Zivil- und Zivilprozessrecht

Hundesteuersatzung, Bekanntgabe, Heilung von Bekanntgabemängeln, Schätzung der Besteuerungsgrundlage, Verwirkung

Aktenzeichen  W 8 K 21.187

Datum:
18.10.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 38339
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc) KAG
KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b)
Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG
KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a)
AO § 88
AO § 90 Abs. 1
AO § 124
AO § 122
AO § 162
AO § 228

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Bei verständiger Würdigung des gesamten Vorbringens der Klägerin (§ 88 VwGO) ist ihr Klagebegehren dahingehend auszulegen, dass sie die Aufhebung des Hundesteuerbescheids der Beklagten vom 5. Juli 2016 sowie des Widerspruchsbescheids des Landratsamts M* … vom 18. Januar 2021 und nicht die Feststellung der Unwirksamkeit des Hundesteuerbescheids begehrt. Zwar hat die anwaltlich nicht vertretene Klägerin vorgetragen, es habe keine ordnungsgemäße Zustellung des Bescheids stattgefunden und die Beklagte solle diese zunächst bewirken. Allerdings führte sie dies zur vermeintlichen Verfristung ihres Widerspruchs aus. Überdies erschöpfte sich ihre Klagebegründung nicht im Vortrag bezüglich der Zustellung, sondern richtete sich im Schwerpunkt vielmehr gegen die Rechtmäßigkeit der Bescheide. In Verbindung mit dem Wortlaut ihres Klageantrags ist daher von einem Begehren auf Aufhebung der Bescheide auszugehen.
Die so verstandene Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit der Klägerin verhandelt und entschieden werden konnte, ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Der Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 5. Juli 2016 sowie der Widerspruchsbescheid des Landratsamts M. vom 18. Januar 2021 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Im Einzelnen:
1. Über die Klage konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl die Klägerin nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Klägerin hat die Ladung zur mündlichen Verhandlung ausweislich der in der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde am 3. September 2021 und damit rechtzeitig (§ 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erhalten. Die Ladung enthielt den Hinweis, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
Die Klägerin hat weder einen Terminverlegungsantrag gestellt noch etwaige Verhinderungsgründe mitgeteilt, weshalb keine Verlegung des Termins – auch nicht von Amts wegen – angezeigt war.
2. Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen den Hundesteuerbescheid und den Widerspruchsbescheid statthaft, da der Steuerbescheid nicht bereits mangels Zustellung unwirksam ist.
Der Steuerbescheid ist gegenüber der Klägerin gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 124 Abs. 1 AO mit seiner Bekanntgabe wirksam geworden. Die Zustellung des Bescheids ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung, da für den Hundesteuerbescheid keine Zustellungspflicht i. S. d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 5 AO normiert wurde. Die Bekanntgabe muss nicht auf dem Postweg erfolgen, sondern kann auch durch Fax erfolgen (FG Köln, U.v. 11.3.2009 – 5 K 1396/05 – EFG 2009, 1079). Voraussetzung ist neben dem − hier unzweifelhaft vorliegenden − Bekanntgabewillen der Behörde der Zugang des Bescheids (vgl. Vorbeck in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 122 Rn. 13 ff.). Da gegen den Hundesteuerbescheid Widerspruch eingelegt wurde, ist von einer tatsächlichen Kenntnisnahme und mithin vom Zugang sowie der Bekanntgabe des Bescheids auszugehen. Etwaige Mängel der Bekanntgabe – beispielsweise durch Zugang an einer der Klägerin nicht zuzuordnenden Adresse – würden der Wirksamkeit vorliegend auch nicht entgegenstehen, da diese durch die tatsächliche Kenntnisnahme geheilt wären. Eine solche Heilung ist grundsätzlich möglich, obwohl für das Bekanntgabeverfahren keine diesbezüglichen Vorschriften existieren. Da für Mängel im formstrengeren Zustellungsverfahren Heilungsmöglichkeiten normiert sind − vgl. beispielsweise Art. 9 VwZVG −, muss eine Heilung für Mängel bei der mit geringeren Anforderungen verbundenen Bekanntgabe ebenso möglich sein. Für sie dürfen demgemäß auch keine strengeren Voraussetzungen als bei der Zustellung gelten. Eine Heilung liegt daher vor, wenn der Betroffene den Verwaltungsakt erhält und hierdurch der Zweck der Bekanntgabe erfüllt ist (vgl. BFH, U.v. 8.12.1988 − IV R 24/87 – BStBl. 89, 346 − juris; BFH, U.v. 29.10.1997 − X R 37/95 − BStBl. 89, 226, 346 − juris; Ratschow in Klein, AO, 15. Auflage 2020, § 122 Rn. 15; Vorbeck in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 122 Rn. 26).
