Aktenzeichen 6 P 27/10
§ 75 S 1 PersVG BE 2004
§ 85 Abs 1 S 1 Nr 1 PersVG BE 2004
Leitsatz
1. Dienstvereinbarungen im Sinne von § 74 BlnPersVG (juris: PersVG BE 2004) bedürfen nicht der Bekanntmachung, um rechtliche Wirksamkeit zu erlangen.
2. Die Wirksamkeit von Dienstvereinbarungen in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung nach § 85 BlnPersVG bestimmt sich nicht nach § 75 BlnPersVG.
3. Der Tarifvorbehalt gemäß § 75 Satz 1 BlnPersVG greift auch in Bezug auf Tarifverträge, an welche die Dienststelle nicht gebunden ist.
4. Eine der Sperrwirkung nach § 75 Satz 1 BlnPersVG unterfallende Dienstvereinbarung ist nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam. Die Sperrwirkung kann nachträglich durch einen rückwirkenden Tarifvertrag aufgehoben werden.
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 16. September 2010, Az: 60 PV 6.09, Beschlussvorgehend VG Berlin, 6. November 2008, Az: 60 A 11.08, Beschluss
Gründe
I.
1
Im Streit steht die Wirksamkeit der von den Verfahrensbeteiligten am 11. Oktober 2007 geschlossenen “Dienstvereinbarung zur Regulierung der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Notwendigkeit des Anlegens von Dienst- und Schutzkleidung”.
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Diese gilt nach ihrem § 1 für alle Beschäftigten des Beteiligten, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit Dienst- oder Schutzkleidung anlegen bzw. sie im Anschluss hieran wieder ablegen müssen.
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§ 2 der Vereinbarung hat folgenden Wortlaut:
“Die Arbeitszeit beginnt und endet dort, wo die Mitarbeiterin / der Mitarbeiter ihre / seine Arbeitsleistung zu erbringen hat.
Das Anlegen von Dienst- bzw. Schutzkleidung ist bereits als Arbeitsleistung anzusehen und gehört zu den arbeitsvertraglichen Pflichten.
Unter Berücksichtigung der dadurch anfallenden Zeiten wird eine durchschnittliche Umkleidezeit von jeweils 6 Minuten nach Dienstbeginn und vor Dienstende (täglich insgesamt 12 Minuten) vereinbart.
Diese Zeiten sind bei der Dienstplangestaltung / Arbeitseinsatzplanung zu berücksichtigen.”
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Am 18. Dezember 2007 schloss der Beteiligte mit dem Landesbezirk Berlin-Brandenburg der Gewerkschaft ver.di auf Grundlage bereits am 18. Oktober 2006 vereinbarter Eckpunkte den “Tarifvertrag für die Charité – Universitätsmedizin Berlin” (im folgenden TV-Charité), der ausweislich seines § 39 rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt wurde.
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Über die Frage der Wirksamkeit der Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 kam es zum Streit zwischen den Verfahrensbeteiligten.
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Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag des Antragstellers festgestellt, dass die Dienstvereinbarung wirksam ist. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 16. September 2010 die hiergegen erhobene Beschwerde des Beteiligten unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Zuständigkeit des Antragstellers für den Abschluss der Dienstvereinbarung könne nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden, da diese Beschäftigte des Beteiligten aus beiden seiner personalvertretungsrechtlichen Dienststellen im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 Berliner Universitätsmedizingesetz erfasse. Die bislang fehlende Bekanntmachung der Dienstvereinbarung stehe ihrer Wirksamkeit nicht entgegen, da die Bekanntmachung keine Wirksamkeitsvoraussetzung darstelle. Die Dienstvereinbarung weise auch keine materiell-rechtlichen Fehler auf. Insbesondere schließe § 75 Satz 1 BlnPersVG eine Dienstvereinbarung zu Umkleidezeiten nicht aus, obwohl § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O hierzu eine tarifvertragliche Regelung enthalte. § 75 Satz 1 BlnPersVG setze in Bezug auf das Merkmal der tarifvertraglichen Regelung voraus, dass die Dienststelle an die in Rede stehende tarifvertragliche Regelung tarifgebunden sei, was hier hinsichtlich des Beteiligten nach dem Austritt seiner Rechtsvorgängerinnen aus den Tarifgemeinschaften der Arbeitgeber KAV und VAdöD am 10. Januar 2003 und der ersten nachfolgenden Änderung von BAT/BAT-O zum 31. Januar 2003 nicht mehr der Fall gewesen sei. Auch das Merkmal der Tarifüblichkeit komme nicht zum Tragen. Zwar gelte ein gekündigter und gemäß § 4 Abs. 5 TVG nachwirkender Tarifvertrag regelmäßig weiterhin als tarifüblich. Jedoch sei die Tarifüblichkeit spätestens damit entfallen, dass die Tarifvertragsparteien am 18. Oktober 2006 Eckpunkte für einen Tarifvertrag vereinbart hätten, der keine dem § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O vergleichbare Regelung mehr habe enthalten sollen. Hinzukomme, dass in Anbetracht der mit Abschluss von TVöD und TV-L entstandenen Insellage Berlins das Ende der alten Tarifregelungen und die Angleichung an die neuen Tarifverträge jedenfalls mittelfristig absehbar gewesen sei.
