Aktenzeichen M 18 E 17.3004
SGB VIII SGB VIII § 13 Abs. 3
Leitsatz
Der Antragsteller kann die Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Gewährung einer bestimmten Hilfemaßnahme im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur dann erwirken, wenn er im Hinblick auf den im Rahmen der sozialpädagogischen Fachlichkeit bestehenden Beurteilungsspielraum glaubhaft machen kann, dass allein die beantragte Maßnahme zur Deckung des Hilfebedarfs erforderlich und geeignet ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist somalische Staatsangehörige und nach ihren eigenen Angaben am … geboren.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 2014 nahm der Antragsgegner die Antragstellerin in Obhut. Mit Bescheid vom 23. März 2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin nach §§ 27, 34 SGB VIII Heimerziehung für den Zeitraum vom 16. März 2015 bis zum 17. Mai 2015. In den Bescheidsgründen ist u.a. festgehalten, die Antragstellerin habe einen hohen Unterstützungs- bzw. Förderbedarf, der auch nach dem Erreichen des 18. Lebensjahres keineswegs abgedeckt sein werde.
Mit Bescheid vom 20. Mai 2015 wurde die bisher bewilligte Heimerziehung, nunmehr nach §§ 27, 34, 41 SGB VIII, für den Zeitraum vom 18. Mai 2015 bis zum 31. Mai 2016 weiter bewilligt.
In einem Hilfeprozessbericht des Heimträgers vom 25. Mai 2015 über den Zeitraum März bis Mai 2015 ist u.a. vermerkt, die Antragstellerin wünsche sich mehr Freiheiten und mehr Privatsphäre. Sie möchte gerne in eine eigene Wohnung ziehen. Seit 14. April 2015 besuche sie einen Deutschkurs.
Im Hilfeplan Nr. 1 vom 8. Juli 2015 ist u.a. ausgeführt, die Antragstellerin fühle sich in ihrer Wohngruppe unwohl. Sie würde lieber in einer teilbetreuten Wohngemeinschaft wohnen.
Nach einem Aktenvermerk einer früher für die Antragstellerin zuständigen Mitarbeiterin des Antragsgegners vom 4. Februar 2016 sei ein teilbetreutes Wohnen die bessere Jugendhilfemaßnahme für die Antragstellerin. Nach einem weiteren Aktenvermerk vom 22. Februar 2016 könne die Antragstellerin in einer solchen Einrichtung in ein Einzelzimmer einziehen, was ihr sehr gut gefalle.
Mit Bescheid vom 14. März 2016 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum ab 7. März 2016 bis zum 17. Mai 2017 Heimunterbringung in der …-WG im …-Haus. Die Bewilligung wurde auf §§ 41, 34 SGB VIII gestützt.
Unter dem 5. Juli 2016 wurde vom …-Haus ein Entwicklungsbericht über die Antragstellerin erstellt. Die rechtliche Grundlage der Unterbringung sei § 13 Abs. 3 SGB VIII. Zusammenfassend wird festgestellt, die Antragstellerin brauche noch eine längere beständige Betreuung, um auch die Kraft zu finden, sich ihren lebenspraktischen Themen zu widmen. Es sei zu hoffen, dass sich die Antragstellerin baldmöglichst gut in der …-WG integrieren könne.
Im Hilfeplan Nr. 2 vom 18. Juli 2016 ist festgehalten, die Integration der Antragstellerin in die Gruppe gestalte sich mühsam und es sei eine längere Eingewöhnungsphase notwendig. Aufgrund verschiedener Problemlagen sei weiterhin ein hoher Hilfe-bedarf vorhanden. Eine intensivere pädagogische Betreuung und Begleitung sei dringend notwendig. Die Hilfe sei weiterhin notwendig und geeignet.
Mit E-Mail vom 16. Februar 2017 teilte eine Mitarbeiterin des …-Hauses dem Antragsgegner mit, die Antragstellerin habe zum Halbjahr die Schule gewechselt. In der vorherigen Klasse habe es über mehrere Monate hinweg Schwierigkeiten im Kontakt zu der Lehrerin gegeben.
