Verwaltungsrecht

Versetzung eines Schülers in die Parallelklasse wegen Mobbing-Fehlverhaltens

Aktenzeichen  AN 2 K 17.00250

Datum:
18.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MMR – 2018, 266
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Art. 86 BayEUG
Art. 88 BayEUG

 

Leitsatz

1 Die Anordnung der Versetzung eines Schülers in eine Parallelklasse wird vom Schulleiter getroffen (Art. 88 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG). Der Disziplinarausschuss ist insoweit nicht zuständig. Er darf aber auch in Angelegenheiten Beschlüsse fassen, für die ihm die Zuständigkeit fehlt; ein derartiger Beschluss ist als Empfehlung zu qualifizieren. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Wahrung des Anhörungserfordernisses (Art. 88 Abs. 3 BayEUG) ist ein Zeitraum von sieben Werktagen zwischen der Einladung eines Erziehungsberechtigten zu einer Sitzung des Disziplinarausschusses und dem Termin der Sitzung als ausreichend anzusehen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Ordnungsmaßnahme der Versetzung eines Schülers in die Parallelklasse (Art. 86 Abs. 2 Nr. 3 BayEUG) setzt disziplinarische Verstöße von einigem Gewicht voraus. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwiefern das Verhalten des Schülers die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt (ebenso BayVGH BeckRS 1992, 10843). (Rn. 30 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Verhältnismäßigkeit einer schulischen Ordnungsmaßnahme beurteilt sich nach dem schulbezogenen Verhalten und nicht nach dem Verhalten des Schülers im privaten Bereich. Im Falle eines Fehlverhaltens (Mobbing) im Rahmen einer als Klassen-Chat eingerichteten Chat-Gruppe, an der grundsätzlich alle Klassenmitglieder teilnehmen und in der auch schulische Themen besprochen werden, ist ein ausreichender Bezug zur Schule hergestellt. (Rn. 37 und 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO zulässige Klage (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.1990 – 7 CS 90.838 – juris) ist unbegründet, da der Bescheid vom 1. Februar 2017 rechtmäßig ist und den Kläger somit nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Die Anordnung der Versetzung des Klägers in eine Parallelklasse findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 86 Abs. 2 Nr. 3 BayEUG.
Die Auswahlentscheidung der Schule ist eine pädagogische Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist. Bei ihrer Entscheidung haben die Gerichte zu prüfen, ob die Schule die Verfahrensvorschriften eingehalten hat, ob sie ihre Entscheidung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung standhalten, ob die Schule frei von sachfremden Erwägungen entschieden hat und ob die pädagogische Bewertung der Schule angemessen und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. BayVGH U.v. 12.12.2000 – 7 ZS 00.3088 – juris). Die Schule muss ihre pädagogischen Erwägungen daran ausrichten, ob das Verhalten des Schülers der betreffenden Schule im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags nicht mehr hingenommen werden kann und ob dem Schüler in dieser Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht geduldet wird und nicht geduldet werden kann. Die Ordnungsmaßnahme muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des zu ahndenden oder zu unterbindenden Verhaltens stehen. Für die Richtigkeit der Auswahl einer Ordnungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kommt es vor allem darauf an, ob und in welchem Maße die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt wurde, wie sie in Art. 131 BV, Art. 1, 2 BayEUG niedergelegt ist (vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2000 – 7 ZS 00.3088 – juris).
Da die tatbestandlichen Voraussetzungen der schulischen Maßnahmen relativ weit gefasst sind, spielt die Beachtung der Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen eine besondere Rolle (vgl. BVerfG, B.v. 27.1.1976 – 1 BvR 2325/73 – BVerfGE 41, 251, 256; Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1, 4. Aufl. 2006, Rn. 387). Auch unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist der Bescheid der Schule vom 1. Februar 2017 formell rechtmäßig.
