Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium der Humanmedizin; Dienstleistungsexport Zahnmedizin; Aufteilung des Curricularanteils für das Wahlfach

Aktenzeichen  3 M 17/22, 3 M 18/22, 3 M 19/22

Datum:
7.6.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0607.3M17.22.00
Normen:
§ 11 Abs 1 KapV ST
§ 13 Abs 1 KapV ST
§ 13 Abs 4 KapV ST
§ 4 Abs 1 S 3 KapV ST
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Zur Berücksichtigung gemeinsam von Studierenden der Human- und der Zahnmedizin besuchter Vorlesungen bei der Ermittlung des von der Lehreinheit Vorklinische Medizin in den nicht zugeordneten Studiengang Zahnmedizin erbrachten Dienstleistungsexports.(Rn.4)
2. Bei der rechtlich gebotenen Aufteilung des den Wahlfachbereich betreffenden Curricularanteils auf die beteiligten Lehreinheiten sind Änderungen des Wahlfachangebots und damit des Umfangs der Lehrnachfrage im Vergleich zum Vorjahr grundsätzlich zu berücksichtigen.(Rn.11)

Verfahrensgang

vorgehend VG Halle (Saale), 25. Januar 2022, 6 B 400/21 HAL, Beschluss

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der (Sammel-)Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle – 6. Kammer – vom 25. Januar 2022 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
1. innerhalb einer Woche nach Zustellung dieses Beschlusses eine Rangfolge unter den Antragstellern auszulosen und
2. diejenigen Antragsteller vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2021/2022 im ersten Fachsemester beschränkt auf den vorklinischen Ausbildungsabschnitt zuzulassen,
a) auf die bei der Auslosung der 1. bis 2. Rangplatz entfällt
b) und die innerhalb von zwei Wochen, nachdem ihnen die Zuweisung des Studienplatzes im Wege der Zustellung bekannt gegeben worden ist, bei der Antragsgegnerin die vorläufige Immatrikulation beantragt und hierbei an Eides Statt versichert haben, dass sie an keiner anderen Hochschule im Bundesgebiet vorläufig oder endgültig zum Studium der Medizin zugelassen sind, sowie
3. nach Maßgabe der gemäß Ziffer 1 ausgelosten Reihenfolge die oder den nach Ziffer 2 a) unberücksichtigt gebliebene/n Antragstellerin oder Antragsteller im Wege des Nachrückens nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2021/2022 vorläufig zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester, beschränkt auf den vorklinischen Ausbildungsabschnitt, zuzulassen, wenn ein/e rangbessere/r Antragsteller/in ihre/seine vorläufige Immatrikulation nicht nach Maßgabe der Ziffer 2 b) beantragt hat.
Die Kosten des jeweiligen erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Antragsteller zu ¾ und die Antragsgegnerin zu ¼. Die Kosten des jeweiligen Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert für das jeweilige Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

1. Die zulässigen Beschwerden der Antragsteller gegen den (Sammel-)Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle – 6. Kammer – vom 25. Januar 2022 haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die von den Antragstellern erhobenen Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine Abänderung des angefochtenen (Sammel-)Beschlusses. Die Antragsgegnerin hat mit der Anzahl der für das 1. Fachsemester im Wintersemester 2021/2022 (innerkapazitär) zugelassenen Studierenden nicht ihre vorhandene Ausbildungskapazität ausgeschöpft.