Am 20. März 2017 wurde durch das …-Haus ein weiterer Entwicklungsbericht über die Antragstellerin erstellt. Darin ist u.a. festgehalten, neben dem von der Antragstellerin geäußerten Hilfebedarf werden ein altersadäquates Autonomiebestreben und der damit verbundenen Wunsch, alleine wohnen zu können, gesehen. Die Antragstellerin habe im vergangenen Schuljahr Probleme gehabt, die schließlich zu einem Schulwechsel geführt hätten. Zusammenfassend werde festgestellt, dass die angestrebten und verfolgten Ziele, die die Antragstellerin im Rahmen der Jugendhilfe erwerben sollte, wie zum Beispiel die Befähigung einer eigenverantwortlichen, selbständigen Lebensführung und den Einstieg in die Berufs- und Erwachsenenwelt sowie ein kompetenter Umgang mit Konflikten ohne weitere Unterstützung zum gegenwärtigen Zeitpunkt gefährdet wären. Für die Antragstellerin sei es dringend erforderlich, weiterhin eine emotional stützende und sicherheitsvermittelnde Begleitung im Rahmen der Jugendhilfe zu erfahren.
Mit E-Mail vom 6. April 2017 teilte der Antragsgegner dem …-Haus mit, für die Antragstellerin sei ein Berufsschul Platz in … frei. Am gleichen Tag antwortete eine Mitarbeiterin des …-Hauses, ein erneuter Schulwechsel werde pädagogisch nicht für sinnvoll angesehen.
Nach einem Aktenvermerk vom 10. April 2017 über ein Telefonat einer Mitarbeiterin des Antragsgegners mit der …-WG wünsche sich die Einrichtung einen längeren Verbleib der Antragstellerin in der Jugendhilfe, da Jugendhilfe bis maximal zum 26. Lebensjahr gehe. Während des Gesprächs sei mit einer Klage „gedroht“ worden, falls eine weitere Jugendhilfe nicht genehmigt werde. Nach Auffassung der Einrichtung seien zu viele Ziele im letzten Hilfeplan und könnten nicht in diesem Umfang erarbeitet werden.
Im Hilfeplan Nr. 3 vom 4. April 2017 (mit Änderungswünschen der Einrichtung) wird u.a. festgehalten, die Antragstellerin habe in der Wohngruppe nicht ausschließlich Deutsch gesprochen, da drei weitere somalische Mädchen in dieser Wohngruppe seien, mit denen sie sich überwiegend auf Somalisch unterhalten habe. Die Antragstellerin wünsche sich eine Unterbringung im einzelbetreuten Wohnen, damit sie nicht mehr die Möglichkeit habe, Somalisch zu sprechen. Die Antragstellerin habe wegen vielen Schwierigkeiten Probleme in der Berufsschule gehabt und in den letzten zwei Februarwochen die Schule verweigert. Die Einrichtung habe daher einen Schulwechsel veranlasst, dessen Notwendigkeit in Absprache mit der Lehrkraft, der Schulleitung, der Therapeutin und einer Sozialpädagogin beschlossen worden sei.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2015 gab eine Mitarbeiterin des …-Hauses eine pädagogische Stellungnahme zur Maßnahmenverlängerung über das 20. Lebensjahr der Antragstellerin hinaus ab. Eine pädagogische Unterstützung sei weiterhin notwendig. Dies gelte für die schulische, berufliche und vor allem persönliche Entwicklung. Es sei ein stabilisierendes Bezugssystem wichtig, um die Antragstellerin auf ihrem Weg der Identitätsbildung und Konfliktlösungsfähigkeit zu unterstützen und sie auf eine Ausbildung vorzubereiten.
Am 9. Mai 2017 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner die Weitergewährung der Jugendhilfe.
Am 10. Mai 2017 trafen vier Mitarbeiter des Antragsgegners eine einvernehmliche Fachkräfteentscheidung. Zu den diskutierten Optionen gehörte zum Einen ein Wechsel von der derzeitigen Unterbringung in eine vollbetreute Wohngruppe für ein Jahr zur intensiven Verselbständigung, wobei der Beziehungsabbruch zu den Betreuern negativ zu werten sei, zum anderen die Weiterbewilligung der Unterbringung in der jetzigen Wohngruppe, wo man allerdings dem Bedarf der Antragstellerin, deren Entwicklung stagniere, nicht gerecht werde. In der zusammenfassenden Bewertung ist festgehalten, es zeige sich immer deutlicher, dass die Antragstellerin in ihrer Entwicklung stagniere und dass ihr Bedarf in der jetzigen Einrichtung nicht gedeckt werden könne. Aufgrund der wenigen Fortschritte und der nicht vorhandenen Selbständigkeit könne man bei der Antragstellerin von Entwicklungsdefiziten ausgehen, die sie bei einem Verbleib in der jetzigen Einrichtung nicht aufholen werde. Die jetzige Unterbringungsform scheine aus sozial-pädagogischer Sicht nicht geeignet zu sein. Als Ergebnis der Beratung wurde ein Wechsel der Antragstellerin in eine vollstationäre Wohngruppe festgehalten sowie eine Weitergewährung der jetzigen Unterbringung bis zu diesem Wechsel für einen Monat.
Am 19. Mai 2017 fand ein Gespräch einer Mitarbeiterin des Antragsgegners mit der Antragstellerin und Mitarbeitern der Einrichtung statt. In einem Aktenvermerk dazu ist u.a. festgehalten, im letzten Hilfeplangespräch sei ersichtlich geworden, dass die Antragstellerin einen erhöhten erzieherischen Bedarf aufweise, der in der jetzigen Einrichtung nicht aufgefangen werden könne. Der Antragstellerin sei mitgeteilt worden, dass es schwierig sei, dass sie weiterhin in ihrer jetzigen Einrichtung bleiben könne, da ihre Entwicklung stagniere. Eine vollbetreute Unterbringung sei empfohlen worden, da die Antragstellerin bisher wenige Fortschritte gemacht habe und viel Hilfestellung in alltagspraktischen Angelegenheiten benötige. Die jetzige Unterbringungsform sei somit nicht die geeignete Maßnahme. Die Antragstellerin sei darüber informiert worden, dass die Jugendhilfe in der jetzigen Einrichtung maximal für einen Monat gewährt werde, bis der Wechsel in die vollbetreute Wohngruppe vorbereitet sei. Die Mitarbeiterinnen der Einrichtung hätten zugestimmt, dass die Antragstellerin einen enormen erzieherischen Bedarf aufweise, fänden es jedoch unmenschlich, dass das Jugendamt ohne Absprache mit der Einrichtung entscheide und dass dies keine gute Kooperation darstelle.
Mit E-Mail vom 29. Mai 2017 teilte eine Mitarbeiterin des Antragsgegners der Einrichtung mit, das Jugendamt habe erfahren, dass die Antragstellerin erst nach dem Ramadan in die vollbetreute Einrichtung umziehen wolle. Der Weitergewährungs-bescheid für die bisherige Einrichtung könne daher bis zum 25. Juni 2017 verlängert werden.
Nach einem Aktenvermerk vom 1. Juni 2017 habe die Antragstellerin beim Jugendamt angerufen und mitgeteilt, dass sie sich in der vorgesehenen Wohngruppe vorgestellt habe, dort aber nicht einziehen möchte, da sie dort kein Einzelzimmer habe. Weiter sei von einer Jugendamtsmitarbeiterin auch mit der Bezugsbetreuerin gesprochen worden, die sich über die Entscheidung des Jugendamtes beschwert habe. Diese Entscheidung werde angezweifelt, da die Betreuerinnen, welche mit der Antragstellerin zusammenarbeiteten, eine bessere Entscheidung treffen könnten.
