Verwaltungsrecht

Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Hebamme“

Aktenzeichen  21 ZB 18.1807

Datum:
17.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15023
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
HebG § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 2
BayHebBO § 3 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Maßgebend für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Hebammenberufs sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein in der unterbliebenen rechtzeitigen Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe bei einer nicht normal verlaufenden Geburt liegt für eine Hebamme eine erhebliche und gewichtige Verletzung der Berufspflichten vor, die unter Würdigung der besonderen Art und Schwere des Pflichtenverstoßes zur Prognose der Unzuverlässigkeit führen kann. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Greift jemand, der eine schwerwiegende, den Straftatbestand der fahrlässigen Tötung verwirklichende Berufspflichtverletzung begangen hat, zu unzulässigen Maßnahmen, die nach seiner Auffassung dazu beitragen sollen, die verwirklichte Straftat zu vertuschen, manifestiert sich in einem entsprechendem Vorgehen erschwerend über die zugrunde liegende Straftat hinaus ein Charakter, der nahelegt, dass diese Person nicht willens und in der Lage sein wird, künftig ihre beruflichen Pflichten zuverlässig zu erfüllen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 17.414 2018-06-27 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf ihrer Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Hebamme“.
Der am …1956 geborenen Klägerin wurde am … … 1976 von der Regierung von Oberfranken die Anerkennung als „Hebamme“ erteilt. Nach ihren Angaben kündigte die Klägerin, die freiberuflich als Hebamme tätig war, den Beleghebammenvertrag mit der … … (Klinikum) zum 31. Dezember 2014 und löste ihre Praxis in … zum 28. Februar 2016 auf.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 24. Juni 2016 (rechtskräftig seit 18.11.2016) wurde die Klägerin wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt. Dem lag im Wesentlichen zugrunde, dass die Klägerin im Laufe eines Geburtsvorgangs bei einer Patientin mit festgestellter Plazentainsuffizienz trotz Eintretens eines pathologischen CTGs ab ca. 7.00 Uhr nicht den diensthabenden Facharzt zur Vorbereitung einer Not-Sectio herbeirief, sondern die Betreuung allein weiterführte. In der Folge trat um 8.54 Uhr der intrauterine Tod des Kindes ein. Zur eigentlichen Geburt des toten Kindes kam es um 9.42 Uhr. Wäre die Behandlung lege artis durchgeführt worden, wäre der Todeseintritt durch einen Kaiserschnitt um ca. 7.00 Uhr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu vermeiden und das Leben des Kindes zu retten gewesen. Dies hätte die Klägerin bei Beachtung der ihr als Hebamme obliegenden Sorgfalt erkennen können und erkennen müssen. Im Nachhinein manipulierte die Klägerin Patientenunterlagen und CTG-Aufzeichnungen hinsichtlich der Zeitangaben.
Weiter wurde die Klägerin mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 30. Juli 2014 (rechtskräftig seit 26.8.2014) wegen Diebstahls vom 24. Juni 2014 zu 30 Tagessätzen verurteilt. Zudem wurde die Klägerin mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 3. März 2015 wegen Diebstahls vom 30. Dezember 2014 zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt. Bzgl. der Strafbefehle vom 3. März 2015 und 24. Juni 2016 beschloss das Amtsgericht … am 14. Februar 2017 nachträglich eine Gesamtgeldstrafe von 205 Tagessätzen.
Mit Bescheid vom 26. April 2017 widerrief der Beklagte die Erlaubnis der Klägerin zum Führen der Berufsbezeichnung „Hebamme“ (bzw. den Ausweis über die Anerkennung als Hebamme) wegen Unzuverlässigkeit.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Juni 2018 abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das ihr am 19. Juli 2018 zugestellte Urteil am 20. August 2018 die Zulassung der Berufung beantragt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Das von der Klägerin innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt es nicht, die Berufung wegen des allein geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen.
Ernstliche Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts gewichtige Gründe sprechen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein einzelner die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens zumindest möglich erscheint (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 f. und v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163 f., sowie BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – DVBl. 2004, 883).