Die Antragsgegnerin hat die Zulassungszahl für das 1. Fachsemester im Studiengang Humanmedizin im Wintersemester 2021/2022 in der Anlage zu § 1 der Ordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die Studiengänge Medizin und Zahnmedizin im Wintersemester 2021/2022 und im Sommersemester 2022 (Zulassungszahlenordnung 2021/2022 – ZZO 2021/2022 -) vom 6. Mai 2021 (Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 8. Juni 2021, S. 2) mit Genehmigung des Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. April 2021 auf 225 (Voll-)Studienplätze festgesetzt. Ausweislich der Beleglisten der Antragsgegnerin, gegen deren Richtigkeit die Antragsteller keine Einwände erheben, waren im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin 226 Studienplätze vergeben. Die gerichtliche Nachprüfung auf der Grundlage der im Beschwerdeverfahren von den Antragstellern erhobenen Einwände ergibt indes, dass die der Zulassungszahlenfestsetzung zugrunde gelegte Kapazitätsberechnung nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch hinreichenden summarischen Prüfung fehlerhaft ist, soweit insgesamt eine Aufnahmekapazität von weniger als 228 Studierenden für das 1. Fachsemester errechnet worden ist. Aufgrund des sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Gebotes, vorhandene Ausbildungskapazitäten zu erschöpfen, ist die Antragsgegnerin daher zu verpflichten, unter den Antragstellern weitere 2 Studienplätze zu vergeben.
Da im Beschwerdeverfahren mehr Antragsteller verblieben als weitere Studienplätze zu vergeben sind, steht den Antragstellern ein Anordnungsanspruch (nur) in Bezug auf ihre Teilnahme an einem von der Antragsgegnerin nach Maßgabe des Entscheidungstenors durchzuführenden ergänzenden Losverfahren zu. Dem vermag die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren nicht mit Erfolg entgegenzuhalten, die Antragsteller hätten nicht – zumindest hilfsweise – die Teilnahme an einem gerichtlich anzuordnenden Losverfahren für den Fall gestellt, dass weniger zusätzliche (außerkapazitäre) Studienplätze aufgedeckt werden als Beschwerdeführer verblieben sind. Zwar haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren keinen ausdrücklichen Hilfsantrag gestellt, der auf die Teilnahme an einem Losverfahren zur Vergabe weiterer Studienplätze gerichtet ist. Allerdings ist der Senat nach den §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO nicht an die Antragsfassung gebunden. Das Gericht darf im Rahmen der Auslegung lediglich nicht über das Antragsbegehren hinausgehen. Die Antragsteller haben im Beschwerdeverfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass „noch 2 Studienplätze unter den [drei verbliebenen] Beschwerdeführern zu verteilen“ sind. Damit ist hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass der Antrag – jedenfalls hilfsweise – die Teilnahme an einem gerichtlich angeordneten Losverfahren mit umfasst, falls die Zahl der im Beschwerdeverfahren aufgedeckten Studienplätze die Anzahl der verbliebenen Antragsteller/Beschwerdeführer unterschreitet.
In der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin erweist sich bei der Bestimmung des bereinigten Lehrangebots die Berücksichtigung des Dienstleistungsexports für den nicht zugeordneten Studiengang Zahnmedizin mit 18,81 SWS als rechtlich fehlerhaft.
Den in der Kapazitätsberechnung bei der Ermittlung des Dienstleistungsbedarfs mit 0,9404 zugrunde gelegten Curricularanteil (CAq) des Studiengangs Zahnmedizin hat die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren dahingehend näher erläutert, dass hierbei – anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat (vgl. S. 10 der Beschlussabschrift) – Vorlesungen einbezogen worden sind, die von Studierenden der Human- und der Zahnmedizin gemeinsam besucht werden. Dies ist bereits deshalb rechtlich fragwürdig, weil die Antragsgegnerin der Bestimmung des Curriculareigenanteils (CAp) der Lehreinheit Vorklinik in Bezug auf die Vorlesungen die standardisierte Gruppengröße (g) von 180 (vgl. Nr. 5 der Generalakte) zugrunde gelegt hat, d. h. insoweit kapazitätsungünstig die Zahnmediziner, die diese Vorlesungen ebenfalls besuchen, außer Betracht lässt, zugleich die gemeinsam besuchten Vorlesungen aber – ebenfalls die Aufnahmekapazität der Lehreinheit Vorklinische Medizin mindernd – bei der Bestimmung des Bedarfs an Dienstleistungen, die von Lehreinheit Vorklinik für den nicht zugeordneten Studiengang Zahnmedizin zu erbringen sind, berücksichtigt (vgl. zu dieser Problematik NdsOVG, Beschluss vom 18. November 2014 – NB 391/13 – juris Rn. 46 f. m. w. N.; Beschluss vom 18. Juli 2016 – 2 NB 336/15 – juris Rn. 8; Beschluss vom 25. August 2017 – 2 NB 247/16 – juris Rn. 18; VGH BW, Beschluss vom 31. Juli 2008 – NC 9 S 2978/07 – juris Rn. 10 f.).