Mit Bescheid vom 31. Mai 2017 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Heimunterbringung gemäß § 13 Abs. 3 SGB VIII in der …-WG vom 18. Mai 2017 bis zum 25. Juni 2017. Zur Bescheidsbegründung ist im Wesentlichen ausgeführt, das Jugendamt sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Antragstellerin zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen und zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sei. Der Grad der Autonomie, der Stand der schulischen bzw. beruflichen Ausbildung, die Beziehungen zur sozialen Umwelt und die Fähigkeit zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens wiesen auf eine erhöhte Beeinträchtigung der Teilnahme an einem Leben in der Gesellschaft hin. In diesem Kontext erscheine die aktuelle Unterbringungsform aus sozialpädagogischer Sicht nicht mehr die geeignete Jugendhilfemaßnahme.
Ab dem 26. Juni 2017 stehe mit einer vollbetreuten Wohngruppe eine dem Unterstützungsbedarf entsprechende Jugendhilfeeinrichtung zur Verfügung. Dies sei aus sozialpädagogischer Sicht die geeignete und notwendige Maßnahme.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2017 nahm das …-Haus gegenüber dem Antragsgegner Stellung. Es werde befürchtet, dass bei einem Einrichtungswechsel bisher erzielte Erfolge der Jugendhilfe gefährdet werden. Bei einem Umzug seien Rückschritte in der Entwicklung zu befürchten, da die Antragstellerin viel Zeit benötige, um Vertrauen aufzubauen. Eine vollbetreute Unterbringung stimme nicht mit dem altersgemäßen Autonomiestreben und der aktuell bereits gelebten Selbstbestimmungsfreiheit überein. Die Antragstellerin habe in der jetzigen Betreuung tragfähige Beziehungen aufgebaut. Im Gespräch am 19. Mai 2017 seien die sprachlichen und schulischen Blockaden Thema gewesen, mit denen die Antragstellerin in den vergangenen Monaten zu kämpfen gehabt habe. Diese seien in Verbindung mit dem emotionalen Erleben der Antragstellerin zu sehen. Im Zuge einer Phase, in der die Antragstellerin sich in ihrer Therapie mit für sie enorm belastenden Themen auseinandergesetzt habe, sei es in diesem Bereich zu Rückschritten gekommen. Zusammenfassend sei zu sagen, dass es der Entwicklung der Antragstellerin zur Selbständigkeit förderlich wäre, wenn sie die verbleibenden Monate in der …-WG bleiben könne.
Am 14. Juni 2017 gab … gegenüber dem Antragsgegner eine von einer Kunsttherapeutin und einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gezeichnete therapeutische Stellungnahme ab. Bei der Antragstellerin sei eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden. Um die Erfolge der Therapie nicht zu gefährden und die erreichte Stabilität aufrechtzuerhalten, sei aus fachlicher Sicht der Verbleib in der jetzigen Wohngruppe dringend erforderlich. Ein Umzug in eine andere Wohngruppe würde die bisherigen Therapiefortschritte gefährden und könne zu einer erneuten Krise führen.
Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2017, der am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht München einging, erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin für diese Klage mit dem Ziel, den Antragsgegner unter Abänderung des Bescheides vom 31. Mai 2017 zu verpflichten, über den 25. Juni 2017 hinaus bis zum Abschluss des Schuljahres 2017/2018 Leistungen gemäß § 13 Abs. 3 SGB VIII in der …-WG zu gewähren (M 18 K 17.3000). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Befristung der Hilfe sei nicht nachvollziehbar. Der Verweis auf eine vollbetreute Wohngruppe entspreche im vorliegenden Fall weder den Wünschen noch den Bedürfnissen der Antragstellerin. Im Hilfeplan vom 4. April 2017 sei die bisherige Hilfe weiterhin als notwendig und geeignet angesehen worden. Aus fachlicher Sicht gefährde ein Wechsel der Einrichtung die Entwicklungsziele. Es sei der Klägerin nicht zumutbar, sich in einer neuen Einrichtung auf neue Bezugspersonen einzustellen, da die Gefahr einer Retraumatisierung bestehe. Auf den Entwicklungsbericht des …-Hauses vom 12. Juli 2017 und die therapeutische Stellungnahme von … vom 14. Juni 2017 werde verwiesen. Die Antragstellerin wünsche die Fortsetzung der Hilfe in der bestehenden Einrichtung. Sie bewohne dort ein Einzelzimmer. In der vorgesehenen Einrichtung würde sie in einem Doppelzimmer wohnen. In der jetzigen Einrichtung bestehe in hohes Maß an Selbständigkeit – auch in der Haushaltsführung -, was in vergleichbarem Maße bei der vorgeschlagenen Einrichtung nicht der Fall sei.