1. Die Einwände der Klägerin, die darlegen sollen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht ihre Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Hebammenberufs angenommen hat, begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zutreffend festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 26. April 2017 über den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Hebamme“ rechtmäßig ist.
Nach § 3 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers vom 4. Juni 1985 – Hebammengesetz – (BGBl. I S. 902; im Folgenden zitiert als HebG 1985), zuletzt geändert durch Art. 39 des Gesetzes vom 6.12.2011 (BGBl. S. 2515) ist die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Hebamme“ zu widerrufen, wenn sich die Erlaubnisinhaberin nach Erteilung der Erlaubnis eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich ihre Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt. Die der Klägerin am 27. September 1976 erteilte Anerkennung als Hebamme gilt nach der Überleitungsregelung in § 27 HebG 1985 als Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 HebG 1985.
Angesichts der strikten Rechtsfolge des § 3 Abs. 2 HebG 1985 muss dem mit dem Widerruf bewirkten Eingriff in die Berufsfreiheit bereits bei der Auslegung des Begriffs der Unzuverlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden, um das Übermaßverbot zu wahren (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2002 – BVerwG 3 C 37.01 – juris). Der Widerruf ist im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG nur dann gerechtfertigt, wenn der mit der Maßnahme bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukommt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs steht. Das setzt voraus, dass der Betreffende wesentliche Berufspflichten missachtet hat und die anzustellende Prognose eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass er auch künftig seine Berufspflichten nicht beachten wird (BVerwG, U.v. 28.4.2010 – 3 C 22/09 – juris Rn. 16, zum Widerruf der Berufserlaubnis eines Logopäden wegen Unzuverlässigkeit).
1.1 Der Klägerbevollmächtigte wendet ein, das Verwaltungsgericht habe in Bezug auf den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit fehlerhaft pauschal in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verwaltungsverfahrens abgestellt, es hätte richtigerweise auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abstellen müssen (unter Berufung auf das U.d. VG Göttingen v. 29.4.2015 – 1 A 42/14). Dabei habe das Verwaltungsgericht zumindest außer Acht gelassen, dass die Klägerin bei Bestandskraft des Widerrufs ihren Beruf für einen ungewissen Zeitraum nicht ausüben dürfe. Der gesamte Bereich im Rahmen der zu beantragenden Wiedererteilung sei gesetzlich nicht geregelt, sodass es für die Klägerin ab Bestandskraft ihres Widerrufs ungewiss sei, ab welchem Zeitpunkt sie mit Aussicht auf Erfolg einen entsprechenden Antrag stellen könne. Der Klägerin würde es faktisch unmöglich gemacht werden, innerhalb eines rechtssicheren Rahmens in ihren Beruf zurückzukehren. Ein beanstandungsfreier Zeitraum wäre zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen. Dies setze voraus, dass man sich überhaupt im Rahmen der Berufsausübung beweisen könne, wie dies im ärztlichen Bereich die Regelung über die widerrufliche unbefristete Erlaubnis zur Berufsausübung ermögliche (vgl. § 8 BÄO).
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil (UA S. 9) ausführlich dargelegt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Prognose der Zuverlässigkeit auf der Grundlage der Sachlage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens vorzunehmen ist.
Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2002 – 3 C 37.01 – juris, zum Widerruf der Approbation eines Apothekers wegen Unzuverlässigkeit; U.v. 28.4.2010 – BVerwG 3 C 22.09 – juris, zum Widerruf der Berufserlaubnis eines Logopäden wegen Unzuverlässigkeit; NdsOVG B.v. 24.5.2012 – 8 LA 198/11 – juris Rn. 9, Streichung aus der Architektenliste wegen Unzuverlässigkeit; NdsOVG, B.v. 25.2.2011 – 8 LA 330/10 – juris Rn. 8 und B.v. 4.3.2014 – 8 LA 138/13 – juris Rn. 15, zum Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Hebamme wegen fortgesetzten Abrechnungsbetrugs; NdsOVG, B.v. 18.1.2017 – 8 LA 162/16 – juris Rn. 18, zum Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Hebamme wegen Unzuverlässigkeit; NdsOVG, B.v. 27.5.2009 – 8 ME 62/09 – juris Rn. 2, zum Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Krankenpfleger“ wegen Unzuverlässigkeit).