Die Entscheidung, die Versetzung des Klägers in eine Parallelklasse anzuordnen, wurde gemäß Art. 88 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG vom Schulleiter getroffen. Dass zuvor der Disziplinar-ausschuss einen Beschluss über den Erlass dieser Ordnungsmaßnahme getroffen hat, ist unschädlich. Gemäß Art. 58 Abs. 4 S. 2 BayEUG kann der Disziplinarausschuss, der insoweit die Aufgaben der Lehrerkonferenz wahrnimmt (vgl. Art. 58 Abs. 1 S. 3 BayEUG), auch in Angelegenheiten Beschlüsse fassen, für die ihm die Zuständigkeit fehlt; insoweit gibt er Empfehlungen. Nachweislich des Protokolls über die Sitzung am 1. Februar 2017 hat sich der Schulleiter entschieden, die Meinung des Disziplinarausschusses umzusetzen und sodann die sofortige Versetzung in die Parallelklasse verfügt. Insoweit wird deutlich, dass der Schulleiter eine eigene Entscheidung getroffen hat und den Beschluss des Disziplinarausschusses nicht als verbindlich angesehen hat. Spätestens indem der Schulleiter schließlich den Bescheid unterschrieben hat, hat er sich die Entscheidung des Disziplinarausschusses jedenfalls zu Eigen gemacht.
Der Kläger und seine Mutter wurden spätestens in der Ausschusssitzung am 1. Februar 2017 gemäß Art. 88 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BayEUG angehört. Soweit der Kläger rügt, ihm und seiner Mutter sei nicht das gesamte Chat-Protokoll vorgelegt worden, führt das nicht zu der Annahme, der Kläger sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Nachweislich des Protokolls der Ausschusssitzung wurden der Kläger und seine Mutter über alle für die Entscheidung über die Ordnungsmaßnahme relevanten Ereignisse, insbesondere über die Vorfälle im WhatsApp-Chat und die Äußerungen im Unterricht, informiert. Zudem war der Kläger selbst Teilnehmer des Klassenchats, so dass er Zugang zu dem Chat hatte und die Inhalte jederzeit nachlesen konnte. Der Kläger wurde in der Ausschusssitzung zu den Gründen be fragt, die ihn zu dem vorgeworfenen Verhalten motiviert haben und hatte auch im Übrigen Gelegenheit, sich zu den dargestellten Geschehnissen zu äußern. Dies wird von der Klägerseite ebenso wie die vom Beklagten vorgetragene Anhörung des Klägers am 18. Januar 2017 und seiner Mutter am 25. Januar 2017 nicht konkret bestritten. Dass der Disziplinar-ausschuss herablassend gewesen wäre und sich die an der Ausschusssitzung teilnehmenden Lehrer nicht vorgestellt hätten, wird von der Klägerseite lediglich behauptet, ohne dass dargelegt wird, inwiefern der Kläger dadurch an einer Stellungnahme zu den Vorwürfen gehindert war.
Entgegen der Klägerseite ist die Mutter ausweislich der Mitteilung über den Termin der Sitzung des Disziplinarausschusses auf ihr Recht, die Mitwirkung einer Vertrauenslehrkraft zu beantragen und in der Ausschusssitzung Stellung zu nehmen, gemäß Art. 88 Abs. 3 Satz 4 BayEUG hingewiesen worden. Gemäß dem Antrag der Mutter war in der Sitzung des Disziplinarausschusses auch eine Vertrauenslehrkraft anwesend. Die Mutter des Klägers hat nach Angaben der Klägerseite die Einladung zur Sitzung des Disziplinarausschuss am 20. Januar 2017 erhalten. Inwiefern der Zeitraum zwischen dem Erhalt der Einladung und der Sitzung am 1. Februar 2017 – wie vom Kläger behauptet – für eine Beteiligung des Elternbeirats zu kurz gewesen sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Innerhalb von sieben Werktagen ist es möglich, den Elternbeirat von dem Vorfall in Kenntnis zu setzen, eine Stellungnahme einzuholen und ihn zu der Sitzung des Ausschuss zu laden. Ohnehin ist eine Anhörung des Elternbeirats auf Antrag des Schülers oder des Erziehungsberechtigten gemäß Art. 88 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayEUG nur bei Maßnahmen zwingend, die der Entscheidung oder des Antrags der Lehrerkonferenz bedürfen. Die Anordnung der Versetzung in eine Parallelklasse wird aber gemäß Art. 88 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG vom Schulleiter getroffen. Darüber hinaus ist anzumerken, dass eine Mitwirkung des Elternbeirats vom Kläger beziehungsweise seiner Mutter nicht beantragt wurde.
