Aktenzeichen 6 ZB 21.543
SG § 44 Abs. 3 S. 2, Abs. 4
SG § 55 Abs. 6 S. 2
Leitsatz
Verfahrensgang
W 1 K 20.1136 2021-01-19 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten wird abgelehnt.
II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. Januar 2021 – W 1 K 20.1136 – wird abgelehnt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 14.216,69 € festgesetzt.
Gründe
1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den nachfolgenden Gründen (bereits) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114, § 121 Abs. 1 ZPO).
2. Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
a) Der Kläger, ein Hauptgefreiter (Besoldungsgruppe A 4 Z), war zum 1. Oktober 2018 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden. Seit August 2019 befand sich der Kläger aus gesundheitlichen Gründen im Status „krank zu Hause“. Nach vorheriger Anhörung entließ das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden: Bundesamt) ihn mit Bescheid vom 29. April 2020 gemäß § 55 Abs. 2 SG wegen dauernder Dienstunfähigkeit aufgrund einer Leistungsfunktionsstörung mit Ablauf des 31. August 2020 aus der Bundeswehr. Dem Bescheid lagen truppenärztliche Feststellungen vom 22. Oktober und 18. Dezember 2019 sowie eine gutachterliche Stellungnahme der Beratenden Ärztin des Bundesamts vom 24. Januar 2020 zu Grunde. Der Bescheid wurde dem Kläger gegen Empfangsbekenntnis am 7. Mai 2020 zugestellt. Die vom Kläger erhobene Beschwerde wies das Bundesamt mit Bescheid vom 1. Juli 2020 zurück. Mit der daraufhin erhobenen Klage rügte der Kläger, dass der Entlassungsbescheid hinsichtlich der Entlassungsfrist zum 31. August 2020 dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gerecht werde, begehrte eine Änderung des Entlassungsdatums auf den 30. September 2020 und trug vor, dass ihm weitergehende versorgungsrechtliche Möglichkeiten sowie Ansprüche auf Berufsförderung und Übergangsbeihilfen zustünden, wenn er eine Dienstzeit von insgesamt zwei Jahren erfüllt hätte. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. Januar 2021 abgewiesen.
b) An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
aa) Nach § 55 Abs. 2 SG ist ein Soldat auf Zeit zu entlassen, wenn er dienstunfähig ist. § 44 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 SG gilt entsprechend. Nach § 44 Abs. 3 Satz 2 SG kann ein Soldat auch dann als dienstunfähig angesehen werden, wenn die Wiederherstellung seiner Fähigkeit zur Erfüllung seiner Dienstpflichten nicht innerhalb eines Jahres zu erwarten ist. Die Dienstunfähigkeit wird aufgrund des Gutachtens eines Arztes der Bundeswehr von Amts wegen oder auf Antrag festgestellt (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SG).
Ein Soldat auf Zeit ist zur Erfüllung seiner Dienstpflichten unfähig, wenn er den Anforderungen, die an ihn in seiner gegenwärtigen Dienststellung und in den wesentlichen Dienststellungen seines Dienstgrades gestellt werden, nicht ausreichend gerecht wird. Dauernd ist die Unfähigkeit zur Erfüllung der Dienstpflichten, wenn mit der Wiederherstellung dieser Fähigkeit auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2013 – 2 C 67.11 – juris Rn. 10, 11; BayVGH, B.v. 2.4.2013 – 6 ZB 12.2141 – juris Rn. 7; OVG NW, B.v. 26.7.2012 – 1 A 1775.10 – juris Rn. 9; Sohm in Eichen/Metzger/Sohm, Soldatengesetz, 4. Auflage 2021, § 55 Rn. 9).
bb) Gemessen an diesem Maßstab hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass der Kläger nach den truppenärztlichen Feststellungen dauerhaft dienst- und verwendungunfähig ist und damit die Entlassung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit die zwingende Rechtsfolge der Bestimmung des § 55 Abs. 2 SG ist. Einwendungen gegen die Feststellung seiner Dienst- und Verwendungsunfähigkeit hat der Kläger nicht dargelegt.