Mit weiterem Schriftsatz vom 30. Juni 2017, der am 3. Juli 2017 bei Gericht einging, stellte der Bevollmächtigte der Antragstellerin den Antrag,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig über den 25. Juni 2017 hinaus Hilfe gemäß § 13 Abs. 3 SGB VIII in der …-WG im …-Haus zu gewähren.
Zur Begründung wurde auf die Klagebegründung verwiesen.
Weiter wurde beantragt,
der Antragstellerin Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2017, der am 26. Juli 2017 bei Gericht einging, beantragte der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Voraussetzungen für die begehrte Hilfe gemäß § 13 Abs. 3 SGB VIII lägen offensichtlich nicht vor. Es habe sich immer deutlicher gezeigt, dass die Antragstellerin in ihrer Entwicklung stagniere und dass ihr Bedarf in der jetzigen Einrichtung nach § 13 Abs. 3 SGB VIII nicht gedeckt werden könne. Hinsichtlich des erhöhten erzieherischen Bedarfs der Antragstellerin sei die Voraussetzung für die Hilfe gemäß § 13 Abs. 3 SGB VIII nicht gegeben.
Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2017 trat der Bevollmächtigte der Antragstellerin dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 20. Juli 2017 entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Die Antragstellerin konnte einen Anordnungsanspruch für die von ihr begehrte Hilfeart nicht glaubhaft machen.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kann jungen Menschen während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden.
Bei der Unterbringung nach dieser Vorschrift handelt es sich ihrem Wesen nach um eine sog. Kann-Leistung des Jugendhilfeträgers, über deren Gewähr nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden wird. Demgemäß beschränkt sich die verwaltungs-gerichtliche Kontrolle der Leistungsbewilligung nach § 114 Satz 1 VwGO auf das Vorliegen von Ermessensfehlern. Ebenso wie bei sonstigen Entscheidungen eines Jugendhilfeträgers über Notwendigkeit und Geeignetheit einer bestimmten Hilfemaßnahme ist daher vom Gericht nur überprüfbar, ob deren Bewilligung bzw. Ablehnung unter Beachtung allgemein gültiger fachlicher Maßstäbe, ohne sachfremde Erwägungen und unter Beteiligung des Leistungsadressaten nachvollziehbar erfolgt ist (BayVGH v. 24.11.2016 – 12 C 16.1571 – juris, Rn. 5). Will also ein Betroffener die Verpflichtung des Trägers der Jugendhilfe zur Durchführung einer bestimmten Hilfemaßnahme im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erwirken, muss er im Hinblick auf den im Rahmen der sozialpädagogische Fachlichkeit bestehenden Beurteilungsspielraum des Jugendamtes darlegen und glaubhaft machen, dass allein die beanspruchte Hilfemaßnahme zur Deckung des Hilfebedarfs erforderlich und geeignet ist, mithin fachlich vertretbar ist (BayVGH v. 21.2.2013 – 12 CE 12.2136 – juris, Rn. 30, m.w.N.).
Zwischen den Parteien ist zu Recht unstreitig, dass bei der Antragstellerin ein jugendhilferechtlicher Bedarf besteht. Der Antragsgegner sieht insoweit eine Unterbringung der Antragstellerin in einer vollbetreuten Wohngruppe – wohl als Hilfe zur Erziehung nach §§ 41 Abs. 2, 34 SGB VIII – als geeignete Hilfeform an, mit der Begründung, die bisherige Unterbringung nach § 13 Abs. 3 SGB VIII werde dem Bedarf der Antragstellerin nicht gerecht, da deren Entwicklung stagniere. Bei der Entscheidung wurde auch berücksichtigt, dass bei einem Wechsel der Unterbringung der Beziehungsabbruch zu den Beteuern negativ zu werten ist. Demgegenüber hat die Antragstellerin nicht glaubhaft machen können, dass allein die von ihr beanspruchte Hilfemaßnahme nach § 13 Abs. 3 SGB VIII zur Deckung des Hilfebedarfs geeignet ist. Letzteres kann weder aus der Stellungnahme vom 12. Juni 2016 des Trägers der Einrichtung, in der die Antragstellerin bislang untergebracht war, noch aus der therapeutischen Stellungnahme von … vom 14. Juni 2017 hergeleitet werden.
Der Träger, der bisher von der Antragstellerin besuchten Einrichtung hat, wie sich aus verschiedenen Indizien im Verwaltungsverfahren („Klagedrohung“ am 10. April 2017; Aussage am 19. Mai 2017, „es sei unmenschlich, dass das Jugendamt ohne Absprache mit der Einrichtung entscheide“; Anzweiflung der Entscheidung des Jugendamtes am 1. Juni 2017, da die Betreuerinnen, welche mit der Antragstellerin zusammenarbeiteten, eine bessere Entscheidung treffen könnten) ergibt, ein deutliches Eigeninteresse am Verbleib der Antragstellerin in der eigenen Einrichtung erkennen lassen. Der Stellungnahme vom 12. Juni 2017 kann daher die erforderliche Objektivität dahingehend, ausschließlich die Fortführung der bisherigen Maßnahme sei die geeignete Jugendhilfemaßnahme, nicht beigemessen werden.
Die therapeutische Stellungnahme von … vom 14. Juni 2017 ist eine rein therapeutische Stellungnahme, die sich zum erzieherischen Bedarf der Antragstellerin nicht verhält. Die Stellungnahme geht im Übrigen von der Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung aus, ist aber nicht von einem Facharzt (zum Facharzterfordernis bei der Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung vgl. BVerwG v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – juris, Rn. 15) unterzeichnet. Auch aus dieser Stellungnahme kann also nicht hergeleitet werden, nur die von der Antragstellerin begehrte Jugendhilfemaßnahme könne ihren erzieherischen Bedarf decken.
Für die Antragstellerin selbst ist im Übrigen hinsichtlich des Begehrens, in der bisherigen Einrichtung zu verbleiben, offensichtlich der Wunsch ausschlaggebend, in einem Einzelzimmer untergebracht zu werden. Dieses Ansinnen zieht sich gleichsam wie ein „roter Faden“ durch die bisherige Betreuungshistorie und wird auch noch einmal in der Klageschrift vom 30. Juni 2017 ausdrücklich betont. Dieser Wunsch kann indes nicht die Annahme rechtfertigen, die von dem Jugendamt vorgesehene Maßnahme – mit einer intensiveren Betreuung als bisher geschehen – sei im Hinblick auf den erzieherischen Bedarf der Antragstellerin nicht geeignet.
Es liegt auch eine hinreichende Beteiligung der Antragstellerin bei der Entscheidung des Jugendamtes über die geeignete Jugendhilfemaßnahme vor. Die vom Jugendamt beabsichtigte Maßnahme – und damit verbunden die Beendigung der bisherigen Maßnahme – wurde der Antragstellerin anlässlich eines Gesprächs am 19. Mai 2017, an dem auch Mitarbeiterinnen der bisher von der Antragstellerin besuchten Einrichtung teilnahmen, erläutert. Dass die zugrundeliegende Fachteamberatung schon vor diesem Gespräch, nämlich am 10. Mai 2017 stattfand, ist insoweit unschädlich. Die jugendamtsinterne Zustimmung zu dieser Fachkräfteentscheidung erfolgte erst am 23. Mai 2017, die abschließende Entscheidung erging also erst nach dem Gespräch.
Für die Weiterbewilligung einer Maßnahme nach § 13 Abs. 3 SGB VIII konnte die Antragstellerin nach alledem keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
Auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da hinreichende Erfolgsaussichten im Sinn von § 166 VwGO, § 114 ZPO aus den genannten Gründen nicht gegeben sind.