Die Klage ist insbesondere nicht schon mangels ordnungsgemäßem Vorverfahren gem. §§ 68 ff. VwGO unzulässig, denn der Widerspruch wurde entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht verfristet eingelegt.
Zwar muss entgegen der Ansicht der Klägerin, mangels Normierung einer Zustellungspflicht i. S. d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 5 AO, keine Zustellung der Bescheide zur Wohnadresse des Adressaten der Bescheide erfolgen, damit die Widerspruchsfrist in Lauf gesetzt wird (vgl. Dolde/Porsch in Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL Februar 2021, § 70 Rn. 17), jedoch sind vorliegend die Zeitpunkte der Bekanntgabe und damit der Beginn der Widerspruchsfristen gem. § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht feststellbar. Da die Beklagte für den Zeitpunkt der Bekanntgabe beweisbelastet ist, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2 Halbs. 2, Abs. 2a Halbs. 2 AO, ist zu Gunsten der Klägerin anzunehmen, dass die Bekanntgabe erst innerhalb eines Monats vor Widerspruchseinlegung erfolgte.
Die Bekanntgabe im Sinne der AO setzt den Zugang des Bescheids voraus, mithin, dass dieser derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass diesem die Kenntnisnahme seines Inhalts möglich ist und nach den Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs auch erwartet werden kann (vgl. Füssenich in BeckOK, AO, 18. Ed. 5.10.2021, § 122 Rn. 46). Der Zeitpunkt des Zugangs ist vorliegend jedoch unbekannt und kann auch nicht gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2 oder Abs. 2a AO fingiert werden.
Es ist unbekannt, ob und wann der Klägerin der Bescheid per Post zugegangen ist. Ein Sendebericht des Faxes genügt ebenfalls nicht, um den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu ermitteln, da die Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsakts wie des streitgegenständlichen Hundesteuerbescheids durch Telefax oder Computerfax erst bewirkt ist, wenn die Datei vom Drucker des Empfängergeräts auch tatsächlich ausgedruckt worden ist (vgl. BFH, U.v. 18.3. 2014 – VIII R 9/10 – BFHE 245, 484 – BStBl II 2014, 748 − juris; BGH, B. v. 15. 7. 2008 – X ZB 8/0BGH – NJW 2008, 2649, Rn. 11; Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 122 Rn. 13). Dieser Zeitpunkt ist jedoch ebenfalls unbekannt.
Auch eine Fiktion des Zugangszeitpunktes ist nicht möglich.
Zwar gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Auf diese Fiktionswirkung kann zur Feststellung des Bekanntgabezeitpunkts vorliegend jedoch nicht zurückgegriffen werden, da die gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2 Halbs. 2 AO beweisbelastete Beklagte den Postversand des Bescheids weder durch Sendevermerk in den Akten noch durch anderweitigen Vortrag nachweisen konnte (vgl. Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 122 Rn. 54). Auf eine Bekanntgabe per Fax ist die Fiktionswirkung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO aufgrund des Wortlautes „durch die Post übermittelt“ nicht anwendbar. Auch die Fiktionswirkung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2a AO greift nicht, da der Hundesteuerbescheid ein schriftlicher und kein elektronischer Bescheid im Sinne des § 122 Abs. 2a AO ist (vgl. BFH, U.v. 18.3.2014 – VIII R 9/10 – DStRe 2014,1136, Rn. 27 ff).