Der Bescheid der Schule vom 1. Februar 2017 ist auch materiell rechtmäßig, da die Voraussetzungen des Art. 86 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BayEUG gegeben sind, die Schule die Versetzung des Klägers in eine Parallelklasse auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung standhalten und die Ordnungsmaßnahme unter Berücksichtigung des pädagogischen Ermessensspielraums frei von sachfremden Erwägungen sowie verhältnismäßig ist.
Soweit die Klägerseite vorträgt, die Schule hätte den Sachverhalt unzureichend ermittelt, kann dies nicht überzeugen. Die Schule hat ausweislich des Protokolls über die Sitzung des Disziplinarausschusses ihrer Entscheidung die Chat-Protokolle und die Aussage des betroffenen Schülers … zu Grunde gelegt. Der Kläger selbst wurde ebenfalls zu den Vorfällen befragt. Dem Gericht ist nicht ersichtlich, inwiefern die Schule weitere Ermittlungen hätte vornehmen müssen. Die vom Kläger vorgelegten Auszüge des Klassenchats enthalten die von der Schule geltend gemachten Vorfälle, insbesondere das Bild von dem Affen, den Artikel über Albinos in Afrika inklusive der Drohung gegenüber …, ihn nach Afrika zu schicken, und das Bild von der Handtasche verbunden mit dem Vergleich von … mit einem totem Strauß. Die beiden Äußerungen gegenüber … im Unterricht werden vom Kläger nicht bestritten. In der Klageschrift vom 9. Februar 2017 gibt die Klägerseite selbst an, dass der Kläger gegenüber … sinngemäß gesagt habe, er würde eher … als Osama bin Laden erschießen. Es ist daher nicht nachvollziehbar und auch nicht überzeugend, wenn in der Stellungnahme der Klägerseite vom 23. Februar 2017 behauptet wird, der Kläger habe diesen Vorfall nicht eingestanden. Der Kläger hat auch nicht bestritten, dass er Schulsachen von … in Kleister getaucht und … beim Aufräumen behindert hat, obwohl ihm beide Vorwürfe in der Sitzung des Disziplinarausschusses dargelegt wurden.
Soweit der Kläger vorträgt, das Bild von dem Affen und der Artikel über die Verfolgung von Albinos in Afrika seien nicht von ihm, sondern von den anderen Klassenkameraden auf … bezogen worden, kann dies das Gericht nicht überzeugen. Der Kläger selbst hat zwar diesen beiden Chatbeiträgen keinen Kommentar beigefügt, er dementiert aber die Zuweisung zu … nicht. Vielmehr geht er auf die Kommentare der anderen zu dem Bild mit dem Affen ein, indem er auf Nachfrage „nur so klein“ (gemeint ist der Stock, der im Hinterteil des Affen steckt) schreibt: „der rest ist schon drinnen“. Dass der Kläger auch den Artikel über die Verfolgung von Albinos auf … bezogen hat, steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Ein Mitschüler schrieb als Reaktion „…“. Damit stellte er einen Bezug zu … her. Der Kläger dementierte auch hier nicht die Einschätzung dieses Klassenkameraden, sondern schrieb lediglich: „Haha das ist real“. Dass der Artikel eine Anspielung auf … sein soll, wird zudem dadurch bestätigt, dass der Kläger später im Chat schrieb: „… halt lieber dein Maul sonst gibts 1 flugticket nach afrika ohne rückflug. Ich sag nur Albino Hunter.“ Darüber hinaus hat der Kläger bislang nicht dargelegt, aus welchen anderen Gründen er das Bild mit dem Affen oder den Artikel geteilt hat.
Die Anordnung der Versetzung in die Parallelklasse ist auch verhältnismäßig im Sinne von Art. 86 Abs. 1 Satz 5 BayEUG. Sie ist geeignet, erforderlich und angemessen hinsichtlich ihrer im Sinne des Art. 86 Abs. 1 S. 1 BayEUG legitimen Ziele, zum Schutz von … ein weiteres Mobbing zu verhindern sowie zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags dem Kläger sein Fehlverhalten vor Augen zu führen und den Klassenfrieden in der Klasse 9* … wieder herzustellen.
Die Ordnungsmaßnahme der Versetzung in die Parallelklasse setzt dabei disziplinarische Verstöße von einigem Gewicht voraus, da sie spürbar in die Rechtsstellung des Schülers eingreift (BayVGH, B.v. 30.12.1992 – 7 CS 92.3507 – juris Rn. 15).
Die Versetzung in eine Parallelklasse ist eine geeignete Ordnungsmaßnahme, da sie eine deutliche Warnung gegenüber dem Kläger darstellt und durch die Verringerung der Berührungspunkte zwischen dem Kläger und … weiteres Fehlverhalten des Klägers gegenüber … vermieden und die Herstellung des Klassenfriedens gefördert wird.
Auch die Erforderlichkeit der Maßnahme ist gegeben, da die Schule nicht auf mildere Ordnungsmaßnahmen oder gar Erziehungsmaßnahmen (vgl. Art. 86 Abs. 1 S. 3 BayEUG), wie beispielsweise einen Verweis, zurückgreifen muss. Der Kläger hat nachweislich der Schülerakte bereits mehrere Verweise wegen seines Sozialverhaltens erhalten, so dass die Schule zu Recht davon ausgehen konnte, dass ein weiterer Verweis nicht die gleiche Wirkung wie die Versetzung in die Parallelklasse erzielt.
Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Angemessenheit der Maßnahme. Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Ordnungsmaßnahme ist insbesondere zu berücksichtigen, inwiefern das Verhalten des Schülers die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt hat (vgl. BayVGH, B.v. 30.12.1992 – 7 CS 92.3507 – juris Rn. 15). Die Anordnung der Versetzung in die Parallelklasse steht zu dem Fehlverhalten des Klägers in keinem Missverhältnis. Die Versetzung in die Parallelklasse ist zwar ein spürbarer Eingriff in die Position des Klägers. Das Gericht verkennt dabei auch nicht, dass der Kläger durch diese Maßnahme seinen Status als Schüler der Hochbegabtenklasse verliert. Angesichts des massiven Fehlverhaltens des Klägers ist die Entscheidung dennoch angemessen. Der Kläger war maßgeblich und vor allem auch anstiftend am Mobbing gegenüber dem Schüler … beteiligt und hat damit wesentlich dazu beigetragen, dass das Klassenklima in der Klasse 9* … gestört wurde.
Aus Sicht des Gerichts spielte der Kläger eine entscheidende Rolle hinsichtlich des Mob-bings gegenüber seinem Mitschüler … Zwar ergibt sich aus dem Chatverlauf, dass auch andere Schüler der Klasse 9* … gegenüber … Beleidigungen wie „Fresse „Entweder ihr habt kein Auto oder der Stock war größer als der in … arsch“ oder „… block ist gay“ aussprachen. Allerdings übersteigen die Beleidigungen und Drohungen des Klägers die der anderen Schüler entscheidend. Die Chatbeiträge des Klägers erreichen ein grundlegend anderes Niveau als die Beiträge seiner Klassenkameraden. Der Kläger hat unter anderem das Foto des Affen, der einen Stock in seinem Hintern stecken hat, in den Chat eingestellt und damit eine über bloße Worte hinausgehende verletzende Situation geschaffen. Der Vergleich des Mitschülers … mit diesem Affen stellt eine besonders grobe und demütigende Beleidigung dar. Darüber hinaus hat der Kläger gegenüber … direkt und im Chat mehrfach Anspielungen auf dessen Tod gemacht. Dies geschah zum einen mit dem Hinweis auf den Artikel über die Verfolgung von Albinos in Afrika und der anschließenden Drohung, … nach Afrika zu schicken, sowie des Beitrags „Das ist Straußenleder. Ein toter Strauß …=Strauß”, zum anderen durch die Äußerungen des Klägers gegenüber … in der Schule. Die Überzeugung des Gerichts von der maßgeblichen Rolle des Klägers beim Mobbing wird gestärkt durch den in der Disziplinarakte befindlichen schriftlichen Bericht von … selbst, in dem er unter anderem angibt, dass sich die Klasse ihm gegenüber wesentlich gemäßigter verhalten hat, wenn der Kläger krank oder aus sonstigen Gründen abwesend war.