Jedenfalls setzt sich die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin mit der Berücksichtigung der gemeinsam von Studierenden der Human- und der Zahnmedizin besuchten Vorlesungen bei der Ermittlung des Dienstleistungsbedarfs des Studiengangs Zahnmedizin in klaren Widerspruch zu den Beschlüssen des Fakultätsvorstandes der Medizinischen Fakultät der Antragsgegnerin vom 12. April 2021 und des Senats der Antragsgegnerin vom 14. April 2021 (Nr. 11 der Generalakte) zum Dienstleistungsexport in den Studiengang Zahnmedizin. Danach sollte ein Dienstleistungsexport für die Vorlesungen, welche von Studierenden der Human- und der Zahnmedizin gemeinsam besucht werden, – wie in der Vergangenheit – ausdrücklich nicht angesetzt werden, was die Antragsteller im Beschwerdeverfahren zutreffend einwenden. Dementsprechend sehen die vorgenannten Beschlüsse auch nur einen Dienstleistungsexport der Lehreinheit Vorklinische Medizin in die Lehreinheit Zahnmedizin lediglich im Umfang von 26 SWS für verschiedene Praktika vor. Die Abwägungen des Fakultätsvorstandes und des Senats dazu, weshalb es eines – die Aufnahmekapazität im 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin reduzierenden – Dienstleistungsexports der Lehreinheit Vorklinische Medizin in die Lehreinheit Zahnmedizin zwingend bedarf, beziehen sich auch nur auf diese Praktika. Hiervon ausgehend ist der von der Lehreinheit Vorklinische Medizin als Dienstleistung zu erbringende Anteil am Curricularnormwert des nicht zugeordneten Studiengangs Zahnmedizin (CAq) lediglich mit 0,8667 (26 SWS Praktika x 0,5 : 15) anzusetzen. Diesen Wert multipliziert mit dem von der Beschwerde nicht angezweifelten Aq/2-Wert von 20 ergibt 17,33 SWS für den Dienstleistungsexport und nicht, wie in die Kapazitätsberechnung eingestellt, 18,81 SWS.
Ausgehend von dem in der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin und vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten unbereinigten Lehrangebot von 190 SWS, das die Beschwerde nicht in Zweifel zieht, ergibt sich nach dem gemäß § 11 Abs. 1 KapVO i. V. m. Anlage 1 Ziffer I.2 KapVO LSA vorzunehmenden Abzug der von der Lehreinheit Vorklinische Medizin für den nicht zugeordneten Studiengang Zahnmedizin zu erbringenden Dienstleistungen somit ein bereinigtes Lehrangebot von 172,67 SWS (190 – 17,33).
Ebenfalls als rechtlich fehlerhaft erweist sich die von der Antragsgegnerin für die Lehreinheit Vorklinische Medizin zugrunde gelegte Lehrnachfrage.