cc) Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend ausgeführt, dass die in der Entlassungsverfügung vom 29. April 2020 bestimmte Entlassungsfrist zum 31. August 2020 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 55 Abs. 6 Satz 2 SG muss die Entlassungsverfügung dem Soldaten in den Fällen des § 55 Abs. 2 SG wenigstens drei Monate vor dem Entlassungstag unter schriftlicher Angabe der Gründe zugestellt werden. Diese Vorschrift hat das Bundesamt eingehalten. Die Entlassungsverfügung wurde dem Kläger unter schriftlicher Angabe der Gründe gegen Empfangsbekenntnis am 7. Mai 2020 und damit mehr als drei Monate vor dem Entlassungstag 31. August 2020 zugestellt.
Das Bundesamt hat auch die die gesetzliche Regelung (im Sinne der Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG) ergänzenden Vorgaben der ZDv A-1420/20 und ZDv A-1350/67 beachtet. Nach Nr. 1301 der ZDv A-1420/20 muss die Entlassung eines Soldaten auf Zeit mit Wirkung vom Ablauf eines bestimmten Kalendertages verfügt werden, der wenigstens drei Monate nach dem voraussichtlichen Zugang der Entscheidung an den Soldaten (hier am 7. Mai 2020) liegt. Der Entlassungstag ist auf das Ende der drei Monate zu legen, die auf den Monat folgen, in dem die Entlassungsverfügung dem Soldaten zugeht. Das auf den 31. August 2020 festgesetzte Entlassungsdatum des Klägers entspricht diesen Vorgaben. Auch Nr. 702 der ZDv A-1350/67 steht dem auf den 31. August 2020 festgesetzten Entlassungstag nicht entgegen. Danach ist von der Entlassung eines Soldaten abzusehen, wenn seine Dienstzeit innerhalb des nächsten halben Jahres abläuft. Läuft innerhalb des nächsten halben Jahres die Dienstzeit eines Soldaten auf Zeit zwar nicht ab, würde der Soldat aber eine Dienstzeit von (mindestens) vier Jahren vollenden, so ist er erst nach Vollendung dieser Dienstzeit zu entlassen. Diese Voraussetzungen liegen offenkundig nicht vor. Der Kläger ist erst am 1. Oktober 2018 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden. Seine Dienstzeit war auf vier Jahre festgesetzt worden und wäre somit erst am 30. September 2022 abgelaufen.
Eine Anspruchsgrundlage für eine weitergehende Verlängerung der Entlassungsfrist des Klägers, der sich bereits seit August 2019 aus gesundheitlichen Gründen im Status „krank zu Hause“ befand, ist nicht erkennbar. Dies gilt auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die Fürsorgepflicht des Dienstherrn und die Vorschrift des § 86a SVG. Letztere setzt für einen Anspruch auf Arbeitslosenbeihilfe Arbeitslosigkeit nach Beendigung einer Wehrdienstzeit von mindestens zwei Jahren voraus; diese hätte der Kläger erst am 30. September 2020 erreicht. Entgegen der Auffassung der Zulassungsbegründung war das Bundesamt auch aus Gründen der Fürsorgepflicht nicht gehalten, den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der zum 31. August 2020 ausgesprochenen Entlassung so zu bestimmen, dass der Kläger eine Wehrdienstzeit von mindestens zwei Jahren hätte vollenden können. Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 1983 (6 C 122.82 – juris) ergibt sich nichts Anderes. Nach dieser Entscheidung tritt mit dem Erlass der Entlassungsverfügung das Soldatenverhältnis inhaltlich in ein Stadium der „Abwicklung“ ein, in dem unter anderem die Fürsorgepflicht des Dienstherrn insofern uneingeschränkt fortbesteht, als bereits begründete Ansprüche des Betroffenen zu erfüllen sind, in dem es diese Pflicht dem Dienstherrn aber nicht mehr gebietet, den Betroffenen zu fördern oder in seiner Person die Voraussetzungen für weitere Ansprüche zu schaffen (BVerwG, a.a.O., Rn. 15).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).