Verwaltungsrecht

Verweisungsbeschluss, Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben, begehrte Entschädigung aufgrund von coronabedingten Betriebsschließungen

Aktenzeichen  W 8 K 21.594

Datum:
28.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15311
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1
VwGO § 40 Abs. 2 S. 1
VwGO § 173 S. 1
GVG § 17 Abs. 2 S. 1
GVG § 17a
GVG § 71 Abs. 3
ZPO § 17 Abs. 1
ZPO § 18
AGGVG Art. 9 Nr. 1
GerOrgG Art. 4 Nr. 14
IfSG § 56
IfSG § 65
IfSG § 68

 

Leitsatz

Entschädigung aufgrund von coronabedingten Betriebsschließungen bzw.

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist nicht gegeben.
II. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Landgericht München I verwiesen.

Gründe

I.
Die Klägerin betreibt eine Kette von Filialen, die Textilien bzw. Non-Food-Produkte verkaufen. Sie begehrt eine Entschädigung aufgrund von coronabedingten Betriebsschließungen und wendet sich mit ihrer Klage vom 3. Mai 2021 gegen ein ablehnendes E-Mail-Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 2. April 2021.
Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2021 brachte die Klägerin vor, sie stütze ihre Ansprüche gegen das Land Bayern unter anderem auf eine analoge Anwendung des § 56 IfSG. Hierfür sei gemäß § 66 Abs. 1 IfSG der Freistaat Bayern richtiger Beklagter. Gemäß § 68 IfSG sei der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
Das Gericht gab den Beteiligten mit Schriftsatz vom 20. Mai 2021 Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Woche zu einer beabsichtigten Verweisung des Verfahrens auf den Zivilrechtsweg und an das zuständige Landgericht.
Der Beklagte, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, nahm in Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat mit Schriftsatz vom 21. Mai 2021 im Wesentlichen wie folgt Stellung. Der Beklagte stimme der beabsichtigten Verweisung zu. Auch nach Ansicht des Beklagten sei vorliegend nicht der Verwaltungssondern der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Ein Anspruch nach § 56 IfSG sei ersichtlich nicht gegeben. Die Tatbestandsvoraussetzungen lägen offensichtlich nicht vor. Streitigkeiten über Ansprüche, die aus einer analogen Anwendung folgten, weise § 68 Abs. 1 IfSG bereits seinem eindeutigen Wortlaut nach nicht den Verwaltungsgerichten zu. Auf Basis einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers sei diesbezüglich der Zivilrechtsweg eröffnet. Im Hinblick auf die weiteren staatshaftungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen sei der Verwaltungsrechtsweg auch, bzw. erst recht, nicht eröffnet. Für Art. 11 Abs. 1 LStVG i.V.m. Art. 87 PAG folge dies aus Art. 90 PAG. Im Übrigen sei auf die Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu verweisen. Bei der von der Klägerseite benannten E-Mail vom 2. April 2021 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Es sei hier keine die Rechtslage gestaltende Regelung getroffen worden, stattdessen sei die Klägerseite allein über die bestehende Rechtslage und das damit einhergehende Nichtbestehen von Ansprüchen informiert worden. Es sei auch keine Rechtsbehelfsbelehrung:angefügt worden. In der E-Mail sei auch schon auf die Eröffnung des Zivilrechtswegs hingewiesen worden.
Der Klägerbevollmächtigte bat mit Schriftsatz vom 27. Mai 2021 um Fristverlängerung von zwei Wochen für die Stellungnahme zur angefragten Verweisung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Verwaltungsrechtsweg ist für die vorliegende Streitigkeit nicht eröffnet, sondern der ordentliche Rechtsweg, konkret der Zivilrechtsweg.
Der Rechtsstreit ist nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG in Verbindung mit § 173 Satz 1 VwGO an das zuständige Landgericht München I zu verweisen.
Eine erneute Fristverlängerung von zwei Wochen für die Stellungnahme zur Verweisung, wie von Klägerseite mit Schriftsatz vom 27. Mai 2021 beantragt, war nicht zu gewähren, weil der Klägerin bereits ausreichend Zeit zur Stellungnahme zur Frage der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs und zur Verweisung an die Zivilgerichtsbarkeit eingeräumt worden war. Das Gericht hatte schon mit Schreiben vom 4. Mai 2021 – unter Hinweis auf die vom Beklagten in der E-Mail vom 2. April 2021 an den Klägerbevollmächtigten geäußerte gegenteilige Auffassung der Eröffnung des Rechtswegs zur ordentlichen Gerichtsbarkeit – um Stellungnahme zur Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gebeten. Mit weiteren Schreiben vom 11. Mai 2021 bat das Gericht nun ausdrücklich binnen Wochenfrist um kurzfristige Stellungnahme zur Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs. Dazu ging die betreffende Äußerung des Klägerbevollmächtigten vom 18. Mai 2021 bei Gericht ein. Daraufhin teilte das Gericht den Beteiligten mit Schreiben vom 20. Mai 2021 ausdrücklich seine Absicht zur Verweisung an das Landgericht mit und hörte sie unter weiterer Fristsetzung bis 27. Mai 2021 zur Verweisung auf den Zivilrechtsweg an. Gegen eine abermalige Fristverlängerung spricht auch, dass die Frage des zuständigen Gerichts und des richtigen Rechtsweges frühzeitig zu klären ist.
Zur Begründung der im Tenor getroffenen Entscheidung ist in der Sache im Einzelnen wie folgt auszuführen.
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einen öffentlichen Vertrag beruhen, ist gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO der ordentliche Rechtsweg gegeben.
Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Öffentlichrechtlich sind Streitigkeiten, wenn sie sich als Folge eines Sachverhalts darstellen, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Die Natur des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses bemisst sich nach dem erkennbaren Ziel der Klage, wie es im Klageantrag und dem ihm zugrundeliegenden Sachverhalt seinen Ausdruck findet. Der Streitgegenstand wird durch den geltend gemachten materiellen Anspruch (Klageanspruch) und durch den ihm zugrundeliegenden bzw. zu seiner Begründung vorgetragene Sachverhalt (Klagegrund) bestimmt. Für die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs genügt, dass für das Klagebegehren eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, die in dem bestehenden Rechtsweg zu verfolgen ist. Nicht ausreichend ist, wenn die Rechtsgrundlage, auf die eine Klägerin ihre Klage stützt, aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts offensichtlich nicht in Betracht kommt (Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 40 Rn. 6 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 40 Rn. 32 ff.).
Eine Verweisung hat auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach eine umfassende Entschädigungskompetenz des im Rechtsweg zuständigen Gerichts besteht, zu erfolgen, wenn das Gericht hinsichtlich des Streitgegenstandes für keinen der in Betracht kommenden materiell-rechtlichen Klagegründe zuständig ist. Denn Voraussetzung für die Verpflichtung des angerufenen Gerichts, über den geltend gemachten Klageanspruch unter Einbeziehung auch rechtswegfremder (zuständigkeitsfremder) Klagegründe selbst zu entscheiden und insoweit die Sache nicht an das dafür an sich zuständige fremde Gericht zu verweisen, ist immer, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die bei ihm erhobene Klage nicht ganz offensichtlich nicht gegeben sind. Die Klägerin kann sich die Zuständigkeit eines Gerichts ihrer Wahl nicht dadurch „erschleichen“, dass sie die Klage zu diesem Gericht außer auf Gründe, die sie als maßgeblich betrachtet, zugleich aber auf Gründe stützt, für die der Rechtsweg zu diesem zwar formell in Betracht kommt, die aber ganz offensichtlich nicht vorliegen (Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, Anhang § 41 Rn. 4 f.; Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 17 GVG Rn. 33; siehe auch Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 41/§§ 17 bis 17b GVG Rn. 24; jeweils m.w.N.).
Ausgehend davon ist die Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichte vorliegend unter keinem Gesichtspunkt erkennbar (so ausdrücklich OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 6.5.2021 – OVG 1 L 16/21 – juris Rn. 13).
Der Verwaltungsrechtsweg ist offensichtlich nicht gegeben, weil nach § 68 IfSG – abgesehen von Streitigkeiten über den Zugang zu Schutzimpfungen sowie über Versorgungsansprüche – nur Streitigkeiten über die Verdienstausfallentschädigung nach § 56 ff. IfSG und die Entschädigung für behördliche Verhütungsmaßnahmen nach § 65 IfSG dem Verwaltungsrechtsweg zugewiesen sind (vgl. Kruse in BeckOK, Infektionsschutzrecht, Eckart/Winkelmüller, 5. Edition, Stand: 1.5.2021, § 68 IfSG Rn. 1a ff.), die jedoch augenscheinlich unter keinen Umständen einschlägig sind.
Denn für einen Entschädigungsanspruch nach § 56 ff. IfSG oder § 65 IfSG ist nichts ersichtlich. Vielmehr liegt auf der Hand, dass Entschädigungen für Betriebsschließungen nicht von § 56 IfSG erfasst werden, weil der konkrete Bezug zu einer natürlichen Person als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger oder Krankheitsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern offensichtlich fehlt (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 6.5.2021 – OVG 1 L 16/21 – juris Rn. 3; LG Hamburg, U.v. 9.4.2021 – 303 O 65/20 – juris Rn. 26.; LG Stuttgart, U.v. 30.3.2021 – 7 O 417/20 – BeckRS 2021, 8823 Rn. 20 ff.; Eckart/Kruse in BeckOK, Infektionsschutzrecht, Eckart/Winkelmüller, 5. Edition, Stand: 1.5.2021, § 56 IfSG Rn 30 f.; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Aufl. 2021, § 56 IfSG Rn. 44).
Die Klägerin hat keinen Sachverhalt vorgebracht, der sich auch nur ansatzweise unter § 56 IfSG subsumieren lassen könnte. Sie hat auch vorab keinen dahingehenden Antrag auf eine Verdienstausfallentschädigung bei der zuständigen Regierung von Unterfranken bezogen auf einzelne Arbeitnehmer gestellt. Im Schriftsatz vom 18. Mai 2021 hat sie vielmehr ausdrücklich pauschal auf eine analoge Anwendung des § 56 IfSG verwiesen und eine direkte Anwendbarkeit dieser Norm selbst nicht behauptet.
Auch die Anspruchsgrundlage des § 65 IfSG greift offensichtlich nicht, weil sich § 65 IfSG nicht auf Maßnahmen nach § 28 ff. IfSG, wie z.B. Betriebsschließungen anlässlich der Covid-19-Pandemie, erstreckt, wie der Wortlaut unmissverständlich zeigt. § 65 IfSG knüpft eindeutig an Maßnahmen nach § 16 und § 17 IfSG an und ist in Bezug auf Maßnahmen nach § 28 IfSG nicht einschlägig (LG Hamburg, U.v. 9.4.2021 – 303 O 65/20 – juris Rn. 37 ff.; LG Stuttgart, U.v. 30.3.2021 – 7 O 417/20 – BeckRS 2021, 8823 Rn. 31 f.; Kruse in BeckOK, Infektionsschutzrecht, Eckart/Winkelmüller, 5. Edition, Stand: 1.5.2021, § 65 IfSG Rn. 13; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Aufl. 2021, § 56 IfSG Rn. 45).
Des Weiteren vermag die Berufung auf eine analoge Anwendung der §§ 56 ff. oder 65 IfSG die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nicht zu begründen, weil – abgesehen davon, dass durchgreifende Gründe gegen die Annahme des Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie sprechen (siehe z.B. Fischer-Uebler/Gölzer/Schaub, JA 2021, 491, 492; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 6.5.2021 – OVG 1 L 16/21 – juris Rn. 4 m.w.N.; LG Hamburg, U.v. 9.4.2021 – 303 O 65/20 – juris Rn. 40 ff.; LG Stuttgart, U.v. 30.3.2021 – 7 O 417/20 – BeckRS 2021, 8823 Rn. 27 ff.; Kruse in BeckOK, Infektionsschutzrecht, Eckart/Winkelmüller, 5. Edition, Stand: 1.5.2021, § 65 IfSG Rn. 13; Eckart/Kruse in BeckOK, Infektionsschutzrecht, Eckart/Winkelmüller, 5. Edition, Stand: 1.5.2021, § 56 IfSG Rn. 31 ff.; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Aufl. 2021, § 56 IfSG Rn. 46 ff.) – die für die Zuweisung des Verwaltungsrechtswegs einschlägige Norm des § 68 IfSG jedenfalls eine eventuelle analoge Heranziehung von § 56 ff. IfSG oder § 65 IfSG nicht erfasst. Denn die Gesetzgebungshistorie sowie der Wortlaut des § 68 IfSG belegen, dass der ursprünglich gegebene ordentliche Rechtsweg für Ansprüche nach § 56 IfSG infolge ausdrücklicher gesetzlicher Regelung durch den Verwaltungsrechtsweg abgelöst wurde. Dies gilt aber nicht für einen auf eine entsprechende (analoge) Anwendung des § 56 IfSG gestützten Anspruch. Denn der Gesetzgeber hat gerade nicht zum Ausdruck gebracht und wollte dies auch nicht, dass auf eine entsprechende (analoge) Anwendung von § 56 IfSG gestützte Klagen von den Verwaltungsgerichten zu entscheiden sind. Die Regelung des § 68 IfSG bezieht sich nur auf Streitigkeiten der im Infektionsschutzgesetz (insbesondere in §§ 56 ff. und 65 IfSG) ausdrücklich geregelten Entschädigungsansprüche. Für eine andere Sichtweise hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Der Gesetzgeber hat – trotz wiederholter Änderung des § 68 IfSG -vielmehr bewusst eine dahingehende Regelung unterlassen. Gegen die analoge Anwendbarkeit des Infektionsschutzgesetzes auf Entschädigungsansprüche der vorliegenden Art infolge von allgemein verordneten Betriebsuntersagungen sprechen auch die außerhalb dieses Gesetzes aufgelegten Soforthilfeprogramme und sonstigen Hilfen und Rettungspakete auf Bundes- und Landesebene, unabhängig davon, ob die Klägerin diese Hilfen für ausreichend hält oder nicht. Die Klägerin ist im Übrigen nicht schutzlos; denn ihr bleibt vielmehr der Zivilrechtsweg gerade für die von ihr anhängig gemachte Fallkonstellation der begehrten Entschädigung für Betriebsschließungen (vgl. im Einzelnen m.w.N. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 6.5.2021 – OVG 1 L 16/21 – juris Rn. 5 ff.). Vor diesem Hintergrund scheidet eine analoge Anwendung des § 68 IfSG auf analog herangezogene Tatbestände der §§ 56 ff., 65 IfSG mangels planwidriger Regelungslücke erst recht offensichtlich aus.