Die Bestimmung der Lehrnachfrage erfolgt gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KapVO LSA anhand des in Deputatsstunden gemessenen Aufwands aller beteiligten Lehreinheiten, der für die ordnungsgemäße Ausbildung einer Studentin oder eines Studenten in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist (sog. Curricularnormwert, CNW). Bei der Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität sind die in Anlage 2 der KapVO LSA aufgeführten Curricularnormwerte anzuwenden (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KapVO LSA). Für den Studiengang Humanmedizin gilt danach ein CNW von 8,2 (vgl. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 Satz 2 KapVO LSA). Zur Ermittlung der Lehrnachfrage in den einzelnen Lehreinheiten wird der CNW auf die am Lehrangebot für den Studiengang beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt (Bildung von Curricularanteilen, vgl. § 13 Abs. 4 Satz 1 KapVO LSA), wobei die Angaben für die beteiligten Lehreinheiten aufeinander abzustimmen sind (vgl. § 13 Abs. 4 Satz 2 KapVO LSA). Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 KapVO LSA haben die Hochschulen die Aufteilung des CNW zu begründen. Für die Berechnung der Aufnahmekapazität der jeweiligen Lehreinheit kommt es lediglich auf deren (Eigen-)Curricularanteil (CAp) an. Der Aufwand, der von einer anderen Lehreinheit erbracht wird, stellt eine vom CAp der Lehreinheit, deren Aufnahmekapazität ermittelt werden soll, hier Vorklinische Medizin, abzuziehende importierte Dienstleistung dar.
Dies zugrunde gelegt, hat die Antragsgegnerin, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, den CAp der Lehreinheit Vorklinische Medizin mit 1,5497 zu hoch angesetzt, indem sie von dem auf das Wahlfach (Praktikum im Umfang von 1 SWS) entfallenden Curricularanteil von 0,0333 einen Anteil von 54 % (0,0180) der Lehreinheit Vorklinische Medizin zugerechnet hat, obwohl die Lehreinheit die Lehrnachfrage im Bereich des Wahlfachs in einem geringeren Umfang bedient. Auch die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren eingeräumt, dass der CAp der Lehreinheit Vorklinische Medizin aufgrund des tatsächlichen – niedrigeren – Wahlfächerangebots, das auf diese Lehreinheit entfällt, zu korrigieren ist. Ausweislich der von den Antragstellern in das Beschwerdeverfahren eingeführten Übersicht zum Wahlfachangebot der Antragsgegnerin für Studierende im vorklinischen Studienabschnitt im Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/2021 werden von 14 möglichen Wahlfächern nur 5,5 Wahlfächer von der Lehreinheit Vorklinische Medizin angeboten. Unabhängig davon, ob man den Anteil der Lehreinheit Vorklinische Medizin am Wahlfachangebot mit den Antragstellern ausgehend von der Gesamtanzahl der Wahlfachplätze (insgesamt 279) bestimmt, wobei auf die vorklinischen Institute lediglich 74 Plätze entfielen, oder mit der Antragsgegnerin die Zahl der von der Vorklinik angebotenen Wahlfächer zugrunde legt, ergibt sich, dass die Lehreinheit Vorklinische Medizin deutlich weniger als die in die Kapazitätsberechnung eingebrachten 54 % des Wahlfachs anbietet.