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Der Beteiligte hat hiergegen Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet diese im Wesentlichen wie folgt: Die Bekanntmachung sei, wie Wortlaut und systematischer Zusammenhang von § 74 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG ergeben würden, eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Dienstvereinbarung. Für das Merkmal der Regelung durch Tarifvertrag im Sinne von § 75 Satz 1 BlnPersVG komme es auf die Tarifbindung nicht an. Im Lichte des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 22. März 2005 (- 1 ABR 64/03 -) sei maßgeblich, dass der Beteiligte die Möglichkeit gehabt habe, wie das Land Berlin mit den tarifschließenden Gewerkschaften die Geltung des § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O zu vereinbaren; jedenfalls sei der Beteiligte in den fachlichen Geltungsbereich des BAT gefallen. Das Oberverwaltungsgericht habe im Hinblick auf das Merkmal der Tarifüblichkeit verkannt, dass die Geltung des § 15 BAT/BAT-O in den Arbeitsverträgen der Beschäftigten bestimmt gewesen sei. Aus dem Umstand der rückwirkenden Inkraftsetzung des TV-Charité, der keine mit § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O vergleichbare Regelung enthalten habe, sei ein Wegfall der Tarifüblichkeit nicht abzuleiten. Die Tarifüblichkeit entfalle nur dann, wenn die Tarifvertragsparteien keinen Tarifvertrag mehr anstreben würden. Dies stehe nicht fest. Derzeit würden Verhandlungen mit den Gewerkschaften ver.di und DBB über Änderungen und Ergänzungen des TV-Charité stattfinden. Inhalt der Vereinbarungen würde dabei auch die tarifliche Regelung von Umkleidezeiten sein können.
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Der Beteiligte beantragt,
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. September 2010 sowie den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. November 2008 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
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Der Antragsteller hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
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Die zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht die Wirksamkeit der Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 bejaht.
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1. Dienstvereinbarungen im Sinne von § 74 BlnPersVG bedürfen nicht der Bekanntmachung, um rechtliche Wirksamkeit zu erlangen. Soweit § 74 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG für die Dienststelle (vgl. § 78 Abs. 1 BlnPersVG) die Pflicht begründet, Dienstvereinbarungen in geeigneter Weise bekanntzumachen, handelt es sich – im Gegensatz zu den am selben Ort normierten Geboten der schriftlichen Niederlegung und der beiderseitigen Unterzeichnung – nicht um eine Wirksamkeitsbedingung, sondern um eine bloße Ordnungsvorschrift. Der Senat schließt sich insoweit der überwiegenden Literaturauffassung zum nahezu wortgleich formulierten § 73 Abs. 1 Satz 2 BPersVG an (Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD, Bd. V, Stand 2011, K § 73 Rn. 14; Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, 170. EL 2012, § 73 Rn. 8; Altvater, in: Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, BPersVG, 7. Aufl. 2011, § 73 Rn. 9; a.A. Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 11. Aufl. 2008, § 73 Rn. 14). Auch der in § 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG vorgeschriebenen Auslegung von Betriebsvereinbarungen wird überwiegend keine konstitutive Bedeutung beigemessen (Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, 25. Aufl. 2010, § 77 Rn. 25 m.w.N.).
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Entscheidend gegen ein Verständnis der Bekanntmachung als Wirksamkeitsbedingung spricht, wie bereits das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, das Fehlen gesetzlicher Regelungen über Form und Verfahren der Publikation. Auch außerhalb des Berliner Personalvertretungsgesetzes existieren keine rechtlichen Vorgaben – oder auch nur als Standard anerkannte praktische Gepflogenheiten – zur Art und Weise dienststelleninterner Veröffentlichungen. Infolgedessen wäre bei konstitutiver Bedeutung der Bekanntmachung in vielen Fällen mit Unsicherheiten behaftet, ob eine Dienstvereinbarung als wirksam zustande gekommen angesehen werden könnte oder nicht. Dies kann vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein.
