Verwaltungsrecht

vorläufiger Rechtsschutz, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, auflösende Bedingung einer Aufenthaltserlaubnis, Fiktionsgenehmigung (verneint), Duldung (verneint)

Aktenzeichen  Au 9 E 21.772

Datum:
7.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10760
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 18
AufenthG § 18a
AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 81 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am * 1977 in * (Bosnien und Herzegowina) geborene Antragsteller ist bosnischherzegowinischer Staatsangehöriger.
Dem Antragsteller wurde am 21. Oktober 2019 ein Visum zum Zweck der Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland bei der Firma * in * als Tiefbaufacharbeiter erteilt. Die Gültigkeitsdauer des Visums betrug 182 Tage (1. November 2019 bis 30. April 2020).
Am 22. Januar 2020 wurde dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gültig bis zum 21. Januar 2021 erteilt. In der Aufenthaltserlaubnis ist festgelegt, dass dem Antragsteller eine selbstständige Tätigkeit nicht gestattet ist. Weiter ist verfügt, dass die Aufenthaltserlaubnis bei Beendigung der Tätigkeit erlischt.
Am 5. Oktober 2020 erfolgte der Zuzug des Antragstellers in das Gebiet des Antragsgegners.
Am 14. Januar 2021 wurde der Aufenthaltstitel des Antragstellers durch die Ausländerbehörde im Landratsamt * für die Tätigkeit bei der Fa.,, verlängert. In der Aufenthaltserlaubnis ist verfügt, dass die Aufenthaltserlaubnis zehn Tage nach Beendigung der Tätigkeit oder bei Bezug von Leistungen nach Sozialgesetzbuch II oder Sozialgesetzbuch XII oder bei Bezug von Wohngeld erlischt.
Dem Landratsamt * wurde unter dem 9. Februar 2021 mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis des Antragstellers bei der Fa. * bereits zum 31. Dezember 2020 gekündigt worden sei.
Am 15. März 2021 wurde daraufhin der noch gültige Aufenthaltstitel des Antragstellers eingezogen. Dem Antragsteller wurde eine Grenzübertrittsbescheinigung mit Ausreisefrist bis zum 4. April 2021 ausgestellt.
Am 22. März 2021 wurde für den Antragsteller ein erneuter Antrag auf Erteilung einer Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis gestellt. Über diesen Antrag ist von Seiten des Antragsgegners bislang nicht entschieden worden.
Mit Schriftsatz vom 30. März 2021 beantragte der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtschutzes,
den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen am 22. März 2021 gestellten Antrag eine Fiktionsbescheinigung zu erteilen,
hilfsweise
den Antragsgegner zu verpflichten, die Grenzübertrittsbescheinigung (Ablauf 4. April 2021) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den am 22. März 2021 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antragsteller am 22. März 2021 einen Antrag auf Verlängerung seiner Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis gestellt habe, über den noch nicht entschieden worden sei. Der Antragsteller befinde sich seit über einem Jahr berechtigt im Bundesgebiet. Er habe am 21. Oktober 2019 ein Arbeitsvisum gemäß § 18 Abs. 4 AufenthG erhalten.
Das Landratsamt * ist für den Antragsgegner dem Antrag mit Schriftsatz vom 1. April 2021 entgegengetreten und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antragsteller über seine unverzügliche Mitteilungspflicht bei Beendigung der Tätigkeit belehrt worden sei. Er habe die entsprechende Belehrung auch unterzeichnet. Da das Arbeitsverhältnis des Antragstellers bereits zum 31. Dezember 2020 beendet worden sei, sei der Aufenthaltszweck der Erwerbstätigkeit bereits zu diesem Zeitpunkt entfallen. Der Antragsteller sei seiner Mitteilungspflicht bezüglich des gekündigten Arbeitsverhältnisses nicht nachgekommen. Da der Aufenthaltstitel des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung bereits erloschen gewesen sei, ändere auch der nunmehr vorgelegte neue Arbeitsvertrag für die Firma * in * nichts. Der Antragsteller sei ausreisepflichtig und zur Ausreise aufzufordern. Ein Anspruch auf die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels bestehe für den Antragsteller nicht.
Auf die weiteren Ausführungen im Antragserwiderungsschriftsatz vom 1. April 2021 wird ergänzend verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Antragsgegner vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
II.
Gegenstand des Antrags ist eine einstweilige Anordnung zur Sicherung des vom Antragsteller behaupteten Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne vorherige Ausreise und Einholung eines entsprechenden Visums.