Zwar ist der Antragsgegnerin zuzugeben, dass im für die Kapazitätsberechnung maßgeblichen Zeitpunkt, den die Antragsgegnerin hier in Bezug auf das Wintersemester 2021/2022 in Übereinstimmung mit § 5 Abs. 1 KapVO LSA auf den 31. Januar 2021 festgelegt hat, noch nicht feststeht, welche der angebotenen Wahlfächer im fraglichen Semester tatsächlich von den Studierenden nachgefragt werden und somit auch stattfinden (dies ebenfalls hervorhebend BayVGH, Beschluss vom 9. August 2021 – 7 CE 21.10004 u.a. – juris Rn. 15). Damit lässt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Umfang der aus dem Wahlfach resultierenden Lehrbelastung der einzelnen Lehreinheiten nicht exakt (vor-)bestimmen (ebenso z. B. SaarlOVG, Beschluss vom 16. Juli 2012 – 2 B 56/12.NC – juris Rn. 165; Beschluss vom 5. April 2018 – 1 B 35/18.NC – juris Rn. 16). Für die rechtlich gebotene Aufteilung des auf den Wahlfachbereich entfallenden Curricularanteils auf die beteiligten Lehreinheiten bedarf es daher im Grundsatz einer Prognose, die nur von einem Standpunkt ex ante getroffen werden kann (vgl. HessVGH, Beschluss vom 13. Juli 2010 – 10 B 411/10.MM.W9 – juris Rn. 26). Eine Kapazitätsberechnung, die – wie im vorliegenden Fall – bei der Aufteilung des auf das Wahlfach entfallenden Curricularanteils auf die verschiedenen am Wahlfachangebot beteiligten Lehreinheiten lediglich den in den letzten Berechnungszeiträumen unverändert zugrunde gelegten Wert übernimmt, ohne tatsächliche Änderungen des Wahlfachangebots und dessen Aufteilung auf die verschiedenen Lehreinheiten zu berücksichtigen, wird dem Prognoseerfordernis nicht gerecht, zumal es insoweit an einer – nach § 4 Abs. 1 Satz 3 KapVO LSA gebotenen – Begründung der Antragsgegnerin für die über Jahre hinweg praktizierte statische Aufteilung des Curricularanteils für den Wahlfachbereich fehlt.
Ob der somit notwendigen Korrektur des aus dem Wahlfachbereich in die Ermittlung des CAp der Lehreinheit Vorklinische Medizin einzubringenden curricularen Anteils die Gesamtkapazität des Wahlfachangebots nach Studierenden – so die Antragsteller – zugrunde zu legen und davon ausgehend zu bestimmen ist, in welchem Umfang Studierende ein Lehrangebot der Lehreinheit Vorklinische Medizin im (theoretischen) Fall vollständiger Ausschöpfung der angebotenen Lehrkapazität im Bereich des Wahlfachs wahrnehmen würden, oder ob vielmehr maßgeblich ist, wie die Antragsgegnerin meint, wie hoch der Anteil der Vorklinik am Gesamtangebot der Wahlfächer ohne Berücksichtigung der jeweiligen Aufnahmekapazität ist (einen derartigen Ansatz offenbar als sachgerecht erachtend NdsOVG, Beschluss vom 15. November 2012 – 2 NB 220/12 – juris Rn. 33), bedarf keiner Entscheidung. Die beiden Ansätze führen – wie im Folgenden dargestellt – im vorliegenden Verfahren zu gleichen Ergebnissen.
Gemessen an der Gesamtzahl der zum maßgeblichen Stichtag angebotenen Wahlfachplätze entfällt auf die Lehreinheit Vorklinische Medizin ein (Eigen-)Anteil am Curricularanteil des Wahlfachs von 27 % (74 von 279 Plätzen) bzw. 0,0090 (27 % von 0,0333). Der in die Kapazitätsberechnung einzustellende CAp der Lehreinheit Vorklinik würde sich entsprechend auf 1,5407 (1,5497 – 0,0180 + 0,0090) reduzieren. Ausgehend von dem – wie ausgeführt – bereinigten Lehrangebot von 172,67 SWS und einem im Beschwerdeverfahren nicht in Zweifel gezogenen Schwundfaktor von 0,9826 ergeben sich bei dieser Betrachtungsweise 228,11 (172,67 x 2 : 1,5407 = gerundet 224,14 : 0,9826), mithin gerundet 228 Studienplätze.