Die mögliche Heilung von Bekanntgabemängeln durch die tatsächliche Kenntnisnahme, welche beim Vorliegen solcher zur Wirksamkeit der Bescheide führt, kann für den Beginn der Widerspruchsfrist nicht herangezogen werden, da der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme unbekannt ist.
Im Übrigen begegnen der Zulässigkeit keinerlei Bedenken.
3. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 5. Juli 2016 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes M. vom 18. Januar 2021 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Hundesteuerbescheid findet seine ausreichende Rechtsgrundlage in § 1 und § 5 der Hundesteuersatzung der Beklagten vom 5. Dezember 1980, zuletzt geändert durch Satzung vom 5. Juni 2009 (in der Folge: Hundesteuersatzung), nach denen der Halter eines Hundes für das Halten eines über vier Monate alten Hundes im Gemeindegebiet eine gemeindliche Jahresaufwandsteuer entrichten muss.
Die Hundesteuersatzung der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte für eine formelle oder materielle Rechtswidrigkeit sind nicht vorhanden. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits mit Urteil vom 12. März 2015 – 4 B 14.2619 – gegenüber der Klägerin entschieden und erläutert. Auf die Begründung dieser Entscheidung wird verwiesen. Insbesondere konnte die Beklagte, entgegen der Ansicht der Klägerin, als Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft B. eine eigene Hundesteuersatzung erlassen (vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VGemO) und in dieser eine Progression des Hundesteuersatzes festsetzen, da eine solche aufgrund der verstärkten ordnungspolitischen Bedeutung der Hundesteuer beim Halten mehrerer Hunde gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2010 – 4 ZB 09.2136 – juris).
Der Hundesteuerbescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig, da die Beklagte die Hundesteuer für 13 Hunde in Höhe von insgesamt 605,00 EUR festsetzen durfte.
Zwar hat die Klägerin zutreffend vorgetragen, dass die Steuerpflichtigkeit aus der tatsächlichen Haltung eines Hundes folgt. Dies ergibt sich aus § 1 der Hundesteuersatzung der Beklagten, welcher die Haltung eines über vier Monate alten Hundes im Gemeindegebiet als Besteuerungsgrundlage normiert. Aus § 11 der Hundesteuersatzung, nach dessen Absatz 1 Hunde, welche der Steuerpflicht unterfallen, bei der Beklagten angemeldet werden müssen und nach Absatz 2 abgemeldet werden sollen, wenn sie veräußert oder sonst abgeschafft wurden, abhandengekommen oder eingegangen sind, ergibt sich keine abweichende Wertung. § 11 normiert keine Steuerpflicht, sondern Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc) KAG, § 90 Abs. 1 AO (vgl. zur identischen Regelung der Mustersatzung für die Erhebung einer Hundesteuer (Hundesteuersatzung), Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 11. Juni 1980, Az. IB4-3024-44/2 (MABl. S. 342), geändert durch Bekanntmachung vom 12. November 2001 (AllMBl S. 676); Oehler in PdK Bayern, Die Hundesteuer in Bayern, Darstellung 12.1), um in Kombination mit den Amtsermittlungspflichten der Beklagten eine möglichst umfassende und effektive Aufklärung des besteuerungserheblichen Sachverhalts zu ermöglichen, damit dem Gebot des § 85 Satz 1 AO, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben, genügt werden kann (Kobor in BeckOK, AO, 17. Aufl. 2021, § 90 Rn. 1). § 11 der Hundesteuersatzung begründet daher selbst weder eine Steuerpflicht noch eine Steuerfreiheit.