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist durch das materielle Recht vorgegeben. Der Widerruf der Berufserlaubnis ist ein auf den Abschluss des Verwaltungsverfahrens bezogener rechtsgestaltender Verwaltungsakt. Das materielle Recht sieht ein eigenständiges Wiedererteilungsverfahren vor, in dem alle nachträglichen Umstände Berücksichtigung finden. Ein solches Verfahren ist in dem Berufsrecht der Hebammen zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, ergibt sich aber ohne weiteres aus dem Umstand, dass bei Wiedervorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch auf erneute Zuerkennung der Erlaubnis besteht. Der Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens bewirkt eine Zäsur, durch die eine Berücksichtigung danach eintretender Umstände einem späteren Wiedererteilungsverfahren zugewiesen wird. Diese Trennung gilt auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (vgl. BVerwG U.v. 28.4.2010 – 3 C 22/09 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Der Verweis der Klägerin darauf, dass das Berufsrecht der Hebammen anders als das ärztliche Berufsrecht keine „Bewährungserlaubnis“ i.S.d. § 8 BÄO vorsehe, führt in diesem Zusammenhang nicht weiter. Der Gesetzgeber selbst hat dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des § 8 Abs. 1 BÄO dadurch Rechnung getragen, dass er u.a. für den Fall eines Widerrufs der Approbation dann, wenn die Verhaltensweise des Arztes nach Abschluss des Widerrufsverfahrens mit Blick etwa auf die Zuverlässigkeit eine günstige Prognose erlaubt, die Möglichkeit eröffnet hat, einen Antrag auf Wiedererteilung der Approbation zu stellen und ggf. zunächst eine vorübergehende Erlaubnis zur erneuten Ausübung des ärztlichen Berufs zu erhalten (BVerwG U.v. 16.9.1997 – 3 C 12/95 – juris Rn. 28). Daraus, dass der Gesetzgeber eine solche spezielle Vorschrift für die Wiedererteilung der Berufserlaubnis für das Berufsrecht sowie für weitere das Berufsrecht regelnde Ordnungen der Heil- und Hilfsberufe nicht vorgesehen hat, kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass im Fall der Nichtregelung der für die Prognose der Zuverlässigkeit maßgebliche Zeitpunkt vom Abschluss des Verwaltungsverfahrens auf den der letzten mündlichen Verhandlung zu verlagern sei, damit auch für diese Berufsgruppen die Möglichkeit der „Bewährung im Beruf“ bis zur Wiedererteilung der Erlaubnis bestehe. Im Wiedererteilungsverfahren sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer Gesamtbetrachtung Art und Schwere des Fehlverhaltens, der zeitliche Abstand zu den die Unzuverlässigkeit bzw. Unwürdigkeit begründenden Verfehlungen sowie alle Umstände, die nach Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens eingetreten sind, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v.15.11.2012 – 3 B 36/12 – juris Rn. 7 m.w.N., U.v. 28.4.2010, a.a.O. juris Rn. 11). Damit findet der Zeitraum nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens im Wiedererteilungsverfahren für die Zuverlässigkeitsprognose Berücksichtigung. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, bei der Beurteilung der Widerrufsvoraussetzungen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, weil die Lebensführung des Betroffenen nach der letzten Verwaltungsentscheidung und seine Persönlichkeitsentwicklung nach diesem Zeitpunkt im Wiedererteilungsverfahren zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, B.v. 23.10.2007 – 3 B 23/07 – juris Rn. 6).