Würde man hingegen den Anteil der Lehreinheit Vorklinische Medizin anhand der Gesamtzahl der zum maßgeblichen Stichtag angebotenen Wahlfächer unabhängig von der Anzahl der jeweils zur Verfügung gestellten Wahlfachplätze bestimmen, würde dieser 0,0131 (0,0333 x 5,5 : 14) betragen, was (ab-)gerundet 39 % (0,0131 x 100 : 0,0333 = 39,34) und nicht, wie die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren – offenbar durch Aufrundung des vorstehenden rechnerischen Prozentsatzes – in Ansatz gebracht hat, 40 % des Curricularanteils des Wahlfachs entspricht. Der in die Kapazitätsberechnung einzustellende CAp der Lehreinheit Vorklinik würde sich demgemäß auf 1,5448 (1,5497 -0,0180 + 0,0131) reduzieren. Bei dieser Betrachtung ergeben sich sodann 227,51 (172,67 x 2 : 1,5448 = gerundet 223,55 : 0,9826), mithin gerundet ebenfalls 228 Studienplätze.
Die Antragsgegnerin ist im Wege der einstweiligen Anordnung indes lediglich dahingehend zu verpflichten, die beiden noch nicht besetzten zusätzlichen Studienplätze als Teilstudienplätze unter den im Beschwerdeverfahren verbliebenen Antragstellern zu vergeben. Die Antragsteller verfolgen mit ihren Beschwerden ausweislich des unmissverständlichen Wortlauts ihrer Antragstellung nur noch ihr erstinstanzliches hilfsweises Antragsbegehren weiter, welches auf eine vorläufige Zulassung beschränkt auf den vorklinischen Ausbildungsabschnitt gerichtet ist. Zwar ist der Senat nach den §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO nicht an die Antragsfassung gebunden. Er darf aber nicht über das Antragsbegehren hinausgehen. Die Antragsteller haben an keiner Stelle der Beschwerdebegründung unmissverständlich ausgeführt, dass und weshalb sie davon ausgehen, die im Beschwerdeverfahren aufgedeckten zusätzlichen Studienplätze seien als Voll- und nicht lediglich Teilstudienplätze anzusehen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Ihr liegt die ständige Rechtsprechung des Senates zugrunde, wonach in zulassungsrechtlichen Verfahren, in denen die Vergabe von außerkapazitären Studienplätzen im Wege eines Losverfahrens gerichtlich angeordnet wird, eine Kostenaufhebung sachgerecht ist, wenn beide Beteiligte – wie hier – anwaltlich vertreten sind, damit also keine Kostenverteilung anhand der Loschance erfolgt, da diese Zufälligkeiten unterliegt, namentlich in welchem Umfang andere Studienplatzbewerber ebenfalls um ihre gerichtliche vorläufige Studienplatzzulassung nachsuchen, was vom jeweiligen Antragsteller weder beeinflusst noch vorhergesehen werden kann (vgl. Beschlüsse des Senates vom 21. März 2013 – 3 M 363/12 – n. v., und vom 22. Juli 2013 – 3 M 215/12 – n. v.; s. auch BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 – 1 BvR 1278/13 – juris Rn. 14). Im Hinblick auf die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ist im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen, dass die Antragsteller in erster Instanz mit ihrem Hauptantrag – anders als im Beschwerdeverfahren – noch jeweils die vorläufige Zulassung auf einen Vollstudienplatz begehrt haben. Insoweit ist bei der Kostenentscheidung in Rechnung zu stellen, dass der den erstinstanzlichen Hauptantrag ablehnende Beschluss des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf dieses Begehren rechtskräftig geworden ist und ein Teilstudienplatz gegenüber einem Vollstudienplatz rechtlich ein Aliud darstellt (vgl. Beschluss des Senates vom 18. August 2009 – 3 M 18/09 – juris Rn. 5).
3. Die Höhe des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei der Senat gemäß seiner ständigen Rechtsprechung im Hinblick darauf, dass die Antragsteller im Beschwerdeverfahren nur die vorläufige Zulassung auf einen Teilstudienplatz begehren, nur den hälftigen Auffangstreitwert zugrunde legt (vgl. Beschlüsse des Senates vom 27. April 2016 – 3 M 29/16 – juris Rn. 10, – 3 M 40/16 – n. v. und vom 13. August 2014 – 3 M 194/14 – juris Rn. 17), der wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache nicht nochmals zu halbieren war.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben