politische Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Er beruft sich vielmehr darauf, dass er im Jahr 2012 von den Rebellen der islamistischen Gruppierung „Ansar Dine“ zu Kampfhandlungen im Norden Malis gezwungen worden sei. Damit macht er jedoch nicht geltend, dass er in Anknüpfung an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal i. S. des § 3 Abs. 1 AsylG, etwa seine Volks- oder Religionszugehörigkeit, verfolgt worden sei. Vielmehr erlitt der Kläger – sein Vorbringen vor dem Bundesamt als wahr unterstellt – das Schicksal einer Vielzahl junger Männer, die von den Rebellen gezwungen wurden, für sie zu kämpfen. Auf die Frage, ob die Rebellen des „Ansar Dine“ als Akteure i. S. des § 3c Nr. 3 AsylG angesehen werden können, weil der Staat Mali einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sei, Schutz vor Verfolgung zu bieten, kommt es deshalb nicht mehr an.
b) Zudem steht dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts im Süden Malis eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung (§ 3e AsylG).
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden Malis betroffen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Zu den gegen das Militär kämpfenden Gruppierungen gehörte auch „Ansar Dine“. Bereits im Juni 2013 war zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden Malis geschlossen worden (Amnesty International, Mali-Report 2015). Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-Mali geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden Malis blieb der Süden Malis jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, Mali: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U. v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Aus dem Vortrag des Klägers ergeben sich auch keine Hinweise darauf, dass er von den Rebellen landesweit gesucht werde und deshalb auch im Süden Malis keine sichere Zuflucht finden könnte. Der Kläger war einer von unzähligen jungen Männern, die von den Rebellen festgehalten und zum Kämpfen gezwungen wurden. Er war nach seinen eigenen Ausführungen ein Zufallsopfer anlässlich des Überfalls auf sein Heimatdorf und hat sich nicht durch besondere, individuelle Merkmale hervorgehoben. Wie der Kläger selbst bei seiner informatorischen Anhörung durch das Gericht angab, hatten die Rebellen keinerlei Ausweispapiere oder Fotos von ihm, die eine landesweite Verfolgung des Klägers noch Jahre nach der Ausreise ermöglichen würden. Es erscheint dem Gericht deshalb ausgeschlossen, dass die Rebellen den Kläger nahezu vier Jahre nach seiner Ausreise nach wie vor landesweit gezielt suchen und ihn im Süden Malis, etwa in der Hauptstadt Bamako, ausfindig machen könnten. Dort unterliegt er demnach möglichen Gefahren, die von Rebellengruppen ausgehen könnten, in gleicher Weise wie die übrige Bevölkerung im Süden Malis. Diese mögliche Gefahr genügt jedoch, wie ausgeführt, nach Auffassung des Gerichts nicht, um eine konkrete und ernsthafte Gefährdung bei einer Rückkehr zu begründen.
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als alleinstehender, gesunder junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Der Kläger hat bereits in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Allein auf sich gestellt ist es ihm gelungen, selbst in Libyen unter schwierigen Bedingungen mehr als zwei Jahre lang sein Existenzminimum sicherzustellen. Es ist deshalb vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger in seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und Sprache er vertraut ist, seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i. S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Mali ein ernsthafter Schaden i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vorliegen, ist der Kläger, soweit er eine Gefährdung in seiner Heimatregion befürchtet, wie bereits ausgeführt, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. § 3e AsylG).
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Mali befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, gibt es, wie bereits ausgeführt, nicht. Obwohl die wirtschaftliche Lage nach wie vor schlecht ist (Auswärtiges Amt, Mali: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Stand: April 2016), geht das Gericht, wie ausgeführt, davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt dort sicherstellen kann. Damit liegen weder die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
5. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig, das Bundesamt hat in der Befristungsentscheidung die maßgeblichen Belange in ordnungsgemäßer Weise abgewogen.
6. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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