Entgegen der Klägerseite kann das Gericht nicht erkennen, dass der Schüler … ebenfalls an Mobbing gegenüber anderen Schülern beteiligt gewesen wäre. Dies bleibt eine bloße Behauptung. … hat lediglich in dem Chat an den Klägers gerichtet geschrieben: „Wenn du keinen Plan hast dann halt einfach dein verficktes Maul“. Diese einmalige Aussage erfolgte aber als Reaktion darauf, dass der Kläger … damit verspottet hat, dieser dürfe ein bestimmtes Computerspiel nicht spielen. Dass der Schüler … auf Grund der vielen Beleidigungen seitens des Klägers und einer weiteren bewussten Provokation einmal mit einer Beleidigung antwortet, erscheint nachvollziehbar und stellt sich nicht als Mobbing dar. Anders als die Äußerungen des Klägers gegenüber … erfolgte diese Beleidigung nicht ohne erkennbaren Anlass.
Die Argumentation des Klägers, ihm sei die erheblich verletzende Wirkung seines Verhaltens gegenüber … nicht bewusst gewesen, da sich … nicht gewehrt habe, überzeugt nicht. Zum einen ist dem Beklagten zuzustimmen, dass es für Mobbingopfer durchaus typisch ist, das Mobbing duldend hinzunehmen. Zum anderen kann von einem Schüler im Alter des Klägers erwartet werden, sein Verhalten insoweit zu reflektieren. Die Äußerung des Klägers in der Sitzung des Disziplinarausschuss, „typische …-Äußerungen“ hätten ihn zu seinem Fehlverhalten animiert, zeigt, dass der Kläger bis zuletzt nicht vollständig zur Einsicht gelangt ist. Auch in der mündlichen Verhandlung bestärkte sich der Eindruck, dass die Reue des Klägers überwiegend darin wurzelt, dass er nun nicht mehr zusammen mit seinen Freunden die Hochbegabtenklasse besuchen kann. Dass der Kläger sein Verhalten gegenüber … aus nicht selbstbezogenen Gründen bedauert, war nicht zu erkennen. Umso erforderlicher ist der Erlass der Ordnungsmaßnahme, um dem Kläger sein Fehlverhalten vor Augen zu führen und ihn zu einer künftigen Verhaltensänderung zu bewegen.
Da sich die Verhältnismäßigkeit einer schulischen Ordnungsmaßnahme nach dem schulbezogenen Verhalten beurteilt und sich daran auszurichten hat, in welchem Maß die Erziehungsaufgabe der Schule gestört ist, spielt es keine Rolle, ob der Kläger im privaten Bereich gegenüber Bekannten und Verwandten oder in anderen Ausbildungseinrichtungen ein nicht zu beanstandendes Verhalten zeigt. Nicht relevant ist auch, ob Eltern von anderen Klassenkameraden die Ordnungsmaßnahme gutheißen, da die Auswahl der angemessenen Maßnahme eine pädagogische Entscheidung allein der Schule ist. Dass sich die Schule hier für die Versetzung in die Parallelklasse entschieden hat, ist – wie dargestellt – auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung über die Versetzung in die Parallelklasse erging ermessensfehlerfrei, vgl. § 114 VwGO. Dem Kläger gelingt es nicht, darzulegen, dass die Schule übersehen hätte, dass ihr insbesondere hinsichtlich der Auswahl der Maßnahme Ermessen zusteht, sie relevante Belange unbeachtet gelassen hätte oder sonstige Ermessensfehler vorliegen.
