Verwaltungsrecht

VGH München: Rechtmäßige afallrechtliche Inanspruchnahme eines Grundstückeigentümers

Aktenzeichen  20 CS 15.2567

Datum:
11.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG KrWG § 62
VwGO VwGO § 80 V 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 37 I
BayBO BayBO Art. 2 I 1

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. November 2015 wird geändert. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnungen Ziffern 1, 2 und 5 bis 9 des Bescheids des Antragsgegners vom 28. Juli 2015 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III.
Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird auf je 150.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu treffende Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass der Antrag auf Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen ist. Die Klage der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren wird voraussichtlich erfolglos bleiben, so dass das Interesse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der abfallrechtlichen Anordnung des Antragsgegners nachrangig ist.
Soweit das Verwaltungsgericht die Ziffer 1 des Bescheides, womit das Landratsamt der Antragstellerin aufgab, den auf den Grundstücken mit den Flurnummern 155, 157/1 und 162 der Gemarkung …, Gemeinde H., im Bereich der Fahrsilos als Fundationsschicht oberhalb der Geländeauffüllungen eingebauten teerhaltigen Straßenaufbruch auf der im beigefügten Lageplan mit gelb gekennzeichneten Fläche bis spätestens 14. August 2015 sowohl horizontal als auch vertikal restlos auszubauen (Ziffer 1a) und einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen (Ziffer 1b), für zu unbestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 bei BayVwVfG erachtet, trifft dies nicht zu. Das Verwaltungsgericht bemängelt, dass weder aus dem angefochtenen Bescheid noch sonst eindeutig erkennbar sei, wer die für die Erfüllung der Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids notwendige vorherige Beseitigung der Asphaltdeckschicht und der Fahrsilowände vorzunehmen habe und wie dies im Einzelnen erfolgen solle. Dabei verkennt das Verwaltungsgericht, worauf die Landesanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung zu Recht hingewiesen hat, dass es sich bei den so beschriebenen Maßnahmen um Vorarbeiten handelt, die von der Handlungspflicht des streitgegenständlichen Beseitigungsgebots mitumfasst sind. Ein Verwaltungsakt ist dann hinreichend bestimmt, wenn der Inhalt der Regelung – so wie er sich aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen ergibt – für die Beteiligten, vor allem für die Adressaten, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass diese ihr Verhalten danach richten können. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsgehalt des Bescheids aus Sicht des Adressaten. Bei vollstreckungsfähigen Verwaltungsakten muss das Ziel der geforderten Handlung so bestimmt sein, dass sie nicht einer unterschiedlichen subjektiven Bemessung zugänglich ist (BayVGH, B. v. 16.4.2007 – 14 CS 07.275 – juris). Die konkrete Handlungspflicht ist im vorliegenden Fall jedoch hinreichend klar erkennbar, denn allen Beteiligten und auch dem Verwaltungsgericht ist klar, dass zur Erfüllung der in Ziffer 1 des Bescheids auferlegten Verpflichtung zunächst die oberhalb der Fundationsschicht aufgebrachten Materialien entfernt werden müssen, auch wenn es sich dabei ganz oder teilweise um eine bauliche Anlage im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO handelt. Dies ergibt sich aus den tatsächlichen Verhältnissen und der Natur der Sache. Zu fragen ist nur, ob die Antragstellerin aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gehindert ist, ihre in der Ziffer I des Bescheides auferlegte Verpflichtung einschließlich der vorher notwendigen Abbruch- und Abgrabungsarbeiten zu erfüllen. Solche tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse bestehen jedoch nicht, weil der Eigentümer und dinglich Berechtigte zur Duldung des Ausbaus des Straßenaufbruchs im Bereich der Fahrsilos bestandskräftig verpflichtet ist (vgl. Ziffer 1 des Bescheids 2, Bl. 1069 d. A.). Zu dieser Duldungsverpflichtung gehört auch, die notwendigen Vorarbeiten zu dulden, womit auch einhergeht, dass die hierzu notwendigen Eingriffe in das Eigentum des Duldungsverpflichteten mit der Rechtsordnung im Einklang stehen, also rechtmäßig sind. Hier hat die Duldungsverfügung privatrechtsgestaltende Wirkung (vgl. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, Rn. 217). Die Tatsache, dass der Grundstückseigentümer abfallrechtlich in Anspruch genommen wird und zur Beseitigung der unterhalb der Fundationsschicht liegenden Auffüllungen verpflichtet wurde und auch diese Maßnahme die Beseitigung der Fahrsilos erfordert, berührt die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung der Antragstellerin nicht. Weil beide zur Entfernung der Fahrsilos, soweit erforderlich, verpflichtet wären, führt dies zu keiner Unbestimmtheit der angeordneten Maßnahmen.
Weiter erachtet das Verwaltungsgericht den streitgegenständlichen Bescheid als rechtswidrig, weil nicht geregelt sei, wer für die Entsorgung der Asphaltdecke, der Seitenwände und der Auffüllungen zwischen den Fahrsilos verantwortlich sein soll. Es mag hier zwar tatsächlich ein Regelungsdefizit zur Lösung der Gesamtproblematik vorhanden sein, was jedoch nicht zur Unbestimmtheit der abfallrechtlichen Beseitigungs- und Entsorgungsverfügung hinsichtlich der Fundationsschicht führt. Ebenso wenig sind in diesem Zusammenhang Ermessensfehler ersichtlich, weil die Antragstellerin durch den streitgegenständlichen Bescheid hierfür nicht in Anspruch genommen wird.
Die Inanspruchnahme der Antragstellerin als verantwortliche Störerin geschah ermessensfehlerfrei. Hierzu wird zunächst auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 20. Februar 2015 (Az.: 20 CS 15.56 – juris) verwiesen. Bei der Störerauswahl wurde auch der Tatsache Rechnung getragen, dass es die Antragstellerin war, die als bauausführendes Unternehmen den teerhaltigen Straßenaufbruch, also Abfall, als Fundationsschicht für die Fahrsilos verwendet hat. Ihr kommt damit eine besondere Verantwortung zu, bis zum Abschluss der Baumaßnahmen sicher zu stellen, dass der Straßenaufbruch durch die Verwendung als Ersatzbaustoff einer ordnungsgemäßen Verwertung zugeführt wird. Soweit hier die Antragstellerin noch einwendet, dass ihr durch die im Bescheid aufgegebenen Maßnahmen unweigerlich die Insolvenz drohe, so ist nicht ersichtlich, wer außer ihr und dem bereits insolventen Grundstückseigentümer als weiterer Verantwortlicher für die Beseitigung und Entsorgung des teerhaltigen Straßenaufbruchs in Frage käme. Folglich muss die Antragstellerin alles ihr Mögliche tun, um ihrer abfallrechtlichen Verantwortung nachzukommen.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehen keine rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die in Ziffer 1 des Bescheids gesetzte Frist zur Durchführung der Maßnahmen. Eine Frist von gut zwei Wochen für die Beseitigung der Fundationsschicht ist im Hinblick auf die potentielle Gefährlichkeit des eingebrachten teerhaltigen Straßenaufbruchs noch angemessen. Soweit die Antragstellerin hierzu noch anführt, dass das Landratsamt mehrere Jahre habe verstreichen lassen, in denen die Gefährdungslage bereits bestanden habe, bis es eingeschritten sei, so kann die Antragstellerin hieraus keine rechtlichen Vorteile ziehen und ändert dieser Umstand nichts an ihrer abfallrechtlichen Verantwortlichkeit.
Hinsichtlich der Abfalleigenschaft des eingebrachten teerhaltigen Straßenaufbruchs sei schließlich darauf hingewiesen, dass bereits zweifelhaft ist, ob dieser überhaupt als Ersatzbaustoff für eine Fundationsschicht eines Fahrsilos verwendet werden kann. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Beschlusses des Senats vom 20. Februar 2015 a. a. O. verwiesen.
Nach alldem überwiegt in Anbetracht der mangelnden Erfolgsaussichten in der Hauptsache das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Daher ist der Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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