Verwaltungsrecht

Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Eignung

Aktenzeichen  24 CS 22.837

Datum:
8.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15388
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2
WaffG § 6 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 7 S 22.211 2022-02-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.625 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Sofortvollzug u.a. des Widerrufs seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse.
Der Antragsteller beantragte am 13. Juni 2013 die Wiedererteilung eines kleinen Waffenscheins nach § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG, nachdem dieser mit Bescheid des Landratsamtes vom 26. August 2010 mangels waffenrechtlicher Zuverlässigkeit des Antragstellers widerrufen worden war. Im Rahmen des Erteilungsverfahrens forderte das Landratsamt vom Antragsteller mit Schreiben vom 24. Juli 2013 zum Nachweis der persönlichen Eignung des Antragstellers im Umgang mit Schusswaffen und Munition die Vorlage eines entsprechenden Gutachtens an. Die Anforderung sei veranlasst, da Bedenken gegen dessen persönliche Eignung bestünden. Im Folgenden führte das Landratsamt aus, der Antragsteller sei laut polizeilicher Mitteilung vom 30. Juni 2007 beobachtet worden, wie er mit einer gepolsterten erlaubnisfreien Waffe und Handschellen am Isarufer entlanggegangen sei und bei einem Grillfest mit aufgebaut habe. Die Waffe sei zur Vermeidung von Eskalationen mit weiteren Badegästen und zur Gefahrenabwehr sichergestellt worden. Gemäß polizeilicher Auskunft vom 30. Januar 2007 habe der Antragsteller während eines Besuchs in einem Fast Food-Restaurant eine erlaubnisfreie Schusswaffe offen am Körper getragen. Im Zuge der Polizeikontrolle habe er einen Kleinen Waffenschein vorlegen können, der ihn zum Führen der Schusswaffe berechtigt habe. Auf Nachfrage habe er angegeben, die Waffe zum Eigenschutz mitzuführen, nachdem er bereits mehrfach von ausländischen Mitbürgern zusammengeschlagen worden sei. Allerdings sei es nicht üblich, solche Schusswaffen, auch für Dritte sichtbar, ganz ungeniert offen am Körper zu tragen. Ein verdecktes Tragen der Waffe wäre problemlos möglich gewesen. Durch das deutlich sichtbare Tragen der Waffe sei die Bevölkerung unnötig beunruhigt worden. Trotz Hinweises und Bitte des Landratsamts, zukünftig das offene Tragen von erlaubnisfreien Schusswaffen in der Öffentlichkeit zu unterlassen, habe der Antragsteller gemäß polizeilicher Mitteilung vom 9. Oktober 2009 als ehemaliger Teilnehmer einer Fortbildungsmaßnahme im beruflichen Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft am 24. September 2009 bei der ehemaligen Seminarleiterin vorgesprochen, um noch nicht ausbezahlte Reisekosten einzufordern, die aufgrund eines Softwarefehlers noch nicht ausbezahlt worden seien. In diesem Zusammenhang habe er geäußert, „wenn das Geld nicht sofort überwiesen wird, dann ist hier Feierabend und zwar für alle“. In einem Nebensatz habe er erwähnt, dass es für die Seminarleiterin besser wäre, wenn sie nächstes Wochenende nicht auf das Oktoberfest gehen würde. Zudem sei der Antragsteller bereits am 11. September 2009 wegen der ausstehenden Reisekosten bei einer anderen Kollegin im Fortbildungszentrum gewesen und habe diese mit der Äußerung bedroht, „dass sie vorsichtig sein solle, falls sie mal einen roten Punkt wahrnehmen würde, denn er sei im Besitz einer Waffe“. Beim Verlassen habe er die Jacke nach oben gezogen und die Mitarbeiterin habe eine in seinem Hosenbund steckende Schusswaffe erkennen können. Konkrete direkte Bedrohungen habe der Antragsteller nicht ausgesprochen.
Das in der Folge gefertigte fachpsychologische Gutachten der … S1. L2. Service GmbH vom 6. September 2013 bewertete die erhobenen Befunde unter anderem dahingehend, dass die Schilderungen des Antragstellers in so starkem Maße auf Rechtfertigung hinausliefen, dass nicht erkennbar sei, woher für den fraglichen Verhaltensbereich über die momentan erlebten Folgen hinaus überdauernd Impulse für eine stabile Verhaltensänderung kommen sollten. Der Antragsteller stelle bei der rückblickenden Beurteilung seine eigene Sichtweise rechtfertigend, bagatellisierend und teils leicht ironisierend in den Vordergrund. Ohne die notwendige Aufarbeitung der für seine Auffälligkeit ursächlichen Problematik böten gute Vorsätze alleine in kritischen Anreizsituationen keine Gewähr für zuverlässiges Verhalten im Sinne der Fragestellung. Aufgrund der vorliegenden Befunde könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5) und die persönliche Eignung (§ 6) besitze.