Für die Überprüfung, ob die Behörde eine Entscheidung ermessensfehlerfrei getroffen hat, steht bei einem schriftlichen Verwaltungsakt in erster Linie dessen Begründung zur Verfügung. Ergänzend können sonstige Unterlagen, insbesondere aus den Akten, herangezogen werden, aus denen sich die Überlegungen der Behörde ergeben, weshalb sie unter mehreren möglichen Maßnahmen gerade die getroffene Maßnahme ausgewählt hat. Zu diesen Unterlagen zählt insbesondere die Niederschrift über die Sitzung des Disziplinarausschusses (vgl. VG München, B.v. 18.2.2014 – M 3 S. 14.244 – juris). Die Anordnung einer Versetzung in die Parallelklasse kann unter verschiedenen pädagogischen Gesichtspunkten notwendig sein, um den Klassenfrieden wieder herzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 30.12.1992 – 7 CS 92.3507 – juris Rn.16).
In der Begründung des Bescheids vom 1. Februar 2017 hat die Schule dargestellt, dass sie andere Ordnungsmaßnahmen in die Abwägung mit einbezogen, aber aus pädagogischen Gründen verworfen hat. Aus der Niederschrift über die Sitzung des Disziplinarausschusses am 1. Februar 2017 ergibt sich, dass sich die Schule ausführlich unter Berücksichtigung aller relevanten Belange Gedanken über die Auswahl der Ordnungsmaßnahme gemacht hat. Es wurden ausdrücklich auch andere Ordnungsmaßnahmen als die Versetzung in die Parallelklasse in Betracht gezogen, aber aus nachvollziehbaren pädagogischen Gründen, insbesondere einer möglichen Wiederholungsgefahr, verworfen. Dass sich der Kläger bei … entschuldigt hat, wurde in die Abwägung mit einbezogen. Dass die Schule angesichts der disziplinarrechtlichen Vorgeschichte des Klägers und der von ihm maßgeblich ausgehenden Störung des Klassenfriedens diese Entschuldigung nur gering gewichtet, ist jedenfalls nicht sachfremd. In der Niederschrift ist ausführlich dargestellt, warum die Schule davon ausgeht, dass der Kläger keine echte Einsicht in sein Fehlverhalten zeigt. Dabei berücksichtigt die Schule auch, dass der Kläger durch die Versetzung in die Parallelklasse die Möglichkeit erhält, festgefahrene Verhaltensweisen und Rollen abzulegen. Entgegen der Klägerseite hat die Schule auch nicht außer Acht gelassen, dass der Kläger durch die Versetzung in die Parallelklasse seinen Status als Schüler der Hochbegabtenklasse und damit gegebenenfalls auch seinen Fahrtkostenerstattungsanspruch verliert und damit besonders betroffen ist. Diese Aspekte wurden ausweislich der Niederschrift in die Abwägung einbezogen. Aus Sicht des Gerichts ist die Entscheidung der Schule, trotz dieser Belange des Klägers zum Schutz des Mobbingopfers und zur Herstellung des Klassenfriedens in der Klasse 9* … die Versetzung in die Parallelklasse anzuordnen, ermessensfehlerfrei getroffen worden.
Die Ordnungsmaßnahme war auch nicht gemäß Art. 86 Abs. 3 Nr. 5 BayEUG unzulässig. Hiernach sind Ordnungsmaßnahmen wegen außerschulischen Verhaltens unzulässig, soweit das Verhalten nicht die Verwirklichung der Aufgaben der Schule gefährdet. Zum einen erfolgte ein Teil des Mobbings, beispielsweise die Aussagen des Klägers, er würde lieber Osama bin Laden erschießen als … und eines Tages würde … erschossen werden und niemand würde … vermissen, sowie das Eintauchen von … Sachen in Kleister, in der Schule selbst. Zum anderen hat das Verhalten des Klägers in dem Klassen-Chat jedenfalls die Aufgaben der Schule gefährdet. Da es sich bei der Chat-Gruppe um einen Klassen-Chat han delt, bei dem grundsätzlich alle Klassenmitglieder teilnehmen und dort auch schulische Themen besprochen werden, ist ein ausreichender Bezug zur Schule hergestellt. Wenn der Kläger … innerhalb dieses Chats beleidigt und angreift, hat das unmittelbar Auswirkungen auf den Klassenfrieden und somit auf die Aufgabe der Schule, den Erziehungs- und Bildungsauftrag in dieser Klasse zu verwirklichen. Insoweit stellt sich der Klassen-Chat als eine Fortsetzung des Schullalltags dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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