Aktenzeichen 9 ZB 15.790
Leitsatz
1. Es widerspricht weder § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB noch der gesetzgeberischen Intention dieser Regelung, Gärreste aus einer Biogasanlage als Dünger zu verwenden und Gärreste in einer einem landwirtschaftlichen Betrieb dienenden Menge dort in einer baulichen Anlage zwischenzulagern, wo sie alsbald als Dünger verwendet werden sollen. (Rn. 9) (red. LS Alexander Tauchert)
2. Ob dem die Gärreste abnehmenden Landwirt eine vertragliche Abnahmeverpflichtung trifft, ist unerheblich, solange und soweit die Gärreste vernünftigerweise zum Zweck der Düngung eigener Flächen verwendet werden. (Rn. 9) (red. LS Alexander Tauchert)
Verfahrensgang
5 K 14.711 2015-02-27 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,– Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine dem Beigeladenen vom Landratsamt Rhön-Grabfeld unter Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens mit Bescheid vom 17. Juni 2014 erteilte Baugenehmigung für die „Errichtung eines Behälters zur Lagerung von Gärresten aus der Biogasanlage“ auf dem Grundstück FlNr.… Gemarkung B…
Der Beigeladene bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Ackerbaubetrieb mit ca. 240 ha Ackerfläche. Nach seinem Bauantrag ist der Gärrestebehälter vorgesehen für die Lagerung von Gärresten, die von ihm in seinem landwirtschaftlichen Betrieb als Düngemittel ausgebracht werden sollen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Februar 2015 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen geltend gemachter ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
1. Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin als Rechtsmittelführerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Verwaltungsgericht ist bei seiner Sachverhaltswürdigung davon ausgegangen, dass das Vorhaben des Beigeladenen bauplanungsrechtlich nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zu beurteilen ist. Es hat insoweit darauf abgestellt, dass das Vorhaben keinen dem Betrieb der Biogasanlage B** … zuzuordnenden Gärrestebehälter umfasst, sondern einen dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen dienenden Behälter zur Zwischenlagerung von Düngemitteln bis zum endgültigen Ausbringen auf seinen landwirtschaftlichen Flächen. Hierbei hat es berücksichtigt, dass nach der zum Bauantrag des Beigeladenen eingereichten Betriebsbeschreibung vom 27. November 2013 und seinem ergänzenden Schreiben vom 12. März 2014 der beantragte „Güllebehälter“ ausschließlich dazu dienen soll, die aus der Beteiligung des Beigeladenen an der Biogasanlage B** … mit einer jährlichen Liefermenge von ca. 2.000 bis 2.200 Kubikmeter Biomasse von ihm abzunehmenden Gärsubstrate aufzunehmen und bis zum endgültigen Ausbringen auf seinen landwirtschaftlichen Flächen zwischenzulagern. Der Behälter solle nach den Angaben des Beigeladenen nicht dazu dienen, Substrate Dritter oder andere Substrate, wie z.B. Gülle, aufzunehmen. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bad Neustadt an der Saale habe in seiner Stellungnahme vom 28. Januar 2014 gegenüber dem Landratsamt bestätigt, dass die landwirtschaftlichen Nutzflächen des Beigeladenen die Ausbringung des Gärsubstrats als Wirtschaftsdünger ohne weiteres zulassen würden und die Obergrenze der Düngeverordnung nur zu 20% bis 25% ausgeschöpft werde. Diese Bewertung des Verwaltungsgerichts unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln.
Die Klägerin stellt in ihrem Zulassungsvorbringen weder den Düngewert von Gärresten für den landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen in Frage noch dessen Absicht, die Gärreste auf seinen Feldern als Dünger auszubringen. Weshalb die Gärreste aus der Biogasanlage bis zum Düngeauftrag auf die Felder unter den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB fallen müssten, wie die Klägerin meint, erschließt sich daher nicht. Die Begriffe „Anlieferbetrieb“ und „Basisbetrieb“ stehen im Zusammenhang mit der Regelung in § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b BauGB. Danach ist ein Vorhaben für die energetische Nutzung von Biomasse u.a. nur unter der Voraussetzung im Außenbereich zulässig, dass die Biomasse überwiegend aus dem Betriebsstand, dem die Biogasanlage zugeordnet ist (Basisbetrieb) oder überwiegend aus diesem und nahegelegenen Betrieben (Anlieferbetriebe) stammt (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB Stand 1. September 2019, § 35 Rn. 59 d). Um die Herkunft der Biomasse, die energetisch genutzt werden soll, geht es vorliegend gerade nicht, sondern um die Abnahme und Lagerung von Gärresten durch einen landwirtschaftlichen Betrieb zur Verwendung als Dünger. Aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Regierungsentwurf zum EAG-Bau (vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 55) ergibt sich nichts anderes. Danach soll „die Einschränkung auf nahe liegende Betriebe aus ökologischen und auch aus volkswirtschaftlichen Gründen einen überregionalen Transport des Rohmaterials verhindern“. Wie bereits ausgeführt wurde, geht es vorliegend nicht um den „Transport des Rohmaterials“, also der Biomasse zur energetischen Nutzung, sondern um den Abtransport von Gärresten und deren (Zwischen-)Lagerung zur sinnvollen Weiterverwendung als Dünger.