1.2 Weiter trägt der Bevollmächtigte der Klägerin vor, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen und der anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung insgesamt fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass die Klägerin ihre Berufspflichten nicht mehr zuverlässig erfüllen werde. Einige der der Klägerin in Ausübung ihres Berufes in Zusammenhang mit dem Vorfall am 6. Dezember 2014 zur Last gelegten Pflichtverletzungen seien fehlerhaft dargestellt und insoweit lägen keine berufsrechtlichen Verfehlungen der Klägerin vor. Außerdem habe die Klägerin entgegen der Ausführungen des Verwaltungsgerichts Einsicht in die Fehlerhaftigkeit ihres Verhaltens im gesamten Jahr 2014 gezeigt. Das Verwaltungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin im Laufe ihres Berufslebens von über 40 Jahren grundsätzlich völlig frei von berufsrechtlichen Beanstandungen geblieben sei.
Auch insoweit ist das Vorbringen der Klägerseite, das im Wesentlichen auch schon vor dem Verwaltungsgericht vorgetragen wurde, nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und zutreffend dargelegt, dass die Klägerin wesentliche Berufspflichten in erheblicher Weise missachtet hat und nach der anzustellenden Prognose von der Unzuverlässigkeit der Klägerin zur Ausübung ihres Berufs auszugehen ist. Auf die Ausführungen wird Bezug genommen (UA S. 9 ff.).
Das Verwaltungsgericht ist von dem Grundsatz ausgegangen, dass im Ordnungsrecht insbesondere die im rechtskräftigen Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage der behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden könnten (UA S. 10; BVerwG, B.v.18.8.2011 – 3 B 6.11 – juris Rn. 10 f. und 12). Ein Anlass zur weiteren Sachaufklärung habe nicht bestanden, da die Klägerin gegen die tatsächlichen Feststellungen und die strafrechtliche Würdigung weder das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen i.S.v. § 359 StPO dargelegt habe, noch sonst substantiierte, nachprüfbare Umstände, die eine Unrichtigkeit der im Strafbefehl getroffenen Feststellungen belegen würden. Dem ist zuzustimmen.
Die Klägerin wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, dem u.a. folgende Feststellungen zugrunde liegen: Am 6. Dezember 2014 ab etwa 5.00 Uhr betreute die Klägerin als Beleghebamme im Klinikum … ihre Patientin in Kenntnis von deren Risikoschwangerschaft (Plazenta-Insuffizienz). Die Gebärende wurde an das CTG-Gerät angeschlossen und ab etwa 5.00 Uhr kam es zu einer verringerten Oszillation (Schwingungen) der Herztonkurve, die sich im Laufe der weiteren Registrierung am CTG-Gerät so verstärkte, dass ab etwa 7.00 Uhr ein Oszillationsverlust (sog. pathologisches CTG) eintrat. Obwohl spätestens zu diesem Zeitpunkt die Information des diensthabenden Facharztes zur Vorbereitung einer Not-Sectio erforderlich gewesen wäre, unterrichtete sie keinen Arzt, sondern führte die Betreuung allein weiter. In der Folge trat um 8.54 Uhr der intrauterine Tod des Kindes ein. Zur eigentlichen Geburt des toten Kindes kam es um 9.42 Uhr. Wäre die Behandlung lege artis durchgeführt worden, wäre der Todeseintritt durch einen Kaiserschnitt um ca. 7.00 Uhr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu vermeiden und das Leben des Neugeborenen zu retten gewesen. Dies hätte die Klägerin bei Beachtung der ihr als Hebamme obliegenden Sorgfalt erkennen können und müssen. Als Beweismittel wurden u.a. die im Rahmen des Strafverfahrens eingeholten Sachverständigengutachten (Prof. Dr. med. B … und Prof. Dr. med. S …, Institut für Rechtsmedizin … v. 3.6.2015; Prof. Dr. med. D … v. 7.1.2016) verwertet. Im Sachverständigengutachten des Prof. Dr. D … vom 7.1.2016 heißt es (s.S. 12 f.): „Ab ca. 7.00 Uhr zeigt die Herztonkurve ein wellenförmiges (hoch pathologisches, sinusoides) Bild, das sich bis zum Ende der Herztonaufzeichnung um 8.54 Uhr fortsetzt … Aufgrund dieses Herztonverlaufs hätte um ca. 7.00 Uhr eine Benachrichtigung des ärztlichen Dienstes erfolgen müssen, da das Kind im Mutterleib entsprechend dem CTG bereits gefährdet war. Auf dem Hintergrund der bekannten Plazenta-Insuffizienz hätte man sich um diesen Zeitpunkt herum zu einem Kaiserschnitt entschließen müssen.“
Die Klägerin hat damit die ihr als Hebamme obliegende Grundpflicht, beim Auftreten von Regelwidrigkeiten einen Arzt hinzuzuziehen (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 Bayerische Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger vom 28.5.2013, Bayerische Hebammenberufsordnung – BayHebBO, GVBl. S. 360), in gröblicher Weise missachtet. Bereits diese o.g. dem Strafbefehl zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen haben zur Erfüllung der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der fahrlässigen Tötung geführt. Diese Umstände reichen für sich genommen aus, um die Prognose der Unzuverlässigkeit zu tragen. Darin liegt eine massive Verletzung der beruflichen Pflichten als Hebamme. Von Seiten der Klägerin wurde weder im Strafverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein nachvollziehbarer Grund vorgetragen, der zugunsten der Klägerin dafür spräche, dass eine Tatbestandsverwirklichung in objektiver oder subjektiver Hinsicht nicht vorläge oder z.B. Schuldausschließungs- oder -minderungsgründe bestünden. Die Klägerin hat sich – sei es aus Selbstüberschätzung, Gedankenlosigkeit oder einem anderen Grund heraus – obwohl für sie ersichtlich das Leben eines im Verlauf der Geburt in eine Notsituation geratenen Kindes unmittelbar gefährdet war und obwohl die Betroffenen gerade während des Geburtsvorgangs den Fähigkeiten, Fertigkeiten und der Umsicht der Hebamme in besonderer Weise anvertraut sind über ihre fachlichen Kompetenzen im Verhältnis zum ärztlichen Dienst entgegen den hier ganz klar zutage liegenden und klar erkennbaren anerkannten Regeln ihres Berufs hinweggesetzt. Allein in der unterbliebenen rechtzeitigen Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe bei einer nicht normal verlaufenden Geburt liegt schon eine erhebliche und gewichtige Verletzung der Berufspflichten vor (vgl. UA S. 12; NdsOVG, B.v.2.9.2008 – 8 ME 53/08 – juris Rn. 11), die vorliegend unter Würdigung der besonderen Art und Schwere des Pflichtenverstoßes zur Prognose der Unzuverlässigkeit führt.
Soweit die Klägerin einwenden lässt, entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts habe sie im Verfahren sehr wohl eingesehen, dass sie im Rahmen der Hinzuziehungspflicht des ärztlichen Dienstes Fehler begangen habe und dass „dieser trotz Kenntnis über die Anwesenheit der Gebärenden nochmals dringlicher hätte informiert werden müssen“, ist bereits weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, in welchen Äußerungen oder Verhaltensweisen sich diese Einsicht hätte zeigen sollen. Es ist vielmehr der vom Verwaltungsgericht getroffenen Einschätzung zuzustimmen, dass die Klägerin im gesamten Verwaltungsverfahren keine Einsicht in ihr Fehlverhalten gezeigt hat (UA S. 14).
Auch soweit die Klägerin sich gegen die weiteren ihr im Zusammenhang mit dem Geburtsvorgang vorgeworfenen Pflichtenverstöße wendet, kann sie damit nicht durchdringen.
Mit Blick auf die zu treffende Prognose kann dahinstehen, ob die Klägerin zusätzlich zu den schwerwiegenden Fehlern im Zusammenhang mit dem Geburtsvorgang am 6. Dezember 2014 bereits dadurch einen Pflichtverstoß begangen hat, dass sie ihrer Patientin – wie im Strafbefehl festgestellt – am 5. Dezember 2014 gegen 21.00 Uhr (undokumentiert) Medikamente zur Geburtseinleitung verabreicht hatte. Der Senat geht dem Verwaltungsgericht folgend davon aus, dass entsprechend der Feststellungen im Strafbefehl die Klägerin ihrer Patientin (verschreibungspflichtige) Zäpfchen zum Zwecke der Geburtseinleitung verabreichte und damit gegen § 4 Abs. 1 und 2 BayHebBO verstieß. Nach der Aussage der gebärenden Mutter im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Vernehmung v. 16.3.2015; Gutachten des Prof. Dr. B … v. 3.6.2016 S. 4) habe sie mit der Klägerin vereinbart gehabt, dass sie am 5. Dezember 2014 gegen 21.00 Uhr zur Klägerin in die Praxis kommen solle, damit die Geburt dort eingeleitet würde “wieder mit Globuli und diesen Zäpfchen“. So gegen 23.20 Uhr habe sie dann die ersten Wehen bekommen. Der Einwand der Klägerin, ihrer Patientin erlaubterweise nicht verschreibungspflichtige Globuli verabreicht zu haben und dass sich die Geburt dann am nächsten Morgen gegen 5.00 Uhr aus ihrer Sicht nur spontan ereignet haben könne, kann vor dem Hintergrund der Zeugenaussage der Patientin keinen Bestand haben.
Weiter folgt der Senat der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin im Nachhinein den CTG-Streifen durch das Notieren falscher Uhrzeiten manipulierte (vgl. auch Feststellungen im Strafbefehl), letztlich um ihren schwerwiegenden Fehler des Nichtherbeirufens eines Arztes trotz eines pathologischen CTGs zu vertuschen. Greift jemand, der eine schwerwiegende, den Straftatbestand der fahrlässigen Tötung verwirklichende Berufspflichtverletzung begangen hat, zu unzulässigen Maßnahmen, die nach seiner Auffassung dazu beitragen sollen, die verwirklichte Straftat zu vertuschen, manifestiert sich in einem entsprechendem Vorgehen erschwerend über die zugrunde liegende Straftat hinaus ein Charakter, der nahelegt, dass diese Person nicht willens und in der Lage sein wird, künftig ihre beruflichen Pflichten zuverlässig zu erfüllen. Im Strafbefehl heißt es insoweit: „Um den Todeseintritt des Kindes im Mutterleib mit dem tatsächlichen Geburtszeitpunkt in Einklang zu bringen, manipulierten Sie im Nachhinein Patientenunterlagen und CTG-Aufzeichnungen hinsichtlich der Zeitangaben. Zudem entsorgten Sie die Plazenta, obwohl diese aufgrund der Totgeburt einer pathologischen Untersuchung hätte unterzogen werden müssen.“ Dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. D … vom 7.1.2016 sind folgende Ausführungen zu entnehmen: „In der in Papierstreifen vorliegenden CTG-Aufzeichnung ist der Beginn mit der maschinell ausgedruckten Uhrzeit von 4.59 Uhr des 6.12.2014 erfasst. Handschriftlich wurde dieser Beginn durch die Beschuldigte auf „6.00 Uhr“ manipuliert. Im weiteren Verlauf wurden alle maschinell ausgedruckten Uhrzeiten nachträglich durch die Beschuldigte verändert … In der manipulierten Zeitangabe entspricht dies eine Stunde später. Die auf dem CTG-Papier ausgedruckte Zeit 06.16 Uhr wird handschriftlich auf 07.06 Uhr „vorgestellt“ …, die weiteren ausgedruckten Zeitangaben sind jeweils nur noch um 50 Minuten „korrigiert“. Weiter führte der Sachverständige aus: „Der Verlust der kindlichen Herztöne und damit der intrauterine Tod des Kindes tritt um 08.54 Uhr ein. Die eigentliche Geburt des toten Kindes findet um 09.42 Uhr – 48 Minuten nach dem intrauterinen Versterben – statt. Die beschuldigte Hebamme hat zunächst an die Registrierzeiten im CTG eine Stunde handschriftlich angehängt (05.00 Uhr auf 06.00 Uhr, usw.). Wäre diese um eine Stunde versetzte Zeit beibehalten worden, so wäre der Signalverlust der kindlichen Herzaktion (intrauteriner Kindstod) um 09.54 Uhr und damit von der wirklichen Geburtszeit mit 09.42 