Allerdings konnte und musste die Beklagte gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG, § 162 AO auf Grundlage der angemeldeten Hunde eine Schätzung bezüglich der Anzahl der tatsächlich durch die Klägerin gehaltenen Hunde, der Besteuerungsgrundlage (vgl. § 1 Hundesteuersatzung), vornehmen und in der Folge die Hundesteuer für 13 Hunde erheben.
Eine Schätzung gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG, § 162 AO ist möglich, wenn keine vorrangige Ermittlungspflicht der Besteuerungsgrundlage aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc) KAG, § 88 AO besteht oder die Besteuerungsgrundlage nicht ermittelt werden kann (vgl. BFH, U.v. 25.10.1985 – VI R 15/81 – BFHE 145, 181; Gercke in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 162 Rn. 43).
Vorliegend bestand schon keine vorrangige Sachaufklärungspflicht aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc) KAG, § 88 AO.
Die Sachaufklärungspflicht reduziert sich, ebenso wie das erforderliche Beweismaß der Behörde bezüglich der Besteuerungsgrundlage, bei Verstößen des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflichten aus § 11 Abs. 2 Hundesteuersatzung. Denn der Steuerpflichtige darf nach einem Verstoß gegen seine Mitwirkungspflichten nicht noch belohnt werden (vgl. bzgl. Verstößen gegen die korrespondierenden Mitwirkungspflichten aus § 90 Abs. 1 AO: BFH, U.v. 15.2.1989 – X R 16/86 – BStBl. II 1989, 462 – juris; BFH, U.v. 9.6.2005 – IX R 75/03 – juris; BFH, U.v. 21.9.2016 – V R 50/15 – BFHE 255, 216 – BStBl. II 2017, 1173 – juris, Rn. 36; Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 162 Rn. 4). Ausgehend vom Vortrag der Klägerin wäre die Sachaufklärungspflicht bezüglich der vermeintlich nicht mehr gehaltenen Hunde daher bereits von vorneherein reduziert. Vorliegend entfällt der Vorrang der behördlichen Sachaufklärungspflicht jedoch ohnehin vollständig. Denn der Vorrang entfällt, wenn die volle Aufklärung mit einem unzumutbaren Ermittlungsaufwand verbunden wäre (vgl. BFH, U.v. 17.12.2003 – XI R 19/01 – juris). Dies ist unter anderem der Fall, wenn die Kosten der in Betracht kommenden Ermittlungsmaßnahmen in keinem angemessenen Verhältnis zu der betreffenden Steuerforderung stehen (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2021 – 4 ZB 20.246 – juris, Rn. 17). Vorliegend stünde der Aufwand einer jährlichen Zählung der Hunde im Gemeindegebiet der Beklagten zur Erfüllung der, in Folge des Vortrags der Klägerin ohnehin bereits reduzierten, Sachaufklärungspflicht außer Verhältnis zur Höhe des im Jahr 2016 gegenüber der Klägerin mit maximal 50,00 EUR angesetzten Hundesteuersatzes pro Hund und Jahr.
Zudem ist davon auszugehen, dass die Ermittlung der Steuergrundlage wohl auch tatsächlich unmöglich gewesen wäre, da D. … laut Vortrag des Beklagtenbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung dazu neige, durchaus von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen, und Vertreter der Beklagten nicht auf sein Grundstück lasse und mithin die Hunde der Klägerin, welche auf diesem Grundstück gehalten werden, von der Beklagten nicht hätten gezählt werden können.