In der Folge nahm der Antragsteller mit E-Mail vom 5. Oktober 2015 seinen Antrag auf Erteilung des kleinen Waffenscheins vom 13. Juni 2013 sowie einen am 26. August 2015 gestellten Antrag auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte zurück.
Mit E-Mail vom 8. Februar 2016 beantragte der Antragsteller die Wiederaufnahme seines Antrags vom 26. August 2015 auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte und legte im Rahmen des Erteilungsverfahrens freiwillig ein Eignungsgutachten der pima-mpu GmbH vom 24. März 2016 vor. Danach habe der Antragsteller sehr ausführlich schildern können, dass er sich inzwischen persönlich weiterentwickelt und eine realistische Zukunftsprognose geschaffen habe. Seine dargestellten Einsichten seien im Gegensatz zu früher an übergeordneten Werten der Einhaltung von Normen und Gesetzen respektive an konkreten Zielen orientiert. Es sei deutlich geworden, dass er über die Jahre einen Nachreifungsprozess durchlaufen habe. Aufgrund dieses selbstkritischen Verständnisses, respektive des inzwischen erworbenen gesteigerten Verantwortungsbewusstseins, sei davon auszugehen, dass sich die Verhaltensänderungen des Antragstellers im Sinne der Fragestellung künftig positiv auswirken würden und der Antragsteller in der Lage für einen verantwortungsvollen und stets sicheren Umgang mit einer Waffe sei. Der Antragsteller habe durch seine eingeleitete Verhaltensänderung eine auf Dauer verlässliche Verhaltenssteuerung und Verhaltenskontrolle initiiert. Daher habe er die wesentlichen Voraussetzungen für eine positive Prognose erfüllt. Die zu stellenden Eignungsvoraussetzungen im Umgang mit Waffen und Munition lägen vor.
Mit E-Mail vom 29. März 2016 beantragte der Antragsteller auch die Wiederaufnahme seines Antrags auf Erteilung eines kleinen Waffenscheins vom 13. Juni 2013.
Auf Hinweis des Landratsamts, eine Wiederaufnahme der zurückgenommenen Anträge sei nicht möglich, stellte der Antragsteller am 15. April 2016 erneut einen Antrag auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte und legte eine Bestätigung des Bayerischen Landesverbands für Dynamic Schießen e.V. über das Bedürfnis zum Erwerb einer Waffe vor. Zudem stellte er unter gleichem Datum erneut einen Antrag auf Erteilung eines kleinen Waffenscheins. In der Folge erteilte das Landratsamt dem Antragsteller die Waffenbesitzkarte Nr. 71/2016 und den kleinen Waffenschein Nr. 546/2016. Mit Antrag vom 16. Juni 2016 beantragte der Antragsteller zudem die Erteilung eines Europäischen Feuerwaffenpasses, der ihm unter der Nr. 0259870 am gleichen Tag erteilt wurde.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2021 forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, auf eigene Kosten ein amts-, fachärztliches oder fachpsychologisches Gutachten als Nachweis seiner persönlichen Eignung zum Umgang mit Schusswaffen und Munition vorzulegen. Die Anforderung des Gutachtens sei veranlasst, da im Rahmen der durchgeführten routinemäßigen Zuverlässigkeitsüberprüfung sowie durch Mitteilung der Verkehrspolizeiinspektion F. bekannt geworden sei, dass der Antragsteller immer wieder mit seinem Verhalten polizeilich auffalle. Am 30. Mai 2016 hätten gegen 11:00 Uhr uniformierte Einsatzkräfte auf Streifenfahrt in P. den PKW des Antragstellers festgestellt. In diesem PKW habe der Antragsteller im unteren linken Abschnitt der Windschutzscheibe ein Abzeichen befestigt, welches das Bayerische Hoheitswappen und die Aufschrift „Hundeführer im Einsatz“ enthalten habe. Weiterhin sei in der Mitte der Windschutzscheibe ein mobil einsetzbares Blinklicht angebracht gewesen. Eine ähnliche Vorrichtung sei hinter der Heckscheibe auffindbar gewesen. Im Windschutzscheibenbereich habe sich weiterhin ein zweiter Rückspiegel befunden und am Dach des Pkw sei eine