Dem Zulassungsvorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, warum der vom Beigeladenen beantragte „Güllebehälter“ entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts als der „einem Betrieb der Biogasanlage immanente Gärrestebehälter“ anzusehen sein sollte. Dass die Biogasanlage in B** … über keinen, den Vorgaben des EEG entsprechenden und ausreichend dimensionierten Gärrestebehälter an ihrem Standort verfügt, lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen. Es wird lediglich pauschal behauptet, bei einer überregionalen Biogasanlage bedürfe es neben den Gärrestebehältern, die Bestand der Biogasanlage seien, der Errichtung einer Vielzahl weiterer Gärrestebehälter an den jeweiligen Hofstellen, die an eine Biomasseanlage liefern würden.
Ebenso wenig ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin, dass die Biogasanlage nicht nutzbar ist, ohne dass der hier zur Genehmigung gestellte „Güllebehälter“ ihr zur Verfügung steht. Wie sich vielmehr dem Schreiben des Maschinenrings Energie B** … GmbH & Co. KG als Betreiber der Biogasanlage vom 2. Dezember 2013 entnehmen lässt, wird der vom Beigeladenen zurückzunehmende Gärresterückstand bereits eine Verweilzeit von ca. 180 Tagen in der Biogasanlage verbracht haben und ist die Vergärung bis zu diesem Zeitpunkt nahezu vollständig durchgeführt worden (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EEG 2012 bzw. § 9 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EEG 2017). Das Zulassungsvorbringen beschränkt sich demgegenüber darauf, aus der unstreitig fehlenden Privilegierung der Biogasanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB die fehlende Privilegierung der „Rückverschickung“ von Gärresten aus dieser Anlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 6 BauGB abzuleiten, ohne zu berücksichtigen, dass diese hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht in einem notwendigen funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb der Biogasanlage steht, sondern ausschließlich dazu erfolgen soll, um diese Gärreste als Dünger für einen landwirtschaftlichen Betrieb zu verwenden. Dass dieser landwirtschaftliche Betrieb zugleich ein Anlieferbetrieb dieser Biogasanlage ist, ändert daran nichts.
b) Aus dem Vorbringen der Klägerin zum Tatbestandsmerkmal des „Dienens“ im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ergeben sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel am verwaltungsgerichtlichen Urteil. Wie bereits oben ausgeführt wurde, widerspricht es weder § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB noch der gesetzgeberischen Intention dieser Regelung, Gärreste aus einer Biogasanlage als Dünger zu verwenden und Gärreste in einer einem landwirtschaftlichen Betrieb dienenden Menge dort in einer baulichen Anlage zwischenzulagern, wo sie alsbald als Dünger verwendet werden sollen. Ob dem die Gärreste abnehmenden Landwirt eine vertragliche Abnahmeverpflichtung trifft, ist unerheblich, solange und soweit die Gärreste – wie hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts – vernünftigerweise zum Zweck der Düngung eigener Flächen verwendet werden.
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen, lassen sich nach den obigen Ausführungen, soweit sie entscheidungserheblich sind, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären.
3. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) scheidet ebenfalls aus. Die für grundsätzlich bedeutsam erachteten Fragen, ob „Gärrestebehälter an Beschickerhofstellen überregionaler industrieller Biogasanlagen, die deshalb erforderlich werden, da nach entsprechender Vereinbarung anteilig Gärsubstrate vom beschickenden Landwirt abgenommen werden müssen, privilegiert im Außenbereich errichtet werden dürfen“ und ob „der Gesetzgeber die durch das EAG 2004 eingeführte Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB auch für isolierte Gärrestebehälter, die deshalb erforderlich werden, da nach entsprechender Vereinbarung anteilig Gärsubstrate vom beschickenden Landwirt abgenommen werden müssen und die sonst regelmäßig Bestandteil der Biogasanlage selbst sind, eine Entscheidung über eine mögliche Privilegierung im Außenbereich getroffen hat“, sind mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärungsfähig. Das Verwaltungsgericht ist weder davon ausgegangen, dass das Vorhaben deshalb erforderlich ist, weil der Beigeladene Gärsubstrate aus einer Biogasanlage abnehmen muss noch das gegenständliche Vorhaben eine Anlage umfasst, die „sonst regelmäßig Bestandteil der Biogasanlage selbst“ ist. Entscheidungserheblich hat das Verwaltungsgericht vielmehr allein darauf abgestellt, dass der bauaufsichtlich genehmigte Behälter dem Beigeladenen die Zwischenlagerung von Gärsubstrat als Wirtschaftsdünger bis zum Ausbringen auf seine landwirtschaftlichen Flächen ermöglicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).