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Soweit hiergegen in der Literatur mit Blick auf die Qualität der Dienst- bzw. Betriebsvereinbarung als Normenvertrag vereinzelt der rechtsstaatliche Grundsatz der Normenpublizität angeführt wird (Fischer, BB 2000, 354 ), ist anzumerken, dass § 74 Abs. 1 Satz 2 BlnPersVG die Bekanntgabe der Vereinbarung durchaus vorsieht. Es liegt im eigenen Interesse der Dienststelle, dieser Vorgabe nachzukommen; die Personalvertretung wird sie hierzu anhalten und ihrerseits die Beschäftigten regelmäßig über von ihr ausgehandelte Dienstvereinbarungen informieren.
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2. Der Wirksamkeit der Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 steht § 75 Satz 1 BlnPersVG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein.
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Die Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 regelt zwar ersichtlich Arbeitsbedingungen im Sinne von § 75 Satz 1 BlnPersVG. Zweifelhaft ist aber bereits, ob sie überhaupt dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift unterfällt oder nicht vielmehr anhand von § 85 BlnPersVG zu beurteilen ist (unten a). Die Frage bedarf indes keiner abschließenden Klärung, weil von der tariflichen Regelung in § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O, wonach die Arbeitszeit an der Arbeitsstelle bzw. am Arbeitsplatz beginnt und endet, im vorliegenden Fall jedenfalls keine Sperrwirkung im Sinne von § 75 Satz 1 BlnPersVG ausgehen konnte (unten b).
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a) Die Wirksamkeit einer Dienstvereinbarung beurteilt sich dann nicht nach § 75 Satz 1 BlnPersVG, wenn diese Angelegenheiten regelt, die einem Mitbestimmungstatbestand nach § 85 Abs. 1 BlnPersVG unterfallen. Dies in Betracht zu ziehen, gibt der vorliegende Fall Anlass.
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aa) § 75 Satz 1 BlnPersVG entspricht § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, der für Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, eine Regelung durch Betriebsvereinbarung ausschließt. Eine gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam (BAG, Urteil vom 26. August 2008 – 1 AZR 354/07 – BAGE 127, 297 ; stRspr). § 75 Satz 1 BlnPersVG dient wie § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dem Schutz der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie. Er ist ersichtlich in Anlehnung an diese Vorschrift formuliert und damit entsprechend auszulegen (vgl. BAG, Urteil vom 27. Juni 2006 – 3 AZR 255/05 – BAGE 118, 326 zur vergleichbaren Vorschrift des § 70 PersVG NW).
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bb) Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist seit längerem geklärt, dass der Tarifvorbehalt gemäß § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht einem Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG – dem § 85 Abs. 1 BlnPersVG entspricht – entgegensteht und dass dieses Mitbestimmungsrecht auch durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung wahrgenommen werden kann (BAG, Beschluss vom 3. Dezember 1991 – GS 2.90 – BAGE 69, 134 ; seitdem stRspr). Zur Prüfung der Wirksamkeit von Betriebsvereinbarungen in Mitbestimmungsangelegenheiten nach § 87 Abs. 1 BetrVG ist § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG demnach nicht heranzuziehen. Dies gewinnt praktische Bedeutung insbesondere in Fällen, in denen der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist. Denn der Tarifvorrang gemäß dem Eingangssatz in § 87 Abs. 1 BetrVG kommt nur bei Tarifbindung des Arbeitgebers zum Tragen (BAG, Beschluss vom 10. August 1993 – 1 ABR 21/93 – AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung Bl. 950; stRspr), der Tarifvorbehalt gemäß § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hingegen auch ohne diese (BAG, Urteil vom 26. August 2008 a.a.O. S. 299; stRspr). Auch im Rahmen von § 85 BlnPersVG greift der dort normierte Tarifvorrang nur bei Tarifbindung des Arbeitgebers (Beschlüsse vom 20. November 2008 – BVerwG 6 P 17.07 – Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 15 S. 8 und vom 2. Februar 2009 – BVerwG 6 P 2.08 – Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 16 S. 17).
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cc) Das Verhältnis zwischen § 75 Satz 1 BlnPersVG und § 85 Abs. 1 BlnPersVG ist entsprechend dem Verhältnis zwischen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und § 87 Abs. 1 BetrVG zu bestimmen. Es sind keine Gründe ersichtlich, die an dieser Stelle Abweichungen zwischen der betriebsverfassungsrechtlichen und der personalvertretungsrechtlichen Normauslegung gebieten würden. Das Bundesarbeitsgericht hat die Unanwendbarkeit des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG im Bereich der zwingenden Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 BetrVG im Kern darauf gestützt, dass ein Interessensschutz der Beschäftigten bei bloßer Tarifüblichkeit bzw. bei Fehlen einer bindenden tarifvertraglichen Vereinbarung – also in Konstellationen, in denen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dennoch zu einer Regelungssperre für die Betriebsparteien führen könnte – nicht bereits hergestellt ist und es vor diesem Hintergrund zweckwidrig wäre, die Mitbestimmung durch Abschluss von Betriebsvereinbarungen auszuschließen und die Parteien hierzu auf formlose Regelungsabsprachen zu beschränken (BAG, Beschluss vom 3. Dezember 1991 a.a.O. S. 152). Diese Erwägung erscheint im personalvertretungsrechtlichen Kontext gleichermaßen überzeugend. § 75 Satz 1 BlnPersVG muss daher als Maßstab für die rechtliche Beurteilung solcher Dienstvereinbarungen ausscheiden, die Mitbestimmungsangelegenheiten nach § 85 Abs. 1 BlnPersVG regeln. Regelt eine Dienstvereinbarung hingegen Angelegenheiten jenseits der zwingenden gesetzlichen Beteiligungstatbestände, was nach dem Berliner Personalvertretungsgesetz anders als nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz zulässig ist (vgl. Beschluss vom 6. Oktober 2010 – BVerwG 6 PB 11.10 – juris Rn. 8), so kommt der Maßstab des § 75 Satz 1 BlnPersVG zur Anwendung. Anders als das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, setzt diese Vorschrift ebenso wenig wie § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Tarifbindung des Arbeitgebers voraus (so bereits für § 83 Abs. 1 Satz 2 HmbPersVG, der § 75 Satz 1 BlnPersVG entspricht: BAG, Urteil vom 23. Mai 2007 – 10 AZR 403/06 – juris Rn. 26).
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dd) Bei Abschluss der Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 unterlag der Beteiligte keiner Tarifbindung. Seine Rechtsvorgängerinnen waren am 10. Januar 2003 aus den Tarifgemeinschaften der Arbeitgeber KAV und VAdöD ausgetreten, so dass die Nachbindung an den BAT/BAT-O im Sinne von § 3 Abs. 3 TVG mit der ersten nachfolgenden Änderung zum 31. Januar 2003 (78. Tarifvertrag zur Änderung des BAT und 13. Tarifvertrag zur Änderung des BAT-O) endete (vgl. Beschluss vom 20. November 2008 a.a.O. S. 8; allgemein: BAG, Urteil vom 7. November 2001 – 4 AZR 703/00 – AP Nr. 11 zu § 3 TVG Verbandsaustritt Bl. 786). Unterfiele die Dienstvereinbarung einem der Mitbestimmungstatbestände des § 85 Abs. 1 BlnPersVG, stünde folglich der dort normierte Tarifvorrang ihrer Wirksamkeit nicht entgegen.
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ee) Ob die Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 dem – hier allein in Frage kommenden – Mitbestimmungstatbestand des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlnPersVG unterfällt, ist zweifelhaft.
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(1) Indem die Dienstvereinbarung das Anlegen der Dienst- und Schutzkleidung der geschuldeten Arbeitszeit der Bediensteten zuordnet und hierfür eine Zeitspanne von sechs Minuten als Rechengröße für die Dienstplangestaltung bzw. Arbeitszeitplanung festlegt, erfüllt ihr Regelungsgegenstand das Merkmal der “Arbeitszeit” im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlnPersVG. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist geklärt, dass Umkleidezeiten dann zur Arbeitszeit im Sinne der Parallelvorschrift in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zählen, wenn sie einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllen (BAG, Beschluss vom 10. November 2009 – 1 ABR 54/08 – AP Nr. 125 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Rn. 15). Nichts anderes kann im personalvertretungsrechtlichen Zusammenhang gelten. Die Fremdnützigkeit der hier in Rede stehenden Dienst- und Schutzkleidung ergibt sich aus dem Umstand, dass sie in erster Linie hygienischen Zwecken und damit der Erfüllung der betrieblichen Pflichten des Beteiligten dient.
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(2) Weniger eindeutig beantwortet sich demgegenüber die Frage, ob die Dienstvereinbarung darüber hinaus auch eine Regelung zu “Beginn und Ende” der Arbeitszeit im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlnPersVG trifft. Hieran ließe sich deshalb zweifeln, weil sie keine entsprechenden Zeitpunkte fixiert, was aber nach der Rechtsprechung erforderlich wäre, um den fraglichen Mitbestimmungstatbestand zu erfüllen (vgl. Beschluss vom 23. August 2007 – BVerwG 6 P 7.06 – Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 13 S. 14). Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in einer neueren Entscheidung in der umgekehrten Konstellation einer arbeitgeberseitig angewiesenen Nichtanrechnung von Umkleidezeiten auf die Arbeitszeit den parallelen Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG als erfüllt angesehen (BAG, Beschluss vom 10. November 2009 a.a.O. Rn. 16 ff.). Aus den nachstehend dargelegten Gründen bedarf indes keiner abschließenden Klärung, ob im Lichte dieser Entscheidung die in der Rechtsprechung des Senats bislang entwickelten Maßgaben zur Auslegung von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlnPersVG oder vergleichbarer Normen in anderen Personalvertretungsgesetzen der Fortentwicklung bedürfen.
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b) Die Wirksamkeit der Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 folgt jedenfalls daraus, dass von § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O im vorliegenden Fall keine Sperrwirkung im Sinne von § 75 Satz 1 BlnPersVG ausgeht. Indem § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O bestimmt, dass die Arbeitszeit an der Arbeitsstelle bzw. am Arbeitsplatz beginnt und endet, trifft er zwar eine inhaltlich abschließende Regelung zu demjenigen Gegenstand, der Inhalt der Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 geworden ist. § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O hat zunächst auch – und zwar über das Ende der Tarifbindung des Beteiligten hinaus – eine Sperrwirkung entfaltet. Zumindest dadurch jedoch, dass der mit Rückwirkung auf den 1. Januar 2007 in Kraft gesetzte TV-Charité zu diesem Gegenstand keine Vorgaben enthält und damit die Regelungsprärogative der Tarifvertragsparteien bewusst aufgegeben hat, ist diese Sperrwirkung entfallen.
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aa) Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist geklärt, dass Arbeitsbedingungen dann im Sinne von § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG durch Tarifvertrag geregelt sind, wenn über sie ein Tarifvertrag abgeschlossen ist und der fragliche Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Vertrages fällt (BAG, Beschlüsse vom 21. Januar 2003 – 1 ABR 9/02 – AP Nr. 1 zu § 21a BetrVG 1972 Bl. 727 und vom 22. März 2005 – 1 ABR 64/03 – BAGE 114, 162 ). Besteht für einen Betrieb bei Abschluss einer Betriebsvereinbarung kein den gleichen Gegenstand regelnder Tarifvertrag, kommt es darauf an, ob die betreffende Angelegenheit im Sinne von § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG üblicherweise tariflich geregelt wird. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich anhand der einschlägigen Tarifpraxis (BAG, Urteil vom 26. August 2008 a.a.O. S. 299; Beschluss vom 22. März 2005 a.a.O. S. 170).
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bb) Nach diesen auf das Personalvertretungsrecht zu übertragenden Maßstäben führte der Fortfall der Tarifbindung an § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O am 31. Januar 2003 schon deshalb nicht zum Entfallen der Regelungssperre im Sinne von § 75 Satz 1 BlnPersVG, weil der Beteiligte bzw. seine Rechtsvorgängerinnen über diesen Zeitpunkt hinaus weiterhin dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O unterfielen. Dies gilt unbeschadet des Umstandes, dass der BAT/BAT-O keinen branchenspezifisch definierten Geltungsbereich aufweist, dem der Beteiligte schon kraft der Eigenart seines Betätigungsfeldes zugeordnet werden könnte. Legt ein Tarifvertrag seinen Geltungsbereich nicht an fachlich-betrieblichen Kriterien, sondern – wie der BAT/BAT-O – ausschließlich an der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im tarifschließenden Verband aus, so kann sich dieser über die aktuellen Mitglieder hinaus auch auf die potentiellen Mitglieder dieses Verbandes erstrecken, die ihm – erstmalig oder wieder – beitreten können (BAG, Urteil vom 23. März 2011 – 4 AZR 268/09 – juris Rn. 37 ff.; Beschluss vom 22. März 2005 a.a.O. S. 172 ff.). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei die übereinstimmende Interessenslage der Tarifvertragsparteien typischerweise dahin geht, den Geltungsbereich des Tarifvertrages wie bei einer fachlichen Umschreibung auf diejenigen Unternehmen zu erstrecken, die durch Beitritt zum Arbeitgeberverband eine Tarifbindung herbeiführen könnten. Ohne deutliche Anhaltspunkte im Tarifvertrag selbst kann nicht angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien durch die mitgliedschaftsbezogene Festlegung des Geltungsbereichs den Geltungsanspruch des Tarifvertrages und ihre Tarifautonomie beschränken wollen (BAG, Urteil vom 23. März 2011 a.a.O. Rn. 39). In Bezug auf den BAT-Zuwendungstarifvertrag hat das Bundesarbeitsgericht einen entsprechend weit gefassten tariflichen Geltungsanspruch ohne weiteres bejaht (BAG, Urteil vom 23. Mai 2007 a.a.O. Rn. 26). In Bezug auf den BAT-Manteltarifvertrag kann nichts anderes angenommen werden, so dass im Ergebnis § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O in Bezug auf den Beteiligten – der der zuständigen Tarifgemeinschaft der Arbeitgeber wieder hätte beitreten können – Sperrwirkung auch über denjenigen Zeitpunkt hinaus entfaltete, in dem seine Bindung an diesen Tarifvertrag endete.
27
Unabhängig davon blieb der BAT/BAT-O für den öffentlichen Dienst und damit auch für den Beteiligten zunächst weiterhin tarifüblich im Sinne von § 75 Satz 1 BlnPersVG.
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cc) Die Dauer des Fortbestands einer Sperrwirkung gemäß § 75 Satz 1 BlnPersVG hängt davon ab, inwieweit Sinn und Zweck der Vorschrift im Lichte der weiteren Entwicklung auf tariflicher Ebene den Ausschluss von Dienstvereinbarungen zu dem in Frage stehenden Regelungsgegenstand noch gebieten. Danach hat jedenfalls der rückwirkende Abschluss des TV-Charité die aus § 75 Satz 1 BlnPersVG resultierenden Wirksamkeitshindernisse gegen die Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 beseitigt.
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(1) § 75 Satz 1 BlnPersVG soll verhindern, dass Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend durch Dienstvereinbarung geregelt werden. Er räumt den Tarifvertragsparteien den Vorrang bei der Regelung von Arbeitsbedingungen ein und schützt hierdurch die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Diese wird auch dann gestört, wenn nicht tarifgebundene Arbeitgeber kollektivrechtliche Konkurrenzregelungen in Form von Dienstvereinbarungen treffen können. Der Tarifvorbehalt bildet keine Kollisionsnorm, sondern eine Zuständigkeitsabgrenzung (vgl. BAG, Beschluss vom 22. März 2005 a.a.O. S. 170; Urteil vom 12. März 2008 – 4 AZR 616/06 – AP Nr. 18 zu § 1 TVG Tarifverträge: Chemie Rn. 28, jeweils zu § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Dem entsprechend führt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 77 Abs. 3 BetrVG selbst das Auslaufen eines Tarifvertrages nicht automatisch zum Entfallen der Sperrwirkung gegenüber den Betriebsparteien. Das Bundesarbeitsgericht prüft in solchen Fällen unter dem Gesichtspunkt der Tarifüblichkeit, ob die Tarifvertragsparteien endgültig den Willen zur Regelung des in Frage stehenden Gegenstandes aufgegeben haben (BAG, Beschlüsse vom 24. Februar 1987 – 1 ABR 18/85 – BAGE 54, 191 und vom 21. Januar 2003 a.a.O. Bl. 729; ähnlich Fitting, a.a.O. § 77 Rn. 93). Erst bei Vorliegen eines solchen Willens eröffnet sich demnach hier die betriebliche Regelungszuständigkeit. In Bezug auf Dienstvereinbarungen im Sinne von § 74 Abs. 1 BlnPersVG muss entsprechendes gelten.
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(2) Vor diesem Hintergrund kann sich aus dem reinen Zeitablauf kein Entfallen der einmal entstandenen Sperrwirkung aufgrund von § 15 BAT/BAT-O begründen. Maßgeblich kann allein sein, ob sich auf der tariflichen Ebene zwischenzeitlich Änderungen ergeben haben, in deren Lichte sich der Abschluss der Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 nicht länger als Eingriff in die tarifliche Regelungsprärogative darstellen konnte, insbesondere weil ein Wille der Tarifvertragsparteien erkennbar geworden war, zukünftig auf eine eigene Regelung zu verzichten. Dies ist hier, wie das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, der Fall.
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Aus Sicht des beschließenden Senats bestehen allerdings Zweifel am Begründungsweg, den das Oberverwaltungsgericht eingeschlagen hat. Die zum einen angesprochene tarifpolitische Gesamtentwicklung im öffentlichen Dienst, die für Bund, Kommunen und die Mehrzahl der Länder zur Ablösung des BAT durch den TVöD am 1. Oktober 2005 bzw. den TV-L am 1. November 2006 führte, änderte für den hier fraglichen Zeitraum nichts an der weiteren tariflichen Prägewirkung von BAT/BAT-O für den öffentlichen Dienst im Land Berlin. Wesentliche Bestimmungen des BAT/BAT-O, darunter auch dessen § 15 Abs. 7, blieben durch die Inbezugnahme in § 2 Abs. 1 des Tarifvertrags vom 31. Juli 2003 zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes zwischen dem Land Berlin und den Gewerkschaften ver.di, GEW, GdP und IG Bauen Agrar Umwelt weiterhin anwendbar. Dies spricht dafür, dass § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O im Land Berlin – und folglich ungeachtet seiner fehlenden eigenen Bindung an den Tarifvertrag vom 31. Juli 2003 auch gegenüber dem Beteiligten – über das Jahr 2006 hinaus zumindest weiter als tarifübliche Regelung im Sinne von § 75 Satz 1 BlnPersVG anzusehen war. Auf die von dem Beteiligten in seiner Rechtsbeschwerdebegründung aufgeworfene Frage, ob mit Blick auf seine Möglichkeit, selbst einen vergleichbaren Anwendungstarifvertrag zu schließen, nach Maßgabe der Grundsätze des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 22. März 2005 (a.a.O.) zudem auch das Tatbestandsmerkmal der tariflichen Regelung im Sinne von § 75 Satz 1 BlnPersVG weiterhin erfüllt war, dürfte es insofern nicht entscheidend ankommen.
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Zweifelhaft erscheint dem Senat auch der Ansatz des Oberverwaltungsgerichts, eine Aufgabe des tariflichen Regelungswillens zum hier fraglichen Gegenstand aus der Eckpunktevereinbarung vom 18. Oktober 2006 abzuleiten, denn diese stand ausweislich ihrer Ziffer 10 unter dem Vorbehalt der Gesamteinigung und besaß daher nur vorläufigen Charakter.
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Zu diesen Punkten bedarf es aber letztlich keiner Entscheidung, weil jedenfalls mit dem Abschluss des TV-Charité, der zur Frage des Beginns der Arbeitszeitmessung keine Regelung trifft, eine Sperrwirkung im Sinne von § 75 Satz 1 BlnPersVG endete. Die (nunmehr maßgeblich gewordenen) Tarifvertragsparteien haben hiermit bindend zum Ausdruck gebracht, dass der Regelung dieser Frage auf Ebene der Dienststelle fortan keine kollektivrechtlichen Hindernisse entgegenstehen sollten. Unschädlich ist hierbei, dass der TV-Charité erst am 18. Dezember 2007, also mehr als zwei Monate nach der Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 abgeschlossen wurde. Denn der Abschluss geschah mit Rückwirkung auf den 1. Januar 2007 und hat damit eine etwaige Sperrwirkung im Sinne von § 75 Satz 1 BlnPersVG nachträglich aufgehoben.
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Der Annahme einer nachträglichen Aufhebung der Sperrwirkung stehen rechtliche Bedenken nicht entgegen. Eine gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam (vgl. BAG, Urteile vom 20. April 1999 – 1 AZR 631/98 – BAGE 91, 244 und vom 29. Oktober 2002 – 1 AZR 573/01 – BAGE 103, 187 ). Das Bundesarbeitsgericht hat dies damit begründet, dass § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG als kompetenzausgestaltende Norm nicht ohne weiteres einer Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB gleichzusetzen sei (Urteil vom 20. April 1999 a.a.O. S. 257). Ungeachtet der Frage, ob diese Begründung in ihrem rechtsdogmatischen Ansatz auf Dienstvereinbarungen zu übertragen ist, kann für diese jedenfalls im Ergebnis nichts anderes gelten (a.A. Germelmann, in: Germelmann/Binkert/Germelmann, Personalvertretungsgesetz Berlin, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 17). Hierfür sprechen insbesondere die weiteren rechtlichen Konsequenzen, die sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an die fehlende Nichtigkeitsfolge eines Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG knüpfen können. Hierdurch wird es den Tarifvertragsparteien nämlich ermöglicht, die aus einem solchen Verstoß folgende Sperrwirkung nachträglich durch eine rückwirkende Tariföffnungsklausel im Sinne von § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG zu beseitigen (BAG, Urteile vom 20. April 1999 a.a.O. S. 258 und vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 191). Die ausdrückliche Zulassung von Tariföffnungsklauseln in § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG macht deutlich, dass es den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleibt, ob sie abweichende Betriebsvereinbarungen zulassen wollen oder nicht. Der Schutzzweck der Norm ist auch dann gewahrt, wenn die Tarifvertragsparteien nachträglich über die Billigung einer tarifvorbehaltswidrigen Betriebsvereinbarung durch entsprechende Öffnungsklausel entscheiden (BAG, Urteil vom 20. April 1999 a.a.O. S. 258). Im Rahmen von § 75 BlnPersVG, der in Satz 2 gleichfalls eine Rechtsgrundlage für Tariföffnungsklauseln normiert, muss eine solche Gestaltungsoption gleichermaßen bestehen. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum den Tarifvertragsparteien in Bezug auf tarifvorbehaltswidrige Dienstvereinbarungen nicht dasjenige möglich sein sollte, was ihnen in Bezug auf tarifvorbehaltswidrige Betriebsvereinbarungen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts möglich ist, nämlich ihnen nachträglich zur Wirksamkeit zu verhelfen. Soweit ausnahmsweise Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes entgegenstehen sollten, kann diesen im personalvertretungsrechtlichen ebenso wie im betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenhang durch eine fallweise Begrenzung der Rückwirkung angemessen Rechnung getragen werden (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 20. April 1999 a.a.O. S. 259).
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Bestehen demnach gegen eine nachträgliche tarifvertragliche Aufhebung der Sperrwirkung keine prinzipiellen Bedenken, so bestehen sie auch nicht speziell gegen die Annahme, dass dies durch die Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens des gesamten Tarifvertrags statt durch Vereinbarung punktuell rückwirkender Tariföffnungsklauseln geschehen könne. Mit Blick auf den Wortlaut des § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG fordert das Bundesarbeitsgericht in Bezug auf Tariföffnungsklauseln zwar, dass die Zulassung einer Regelung durch die Betriebsparteien deutlich zum Ausdruck kommen muss (Urteil vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 191). In Bezug auf Tariföffnungsklauseln, die sich auf § 75 Satz 2 BlnPersVG stützen, dürfen trotz des in Teilen abweichenden Wortlauts dieser Vorschrift keine geringeren Anforderungen gelten. Sie werden durch die hier in Rede stehende Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 insofern unterschritten, als diese sich zur Frage des Beginns der Arbeitszeitmessung gänzlich ausschweigt. Das Deutlichkeitsgebot erhält indes seinen Sinn dadurch, dass mit der Tariföffnung im Sinne von § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG bzw. § 75 Satz 2 BlnPersVG ausnahmsweise eine Regelungsbefugnis auf Ebene des Betriebes bzw. der Dienststelle in einem Regelungsfeld eröffnet wird, das vom Grundsatz her tarifvertraglich belegt ist. Daher ist es schon aus Gründen der rechtsklaren Zuordnung beider Regelungsebenen geboten, für eine entsprechende Öffnung vorauszusetzen, dass sie unzweideutig zum Ausdruck gebracht wird; erst recht muss dies gelten, soweit Öffnungen nachträglich erfolgen und damit Rechtsverhältnisse in der Vergangenheit gestaltet werden sollen. In der hier vorliegenden Konstellation eines insgesamt rückwirkenden Inkrafttretens eines Tarifvertrages, der wie der TV-Charité das in Frage stehende Regelungsfeld vollständig ausspart, liegen die Dinge jedoch anders. Dieser stellt nachträglich eine tarifvertragliche Lage her, die, hätte sie von Beginn an bestanden, ohne weiteres einen sofort wirksamen Abschluss der Dienstvereinbarung ermöglicht hätte. Wegen der vollständigen Aussparung des fraglichen Regelungsfeldes auf tarifvertraglicher Ebene können anders als im Falle punktueller Tariföffnungsklauseln im Sinne von § 75 Satz 2 BlnPersVG Schwierigkeiten in der (nachträglichen) Zuordnung der Regelungsebenen von vorneherein nicht auftreten. Daher ist es unbedenklich, die Befugnis der Tarifvertragsparteien zur nachträglichen Beseitigung von Wirksamkeitshemmnissen gegen Dienstvereinbarungen nicht davon abhängig zu machen, dass deren Regelungsgegenstand ausdrücklich im Tarifvertrag bezeichnet wird. Den Tarifvertragsparteien steht es im Übrigen jederzeit frei, das betreffende Regelungsfeld wieder selbst durch tarifvertragliche Normierung zu belegen und hierdurch die Wirksamkeit der Dienstvereinbarung zu beenden (vgl. Fitting, a.a.O. § 77 Rn. 83).