1. Zunächst ist der Antrag zulässig. Er ist insbesondere als Antrag gerichtet auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
a) Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen sicherungsfähigen Anspruch (Anordnungsanspruch) voraus. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgeblich sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
b) Der Antragsteller hat ungeachtet eines bestehenden Anordnungsgrundes keinen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht.
(1) Der Antragsteller ist ausreisepflichtig. Die ihm am 22. Januar 2020 erteilte und am 14. Januar 2021 verlängerte Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 18 Abs. 4 AufenthG ist unstreitig erloschen. Bereits die dem Antragsteller ursprünglich erteilte Aufenthaltserlaubnis vom 22. Januar 2020 war mit der Auflage versehen, dass die Aufenthaltserlaubnis bei Beendigung der Tätigkeit erlischt. In der am 14. Januar 2021 erteilten Aufenthaltserlaubnis (Verlängerung) wurde ebenfalls als Nebenbestimmung angefügt, dass die Aufenthaltserlaubnis zehn Tage nach Beendigung der Tätigkeit erlischt. Nach einer Mitteilung des bisherigen Arbeitgebers des Antragstellers (Firma,, *) endete das Arbeitsverhältnis des Antragstellers bereits zum 31. Dezember 2020. Die dem Antragsteller ausschließlich für diese Tätigkeit erteilten Aufenthaltsgestattungen sind damit erloschen. Damit liegt aber ein Fall des § 51 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, wonach der Aufenthaltstitel u.a. bei Eintritt einer auflösenden Bedingung, hier der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, erlischt.
(2) Der Antragsteller besitzt aber auch keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Fiktionsgenehmigung, da die Voraussetzungen des § 81 Abs. 4 AufenthG bei ihm nicht vorliegen. Gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über dessen Verlängerung oder die Erteilung einer anderen Aufenthaltserlaubnis als fortbestehend. Voraussetzung hierfür ist jedoch nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, dass der Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung einer anderen Aufenthaltserlaubnis beantragt. Hieran fehlt es vorliegend. Zum Zeitpunkt des Verlängerungsantrages am 22. März 2021 waren die bisherigen Aufenthaltstitel des Antragstellers aus § 80 Abs. 4 AufenthG unstreitig erloschen. Insoweit verschafft § 81 Abs. 4 AufenthG dem Antragsteller keine günstigere Rechtsposition. Die Voraussetzungen des § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG, wonach die Ausländerbehörde bei verspäteter Antragstellung zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen kann, liegen ebenfalls nicht vor. Zumindest ist keine für einen Erfolg des Antrags erforderliche Ermessensreduktion auf Null zugunsten des Antragstellers zu erkennen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller seiner Mitteilungspflicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, über die er ausdrücklich belehrt wurde, nicht nachgekommen ist. Es hat mithin bei der Ausreisepflicht des Antragstellers und der damit verbundenen Durchführung eines Visumsverfahrens vor erneuter Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet zu verbleiben.
(3) Diese zumindest vorübergehende Ausreise aus dem Bundesgebiet ist dem Antragsteller auch zumutbar. Im Fall des Antragstellers sind keine Umstände erkennbar, die eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung des Visumsverfahrens als unzumutbar erscheinen lassen. Insbesondere liegen im Falle des Antragstellers die Voraussetzungen des § 60a AufenthG für eine vorübergehende Aussetzung einer dem Antragsteller drohenden Abschiebung (Duldung) nicht vor. Hierzu fehlt auch jeglicher Sachvortrag des Antragstellers.
Demnach hat es bei der Ausreiseverpflichtung des Antragstellers zu verbleiben. Der Antrag des Antragstellers gemäß § 123 Abs. 1 VwGO hat damit weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg. Vielmehr ist dem Antragsteller infolge Zeitablaufs eine erneute Grenzübertrittsbescheinigung auszustellen; er ist auf die Durchführung des Visumsverfahrens vom Heimatland aus zu verweisen. Bezüglich der erneuten Erteilung eines Visums wird auf Art. 29 Beschäftigungsverordnung (BeschV) hingewiesen.
3. Der Antrag des Antragstellers war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Kammer hat sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, Ziffern 8.3 und 1.5 orientiert (vgl. BayVBl Sonderbeilage Januar 2014). Der in einer eventuellen Hauptsache gebotene Streitwert in Höhe von 2.500,00 EUR war im Verfahren vorläufigen Rechtschutzes zu halbieren.


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