Des Weiteren ist für sonstige eventuell in Betracht zu ziehende Entschädigungsansprüche (vgl. etwa Fischer-Uebler/Gölzer/Schaub, JA 2021, 491 ff.; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Aufl. 2021, § 56 IfSG Rn. 51 ff.) ohnehin jeweils der Zivilrechtsweg eröffnet (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 6.5.2021 – OVG 1L 16/21 – juris Rn. 12). Der Beklagte hat insoweit mit Schriftsatz vom 21. Mai 2021 zutreffend darauf hingewiesen, dass nicht nur für die geltend gemachten staatshaftungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen der Verwaltungsrechtsweg durchweg nicht eröffnet ist, wie auch § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO belegt, sondern auch für mögliche Ansprüche von betroffenen Nichtstörern, für die gemäß Art. 11 Abs. 1 LStVG i.V.m. Art. 87 PAG und Art. 90 PAG allein der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Über Ansprüche wegen der Höhe der Enteignungsentschädigung sowie über Amtshaftungsansprüche dürfen ohnehin nur die ordentlichen Gerichte entscheiden (Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG, Art. 34 Satz 3 GG, § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG).
Schließlich vermag auch der Umstand, dass die Klägerin die E-Mail des Beklagten vom 2. April 2021 als „Ablehnungsentscheid“ bezeichnet, nicht die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs zu begründen. Denn abgesehen davon, dass Alles dafür spricht, dass diese E-Mail kein Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG ist, würde selbst eine Entscheidung in der Form eines förmlichen Ablehnungsbescheides für sich allein nicht den Verwaltungsrechtsweg eröffnen, wie schon der Umstand belegt, dass vor der Änderung des § 68 IfSG durch das dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I, 2397) die Entscheidung über Klagen betreffend Ansprüche wegen einer Verdienstausfallentschädigung nach § 56 bis 58 IfSG den Zivilgerichten oblag, auch wenn die behördlichen Entscheidungen über die dort gestellten Anträge in Bescheidsform erfolgten (vgl. nur LG Münster, U.v. 15.4.2021 – 8 O 345/20 – juris Rn. 4). Auch Ansprüche aus § 65 IfSG und Streitigkeiten darüber wurden erst mit Wirkung vom 31. März 2021 ausdrücklich den Verwaltungsgerichten zugewiesen (vgl. Art. 1 Nr. 7 und Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Fortgeltung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite betreffend Regelungen vom 29. März 2021, BGBl. I, 370; vgl. zum Ganzen auch Kruse in BeckOK, Infektionsschutzrecht, Eckart/Winkelmüller, 5. Edition, Stand: 1.5.2021, § 68 IfSG Rn. 1a).
Nach alledem fehlt es in rechtlicher Hinsicht unter jedem Blickwinkel an Anhaltspunkten dafür, dass bei Streitigkeiten über mögliche Entschädigungen für Betriebsschließungen oder -beschränkungen der streitgegenständlichen Art der Verwaltungsrechtsweg eröffnet wäre. Allein die Benennung einer öffentlich-rechtlichen Norm und die Behauptung ihrer analogen Anwendbarkeit begründet für sich nach dem unterbreiteten Sachverhalt und dem erhobenen Anspruch unter keinen Umständen den Verwaltungsrechtsweg. Vielmehr ist der Zivilrechtsweg gegeben.
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich aus §§ 1 ZPO, 71 Abs. 3 GVG i.V.m. Art. 9 Nr. 1 AGGVG. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I folgt aus §§ 17 Abs. 1 bzw. 18 ZPO und Art. 4 Nr. 14 des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichte im Freistaat Bayern (Gerichtsorganisationsgesetz – GerOrgG), da es um Entschädigungsansprüche gegen den Freistaat Bayern geht und die Ablehnungsentscheidung durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege mit Sitz in München erfolgte.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 GVG der Endentscheidung des Landgerichts München I vorbehalten.


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