Zivil- und Zivilprozessrecht

Pauschalierter Entschädigungsanspruch nach § 651 h Abs. 3 BGB: sekundäre Darlegungslast des Reiseveranstalters zum Entstehen eines tatsächlichen Schadens

Aktenzeichen  114 C 2149/21

Datum:
22.6.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15428
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 309 Nr. 5b, § 651h Abs. 2, Abs. 3, § 651h Abs. 5

 

Leitsatz

1. Grundsätzlich spielt der Umstand der Durchführung der Reise keine Rolle bei der Beurteilung der ex-ante Prognose bei der Prüfung eines Entfallens eines Entschädigungsanspruches nach § 651 h Abs. 3 BGB. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Jedoch ist nach § 651 h Abs. 2 BGB die Geltendmachung eines pauschalierten Entschädigungsanspruches nur möglich, wenn grundsätzlich im Einklang mit § 309 Nr. 5 b BGB dem anderen Vertragsteil in den allgemeinen Geschäftsbedingungen die Möglichkeit eingeräumt wurde den Nachweis eines geringeren oder nicht entstandenen Schadens zu führen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einen Reiseveranstalter trifft daher die sekundäre Darlegungslast, Ausführungen zu machen, ob und inwiefern ihm tatsächlich ein Schaden (Flug-, Hotelkosten etc.) entstanden ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.122,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.05.2020 zu zahlen, sowie die Klagepartei von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 196,62 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.03.2021 freizustellen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.122,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
I. Das Amtsgericht München ist zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich gemäß §§ 17 ZPO, 23 Nr. 1 GVG zuständig.
II. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung des bereits bezahlten Reisepreises in Höhe von 1122 Euro zu, da dieser nicht bereits mit Aufrechnung mit einem etwaigen Entschädigungsanspruch der Beklagten gemäß § 389 BGB erloschen ist.
1. Grundsätzlich ist zwischen den Parteien unstreitig, dass ein Reisevertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten mit Vertrag zugunsten Dritter, geschlossen worden ist. Dieser wurde auch unstreitig durch den Kläger am 4.5.2020 gekündigt.
Somit steht der Beklagten grundsätzlich ein Anspruch auf Entschädigung nach § 651 h Abs. 2 BGB zu. Dieser wurde hier durch die unstreitig einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen auf 40 % des ursprünglichen Reisepreises festgelegt.
Mit Schriftsatz vom 12.05.2021 bestritt der Kläger, dass die Reise durchgeführt worden sei und damit auch keine Gelder verauslagt worden seien und forderte die Beklagte auf hierzu in sekundärer Beweislast vorzutragen (S. 8 des Schriftsatzes). Grundsätzlich spielt der Umstand der Durchführung der Reise keine Rolle bei der Beurteilung der ex-ante Prognose bei der Prüfung eines Entfallens eines Entschädigungsanspruches nach § 651 h Abs. 3 BGB, jedoch ist nach § 651 h Abs. 2 BGB die Geltendmachung eines pauschalierten Entschädigungsanspruches nur möglich, wenn grundsätzlich im Einklang mit § 309 Nr. 5 b BGB dem anderen Vertragsteil in den allgemeinen Geschäftsbedingungen die Möglichkeit eingeräumt wurde den Nachweis eines geringeren oder nicht entstandenen Schadens zu führen. Daher trifft den Reiseveranstalter die sekundäre Darlegungslast, wie sich auch im Schriftsatz der Klagepartei hingewiesen wurde, Ausführungen zu machen ob und inwiefern diesem tatsächlich ein Schaden (Flug-, Hotelkosten etc.) entstanden ist.
Die beklagten Partei hat zu dem Schriftsatz der Gegenseite mit Schriftsatz vom 27.5.2021 Stellung genommen und hierzu keine Ausführungen getroffen. Somit kann sich die beklagten Partei nicht auf einen pauschalierten Entschädigungsanspruch nach § 651 h Abs. 2 BGB berufen und hat auch nichts zu einem konkreten Entschädigungsanspruch vorgetragen.
Daher ist der weitere Vortrag der Parteien zum Vorliegen eines Entfallens des Entschädigungsanspruches nach § 651 h Abs. 3 BGB hier nicht entscheidungserheblich.
Daher ist der Rückzahlungsanspruch gemäß § 651 h Abs. 1 S. 2, 346 BGB zuzusprechen.
III. Aufgrund der mangelnden Rückzahlung der geleisteten Anzahlung nach § 651 h Abs. 5 BGB innerhalb der 14-tägigen Rückzahlungsfrist befand sich die beklagten Partei in Verzug. Somit sind dem Kläger Verzugszinsen gemäß §§ 286 Abs. 2 Nummer 2, 288 Abs. 1 BGB in beantragter Höhe zuzusprechen. Auch der hier geltend gemachte Freistellungsanspruch gemäß §§ 286 Abs. 2 Nummer 2, 280 Abs. 1, 249, 257 BGB, nebst Zinsanspruch gemäß § 291 BGB sind dem Kläger in beantragter Höhe als Verzugsschaden zuzusprechen.
IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
IV. Die Streitwertfestsetzung folgt dem Leistungsantrag gemäß §§ 3 ZPO, 39 ff GKG.


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