Uhr zu weit entfernt gewesen. So wurde die ausgedruckte Zeit im Original-CTG ab 6.30 Uhr nur noch um 50 Minuten verlegt (06.30 Uhr auf 07.20 Uhr, usw.), sodass das intrauterine Absterben des Kindes durch Hinzufügen von 50 Minuten auf 09.44 Uhr „verlegt“ wurde, was der eigentlichen Geburtszeit mit 09.42 Uhr sehr nahe kam. Durch diese „Stauchung der Zeit“ sollte die Überwachung eines intrauterin abgestorbenen Kindes von über 50 Minuten mithilfe des CTGs verschleiert werden (Gutachten S. 13). Die von der beschuldigten Hebamme registrierte Herzaktion des Kindes eine Minute nach der Geburt von 50 Schlägen pro Minute (APGAR 1 nach einer Minute) ist auch im Zusammenhang mit der manipulierten Zeit der Herztonregistrierung zu sehen. Die Hebamme projiziert einfach das intrauterine Absterben 50 Minuten später auf die eigentliche Geburtszeit des Kindes (S. 14) … Die Entsorgung der Plazenta hätte nicht erfolgen dürfen, da es sich um eine Totgeburt handelte und daher eine pathologische Untersuchung auf jeden Fall indiziert war.“
Daraus ist klar ersichtlich, dass die Klägerin mehrere Dokumente manipuliert hat, um den Todeseintritt des Kindes im Mutterleib auf den wirklichen Geburtszeitpunkt des toten Kindes zu projizieren. Der Senat hat den Ausführungen des Verwaltungsgerichts folgend vor diesem Hintergrund keine Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen im Strafbefehl.
Die Klägerin hat auch im Berufungszulassungsverfahren keine substantiierten Umstände dargelegt, die eine Unrichtigkeit der im Strafbefehl getroffenen Feststellungen belegen könnten. Die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, nachträgliche Vermerke auf dem CTG-Protokoll vorgenommen zu haben und sich hinsichtlich der Eintragungen wohl geirrt zu haben, sowie der Einwand, dass nachträgliche Dokumentationen sehr wohl erlaubt seien, sind nicht substantiiert und nicht geeignet, die differenzierte Vorgehensweise der Klägerin zum Zweck der Vertuschung ihrer Straftat in Zweifel zu ziehen. Die Klägerin konnte in keiner Weise einen nachvollziehbaren Umstand für ihr Vorgehen benennen. Auch im Hinblick auf die entsorgte Plazenta konnte die Klägerin keine Zweifel an den strafgerichtlichen Feststellungen begründen. Die Behauptung, einen routinemäßigen Ablauf gesucht zu haben, sowie der Einwand, dass die von der Klägerin noch nicht freigegebene Plazenta schließlich durch Dritte abtransportiert worden sei, sind nicht glaubhaft. Vielmehr hat die Klägerin die Plazenta durch Bereitlegen auf dem Geburtstisch zur Entsorgung freigegeben. (vgl. Feststellungen im Strafbefehl und Gutachten Dr. D … S. 15 und Gutachten Prof. Dr. B … und Prof. Dr. S … S. 16).
1.3 Entgegen der Auffassung der Klägerin hatte sie in dem im Widerrufsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (s.o. zu 1.1) ihre berufsrechtliche Zuverlässigkeit auch nicht wiedererlangt. Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 13 f.) wird Bezug genommen. Der Vorfall ereignete sich im Dezember 2014, die Verurteilung durch Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung wurde im November 2016 rechtskräftig, der Widerrufsbescheid wurde im April 2017 erlassen. Wie oben ausgeführt, besteht für den Senat kein Zweifel daran, dass die Klägerin in dem für das Widerrufsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nach den Umständen des gesamten Falles, die Art und Schwere des Verstoßes gegen die Berufspflichten und des dadurch manifest gewordenen Charakters der Klägerin nicht willens oder in der Lage war und darüber hinaus für einen erheblichen Zeitraum nicht willens oder in der Lage sein wird, künftig ihre beruflichen Pflichten zuverlässig zu erfüllen.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an 14.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 18. Juli 2013 (abgedr. in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 27. Juni 2018 rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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