verlängerte Funkantenne verbaut gewesen. Gegenüber den Einsatzkräften habe der Antragsteller wahrheitswidrig angegeben, Hundeführer zu sein. Er habe sich demnach bewusst wahrheitswidrig gegenüber Dritten verhalten, als ob er Aufgaben und Befugnisse einer ihm verliehenen Amtsstellung wahrnehmen würde. Gegenüber den Einsatzkräften habe er sich äußerst unfreundlich und unkooperativ verhalten. Zudem habe sich herausgestellt, dass der Antragsteller bereits wegen Amtsanmaßung in Erscheinung getreten sei. So habe er mit einem ähnlich ausgerüsteten Fahrzeug am 6. November 2007 unter der Verwendung von blauen Blinklichtern auf der BAB 8 unter anderem ein ziviles Einsatzfahrzeug der Polizei dazu genötigt, die Fahrspur zu räumen. Am 7. Februar 2017 habe der Antragsteller zum wiederholten Mal seinen PKW so gekennzeichnet, als könne es sich um ein Zivilfahrzeug der Polizei handeln. Der PKW sei mit Frontblitzer hinter der Windschutzscheibe und Dachantennen, ähnlich den Antennen für Polizeifunk, ausgestattet gewesen und habe so im Halteverbot gestanden. Polizeibeamte hätten den Antragsteller bei der deswegen durchgeführten Kontrolle dazu veranlasst, diese Kennzeichnungen zu entfernen. Am 27. April 2019 habe der Antragsteller durch eine Vollbremsung den hinter ihm fahrenden Verkehrsteilnehmer zum Anhalten genötigt und ihn bedroht. Der Antragsteller habe sich von einem anderen Autofahrer behindert gefühlt. Deshalb habe er sich vor ihn gesetzt und eine Vollbremsung auf einer dreispurigen Straße eingeleitet. Er sei ausgestiegen und habe dem anderen Autofahrer gedroht, ihn aus dem Auto zu ziehen und fertig zu machen, falls er dies noch mal machen würde. Am 10. März 2020 gegen 20:00 Uhr seien Einsatzkräfte zur Unfallaufnahme auf der BB 99 eingesetzt gewesen. Nach Eintreffen an der Unfallörtlichkeit sei der Antragsteller an das Dienstfahrzeug herangetreten. Noch bevor der eingesetzte Beamte das Dienstfahrzeug habe verlassen können, habe der Antragsteller Anweisungen gegeben, wie bei der Unfallaufnahme und der Fahrzeugbergung weiter zu verfahren sei. Er habe dann angegeben, „First Responder“ zu sein und mit seinem Pickup die Fahrzeugbergung durchzuführen. Der Antragsteller sei zu diesem Zeitpunkt mit einer gelben Warnweste mit schwarzer Aufschrift „First Responder“ bekleidet gewesen. Sein Pickup sei mit fest verbauten gelben Blitzleuchten versehen gewesen, welche sich in Betrieb befunden hätten. Der Antragsteller habe Fachsprache und Fachbegriffe an den Tag gelegt, wie sie in der Regel von Polizei und Rettungskräften, Bergeunternehmen oder Straßenbaubehörden wie der Autobahndirektion verwendet würden. Der Pickup des Antragstellers sei professionell mit Warnleuchten ausgestattet gewesen, wodurch dieser den Anschein eines Dienstfahrzeugs oder Behördenfahrzeugs erweckt habe. Auch nachdem der eingesetzte Polizeibeamte das Polizeifahrzeug verlassen habe, habe der Antragsteller weitere Anweisungen für das von ihm geplante Bergevorhaben gegeben. Mehrmals habe er seine Fachkompetenz und Funktion als „First Responder“ betont. Während sich die Beamten ein Lagebild verschafft hätten und die anwesenden Unfallbeteiligten zum Hergang befragt hätten, habe der Antragsteller mehrmals das Vorgehen der Beamten unterbrochen und versucht, diese zu dem von ihm geplanten Bergevorgehen zu bewegen. Auch bei Inaugenscheinnahme des Unfallfahrzeugs und weiteren einzuleitenden Maßnahmen habe der Antragsteller versucht, sich dem Vorgehen der Polizeibeamten zu widersetzen. Er habe versucht, sich mit den Worten „ich mach das trotzdem“, an den Anweisungen der Beamte vorbei zu drängen. Erst auf klare, bestimmte Anweisung habe er gehorcht. Auf späteres intensives und bestimmtes Nachfragen der Beamten habe der Antragsteller angegeben, seine „First-Responder“-Funktion für den Katastrophenschutz M. Land auszuführen. Am 19. April 2020 habe eine uniformierte Streifenbesatzung das Anwesen des Antragstellers angefahren. Vor Ort habe der Antragsteller die Streifenbesatzung mit aggressivem und unkooperativen Verhalten vom Grundstück verwiesen. Eine Konversation sei nach Verlassen des Grundstücks nur bedingt möglich gewesen. Der Antragsteller habe sich währenddessen weiterhin äußerst unkooperativ und aggressiv verhalten. Weiter sei eine Gefährderansprache zum Verhalten an der Unfallstelle durchgeführt worden. Hierbei habe sich der Antragsteller uneinsichtig gezeigt. Eine weitere Gesprächsführung sei nicht möglich gewesen. Der Antragsteller sei polizeilich hinlänglich bekannt. Im Jahr 2010 sei bereits der kleine Waffenschein wegen Nötigung in Tateinheit mit Amtsanmaßung widerrufen worden. Weiter sei er, auch aufgrund der erwähnten Sachverhalte, dafür bekannt, über zu reagieren, wenn er sich in seinen Rechten verletzt fühle, gleich ob er tatsächlich im Recht sei oder nicht. Es werde daher beabsichtigt, die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers kostenpflichtig zu widerrufen. Das Verhalten des Antragstellers stelle solche Tatsachen dar, die Bedenken gegen dessen persönliche waffenrechtliche Eignung begründeten. Die begründeten Bedenken könnten durch Vorlage eines Gutachtens ausgeräumt werden. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei nicht zeitgerechter Vorlage des Gutachtens oder im Fall der Weigerung des Antragstellers, sich untersuchen zu lassen, im weiteren Verfahren vom Fehlen der persönlichen Eignung zum Umgang mit Waffen und Munition ausgegangen werden würde und die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers widerrufen würden. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Mit Schreiben vom 14. Juli 2021 teilte der Antragsteller mit, er werde das geforderte Gutachten nicht beibringen. Er habe in der Vergangenheit bereits ein Gutachten der pima-mpu vorgelegt. Seit diesem Zeitpunkt seien ihm Voreinträge in die Waffenbesitzkarte bewilligt worden. Eine waffenrechtlich relevante strafrechtliche Verurteilung haben sich seitdem nicht ergeben. Richtig sei, dass er mit einem übereifrigen Polizisten in Konflikt geraten sei. Dies sei aber keine Tatsache für ein Gutachten nach § 6 WaffG, zumal die Behörde auf einen einseitigen Sachbericht zurückgreife.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15. November 2021 widerrief die Waffenbehörde unter anderem die Waffenbesitzkarten des Antragstellers.
Hiergegen ließ der Antragsteller Anfechtungsklage erheben und gleichzeitig einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, vorliegend könne der Vollzug des Bescheids ohne schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen aufgeschoben werden. Es gehe um Sportwaffen, welche der Antragsteller seit längerer Zeit besitze und um waffenrechtliche Dokumente. Ein Gutachten nach § 6 WaffG sei bereits im Jahr 2016 erbracht worden. Die Argumentation der Behörde zum Sofortvollzug sei nicht schlüssig. Ausnahmsweise müsse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers für die Dauer des Hauptsacheverfahrens Vorrang vor dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners bzw. der ohnehin nicht gefährdeten Allgemeinheit haben. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass zwischen der Anhörung bzw. Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens mit Schreiben der Behörde vom 24. Juni 2021 bis zum Erlass eines Widerrufsbescheids (Eingang am 29. Dezember 2021) mehr als ein halbes Jahr vergangen sei und die Behörde am 24. September 2021 an die Angelegenheit habe erinnert werden müssen, da der Antragsteller zwischenzeitlich gehofft habe, die Sache habe sich erledigt. Bei der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung erweise sich der Ausgang des Klageverfahrens als offen, wenn nicht sogar als erfolgreich. Kein einziger Vorfall habe zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt. Seine Hilfsbereitschaft im Straßenverkehr am 10. März 2020 sei ihm zum Verhängnis geworden. Er habe in der Vergangenheit ein Gutachten der pima-mpu, ein psychologisches Gutachten nach § 6 WaffG, vorgelegt. Seitdem seien dem Antragsteller Voreinträge in seiner Waffenbesitzkarte bewilligt worden. Eine waffenrechtlich relevante strafrechtliche Verurteilung habe sich nicht ergeben. Es stellt sich die Frage, wie viele Gutachten eine Behörde innerhalb von fünf Jahren fordern könne.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 18. Februar 2022 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ab. Das behördliche Vorgehen sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die dem Landratsamt bekannt gewordenen Vorfälle dürften in der Gesamtschau die Annahme des Vorliegens aufklärungsbedürftiger Bedenken hinsichtlich der charakterlichen Eignung des Antragstellers im Umgang mit Waffen und Munition und damit auch des Bestehens einer konkreten Gefahr der Fremdgefährdung rechtfertigen. Es dürfte sich um solche Tatsachen handeln, die geeignet seien, anlassbezogen Bedenken gegen dessen persönliche Eignung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WaffG zu begründen. Bereits der Vorfall vom 27. April 2019 dürfte für sich genommen geeignet sein, erhebliche Bedenken an der persönlichen Eignung des Antragstellers zu begründen. Es sei anerkannt, dass Mängel im psychischen Bereich eine fehlende persönliche Eignung im waffenrechtlichen Sinne begründen würden, wie etwa Jähzorn, Wutausbrüche und Unbeherrschtheit sowie bzw. ein unkontrolliertes Verhalten in Konfliktsituationen. Der Antragsteller habe in einer alltäglichen Situation im Straßenverkehr eine für ihn wie andere Verkehrsteilnehmer gefährliche Lage geschaffen. Er habe sich mit seinem Fahrzeug vor einen ihn behindernden PKW gesetzt und auf einer dreispurigen Straße eine Vollbremsung eingeleitet, sei aus dem Fahrzeug gestiegen und habe dem anderen Autofahrer für den Wiederholungsfall angedroht, „ihn aus dem Auto zu ziehen und fertig zu machen“. Der Antragsteller habe dadurch ein hohes Maß an Unbeherrschtheit zum Ausdruck gebracht und sich als durch alltägliche Situationen leicht provozierbar gezeigt. Die danach wohl bereits gerechtfertigten Zweifel dürften sich durch die zahlreichen polizeilich dokumentierten Vorkommnisse weiter verdichten, in denen der Antragsteller mit seinem Verhalten bzw. durch sein Equipment den Eindruck erweckt habe, eine offizielle oder jedenfalls herausgehobene Tätigkeit auszuüben, die ihn von der Allgemeinheit abhebe. Das in diesem Zusammenhang gezeigte Verhalten des Antragstellers dürfte die im Gutachten der pima-MPU GmbH vom 24. März 2016 getroffene Prognoseeinschätzung widerlegen, der Antragsteller habe infolge eines Reifungsprozesses durch seine eingeleiteten Verhaltensänderungen eine auf Dauer verlässliche Verhaltenssteuerung und Verhaltenskontrolle initiiert. Es dürfte nicht zu beanstanden sein, dass das Landratsamt den Antragsteller nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 WaffG aufgefordert habe, ein amts-, fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis über seine persönliche Eignung vorzulegen. Die formellen Anforderungen an die Anordnung der Gutachtensvorlage nach § 4 Abs. 3 AWaffV dürften erfüllt sein. Das Landratsamt habe bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids zu Recht auf die Nichteignung des Antragstellers zum Umgang mit Waffen geschlossen und den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis als zwingende gesetzliche Folge auszusprechen gehabt (§ 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG).
