Aktenzeichen 1 B 23/12
§ 67 Abs 4 VwGO
§ 117 Abs 2 Nr 6 VwGO
§ 124a Abs 6 VwGO
Leitsatz
1. Der Rechtsmittelführer ist in dem Beschluss über die Zulassung der Berufung über die Notwendigkeit der fristgebundenen Berufungsbegründung zu belehren (wie Urteile vom 30. Juni 1998 – BVerwG 9 C 6.98 – BVerwGE 107, 117 und vom 4. Oktober 1999 – BVerwG 6 C 31.98 – BVerwGE 109, 336 ).
2. Es ist nicht erforderlich, dass die Belehrung über die Berufungsbegründung von den Gründen des Zulassungsbeschlusses abgesetzt und mit einer gesonderten Überschrift versehen wird (wie Urteil vom 30. April 2009 – BVerwG 3 C 23.08 – BVerwGE 134, 41 Rn. 14).
3. Die Rechtsmittelbelehrung in einem Zulassungsbeschluss ist nicht deshalb unrichtig i.S.d. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, weil sie keinen Hinweis auf den Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO enthält (wie Urteil vom 15. April 1977 – BVerwG 4 C 3.74 – BVerwGE 52, 226 ).
Verfahrensgang
vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 9. August 2012, Az: 9 A 938/12, Beschlussvorgehend VG Wiesbaden, 25. Januar 2012, Az: 4 K 1277/11.WI(1)
Gründe
1
Die auf die Zulassungsgründe des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie einer Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
2
Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe die Berufung des Klägers zu Unrecht wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen. Denn der Beschluss vom 23. April 2012, mit dem der Verwaltungsgerichtshof die Berufung auf Antrag des Klägers zugelassen habe, enthalte keine (richtige) Rechtsbehelfsbelehrung. Die in dem Zulassungsbeschluss enthaltenen rechtlichen Hinweise auf die Fortsetzung des Verfahrens als Berufungsverfahren, ohne dass es der Einlegung einer Berufung bedürfe, die Notwendigkeit der Begründung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses, das Erfordernis eines bestimmten Antrags und der Anführung der Berufungsgründe sowie die Verlängerungsmöglichkeit der Begründungsfrist seien räumlich nicht von dem übrigen Text abgesetzt worden. Sie seien auch nicht mit einer sie als “Rechtsmittelbelehrung” bezeichnenden Überschrift versehen worden. Schließlich fehle der Hinweis auf den Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO. Daher sei die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO noch nicht abgelaufen. Dieses Vorbringen rechtfertigt aus keinem der geltend gemachten Gründe die Zulassung der Revision.
3
Zwar geht die Beschwerde – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts (BA S. 4) – im Ansatz zutreffend davon aus, dass der Rechtsmittelführer gemäß § 58 Abs. 1 VwGO in dem Beschluss über die Zulassung der Berufung über die Notwendigkeit der fristgebundenen Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 6 VwGO) zu belehren ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei zweistufig aufgebauten Rechtsmitteln, bei denen auf die erste Stufe der Einlegung die zweite Stufe einer fristgebundenen Begründung folgt, jeweils auch über die zweite Stufe, d.h. die Begründungsfrist, zu belehren (grundlegend Beschluss des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 1957 – BVerwG Gr.Sen. 1.57 – BVerwGE 5, 178 f.). Dies gilt erst recht, wenn von dem ursprünglich zweistufigen Rechtsmittel nur noch die zweite Stufe, nämlich die Begründung, übriggeblieben ist, weil es der Einlegung des Rechtsmittels selbst gemäß § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO nicht mehr bedarf (Urteile vom 30. Juni 1998 – BVerwG 9 C 6.98 – BVerwGE 107, 117 und vom 4. Oktober 1999 – BVerwG 6 C 31.98 – BVerwGE 109, 336 ; Beschlüsse vom 8. September 2000 – BVerwG 11 B 50.00 – und vom 23. Oktober 2000 – BVerwG 9 B 372.00 – Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 18).
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Entgegen der Annahme der Beschwerde ist es aber nicht erforderlich, dass die Belehrung über die Berufungsbegründung von den Gründen des Zulassungsbeschlusses abgesetzt und mit einer gesonderten Überschrift versehen wird. § 117 Abs. 2 Nr. 6 VwGO gilt für Urteile und findet für urteilsvertretende und in ihrer Bedeutung vergleichbare Beschlüsse zwar in seinem Kern, nicht hingegen in allen Einzelheiten Anwendung. So lässt sich der Vorschrift etwa auch für urteilsvertretende Beschlüsse nicht entnehmen, dass Tatbestand und Entscheidungsgründe voneinander abgesetzt werden müssten (Urteil vom 4. Oktober 1999 a.a.O. S. 343). Nichts anderes gilt für die Rechtsmittelbelehrung. Natürlich muss diese, auch wenn sie Bestandteil der Beschlussgründe ist, ihre Hinweis- und Belehrungsfunktion erfüllen. Sie darf deshalb nicht etwa in einer vielseitigen Begründung irgendwo versteckt werden, sondern sollte nach den sachlichen Erwägungen zur Begründung des Beschlusses an dessen Ende gerückt werden, kann sich aber durchaus vor einer Begründung der Kostenentscheidung und der Streitwertfestsetzung finden (Urteil vom 30. April 2009 – BVerwG 3 C 23.08 – BVerwGE 134, 41 Rn. 14).
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Die Rechtsmittelbelehrung in dem Zulassungsbeschluss vom 23. April 2012 ist auch nicht deshalb unrichtig i.S.d. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, weil sie keinen Hinweis auf den Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO enthält. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine Rechtsmittelbelehrung gemäß § 58 Abs. 1 VwGO nicht über einen gesetzlichen Vertretungszwang belehren muss, um die Rechtsmittelfrist in Lauf zu setzen (Urteil vom 15. April 1977 – BVerwG 4 C 3.74 – BVerwGE 52, 226 m.w.N.; Beschlüsse vom 27. August 1997 – BVerwG 1 B 145.97 – Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 67 = NVwZ 1997, 1211 und vom 7. Oktober 2009 – BVerwG 9 B 83.09 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 266 = NVwZ-RR 2010, 36).