Die Art und Weise der Ermittlung der Grundlage der Schätzung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat, wie sich aus den von der Beklagten vorgelegten Anmeldungen ergibt, Hunde bei der Beklagten angemeldet. Auf die Anzahl dieser angemeldeten Hunde konnte die Beklagte zurückgreifen. Dass aufgrund der bei der Anmeldung angegebenen Wurfjahre der Hunde womöglich einige der Tiere naturgemäß im Jahr 2016 bereits verstorben gewesen sein könnten, vermag keine andere Wertung zu begründen. Zum einem kann gem. § 4 Abs. 2 der Hundesteuersatzung ein verendeter oder getöteter Hund in Bezug auf die Steuer jederzeit durch einen neuen Hund des gleichen Halters ersetzt werden. Zum anderen beruht die Notwendigkeit der Schätzung, zu welcher die Beklagte nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG, § 162 AO verpflichtet war, allein auf der fehlenden Mitwirkung der Klägerin, die von vornherein als Einzige zutreffende Aufklärung über die Besteuerungsgrundlage hätte geben können, dies jedoch ohne Berechtigung verweigert hat. Die Beklagte musste daher derartige Überlegungen nicht in ihre Schätzung miteinbeziehen.
Die Hunde werden auch auf dem Gemeindegebiet der Beklagten gehalten. Aus dem klägerischen Vortrag, dass sie sich ebenfalls in Frankfurt am Main bzw. im Taunus aufhielten, ergibt sich nichts anderes, da dieser Vortrag gerade auch den Aufenthalt der Hunde in D. beinhaltet. Diese Haltung genügt zur Erfüllung des Steuertatbestands nach § 1 Hundesteuersatzung. Ob sich die Hunde auch auf anderen Gemeindegebieten aufhalten, ist unerheblich und könnte lediglich zu einer Anrechnung einer bereits in einer anderen Gemeinde der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Hundesteuer führen, vgl. § 4 Abs. 3 Hundesteuersatzung. Hundesteuerzahlungen an andere Gemeinden hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen.
Der Anspruch ist nicht verjährt. Gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG, §§ 228 ff. AO verjährt eine Hundesteuerforderung grundsätzlich innerhalb von fünf Jahren. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG, § 231 Abs. 1 Nr. 8 AO wird die Verjährung jedoch durch die Geltendmachung des Anspruchs gehemmt, was vorliegend durch den Hundesteuerbescheid vom 23. Januar 2016 geschah. Diese Hemmung der Verjährung wurde auch nicht beendet.
Der Anspruch ist auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung setzt das Verstreichen eines längeren Zeitraums seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts (sog. Zeitmoment) sowie besondere Umstände voraus, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (sog. Umstandsmoment). Ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben liegt insbesondere vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2004 – 3 B 101/03 – NVwZ-RR 2004, 314; BVerwG, U.v. 9.12.1998 – 3 C 1.98 – BVerwGE 108, 93). Seit dem Erlass des Hundesteuerbescheids am 5. Juli 2016 sind zwar fünf Jahre vergangen, wodurch das Zeitmoment der Verwirkung gegeben ist. Allerdings fehlt es am ebenfalls notwendigen Umstandsmoment. Die Beklagte hat auf den Widerspruch der Klägerin dieser gegenüber angegeben, sie werde dem Widerspruch nicht abhelfen, und dadurch zu erkennen gegeben, dass sie auf ihren Anspruch aus dem Bescheid beharrt. Allein der Umstand, dass bis Januar 2021 kein Widerspruchsbescheid ergangen war und mithin fünf Jahre seit der erstmaligen Einforderung vergangen waren, schafft keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Beklagte auf ihren Anspruch verzichte. Für Fälle, in denen die Verwaltung derart lange keine Entscheidung trifft, gibt es das Institut der Untätigkeitsklage (vgl. ständige Rspr: BFH, B.v. 1.7.2003 – II B 84/02 – BFH/NV 2003, 1534; BFH, B.v. 14.5.1998 – VII B 171/97 – BFH/NV 1999, 3; BFH, B.v. 21.2.2006 – I B 32/05 – BFH/NV 2006, 1305; BFH, U.v. 8.10.1986 – II R 167/84 – BFHE 147, 409 m.w.N.; Cöster in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 367 Rn. 56).
Nach alledem war die Klage als unbegründet abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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