Aktenzeichen I R 41/09
§ 3 Nr 20 Buchst c GewStG 2002
§ 14 Abs 1 S 1 Nr 1 KStG 2002
§ 17 KStG 2002
Leitsatz
1. Eine GmbH, die ein Alten- und Pflegeheim betreibt, das gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002 von der Gewerbesteuer befreit ist, kann Organträgerin einer gewerbesteuerlichen Organschaft mit einer Tochtergesellschaft sein, die im Auftrag der GmbH Dienstleistungen (hier: Zubereitung von Speisen und Reinigungsarbeiten) für das Heim erbringt .
2. Der der Organträgerin in diesem Fall zuzurechnende Gewerbeertrag der Organgesellschaft wird nicht von der Gewerbesteuerbefreiung umfasst .
Verfahrensgang
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 19. März 2009, Az: 6 K 441/08, Urteil
Tatbestand
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I. Streitpunkt ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) trotz Befreiung von der Gewerbesteuerpflicht im Hinblick auf den von einer Tochtergesellschaft an sie abgeführten Gewinn gewerbesteuerpflichtig ist.
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Die Klägerin ist eine GmbH, die im Streitjahr (2005) ein Senioren- und Pflegeheim betrieb, das gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. c des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 2002) von der Gewerbesteuer befreit war. Sie war alleinige Gesellschafterin der C-GmbH, die sich mit der Zubereitung von Speisen und Getränken für die Bewohner des von der Klägerin betriebenen Heims sowie der Reinigung des Heimgebäudes befasste und diese Tätigkeiten ausschließlich für die Klägerin erbrachte. Im Dezember 2003 schlossen die Klägerin und die C-GmbH einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag, durch den sich die C-GmbH verpflichtete, ihren gesamten Gewinn an die Klägerin abzuführen, während die Klägerin die Verpflichtung übernahm, Jahresfehlbeträge der C-GmbH auszugleichen.
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Die Klägerin gab für das Streitjahr keine Gewerbesteuererklärung ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) rechnete demgegenüber den der Höhe nach unstreitigen Gewerbeertrag der C-GmbH der Klägerin zu und setzte dieser gegenüber einen entsprechenden Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr fest. Die deswegen erhobene Klage blieb erfolglos; das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hat sie mit Urteil vom 19. März 2009 6 K 441/08 als unbegründet abgewiesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 1853 veröffentlicht.
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Gegen das Urteil richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Klägerin.
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Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil sowie den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid vom 27. April 2007 und den Einspruchsbescheid des FA vom 8. September 2008 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Das FA hat gegenüber der Klägerin zu Recht einen auf dem Gewerbeertrag der C-GmbH basierenden einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt. Denn in Bezug auf den von der C-GmbH im Streitjahr erzielten Gewerbeertrag ist die Klägerin gewerbesteuerpflichtig.
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1. Die von der C-GmbH im Streitjahr erzielten Erträge sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 gewerbesteuerpflichtig. Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft gilt stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG 2002). Anders als die Klägerin erwägt, greift im Hinblick auf die C-GmbH keiner der Befreiungstatbestände des § 3 Nr. 20 GewStG 2002, der bestimmte Einrichtungen (z.B. Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime) unter den dort genannten Voraussetzungen von der Gewerbesteuerpflicht befreit. Denn die C-GmbH hat keine der in § 3 Nr. 20 GewStG 2002 beschriebenen Einrichtungen betrieben. Dass sie im Auftrag der Klägerin entgeltlich Dienstleistungen in deren Alten- und Pflegeheim ausgeführt hat, reicht für eine Steuerbefreiung nicht aus; die Befreiungstatbestände des § 3 Nr. 20 GewStG 2002 begünstigen vielmehr ausschließlich den Betreiber der Einrichtung (vgl. von Twickel in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 3 GewStG Rz 102; Güroff in Glanegger/ Güroff, Gewerbesteuergesetz, 7. Aufl., § 3 Nr. 20 Rz 208).
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2. Aufgrund des Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages bestand im Streitjahr zwischen der Klägerin als Organträgerin und der C-GmbH als Organgesellschaft eine gewerbesteuerliche Organschaft.
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a) Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft i.S. der § 14, § 17 oder § 18 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002), so gilt sie gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002 gewerbesteuerrechtlich als Betriebsstätte des Organträgers (gewerbesteuerrechtliche Organschaft). Nach den Feststellungen des FG und nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten, gegen die aus Sicht des Senats nichts zu erinnern ist, lagen die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft gemäß § 14 i.V.m. § 17 KStG 2002 im Verhältnis zwischen der Klägerin und der C-GmbH im Streitjahr vor.
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b) Der Annahme einer daraus abzuleitenden gewerbesteuerlichen Organschaft steht nicht entgegen, dass nach den tatrichterlichen Feststellungen die Klägerin ein Alten- und Pflegeheim betrieben hat, das im Streitjahr die Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002 erfüllt hat und deshalb von der Gewerbesteuer befreit war.
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aa) Zwar setzt § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG 2002 für die körperschaftsteuerliche Organschaft voraus, dass der Organträger nicht steuerbefreit ist. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass die gewerbesteuerliche Organschaft nur mit einem Organträger möglich ist, der nicht von der Gewerbesteuer befreit ist (vgl. Sterner in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, § 14 KStG Rz 155; Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 3 Rz 6).
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bb) Jedoch ist mit der die Organschaft ausschließenden Steuerbefreiung i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG 2002 nur eine persönliche Steuerbefreiung gemeint, die –wie z.B. in den Fällen von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KStG 2002 bzw. § 3 Nr. 1 und Nr. 2 GewStG 2002– den Rechtsträger als solchen insgesamt von der Steuerpflicht ausschließt (unbeschränkte persönliche Steuerbefreiung). Körperschaften, die nur im Hinblick auf einen bestimmten Teil ihrer Tätigkeit oder ihres Ertrags von der Steuerpflicht ausgenommen sind (sog. beschränkte persönliche oder sachliche Steuerbefreiungen, vgl. Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 3 Rz 1; Sarrazin in Lenski/ Steinberg, a.a.O., § 3 Rz 4), kommen demgegenüber als Organträger grundsätzlich in Betracht, soweit nicht die Beteiligung an der Organgesellschaft den steuerbefreiten Aktivitäten zuzuordnen ist (vgl. Walter in Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz 267; Neumann in Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl., § 14 Rz 96; Sterner in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG Rz 155, Erle/Heurung in Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl., § 14 Rz 57). Denn der Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG 2002, der verhindern soll, dass auf der Ebene der Organgesellschaft grundsätzlich steuerpflichtiges Einkommen durch eine Organschaft auf der Ebene des Organträgers der Besteuerung entgehen kann (vgl. Walter in Ernst & Young, a.a.O., § 14 Rz 266), erfordert in diesen Fällen nicht den Ausschluss der Wirkungen einer Organschaft.
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cc) Bei der im Streitfall in Rede stehenden Befreiung der Klägerin von der Gewerbesteuer gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002 handelt es sich nicht um eine unbeschränkte persönliche Steuerbefreiung. Von der Gewerbesteuer wird nicht der Träger der in § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002 benannten Einrichtungen mit seinem gesamten Gewerbeertrag befreit; begünstigt werden vielmehr nur die aus dem Betrieb der Einrichtung resultierenden Erträge. Soweit der Träger der Einrichtung außerhalb derselben Erträge erzielt, unterliegen diese der Gewerbesteuer (vgl. zum Verkauf von Speisen, Getränken, Postkarten oder Andenken an Patienten oder Dritte Senatsurteil vom 20. September 1966 I R 34/66, BFHE 87, 215, BStBl III 1967, 90; von Twickel in Blümich, a.a.O., § 3 GewStG Rz 102; Güroff in Glanegger/ Güroff, a.a.O., § 3 Nr. 20 Rz 209).
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dd) Die Beteiligung an der C-GmbH ist nicht dem gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002 von der Gewerbesteuer befreiten Tätigkeitsbereich der Klägerin zuzuordnen. Denn wenn die Klägerin selbst eine Tätigkeit wie die der C-GmbH ausgeübt hätte –die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen gegenüber einem Alten- und Pflegeheim–, wäre nach dem zuvor Gesagten der daraus erzielte Ertrag nicht von der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002 umfasst. Somit war die Klägerin geeignete Organträgerin für eine gewerbesteuerliche Organschaft mit der C-GmbH.
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3. Die gewerbesteuerliche Organschaft bewirkt, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der C-GmbH der Klägerin zugerechnet wird. Zwar bilden trotz der Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002 Organgesellschaft und Organträger kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie, s. zur insoweit ständigen Rechtsprechung des Senats die Urteile vom 4. Juni 2003 I R 100/01, BFHE 203, 171, BStBl II 2004, 244, m.w.N.; vom 14. Januar 2009 I R 47/08, BFHE 224, 126). Die Organschaft führt aber dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet wird (Senatsurteile vom 27. Juni 1990 I R 183/85, BFHE 161, 157, 160, BStBl II 1990, 916, 918; in BFHE 203, 171, BStBl II 2004, 244). Deshalb ist der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag allein gegenüber dem Organträger festzusetzen.
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4. Die Befreiung des von der Klägerin betriebenen Alten- und Pflegeheims von der Gewerbesteuerpflicht nach Maßgabe des § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002 umfasst nicht den der Klägerin aufgrund der Organschaft zuzurechnenden Gewerbeertrag der C-GmbH. Denn die diesen Ertrag generierenden Tätigkeiten fallen weder bei Ausführung durch die C-GmbH (oben II.1.) noch bei einer Zurechnung zur Klägerin (oben II.2.b dd) unter den Steuerbefreiungstatbestand. Im Übrigen müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer gesetzlichen Steuerbefreiung von der jeweiligen Organgesellschaft selbst erfüllt werden (vgl. Senatsurteil in BFHE 203, 171, BStBl II 2004, 244 zur Unbeachtlichkeit der Steuerbefreiung einer Organgesellschaft für die Besteuerung des Gewerbeertrags einer nicht befreiten Organgesellschaft desselben Organkreises).
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Aus dem Umstand, dass die C-GmbH nach dem Vorbringen der Klägerin aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen zu dem Zweck gegründet wurde, die Kostenkontrolle beim Betrieb des Heims zu verbessern und dass sie ihre Leistungen ausschließlich gegenüber der Klägerin und nicht auch für Dritte erbracht hat, folgt kein anderes Ergebnis. Mit der Ausgliederung der Verpflegungs- und Reinigungsaktivitäten aus dem Bereich des allgemeinen Heimbetriebs in eine Tochtergesellschaft, die diese Leistungen gegen Entgelt erbringt, hat die Klägerin ihre Aktivitäten bewusst auf zwei unterschiedliche Körperschaften verteilt, deren Leistungsaustausch nicht als betriebsinterner Vorgang gewertet werden kann. Den daraus folgenden steuerrechtlichen Konsequenzen kann sich die Klägerin nicht in vollem Umfang durch die Begründung einer Organschaft entziehen. Die Vorschriften über die gewerbesteuerliche Organschaft sehen eine vollständige Aufhebung der rechtlichen Trennung der zum Organkreis gehörenden Steuersubjekte nicht vor. Insbesondere ist die Organschaft –wie die Bestimmung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG 2002 zeigt (dazu oben II.2.b bb)– kein geeignetes Mittel, um steuerpflichtiges Einkommen der Organgesellschaft auf der Ebene des Organträgers der Besteuerung zu entziehen.