Im Übrigen würde selbst bei offenen Erfolgsaussichten der Klage bei einer reinen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Verfügungen das Interesse des Antragstellers überwiegen.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er trägt vor, die Begründung des Bescheids, insbesondere des Sofortvollzugs, stütze sich auf viele unbewiesene Vorwürfe, welche bestritten würden. Das englische Wort „first responder“ sei die entsprechende Bezeichnung für Ersthelfer und eine Funktionsbezeichnung ohne Amtsanmaßung. Alle strafrechtlichen Ermittlungsverfahren seien inzwischen eingestellt. Unfreundlichkeiten oder „unkooperatives Verhalten“, das keinen Straftatbestand erfülle, seien nicht geeignet, auf eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu schließen. Es gehe in diesem Verfahren vorrangig nur noch um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bezüglich der Rückgabe der Erlaubnisurkunden/Waffenbesitzkarten. Die Erlaubnisurkunden in Papierform würden keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Die Neubeantragung wäre aufwändig, zeit- und kostenträchtig.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, und verteidigt den angegriffenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben. Der Senat verweist auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses und macht sich diese zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
2. Ergänzend wird Folgendes ausgeführt: Die Beschwerde macht geltend, der Bescheid stütze sich auf viele unbewiesene Vorwürfe, die bestritten würden. Das englische Wort „first responder“ sei die entsprechende Bezeichnung für Ersthelfer und eine Funktionsbezeichnung ohne Amtsanmaßung. Alle strafrechtlichen Ermittlungsverfahren seien inzwischen eingestellt. Unfreundlichkeit oder „unkooperatives Verhalten“, das keinen Straftatbestand erfülle, sei nicht geeignet, auf eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu schließen.
Der Antragsteller verkennt die unterschiedlichen Zielrichtungen einerseits eines Straf- oder Bußgeldverfahrens und andererseits des gefahrenabwehrrechtlich mit Blick auf die Zukunft intendierten waffenrechtlichen Verwaltungsverfahrens, in dem es nicht um die nachträgliche Sanktionierung und Feststellung der persönlichen Schuld vor dem Hintergrund einer insoweit geltenden Unschuldsvermutung geht. Maßgeblich ist die Abwehr aktueller und künftiger Gefahren im Interesse der Allgemeinheit, die eine „Ungefährlichkeitsvermutung“ oder „im Zweifel“ einen Verzicht auf eine Gefahrenabwehr vor dem Hintergrund der staatlichen Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit nicht zulässt (SächsOVG, B.v. 28.4.2022 – 6 B 72/22 – juris Rn. 13; OVG Saarl., B.v. 9.12.2016 – 2 A 85/16 – juris Rn. 12 m.w.N.). Es ist unerheblich, ob das Verhalten des Antragstellers zu strafrechtlichen Verurteilungen geführt hat. Die Waffenbehörde hat eine eigenständige Bewertung vorzunehmen, die sich insbesondere an präventiven Gesichtspunkten orientiert. Der Antragsteller verkennt zudem, dass seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nicht aufgrund der Begehung von Straftaten, sondern auf der fehlenden persönlichen Eignung, die sich aus den genannten Vorfällen ergibt, beruht. Wie genau der Begriff „first responder“ zu verstehen ist, ist unerheblich. Die Zweifel an der persönlichen Eignung stützen sich nicht auf eine einzelne Bezeichnung, die der Antragsteller gewählt hat, sondern auf das vor Ort gezeigte Verhalten. Im Übrigen gibt es im deutschsprachigen Raum verschiedene Begriffe für sog. „Helfer vor Ort“, die mindestens in erweiterter Erster Hilfe und i.d.R. grundlegend sanitäts- oder rettungsdienstlich ausgebildet sind, und die bei Notfällen die Zeit bis zum Eintreffen eines Rettungsmittels mit qualifizierten basismedizinischen Maßnahmen überbrücken sollen. Dazu gehört auch der Begriff „First Responder“ (vgl. Wikipediaeintrag zu Helfer vor Ort, https:/de.wikipedia.org/wiki/Helfer vor Ort, aufgerufen am 8. Juni 2022). Vor allem aber hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass bereits der Vorfall vom 27. April 2019 für sich genommen geeignet erscheint, erhebliche Bedenken an der persönlichen Eignung des Antragstellers zu begründen. Hierzu äußert sich die Beschwerdebegründung in keiner Weise.
Die Entscheidung der Behörde, auf die Nichteignung des Antragstellers zu schließen und seine waffenrechtlichen Erlaubnisse zu widerrufen (§ 45 Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 WaffG, § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV), nachdem dieser das von der Behörde angeforderte, seine persönliche Eignung nachweisende Gutachten nicht beigebracht hatte, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Zudem hat sich das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss selbstständig tragend darauf gestützt, dass selbst bei offenen Erfolgsaussichten der Hauptsache die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausginge (BA S. 24 ff.). Hiermit setzt sich die Antragsbegründung nicht auseinander und nennt keine tragfähigen Gründe, weshalb das Interesse des Antragstellers hier überwiegen würde. Dass die Neubeantragung der Waffenbesitzkarten einen gewissen Aufwand bedeutet, ist jedenfalls kein Grund, die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Interessenabwägung im vorliegenden Fall ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben